TE Vwgh Beschluss 2000/6/29 2000/06/0067

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Veröffentlicht am 29.06.2000
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Index

L10015 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Salzburg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §7 Abs1;
GdO Slbg 1994 §27 Abs1;
GdO Slbg 1994 §34 Abs6 Z7;
GdO Slbg 1994 §35 Abs6;
GdO Slbg 1994 §39 Abs2;
GdO Slbg 1994 §39 Abs3;
GdO Slbg 1994 §44 Abs3;
GdO Slbg 1994;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die von der Gemeindevertretung und der ersten Gemeinderätin gemäß § 35 Abs. 6 Salzburger Gemeindeordnung, diese vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, namens der Marktgemeinde Neumarkt a.W. gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 27. März 2000, Zl. 1/02-37.145/23-2000, betreffend Nichtigerklärung eines Baubescheides (mitbeteiligte Parteien: Mag. R und C, beide in S), erhobene Beschwerde den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 8. Oktober 1999 wurde eine Bauanzeige der mitbeteiligten Parteien zur Kenntnis genommen.

Mit Bescheid vom 31. Jänner 2000 hob die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Marktgemeinde diesen Bescheid des Bürgermeisters wegen Nichtigkeit auf. Die Mitbeteiligten erhoben gegen diese Aufhebung Vorstellung. Mit dem namens der Gemeinde angefochtenen Bescheid wurde der Aufhebungsbescheid der Gemeindevertretung von der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben. Ein Nichtigkeitsgrund für die Zurkenntnisnahme der Bauanzeige durch den Bürgermeister sei weder wegen des Fehlens einer raumordnungsrechtlichen Grundlage (Einzelgenehmigung gemäß § 24 Abs. 3 ROG 1992), noch wegen der Unzuständigkeit der Behörde (des Bürgermeisters) vorgelegen (zur Frage des Vorliegens einer Einzelgenehmigung vgl. den hg. Beschluss vom 20. Jänner 2000, Zl. 99/06/0170, mit welchem eine ebenfalls von der ersten Gemeinderätin erhobene Beschwerde namens der Marktgemeinde zurückgewiesen wurde; beschwerdegegenständlich war in diesem Falle die Aufhebung eines Bescheides der Gemeindevertretung der Gemeinde, in deren Namen auch hier eingeschritten wird, durch die belangte Behörde betreffend die Zurkenntnisnahme einer Bauanzeige der mitbeteiligten Parteien betreffend dasselbe Objekt).

Bezüglich der Zuständigkeit des Bürgermeisters führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, dass nach der Vorstellungsentscheidung vom 22. September 1999 der Devolutionsantrag für das Verfahren betreffend die Zurkenntnisnahme der Bauanzeige zurückgezogen worden sei, sodass der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz für dieses Verfahren zuständig gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die namens der "Marktgemeinde Neumarkt a.W. vertreten durch den Gemeinderat ("Gemeindevertretung") und durch den ersten Gemeinderat gem. § 35 Abs. 6 Salzburger Gemeindeordnung, Frau HW" erhoben wurde.

In der Beschwerde wird zu begründen versucht, weshalb die erste Gemeinderätin gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz Salzburger Gemeindeordnung 1994 zur Vertretung der Gemeinde berufen sei, da eine Befangenheit bzw. Verhinderung des Bürgermeisters "in der gegenständlichen Entscheidungs- und Beschwerdeangelegenheit im Sinne des § 39 Abs. 2 erster Satz Salzburger Gemeindeordnung 1994" vorliege.

In einem Schreiben vom 18. Mai 2000 teilte der Bürgermeister der Gemeinde, in deren Namen die vorliegende Beschwerde erhoben wird, mit, dass die Beschwerde nicht der Gemeinde zuzurechnen sei. In einem weiteren Schreiben vom 15. Juni 2000 teilte der Bürgermeister weiters mit, dass es die Gemeindevorstehung in einer Sitzung am 14. Juni 2000 abgelehnt habe, die Einbringung der gegenständlichen Bescheidbeschwerde im Nachhinein zu genehmigen. Da die Durchsetzung des Willens der Gemeindevertretung aufgrund der weisungswidrigen Vorgangsweise der Gemeindevorstehung offensichtlich nicht möglich sei, könne der Bürgermeister die Einbringung der Bescheidbeschwerde namens der Gemeinde nicht im Nachhinein genehmigen.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2000 teilte der Beschwerdevertreter mit, dass sich einzelne der Mitglieder der Gemeindevorstehung "offensichtlich aus politischen Gründen" weigerten, der Weisung der Gemeindevertretung nachzukommen. Dies müsse zur Folge haben, dass eine Befangenheit des Bürgermeisters vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 39 Salzburger Gemeindeordnung 1994, LGBl. Nr. 107/1994, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 57/1996, lautet:

