TE OGH 2017/11/14 10Ob32/17d

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Veröffentlicht am 14.11.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. B*****, und 2. Mag. A***** beide *****, beide vertreten durch Dr. Herbert Wabnegg, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien I*****, vertreten durch Mag. Hubert Hohenberger, Rechtsanwalt in Schwechat, gegen die beklagten Parteien 1. P*****, 2. S*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Markus Fidler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 2.500 EUR) und Beseitigung (Streitwert 3.500 EUR), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2017, GZ 22 R 148/16v-65, mit dem infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 13. Mai 2016, GZ 4 C 422/14p-57, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Soweit die Beklagten das Berufungsurteil gesondert auch im Kostenpunkt anfechten („Kostenrekurs“), wird das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden (samt der Kostenentscheidung) aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu Punkt I des Spruchs:

Die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz im Kostenpunkt ist mangels Erwähnung in § 519 ZPO jedenfalls unanfechtbar (RIS-Justiz RS0075211). Nach ständiger Rechtsprechung kann die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz im Kostenpunkt daher weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden (RIS-Justiz RS0044233; RS0053407). Das als „Kostenrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

Zu Punkt II des Spruchs:

Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der von der P*****gasse aus gesehen rechts gelegenen Liegenschaft EZ ***** GB *****, Grundstück 1686/2, die sie mit Kaufvertrag vom 6. 11. 1991 von der Nebenintervenientin erworben haben.

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der von der P*****gasse aus gesehen links gelegenen Liegenschaft EZ ***** GB *****, Grundstück 1686/1, die sie mit Kaufvertrag vom 4. 4. 2014 vom Bruder der Nebenintervenientin erworben haben.

Beide Grundstücke sind nicht im Grenzkataster eingetragen. In der Natur werden die Grundstücke durch einen auf einem betonierten Fundament errichteten Zaun voneinander abgegrenzt.

Die Kläger begehren unter Berufung auf ihr Recht als Eigentümer von den Beklagten die Beseitigung jener Teile des von ihnen errichteten Zaunes und der Garage, die sich auf der Klagsliegenschaft befinden, sowie die künftige Unterlassung jeglicher nicht genehmigter Errichtung von Zäunen oder Bauwerken auf der Klagsliegenschaft.

Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, bringen die Kläger zusammengefasst vor, sie hätten an der in der Grundstücksmappe veranschaulichten Fläche Eigentum erworben. Der Kaufvertrag sei anhand der Grundbuchsmappe und des Grundsteuerkatasters erstellt worden. Aufgrund dieser – dem Kaufvertragsabschluss zugrunde gelegten – Unterlagen habe sich der gemeinsame Parteiwille der Vertragsparteien auf die in diesen Unterlagen zum Ausdruck kommenden „Papiergrenzen“ gerichtet. Im Zuge der Errichtung ihres Wohnhauses hätten sie dann aber feststellen müssen, dass die Breite ihres Grundstücks (in Form eines von der P*****gasse aus gesehen spitz zulaufenden Dreiecks) vermindert sei. Der von den Beklagten zur Trennung der beiden Liegenschaften errichtete Zaun befinde sich nahezu zur Gänze und die von den Beklagten errichtete Garage befinde sich zu einem Teil auf dem Grundstück der Kläger. Dieser Überbau stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Eigentumsrecht dar; infolge des erfolgten Eingriffs werde Wiederholungsgefahr vermutet. Da im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch die Beklagten noch keine sichtbare natürliche Grenze – zumindest zur Klagsliegenschaft – bestanden habe, scheide ein Erwerb der Beklagten entsprechend den nunmehr vorhandenen natürlichen Grundstücksgrenzen aus. Auch eine Ersitzung durch die Beklagten scheide aus, da die erforderliche Ersitzungszeit von 30 Jahren noch nicht abgelaufen sei. Letztlich hätten die Beklagten auch nicht durch Bauführung gemäß § 418 Satz 3 ABGB Eigentum am gegenständlichen Grundstreifen erworben. Sie seien nicht redlich gewesen, weil sie es unterlassen hätten, Einsicht in die öffentlichen Aufzeichnungen zu nehmen. Zudem sei der Voreigentümer der Kläger von der Bauführung nicht in Kenntnis gewesen. Beim gemauerten Zaun handle es sich nicht um ein Gebäude, weil er keine Stützfunktion habe. Der Zaun stelle auch keinen unselbständigen Bestandteil der Garage dar, weil die Garage und der Sockel des Zauns lediglich durch eine 5 cm starke Wärmeschutzdämmung miteinander verbunden seien.

