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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §10 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/20/0136Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, 1. über den Antrag des KJ in Wien, geboren am 7. Juni 1975, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ditscheinergasse 4, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Februar 2000, Zl. 213.204/0-XII/36/99, betreffend §§ 7, 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), und
2. in dieser Beschwerdesache, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist am 23. Juni 1999 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 24. Juni 1999 einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. September 1999 als unbegründet abgewiesen; gemäß § 8 AsylG wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei. Dagegen hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben. Mit der mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist eingebrachten Beschwerde wird der diese Berufung gemäß §§ 7, 8 AsylG abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 2000, welcher zu Handen des vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zustellbevollmächtigten Dr. D. am 7. Februar 2000 zugestellt worden sei, bekämpft.
Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen wie folgt:
Er habe am 21. Oktober 1999 dem Dr. D. Zustellungsvollmacht erteilt und dies der Behörde mit dem Ersuchen mitgeteilt, die an ihn gerichteten Schriftstücke zu Handen Dris. D. zuzustellen. Die Zustellvollmacht habe er Dr. D. deshalb erteilt, weil dieser ihm im Oktober 1999 eine vorübergehende Wohnmöglichkeit in Wien, W-Gasse, zur Verfügung gestellt habe. Bereits nach kurzer Zeit, nämlich im Jänner 2000, habe er aus dieser Wohnung ausziehen müssen und er sei nach Wien, R-Gasse, übersiedelt. Am 19. Jänner 2000 habe er sich an dieser Adresse polizeilich gemeldet. Am 20. Jänner 2000 habe er diese Adressänderung dem Unterstützungskomitee "Asyl in Not" bekannt gegeben, welches die geänderte Adresse am selben Tag dem Bundesasylamt Traiskirchen bekannt gegeben habe. Auf Grund dieser Umstände sei für ihn klar gewesen, dass der Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates direkt an ihn zugestellt werde bzw. dass er oder "Asyl in Not", welche Organisation auch die Berufung für ihn verfasst habe, zumindest rechtzeitig vom Berufungsbescheid Kenntnis erlangen werde. Dr. D., der es offenbar irrtümlich unterlassen habe, die Behörde von der Beendigung der Zustellungsvollmacht infolge des Auszuges des Antragstellers aus der W-Gasse zu verständigen, habe den angefochtenen Bescheid nicht an diesen weitergeleitet. Erst anlässlich der Entziehung seiner Lagerkarte durch das Bundesasylamt Traiskirchen am 27. März 2000 habe er durch sofortige Nachfrage bei "Asyl in Not" erfahren, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 2000 zu Handen Dris. D. zugestellt worden sei. Er sei somit durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der fristgerechten Erhebung der Beschwerde gehindert gewesen. Die Tatsache, "dass das Ende des Zustellungsvollmachtsverhältnisses nicht bekannt gegeben wurde", sei auch auf Seiten des Dr. D. auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Den Wiedereinsetzungswerber trifft die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen; es ist nicht Sache des Verwaltungsgerichtshofes, von sich aus Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könnten. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass er der Behörde gegenüber die Zustellvollmacht etwa dahingehend eingeschränkt hätte, dass diese lediglich solange aufrecht sein sollte, als er sich in der ihm vom Flughafen-Sozialdienst zur Verfügung gestellten Wohnung in der W-Gasse aufhalte. Allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer - wie amtsbekannterweise auch viele andere Asylwerber - anlässlich der Stellung des Asylantrages Dr. D. als Zustellungsbevollmächtigten namhaft machte, ging keineswegs hervor, dass der Beschwerdeführer über keine eigene Wohnung verfügte und sich nur mangels eigener Zustelladresse bis zur Bekanntgabe einer neuen Wohnadresse eines Zustellungsbevollmächtigten bedienen wolle. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer die Adressänderung nicht der belangten Behörde, sondern im Wege einer Flüchtlingshilfeorganisation dem Bundesasylamt übermittelte, bestand nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen für die belangte Behörde kein objektiver Anhaltspunkt für die Annahme, der Beschwerdeführer wolle dadurch, dass er seine neue Adresse bekannt gibt, die Zustellvollmacht (schlüssig) widerrufen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0268). Auch der Beschwerdeführer selbst durfte nicht davon ausgehen, die belangte Behörde würde allein auf Grund seiner dem Bundesasylamt mitgeteilten Adressänderung einen Widerruf der Zustellvollmacht annehmen.
Dem Wiedereinsetzungsvorbringen sind keine konkreten Umstände dahingehend zu entnehmen, dass Dr. D. durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen wäre, die belangte Behörde von der Beendigung der Zustellvollmacht bzw. den Beschwerdeführer von der Zustellung des an ihn gerichteten Bescheides zu verständigen. Es ist auch nicht zu ersehen, dass er eine solche Verständigung "nur auf Grund eines minderen Grades des Versehens", wie in dem Antrag des Beschwerdeführers pauschal behauptet, unterlassen hätte. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob Dr. D. als Zustellungsbevollmächtigter verpflichtet gewesen wäre, die von ihm vertretene Partei von der die Beschwerdefrist auslösenden Zustellung des Bescheides der belangten Behörde zu verständigen (vgl. in diesem Sinne das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0268, m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist dem Beschwerdeführer selbst ein nicht nur minderes Versehen wegen der Versäumung der Beschwerdefrist deshalb zuzurechnen, weil er sich nach seinem Vorbringen und dem Bescheidinhalt anlässlich des Auszuges aus seiner Unterkunft in der W-Gasse mit dem Zustellungsbevollmächtigten nicht in Verbindung gesetzt hatte. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, er habe sich nach seiner Übersiedlung in die R-Gasse am 19. Jänner 2000 polizeilich gemeldet. Nach der im Beschwerdeschriftsatz nicht bekämpften Feststellung im angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer noch am 12. Jänner 2000 zu Handen seines Zustellungsbevollmächtigten Dr. D. zur Berufungsverhandlung geladen. Hätte sich der Beschwerdeführer demgemäß mit seinem Zustellungsbevollmächtigten vor Übersiedlung in seine neue Unterkunft in Verbindung gesetzt, so hätte er Kenntnis von diesem Zustellungsvorgang erhalten und auch die später eingetretene Säumnis bei Zustellung des angefochtenen Bescheides abwenden können. Eine solche Kontaktaufnahme mit dem Zustellungsbevollmächtigten zumindest noch in einem Zeitpunkt, in dem auch nach Auffassung des Beschwerdeführers die Zustellvollmacht aufrecht war, war diesem jedenfalls zuzumuten. Dass der Beschwerdeführer daran gehindert gewesen wäre, hat er nicht einmal behauptet. Demgemäß war dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon deshalb nicht stattzugeben.
Bei diesem Ergebnis war auch die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juni 2000
Schlagworte
Ende VertretungsbefugnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000200135.X00Im RIS seit
03.04.2001