Entscheidungsdatum
22.11.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W123 2151312-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2017, Zl. 1086391403-151307077, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am 10.09.2015 durch ein Organ der Landespolizeidirektion Niederösterreich durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er in Afghanistan in der Provinz Bamiyan geboren worden sei und ab etwa dem fünften Lebensjahr in XXXX, Iran, gelebt habe. Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er den Iran habe verlassen müssen, da der Beschwerdeführer Probleme mit seinem Vater gehabt habe. Sein Vater habe vom Beschwerdeführer verlangt, dass er arbeiten gehe. Der Beschwerdeführer hingegen habe die Schule besuchen wollen.
3. Am 08.09.2016 erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Die Niederschrift lautet auszugsweise:
"LA: Bitte geben Sie so genau wie möglich die Adresse im Heimatland an, an der Sie zuletzt gelebt haben?
VP: Ich bin im Iran geboren. Ich war noch nie in Afghanistan.
[...]
"LA: Haben Sie noch Angehörige in Ihrer Heimat?
VP: Nein.
LA: Woher stammt Ihre Familie?
VP: Weiß ich nicht.
LA: Provinz?
VP: Provinz Bamyan, die Adresse weiß ich nicht.
[...]
LA: Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?
VP: In Afghanistan, weiß ich nicht warum er - mein Vater, Afghanistan verlassen hat. Aber im Iran hatte ich wirtschaftliche Probleme."
[...]
LA: Welcher Volksgruppe / Religion gehören Sie an?
VP: Ich bin Moslem/Shiite und Hazara.
LA: Welche Schulbildung/Ausbildung haben Sie?
VP: Ich habe 10 Jahre die Schule besucht. Auf Nachfrage, die Schule war in XXXX, im 24 XXXX. Schule XXXX. Auf Nachfrage, ging ich von meinem 3. bis 13 Lebensjahr zur Schule.
LA: Sie waren im 3. Lebensjahr als Sie mit der Schule begonnen haben?
VP: Ich habe begonnen vom Kindergartenalter zu zählen.
LA: Wann haben Sie die Schule besucht?
VP: Insgesamt habe ich 10 Jahre eine Schule besucht.
[...]
LA: Haben Sie noch Kontakt ins Heimatland? (telefonisch, e-mail, postalisch, etc.)
VP: Ein paar Freunde von mir sind vom Iran nach Afghanistan, mit denen habe ich Kontakt. Auf Nachfrage, leben Sie in Kabul. Ich rufe sie ab und zu an, ich kann nicht genau angeben wie oft.
LA: Was war der Inhalt dieser Gespräche? Haben diese den Fluchtgrund betroffen oder waren es nur private Gespräche
VP: Wohlbefinden. Auf Nachfrage, sie besuchen eine Schule in Kabul.
[...]
LA: War Ihre Flucht schlepperunterstützt?
VP: Ja.
LA: Wie hoch waren die Kosten?
VP: 2 500 USD.
LA: Woher hatten Sie das Geld?
VP: Ich habe gearbeitet im Iran. Auf Nachfrage, ich war auf der Baustelle, Hilfsarbeiter.
[...]
LA: Hatten Sie aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit Probleme in der Heimat?
VP: Nein.
LA: Würden Sie nun bitte alle Ihre Gründe für die Asylantragstellung hier in Österreich ausführlich darlegen? Versuchen Sie Ihre Gründe nach Möglichkeit so detailliert darzulegen, dass diese für eine unbeteiligte Person auch zu verstehen sind. Was ist alles passiert? Warum konnten oder wollten Sie nicht mehr in der Heimat bleiben? Was haben Sie alles erlebt? Wie hat alles begonnen? Wie hat sich alles entwickelt?
VP: Ich weiß nichts, seit mein Vater aus Afghanistan geflüchtet ist. Ich kann nichts angeben. Ich weiß nichts zu Afghanistan.