"Der Bürgermeister

§ 39

(1) Der Bürgermeister hat die ihm ausdrücklich durch Gesetz zugewiesenen Angelegenheiten der Gemeinde zu besorgen. Er kann zu seiner Unterstützung und unbeschadet seiner Verantwortung bestimmte Gruppen von Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches einzelnen Mitgliedern der Gemeindevorstehung zur Besorgung in seinem Namen übertragen. Ebenso können einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches, die in einem sachlichen Zusammenhang mit derartigen Gruppen von Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches stehen, vom Bürgermeister übertragen werden. Derartige Übertragungen können nur an Mitglieder der Gemeindevorstehung erfolgen, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Die so beauftragten Mitglieder der Gemeindevorstehung sind bei der Besorgung derartiger Angelegenheiten sowohl im eigenen als auch im übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden. In Gemeinden mit über 5.000 Einwohnern ist eine derartige Beauftragung für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches jedenfalls vorzunehmen. In Gemeinden mit über 8.000 Einwohnern hat die Beauftragung unbeschadet der Möglichkeit, dass der Bürgermeister einen dieser Bereiche selbst besorgt, jene Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches zu erfassen, für die gemäß § 33 Abs. 1 Ausschüsse zu bilden sind. Unter zahlenmäßiger Anwendung des Verhältniswahlrechtes sind vom Bürgermeister mit Zustimmung der Gemeindevertretung mindestens drei, wenn auch ein Fremdenverkehrsausschuss zu bilden ist, mindestens vier Mitglieder der Gemeindevorstehung, darunter jeweils die Vizebürgermeister zu beauftragen. Wenn der Bürgermeister von der Möglichkeit, einen der vorstehend genannten Bereiche selbst zu besorgen, Gebrauch macht, genügt die Beauftragung der beiden Vizebürgermeister und, wenn ein Fremdenverkehrsausschuss zu bilden ist, eines weiteren Mitgliedes der Gemeindevorstehung.

(2) Die Gemeinderäte sind in der durch § 35 Abs. 6 bestimmten Reihenfolge berufen, den Bürgermeister bei Verhinderung zu vertreten oder bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Amt bis zur Wahl des neuen Bürgermeisters die Geschäfte des Bürgermeisters weiterzuführen. Hiebei haben sie sich auf die Besorgung der behördlichen Angelegenheiten und bei den anderen Aufgaben auf die Besorgung der unaufschiebbaren, zur laufenden Geschäftsführung erforderlichen Angelegenheiten zu beschränken. Eine Verhinderung liegt jedenfalls dann vor, wenn der Bürgermeister länger als sieben Tage vom Gemeindegebiet abwesend ist.

(3) Der Bürgermeister vertritt die Gemeinde nach außen. Durch Beschluss der Gemeindevertretung wird bestimmt, inwieweit der Bürgermeister Gemeinderäte und Bedienstete der Gemeinde sowie im Rahmen seiner Zuständigkeiten nach § 40 Abs. 1 lit. c und d den Schulleiter einer Schule, für die die Gemeinde gesetzlicher Schulerhalter ist, und den Ortsfeuerwehrkommandanten zur Unterfertigung von Geschäftsstücken im Namen des Bürgermeisters beauftragen kann. Eine Beauftragung des Schulleiters bedarf der Zustimmung der Schulbehörde."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits genannten Beschluss vom 20. Jänner 2000, Zl. 99/06/0170, ausgeführt hat, kommt die Einbringung einer Beschwerde für eine Salzburger Gemeinde anstelle des gemäß § 39 Abs. 3 GdO 1994 zur Außenvertretung berufenen Bürgermeisters dann in Betracht, wenn die erste Gemeinderätin zu Recht eine Verhinderung des Bürgermeisters angenommen hat.

In diesem Zusammenhang ist für den vorliegenden Beschwerdefall zunächst festzuhalten, dass auch in der Beschwerde keine Begründung für die Vertretung der Gemeinde durch die Gemeindevertretung (die in der Beschwerde ebenfalls als "Vertreterin" der Gemeinde angeführt wird) gegeben wird. Auch dem Verwaltungsgerichtshof ist keine Bestimmung der Gemeindeordnung ersichtlich, der zufolge die Außenvertretungskompetenz der Gemeindevertretung im vorliegenden Fall zukommen könnte.