Die auf Seiten der Kläger beigetretenen Nebenintervenientin brachte im Wesentlichen vor, gemäß dem Kaufvertrag hafte sie den Beklagten weder für ein bestimmtes Ausmaß noch für eine bestimmte Beschaffenheit des Kaufobjekts. Eine Bauführung auf dem Grund der Kläger sei allein auf das Verschulden der Beklagten zurückzuführen.

Die Beklagten begehrten Klageabweisung und brachten zusammengefasst vor, sie hätten ihr Grundstück mit einer Breite von 15 m erworben, sodass dieses in der Natur exakt den Abmessungen des Vermessungsplans entspreche. Beim Bau des Zauns und der Garage im Jahr 1994 hätten sie die Grundgrenzen eingehalten. Als die Kläger ihre Liegenschaft im Jahr 2014 – wie besichtigt – erworben hätten, seien auf beiden Seiten der Liegenschaft bereits die in der Natur deutlich sichtbaren Grenzen vorhanden gewesen, sodass ein Eigentumserwerb nur im Umfang dieser Naturgrenzen stattgefunden habe. Eventualiter brachten die Beklagten vor, dass sie an dem überbauten Grundstreifen durch redliche Bauführung originär Eigentum erworben hätten. Sie seien redlich gewesen, der Voreigentümer der Klagsliegenschaft (der Bruder der Nebenintervenientin) habe insofern von der Bauführung Kenntnis gehabt, als er zur Bauverhandlung geladen gewesen sei, aber keine Einwände erhoben habe. Sie hätten durch die Bauführung nicht nur an der Garage, sondern auch an der für die Benutzung der Garage unentbehrlichen Grundflächen (der Zufahrt) Eigentum erworben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im ersten Rechtsgang zur Gänze ab.

Folgende Feststellungen sind hervorzuheben:

Als die Beklagten im Jahr 1991 die Liegenschaft mit dem Grundstück 1686/2 kauften, fand vor Abschluss des Kaufvertrags eine Begehung mit der Voreigentümerin und Verkäuferin (der Nebenintervenientin) statt. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt Wiesenfläche. Es war ausschließlich auf der rechten Seite durch einen Zaun zur Nachbarliegenschaft längsseitig begrenzt. Die Verkäuferin und die Beklagten maßen gemeinsam 15 m Breite entlang der Straßenfront von diesem Zaun weg; nach 15 m schlug die Nebenintervenientin einen Pfosten ein. Im Zeitraum von 1994 bis 1996 errichteten die Beklagten zuerst einen Maschendrahtzaun auf der noch unbegrenzten anderen Längsseite, der späterhin durch einen gemauerten Zaun mit Fundament ersetzt wurde. Die Beklagten errichteten auch ein Einfamilienhaus und eine Garage.

2014 kauften die Kläger vom Bruder der Nebenintervenientin das – von der P*****gasse aus gesehen – links neben dem Grundstück der Beklagten gelegene Grundstück 1686/1. Zum Zeitpunkt der Besichtigung durch die Kläger gemeinsam mit dem Verkäufer war das Grundstück auf beiden Seiten begrenzt, zur Beklagtenliegenschaft hin durch den von den Beklagten errichteten gemauerten Zaun; auf der linken Seite befand sich ein schon etwas baufälliger Zaun. Die Kläger maßen lediglich die Breite des Grundstücks auf der W*****straße (der anderen Schmalseite) nach, die tatsächlich die (vollen) 15 m betrug. Da das Grundstück auf Seite der P*****straße durch Pflanzen verwachsen war, führten die Kläger dort keine Abmesssung durch. Die Grundstücksbreite betrug an der P*****gasse jedoch nicht die vereinbarten 15 m, sondern (laut den technischen Grundgrenzen) um 1,21 m weniger. Erst im Zuge der Bauführung entdeckten die Kläger die verringerte Breite ihres Grundstücks und waren deshalb gezwungen, ihr Bauvorhaben abzuändern.