LA: Sie haben keine fluchtgründe zu Ihrem Herkunftsland Afghanistan?
VP: Nein, ich habe keine. Ich müsste dann meinen Vater nachfragen.
LA: Hatten sie noch weitere Fluchtgründe?
VP: Afghanistan habe ich keine Informationen, nein.
LA: Was war für Sie der ausschlaggebende Grund für die Flucht?
VP: ich wollte in die Schule gehen. Ich hatte Probleme mit meinem Vater, er wollte mich zwingen arbeiten zu gehen, deshalb hatte ich Probleme im Iran.
LA: Sie gingen arbeiten.
VP: Ich wurde gezwungen.
LA: Was würden Sie im Fall einer Rückkehr in Ihrem Heimatstaat befürchten? Was würde Sie dort erwarten?
VP: ich weiß nicht wohin ich soll, ich habe keinen Platz dort.
LA: Zu Ihren Freunden in Kabul?
VP: Man kann doch nicht bei seinen Freunden leben."
4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer keine Fluchtgründe für sein Herkunftsland Afghanistan vorgebracht habe. Dem Beschwerdeführer stehe eine interne Fluchtalternative für die Stadt Kabul offen, da der Beschwerdeführer dort über soziale Anknüpfungspunkte (Freunde aus dem Iran) verfüge.
5. Am 23.03.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA in vollem Umfang. Die belangte Behörde habe es gänzlich außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Flucht sein ganzes Leben im Iran verbracht habe. Sie habe sich nicht einmal mit der Tatsache auseinander gesetzt, dass der Beschwerdeführer über keine Sozialisierung in Afghanistan verfüge. Der Beschwerdeführer habe seine ganze Sozialisation und persönliche Entwicklung im Iran erfahren, wo er aufhältig gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei nie in Afghanistan gewesen; er kenne das Land nicht. Der Beschwerdeführer habe daher keine sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan und eine Rückkehr nach Afghanistan wäre daher eine Verletzung von Art. 3 EMRK.
6. Am 27.03.2017 langte eine Beschwerdeergänzung ein, in der der Beschwerdeführer auf die Situation der - durchwegs schiitischen - Hazara in Afghanistan hinwies und vorbrachte, dass der bekämpfte Bescheid überhaupt keine klaren Feststellungen dazu enthalten habe. Mit ihren rechtlichen Ausführungen verkenne die belangte Behörde, dass die Zugehörigkeit zu einer ethnisch-religiös definierten Volksgruppe (schiitischer Hazara) einen Asylgrund darstelle. Ferner wies der Beschwerdeführer daraufhin, dass Waisen, Straßenkinder und auf sich allein gestellte Jugendliche eine "soziale Gruppe" im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen würden.
7. Am 09.11.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:
"Der BF verweist auf das bisherige Vorbringen und die bereits vorgelegten Bescheinigungsmittel. Der BF gibt ergänzend an:
Bei der Erstbefragung habe ich angegeben, dass ich im Iran geboren bin. Jedoch steht in der Niederschrift, dass ich in Afghanistan geboren und als Kind in den Iran gebracht worden bin. Ich kann mich nicht erinnern, diese Aussage in dieser Form getätigt zu haben. Vielleicht wurde eine Vorlage benutzt und meine Aussagen dementsprechend nicht richtig aufgenommen. Bei der Einvernahme vor dem BFA wiederholte der Referent manche Fragen mehrmals, dies führte dazu, dass ich meine Hand auf den Tisch legte und sagte, dass diese Aussage nicht stimmen kann. Der Referent hat meine Handbewegung jedoch falsch interpretiert, indem er im Protokoll aufgenommen hat, dass ich auf den Tisch geschlagen hätte. Das war niemals meine Absicht.
[...]
R: Wo sind sie jetzt genau geboren und aufgewachsen?
BF: Ich bin im Iran, in XXXX geboren und im Iran aufgewachsen.