Entscheidend ist somit auch im vorliegenden Beschwerdefall, ob ein Verhinderungsfall gemäß § 39 Abs. 2 GdO 1994 vorlag, sodass die nur auf Grund einer Vollmacht, die von der ersten Gemeinderätin unterzeichnet wurde, eingebrachte Beschwerde der Gemeinde zugerechnet werden kann.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde liegt auch im vorliegenden Fall kein sich maßgeblich von jenem Sachverhalt unterscheidender Sachverhalt vor, wie er im Beschwerdefall zur Zl. 99/06/0170 gegeben war. Der Umstand, dass im zugrundeliegenden Vorstellungsverfahren auch die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des Bürgermeisters zu beurteilen war, führt nicht dazu, dass ein Verhinderungsfall im Sinn des § 39 Abs. 2 GdO gegeben wäre. Es ist vielmehr in Gemeindeangelegenheiten regelmäßig der Fall, dass erstinstanzliche Bescheide vom Bürgermeister erlassen werden und sodann im Rechtsmittelverfahren in unterschiedlicher Weise die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit derartiger Bescheide in Rede steht. Dennoch hat der Gesetzgeber der Salzburger Gemeindeordnung das Vertretungsrecht gemäß § 39 Abs. 3 GdO 1994 dem Bürgermeister generell übertragen. Träfe die Auffassung der einschreitenden Organe zu, wäre zumindest in all jenen Fällen eine Befangenheit des Bürgermeisters anzunehmen, in denen unterschiedliche Entscheidungen in erster und zweiter Instanz gefällt wurden; darüber hinaus im Grunde auch dann, wenn in erster und zweiter Instanz die gleiche Rechtsauffassung vertreten wurde, die Entscheidung in dem in zweiter Instanz zuständigen Kollegialorgan aber nicht einstimmig erfolgte und die Entscheidung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben wurde. Da zudem nach der Gemeindeordnung die Beschlussfassung über eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof der Gemeindevorstehung obliegt, stellt die Vertretung der Gemeinde durch den Bürgermeister lediglich einen Fall der Ausführung der Beschlüsse der Gemeindevorstehung durch den Bürgermeister dar. Es ist daher nicht erforderlich, aus den offenbar der Beschwerde zugrunde liegenden Überlegungen eine so weit gehende Annahme einer Befangenheit in einer Vielzahl der Fälle anzunehmen (wobei neuerlich darauf hinzuweisen ist, dass die Überlegungen der Beschwerde letztlich zu einer Lahmlegung der Gemeindeorgane führen müssten, da nicht ersichtlich ist, weshalb Gemeinderäte, die eine gegenteilige Rechtsauffassung als der Bürgermeister vertreten, nicht befangen sein sollten). Auch der Umstand, dass ein Beschluss der Gemeindevertretung vorliegt (was übrigens auch im Falle des Beschwerdefalls zur Zl. 99/06/0170 gegeben war), führt nicht dazu, dass im Falle der Nichtausführung der in diesem Beschluss enthaltenen Weisung ein Befangenheitsfall vorläge. Tatsache ist, dass im Beschwerdefall die von der Gemeindevertretung dem Gemeindevorstand gegenüber ausgesprochene Weisung von diesem insofern nicht befolgt wurde, als die Beschlussfassung über die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof unterblieben ist. Die erste Gemeinderätin kann sich sohin auch nicht auf einen Beschluss des nach der Gemeindeordnung zuständigen Organs stützen, da auch nach den Beschwerdeausführungen (und den dazu vorgelegten Unterlagen) die Beschlussfassung in der Gemeindevorstehung betreffend eine Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof bislang nicht erfolgt ist. Schließlich hat der Bürgermeister der Gemeinde in dem oben zitierten Schreiben Gründe dargelegt, weshalb er bisher von der Erhebung einer Beschwerde Abstand genommen hat. Es besteht somit kein Anlass, in extensiver Auslegung des § 39 Abs. 2 VwGG die Vertretungsmacht der ersten Gemeinderätin gemäß § 35 Abs. 6 GdO 1994 zur Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof anzunehmen.

Auch die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 12 Abs. 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis war auf die Erklärung des Bürgermeisters, dass die Beschwerde zurückgezogen werde, wenn sie vom Verwaltungsgerichtshof als wirksam für die Gemeinde erhoben angesehen werde, nicht mehr einzugehen.

Wien, am 29. Juni 2000

Schlagworte

Befangenheit innerhalb der Gemeindeverwaltung Baurecht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000060067.X00

Im RIS seit

24.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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