Laut den technischen Grundgrenzen fehlt dem Grundstück 1686/1 der Kläger (als letzte verbliebene Baulücke) an der Straßenfront der P*****gasse eine Frontlänge von 1,21 m. Der Sockelzaun steht, beginnend an der P*****gasse, bis zur Vorderkante der Garage – ausgehend von den technischen Grundgrenzen – zur Gänze auf dem Grundstück der Kläger, insgesamt mit einem Flächenausmaß von 22 m2. Das Gesamtausmaß der von den Beklagten überbauten Flächen (Sockelzaun, Zufahrt zur Garage und Garagengebäude) beträgt auf Basis der technischen Grundgrenzen 28 m2. Die Garage überbaut die technische Grundgrenze in einem Ausmaß von 3 m2.

Der Zaun mit betoniertem Fundament erstreckt sich über die gesamte Längsseite des Grundstücks. Würde die Breite der Zufahrt auf dem Grundstück der Beklagten um 1,21 m verringert, könnten die Beklagten – weil die Zufahrt insgesamt nur ca 3 m breit ist – nicht mehr zur Garage zufahren.

Rechtlich ging das Erstgericht in seiner im ersten Rechtsgang getroffenen Entscheidung davon aus, die Kläger hätten den für die Eigentumsfreiheitsklage notwendigen Beweis ihres Eigentums an den strittigen Grenzstreifen nicht erbracht. Beim Erwerb eines Grundstücks richten sich dessen Grenzen – und damit dessen Größe – nicht nach den Plänen der Grundbuchsmappe, sondern nach den tatsächlichen Grundstücksgrenzen. Da zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Kläger das Grundstück bereits zu beiden Seiten (rechter und linker Hand) eingezäunt gewesen sei, hätten sie daran Eigentum nur in der verringerten Breite erworben.

Das Berufungsgericht hob im ersten Rechtsgang das Ersturteil auf. Rechtlich ging es – soweit für das Revisionsverfahren relevant – davon aus, dass bei Fehlen von Naturgrenzen der Käufer Eigentum in jenen Grenzen erwerbe, die von der Grundbuchsmappe dargestellt werden. Da zum Zeitpunkt des Erwerbs der Beklagten ein Zaun zu der Liegenschaft, die später von den Klägern erworben wurde, nicht bestanden habe, hätten die Beklagten an dem strittigen Grundstreifen kein Eigentum erworben. Bei Erwerb ihres Grundstücks durch die Kläger sei vom Willen der Vertragsparteien das gesamte Grundstück, so wie es der Bruder der Nebenintervenientin besessen hatte, umfasst gewesen. Vorausgesetzt die Beklagten hätten nicht zwischenzeitig durch Bauführung auf fremdem Grund originär Eigentum erworben, seien die Kläger als Eigentümer der Klagsliegenschaft unter Einschluss des strittigen Grundstreifens anzusehen. Zu beurteilen bleibe, ob die Beklagten das Eigentum an der strittigen Fläche gemäß § 418 Satz 3 ABGB durch Bauführung erlangt haben, wozu ausreichende Feststellungen fehlen. Das Erstgericht werde das fortgesetzte Verfahren auf die Frage des Eigentumserwerbs durch Bauführung zu beschränken haben (§ 496 Abs 2 ZPO).

Das Erstgericht wies die Klage auch im zweiten Rechtsgang ab. Es traf ergänzende Feststellungen dahingehend, dass der Zaun über ein ca 15 cm breites und 50 cm hohes betoniertes Fundament verfügt. Dieses reicht mit ca 30 cm in das Erdreich und ragt mit ca 20 bis 25 cm (ca zwei Reihen Betonsteine) über das Erdreich hinaus. Auf diesem betonierten Fundament befindet sich ein Maschendrahtzaun, der auf in regelmäßigen Abständen am Fundament befestigten metallenen Stehern aufgehängt ist. Auf der einen Seite grenzt dieser Zaun an die Garage der Beklagten, wobei das betonierte Fundament direkt an das Mauerwerk der Garage anschließt. Es ist mit diesem insofern auch baulich verbunden, als das Fundament des Zauns einige Zentimeter in das Mauerwerk der Garage eingefügt ist; das Fundament des Zauns ist mit der Wärmedämmung der Garage verbunden.