R: Waren Sie jemals in Afghanistan?
BF: Nein.
R: Haben Sie die Schule im Iran besucht?
BF: Ja, ich bin ca. vier bis fünf Jahre im Iran zur Schule gegangen. Jedoch wurde ich aus der Schule geworfen, weil ich keine Aufenthaltsdokumente besessen habe.
R: Haben Sie im Iran gearbeitet?
BF: Ja
R: Was genau?
BF: Ich habe am Bau gearbeitet.
R: Wie lange?
BF: Es ist schwierig zu sagen, wie lange und in welchem Zeitraum ich als Bauarbeiter tätig gewesen bin. Ich vermute allerdings, dass ich ca. sieben bis acht Jahre am Bau gearbeitet habe.
[...]
R: Welche Familienangehörige haben Sie und wo leben die?
BF: Ich habe einen Vater und eine Stiefmutter sowie drei Stiefschwestern und zwei Stiefbrüder. Ich habe keine leibliche Mutter und keine leiblichen Geschwister. Diese angehörigen leben in XXXX.
R: Haben Sie mit diesen Kontakt?
BF: Mit meinem Vater stehe ich nicht in Kontakt. Mit meiner Stiefmutter nehme ich manchmal Kontakt auf. Ich weiß nicht, wo meine leibliche Mutter ist. Da ich mit meinem Vater kein Verhältnis habe, ist dementsprechend der Kontakt zu meiner Stieffamilie auch eher gering.
R: Warum haben Sie zu Ihrem Vater kein Verhältnis?
BF: Als ich aus der Schule geworfen wurde, wollte ich eigentlich nicht arbeiten. Ich wollte mich darum bemühen, weiterhin in die Schule zu gehen. Jedoch wurde ich von meinem Vater gezwungen, am Bau zu arbeiten. Seither hat sich unser Verhältnis mit der Zeit verschlechtert und letztendlich ist unsere schlechte Beziehung der Grund für meine Ausreise geworden.
R: Wie geht es Ihrer Stieffamilie finanziell?
BF: Ich weiß nicht, wie viel Geld sie haben. Ich habe von ihnen nie Geld bekommen, aber sie erwarteten von mir Geld. Sie werden wohl irgendwie klarkommen.
R: Was arbeitet Ihr Vater beziehungsweise Ihre Stiefmutter im Iran?
BF: Mein Vater arbeitet auch auf Baustellen und meine Stiefmutter ist Schneiderin.
R: Was ist mit Ihrer leiblichen Mutter geschehen?
BF: Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber mein Vater hat sich von ihr scheiden lassen.
R: Haben Sie Familienangehörige in Afghanistan?
BF: Nein.
R: Freunde schon?
BF: Ja.
R: ist es richtig, dass die in Kabul leben?
BF: Ja.
R: In der Stadt Kabul?
BF: Ja.
R: Wie viele Freunde haben Sie dort in Kabul?
BF: Drei.
R: Mit denen haben Sie nach wie vor Kontakt?
BF: Ja.
R: Was machen die in Kabul?
BF: Sie sind Studenten.
R: Haben Sie keine Onkel und Tanten?
BF: In Afghanistan gibt es keine Verwandte. Ich habe einen Onkel und eine Tante väterlicherseits. Sie leben im Iran. Ich weiß nicht, ob meine leibliche Mutter Geschwister hatte, aber meine Stiefmutter hat Brüder, die auch im Iran leben.
R: Wissen Sie, wie es ihrem Onkel und ihrer Tante väterlicherseits finanziell geht?
BF: Ich weiß nichts über ihre wirtschaftliche Situation.
R: Leben die auch in XXXX?
BF: Mein Onkel ist in XXXX und meine Tante in Teheran.
[...]
R: Wissen Sie, wann Ihr Vater Ihre leibliche Mutter verlassen hat? War das noch in Afghanistan?
BF: Das war im Iran, aber ich weiß nicht, wie und weshalb sie sich getrennt haben.