Weiters stellte das Erstgericht fest, dass die Beklagten bei der Gemeinde H***** einen Baueinreichplan für den Bau des Hauses und der Garage eingereicht hatten. Zur Bauverhandlung am 14. 2. 1994 erschien der Bruder der Nebenintervenientin (der bereits damals Eigentümer der nunmehrigen Klagsliegenschaft war) trotz nachweislicher Ladung nicht. Im Zuge der Bauverhandlung erhob niemand Einspruch gegen das Bauvorhaben der Beklagten, insbesondere auch nicht gegen die Grundstücksgrenzen. Es wurden die Baubewilligung und später auch die Bewohnungs- und Benützungsbewilligung erteilt. Ein von der Gemeinde H***** bestellter Bausachverständiger hatte im Bauverfahren unter anderem auch die Grundgrenzen geprüft und für in Ordnung befunden. Die Beklagten gingen sowohl beim Erwerb des Grundstücks als auch in weiterer Folge davon aus, dass der Zaun auf ihrem Grundstück errichtet worden sei und die von ihnen angenommene Grundstücksgrenze der Richtigkeit entsprach. Auch ein sorgfältiger und umsichtiger Bauführer hätte aufgrund der gegebenen Umstände keinen Zweifel an der Richtigkeit der Grundgrenzen gehabt.

Rechtlich ging das Erstgericht im zweiten Rechtsgang davon aus, dass die Voraussetzungen für einen originären Eigentumserwerb nach § 418 ABGB durch die Beklagten an der strittigen Grundstücksfläche erfüllt seien. Der Zaun stelle ein Bauwerk von selbständiger Bedeutung dar und sei auch an die Garage baulich angebunden. Die Redlichkeit der Beklagten als Bauführer sei zu bejahen. Auch das Wissen des beeinträchtigten Grundeigentümers von der Bauführung sei gegeben gewesen, weil er zur Bauverhandlung geladen gewesen sei, daran aber nicht teilgenommen habe.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung über Berufung der Kläger im zweiten Rechtsgang dahingehend ab, dass es die Beklagten dazu verhielt, binnen drei Monaten die Teile des von ihnen errichteten Zauns, die sich auf der Klagsliegenschaft befinden, zu beseitigen, und dem Unterlassungsbegehren stattgab; im Übrigen – somit hinsichtlich jener Teile der Garage, die sich auf der Liegenschaft der Kläger befinden, – wurde das klageabweisende Ersturteil bestätigt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, jedoch nicht 30.000 EUR übersteigt. Die Revision wurde vorerst nicht zugelassen.

Rechtlich ging das Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang zusammengefasst davon aus, der Zaun bzw dessen Sockelmauer stellten kein Bauwerk von selbständiger Bedeutung iSd § 418 ABGB dar. Wenngleich das Fundament des Zauns durch die verputzte Wärmedämmung optisch mit der Garage verbunden sei, könne der Zaun – selbst wenn diese Wärmedämmung in das Mauerwerk der Garage „eingefügt“ sei – nicht als Bestandteil der Garage qualifiziert werden. Es liege keine zwingende bauliche Einheit mit der Garage vor. Auch nach der Verkehrsauffassung sei ein Zaun nicht als ein einer Garage zugehöriger Bauteil anzusehen. Der Zaun bzw dessen Sockelmauer seien daher nicht geeignet, die in § 418 ABGB genannten Rechtsfolgen herbeizuführen, wohl aber der Überbau der Garage. Da die Beklagten bei der Bauführung redlich gewesen seien und auch die übrigen Voraussetzungen für deren originären Eigentumserwerb an der durch die Garage überbauten Grundfläche vorlägen, sei das auf Beseitigung der Garage gerichtete Klagebegehren abzuweisen. Die Entfernung der Garage stünde zudem in keinem Verhältnis zur Beeinträchtigung der Kläger. Da die Beklagten bis zuletzt einen Eingriff in das Eigentum der Kläger bestritten hätten, sei vom Weiterbestehen einer Wiederholungsgefahr auszugehen, sodass das Unterlassungsbegehren zur Gänze zu Recht bestehe. Dem Einwand der Beklagten, dass sie bei Versetzung der Grenzmauer an die tatsächliche Grundgrenze zu ihrer Garage nicht mehr zufahren könnten, komme keine Berechtigung zu. Der neue Zaun könnte auch ohne Mauersockel errichtet werden. Unter Einbeziehung des entlang des Zauns derzeit mit Sträuchern bepflanzten etwa 60 cm breiten Streifens bliebe ausreichend Raum zur Zufahrt zur Garage.

Über Zulassungsvorstellung der Beklagten erklärte das Berufungsgericht nachträglich die Revision für zulässig, da es sich mit der Frage, ob und in welchem Umfang die Beklagten an den zur Benutzung der Garage unentbehrlichen Grundflächen originär Eigentum erworben hätten, nur am Rande auseinandergesetzt habe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Die Kläger haben keine Revision erhoben, sodass – als bisheriges Ergebnis der beiden Rechtsgänge – die Abweisung des auf Beseitigung des sich auf der Klagsliegenschaft befindlichen Teils der Garage gerichteten Klagebegehrens in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Revisionswerber bringen im Wesentlichen vor, die Kläger seien infolge Maßgeblichkeit der tatsächlichen Übergabe bzw der Naturgrenzen bei Erwerb der Klagsliegenschaft nicht Eigentümer des strittigen Grundstücksstreifens geworden, sodass ihnen für die Erhebung der Eigentumsfreiheitsklage die Aktivlegitimation fehle. Mit dieser Frage habe sich das Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang nicht mehr befasst. Wenn auch nicht der Zaun, so sei doch der Zaunsockel ein unselbständiger Bestandteil der Garage. Es bestehe keine Möglichkeit der Entfernung des Sockels ohne Verletzung der Substanz der Garage, sodass es zum Eigentumserwerb am vom Zaunsockel überbauten Grundstücksteil nach § 418 ABGB gekommen sei. Der Eigentumserwerb nach § 418 ABGB erfasse nicht nur die verbaute, sondern auch die für die bestimmungsgemäße Benutzung des Gebäudes (hier der Garage) unentbehrliche Grundfläche. Für den Fall der Veränderung der Grundgrenze wäre es unmöglich, mit einem PKW (selbst mit einem Kleinwagen) bis zum Garagentor zu gelangen, weil der Abstand der (technischen) Grundgrenze bis zur Mauer des Einfamilienhauses nur 2.015 mm betrage.

Dazu ist auszuführen:

Zum Einwand der mangelnden Aktivlegitimation:

1.1 Die Kläger erheben hinsichtlich des strittigen Grundstreifens die Eigentumsfreiheitsklage, sodass sie ihr Eigentum und den Eingriff der Beklagten, die Beklagten hingegen die Berechtigung ihres Eingriffs zu beweisen haben (RIS-Justiz RS0012186). Gegenstand dieser Behauptungs- und Beweislast ist (auch) die richtige Grenze, weil nur danach Eigentum und Eingriff geprüft werden können (6 Ob 12/98b).

1.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist für den Umfang des Eigentumserwerbs an nicht im Grenzkataster eingetragenen Grundstücken im rechtsgeschäftlichen Verkehr an sich nicht die Grundbuchsmappe entscheidend, da sie nur zur Veranschaulichung der Lage der Liegenschaften bestimmt ist und keinen Beweis über die Größe und die Grenzen einer Liegenschaft macht (RIS-Justiz RS0049554; RS0049559). Grundsätzlich ist der in der Natur festzustellende Verlauf der Grenze maßgeblich (6 Ob 230/98m).