R: Das heißt Ihr Vater ist auch schon im Iran geboren?
BF: Das weiß ich nicht.
R: Sie wissen nicht, ob Ihre Eltern in Afghanistan geboren wurden?
BF: Das weiß ich nicht.
R: Ihr Vater hat mit Ihnen niemals über seine Eltern gesprochen?
BF: Nein.
R: Schildern Sie nochmals, warum Sie den Iran verlassen haben.
BF: Ich wollte eigentlich in die Schule gehen und eine Ausbildung bekommen, aber das war dort nicht möglich. Außerdem hatte ich Probleme und ein schlechtes Verhältnis mit meinem Vater. Jedes Mal wenn ich nach Hause gegangen bin, wurde ich sehr schlecht behandelt. Ich konnte auch nicht draußen bleiben, weil ich niemanden hatte. Aber der Hauptgrund für meine Ausreise aus dem Iran war, dass ich Schulbildung bekommen wollte.
R: Haben Sie irgendwelche Fluchtgründe bezüglich Ihres Herkunftsstaates Afghanistan?
BF: In Afghanistan gibt es ja viele Probleme, aber ich bin nie dort gewesen und möchte auch niemals nach Afghanistan gehen.
R: Was befürchten Sie bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan, beispielsweise in die Hauptstadt Kabul?
BF: Ich habe in Afghanistan niemanden, der mir eine Bleibe zur Verfügung stellen könnte beziehungsweise mich unterstützen könnte. Ich müsste auf der Straße leben, wo natürlich die Gefahr besteht, dass ich Drogenabhängig werde oder bei einem Selbstmordattentat ums Leben komme. Ich könnte in Afghanistan keinen Schutz bekommen.
R: Was ist mit Ihren Freunden in Kabul? Die leben auch alleine dort oder?
BF: Meine Freunde wurden von ihren Eltern nach Kabul geschickt, um dort zu studieren. Ihre Eltern unterstützen sie finanziell. Meine Situation unterscheidet sich massiv von der meiner Freunde. Ich werde von niemandem Unterstützung bekommen.
R: Das heißt, die Eltern Ihrer Freunde leben nach wie vor im Iran?
BF: Ja."
8. Am 17.11.2017 nahm der Beschwerdeführer zu den Länderberichten, die ihm im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übergeben wurden, Stellung.
Der Beschwerdeführer sei im Iran geboren und habe sein gesamtes Leben dort verbracht. Der Beschwerdeführer verfüge in Afghanistan über keine sozialen und familiären Anknüpfungspunkte. Aus den Länderberichten sei ersichtlich, dass Kabul immer wieder von Attentaten erschüttert werde. Ferner wurde auf den Artikel von XXXX, "Überleben in Afghanistan?". Bezüglich der schlechten Versorgungslage für Rückkehrer ohne Familienrückhalt wies der Beschwerdeführer auf ein Gutachten von Dr. XXXX vom 23.10.2015 sowie auf das Referat von XXXX vom 12.04.2017 hin.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer ist im Iran, XXXX, geboren und aufgewachsen und hat dort insgesamt zehn Jahre die Schule besucht. Ferner hat der Beschwerdeführer insgesamt ca. sieben bis acht Jahre am Bau gearbeitet. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben im Iran. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Stiefmutter gelegentlich Kontakt. Der Beschwerdeführer war niemals in Afghanistan und hat dort auch keine Familienangehörigen in Afghanistan. Der Beschwerdeführer verfügt über drei Freunde, die in der Hauptstadt Kabul leben. Die drei Freunde des Beschwerdeführers sind vom Iran nach Afghanistan, Hauptstadt Kabul, gezogen und leben dort ohne Familienangehörige; deren Eltern leben weiterhin im Iran.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich. Der Beschwerdeführer spricht schon Deutsch und hat einige Fragen des Richters in der mündlichen Verhandlung auf Deutsch verstanden. Jedoch konnte der Beschwerdeführer kein Deutschzertifikat vorweisen. Der Beschwerdeführer hat bei einer österreichischen Familie, die mehrere Tankstellen besitzt, auf einer Tankstelle unentgeltlich gearbeitet. Sonstige ehrenamtliche Arbeiten führte der Beschwerdeführer nicht aus. Der Beschwerdeführer ist nicht im Besitze einer schriftlichen Einstellungszusage eines Dienstgebers. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer hat österreichische Freunde. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer ist gesund.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden würde.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die Stadt Kabul ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Bei einer Rückkehr kann er mit finanzieller Hilfe seiner im Iran lebenden Familienangehörigen rechnen. Ferner kann der Beschwerdeführer mit der Unterstützung seiner drei in Kabul befindlichen Freunde rechnen, womit ihm aber der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich ist. Seine Existenz könnte er dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
Der Beschwerdeführer kann die Stadt Kabul von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.