1.3 Anderes gilt aber, wenn das Grundstück nach dem übereinstimmenden Parteiwillen in dem aus der Grundbuchsmappe ersichtlichen Grenzen verkauft und übergeben werden soll. Für den Umfang des Eigentumserwerbs ist diesfalls jener Umfang entscheidend, in dem das Grundstück nach dem Willen der Parteien übertragen werden sollte (RIS-Justiz RS0011236). Beim Verkauf eines Grundstücks, das ausschließlich an fremde Grundstücke grenzt, ist der Inhalt des Kaufvertrags maßgeblich dafür, ob an der gesamten in der Grundbuchsmappe veranschaulichten Fläche Eigentum übertragen und erworben werden sollte. Unbeachtlich ist hingegen, ob der Besitz des Voreigentümers und die tatsächliche Übergabe hinter den wahren Eigentumsgrenzen zurückblieb (RIS-Justiz RS0011332; RS0011236 [T11]).

2.1 Aus den erstgerichtlichen Feststellungen lässt sich ableiten, dass Gegenstand des zwischen den Klägern und ihrem Vertragspartner abgeschlossenen Kaufvertrags ein 15 m breites Grundstück war und die Vertragsparteien bei der Begehung nicht bemerkten, dass das Grundstück auf der P*****gasse nicht die vereinbarte „volle“ Breite von 15 m aufwies. Dementsprechend hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang zugrunde gelegt, der Parteiwille der Kläger und ihres Vertragspartners sei auf das gesamte Grundstück – so wie es der Vertragspartner (vor Errichtung des Zauns und der Garage) besessen hat –, gerichtet gewesen. Auf dieser Sachverhaltsbasis ist das Berufungsgericht (implizit auch im zweiten Rechtsgang) davon ausgegangen, dass die Aktivlegitimation der Kläger zu bejahen sei, weil sie Eigentum am strittigen Grundstreifen erworben hätten (sofern daran nicht die Beklagten nach § 418 ABGB Eigentum erworben haben).

2.2 Hat sich die Parteiabsicht beim Kauf der Liegenschaft auf ein (durchgehend) 15 m breites Grundstück bezogen und sind beide Vertragsparteien bei der Begehung des Grundstücks irrtümlich von der Übereinstimmung der Natur- und der Mappengrenzen ausgegangen, trifft es zu, dass der Begehung bzw der Übergabe des Grundstücks keine selbstständige Bedeutung mehr zukommt. Entsprechend dem Parteiwillen ist in diesem Fall für den Umfang des Eigentumserwerbs der Kläger der Grenzverlauf („Mappengrenze“) und nicht die durch den Zaun hergestellte Grenze („Naturgrenze“) maßgeblich. Die Rechtsansicht, die Aktivlegitimation der Kläger zur Erhebung der Eigentumsfreiheitsklage sei zu bejahen, weil ihnen der Beweis ihres Eigentum an der noch strittig verbliebenen Grundfläche (in jenem Umfang, in dem daran nicht die Beklagten Eigentums nach § 418 ABGB erworben haben) sowie der Beweis des Eingriffs der Beklagten gelungen ist, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Mit ihrem Vorbringen, maßgeblich für den Umfang des Eigentumserwerbs sei (doch) die tatsächliche Übergabe des – damals bereits rechts und links eingezäunten – Grundstücks der Kläger (ohne den strittigen Grundstreifen) gewesen, entfernen sich die Revisionswerber von den festgestellten Sachverhaltsgrundlagen. Auf ihr Vorbringen, sie selbst hätten beim Kauf ihrer Liegenschaft Eigentum an der strittigen Grundfläche erworben, kommen die Revisionswerber in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück.

Zu § 418 ABGB:

1.1 Die Bestimmungen des § 418 ABGB sind nur auf Bauwerke von selbständiger Bedeutung anzuwenden (RIS-Justiz RS0011100). Dass ein auf einem Betonsockel ruhender Zaun (für sich gesehen) mangels selbständiger Bedeutung kein Gebäude im Sinn des § 418 ABGB ist (RIS-Justiz RS0011098), wird von den Revisionswerbern nicht angezweifelt.

1.2 Der Betonsockel des Zauns ist aber auch nicht als ein unselbständiger Bestandteil der Garage anzusehen:

Für die Unterscheidung zwischen selbständigen und unselbständigen Bestandteilen ist die Möglichkeit der wirtschaftlichen Absonderung und Wiederherstellung einer selbständigen Sache entscheidend (Kodek in Schwimann, ABGB-TaKom3 § 294 Rz 2; RIS-Justiz RS0013378). Ist die Verbindung von Teilen mit der Hauptsache so eng, dass sie von dieser tatsächlich nicht oder nur durch eine unwirtschaftliche Vorgangsweise abgesondert werden können, dann liegt ein unselbständiger Bestandteil vor (1 Ob 21/82 = SZ 55/105). Entscheidend ist im Einzelfall die Verkehrsauffassung (8 Ob 651/84 = SZ 58/89 ua).

1.3 Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen ist das – bis an das Mauerwerk der Garage heranreichende – Fundament des Zauns lediglich durch die über den Ziegeln liegende Wärmedämmung verbunden. Steht fest, dass bei Abtrennung des Zauns von der Garage nur insofern mit einem Schaden an der Substanz der Garage zu rechnen ist, als deren Wärmedämmung an der Anschlussstelle zum Zaunfundament zu erneuern sein wird, ist die Ansicht des Berufungsgerichts zu billigen, dass nach der Verkehrsauffassung nicht von einer festen Verbindung auszugehen ist.

2. Die Revision ist jedoch im Sinn des Aufhebungsantrags insoweit berechtigt, als geltend gemacht wird, der Eigentumserwerb nach § 418 ABGB umfasse nicht nur die durch die Garage verbaute Fläche im streng technischen Sinn, sondern auch die zu deren bestimmungsgemäßen Benutzung unentbehrlichen Flächen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0011092), weshalb den Beklagten die Zufahrt zu der (teils) auf fremdem Boden errichteten Garage ermöglicht werden muss, falls nicht eine Zufahrt auf andere Weise (etwa auf eigenem Grund) vorhanden ist. Um zu beurteilen, ob und allenfalls in welchem Umfang zur Zufahrt in die Garage weitere Flächen unentbehrlich sind, fehlen bisher aber ausreichende Feststellungen:

Das Erstgericht hat festgestellt, dass bei einer Verringerung der Zufahrtsbreite um 1,21 m (also entlang der Mappengrenzen) eine Zufahrt zur Garage nicht mehr möglich wäre, weil diese insgesamt nur 3 m breit ist. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, beim Zaun könnte nicht nur der Mauersockel weggelassen werden, sondern auch der jetzt dort vorhandene etwa 60 cm breite mit Sträuchern bepflanzte Streifen. Da der Grenzüberbau auf Höhe der Vorderkante des Hauses nur etwa 87 cm betrage, wäre unter diesen Prämissen eine Zufahrt zur Garage doch möglich.

Diese – ohne Beweiswiederholung getroffenen und für die rechtliche Beurteilung wesentlichen – Feststellungen, gehen eindeutig über den vom Berufungsgericht übernommenen erstinstanzlichen Sachverhalt hinaus und weichen gleichzeitig in entscheidungswesentlicher Weise davon ab. Will das Berufungsgericht aber über den erstinstanzlichen Sachverhalt hinaus weitere Feststellungen treffen, ist es selbst zur Beweisergänzung bzw Beweiswiederholung verpflichtet, andernfalls verletzt es die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 129; RIS-Justiz RS0043057; RS0043176; 5 Ob 20/09s mwN).

Zur Frage, in welchem Umfang es sich bei dem beanspruchten Grundstreifen tatsächlich um eine für die Benutzung der Garage unentbehrliche Flächen handelt, werden daher im vor dem Erstgericht fortzusetzenden Verfahren ergänzende Feststellungen nachzuholen sein. Insbesondere wird festzustellen sein, ob eine Zufahrt ausschließlich von der P*****gasse aus oder zumutbarerweise allenfalls auch von der anderen Schmalseite des Grundstücks (von der W*****straße aus) in Betracht kommt. Gegebenenfalls wird darauf einzugehen sein, auf welche Fahrzeugbreite die Garage ausgelegt ist und ob unter Zugrundelegung dieser Fahrzeugbreite der Zufahrtsweg auf freie Flächen der Beklagtenliegenschaft verlegbar ist, sodass ein Miteinbeziehen von Teilflächen der Klagsliegenschaft erst im Bereich der Hauskante unentbehrlich wird.

Die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung ist daher unumgänglich.

Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E120141

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00032.17D.1114.000

Im RIS seit

20.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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