1.2. Zum Herkunftsstaat:
Staatendokumentation (Stand 02.03.2017 inklusive integrierter Kurzinformation vom 25.09.2017)
KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).
Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).
Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).
Sicherheitsrelevante Vorfälle
In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).
Zivilist/innen
Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).
Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).
Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)
(UNAMA 7.2017)
High-profile Angriffe
Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).
Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:
Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).
Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).
"Green Zone" in Kabul
Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).
Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).
Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).
Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).
ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).
Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).
Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
Taliban
Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.
Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).
Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).
Politische Entwicklungen
Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).
Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)
Distrikt Kabul
Gewalt gegen Einzelpersonen
21
Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe
18
Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen
50
Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften
31
Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt
28
Andere Vorfälle
3
Insgesamt
151
(EASO 11.2016)
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Provinz Kabul
Gewalt gegen Einzelpersonen
5
Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe
89
Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen
30
Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften
36
Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt
1
Andere Vorfälle
0
Insgesamt
161
(EASO 11.2016)
Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).
Erhaltungskosten in Kabul
Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).
Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan
Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).
Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:
Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).
Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vgl. auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu Identität, Sprachkenntnissen, Herkunft und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Iran, XXXX, geboren und aufgewachsen ist, gründet sich auf die glaubhaften Angaben in der Einvernahme vor dem BFA sowie dem Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer hat im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar dargestellt, warum es zu dem Missverständnis in der Erstbefragung gekommen ist. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer insgesamt 10 Jahre die Schule im Iran besucht hat (und nicht lediglich ca. 4-5 Jahre) gründet sich auf die glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA. Der Beschwerdeführer hat dort zweimal explizit angeben, dass er insgesamt 10 Jahre die Schule besucht habe. Warum der Beschwerdeführer plötzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht ausführt, dass er nur 4-5 Jahre im Iran zur Schule gegangen sei, erschließt sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat weder im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA, noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht asylrelevante Gründe nach der GFK vorgebracht, zumal der Beschwerdeführer sich nie in Afghanistan aufgehalten hat. Allfällige fluchtauslösende Ereignisse beziehen sich ausschließlich auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Iran und sind schon aus diesem Grunde nicht von asylrechtlicher Relevanz (siehe dazu unten, 3., rechtliche Beurteilung).
Der Beschwerdeführer hat zudem auf die explizite Frage des BFA, ob er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit Probleme in der Heimat gehabt habe, mit "Nein" geantwortet. Das Vorbringen in der Beschwerdeergänzung, wonach schiitische Hazara diskriminiert seien, fällt daher unter das Neuerungsverbot (siehe dazu ausführlich unten, 3., rechtliche Beurteilung).
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Es wurde vor allem Einsicht genommen in folgende Erkenntnisquelle des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017:
Sicherheitslage Kabul; Erhaltungskosten in Kabul, Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquelle sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).
§ 28 VwGVG ("Erkenntnisse") regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[...]"
Zu Spruchpunkt A)
1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (