Entscheidungsdatum
25.07.2017Index
27/01 RechtsanwälteNorm
RAO §16 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Beschwerde der Frau Dr. LL.M. (LSE) B. O., Wien, R., gegen den Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien, vom 17.01.2017, Zahl: Vs 2822/2014 betreffend den Antrag vom 04.02.2015
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Entscheidungsgründe
Folgender verfahrenswesentlicher Sachverhalt kann auf Grund des Vorbringens in den Anträgen, der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung als erwiesen der Entscheidung zugrunde gelegt werden:
Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwältin in Wien. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Juni 2014 zu 122 Hv 74/13s wurde für Frau E. H. für dieses Verfahren die Verfahrenshilfe mit Beigebung eines Rechtsanwaltes/einer Rechtsanwältin bewilligt. Mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 24. Juni 2014, Vs 2822/2014 wurde die Beschwerdeführerin zur Verfahrenshelferin und Verteidigerin der Beschuldigten E. H. im genannten Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien bestellt. Am 04.02.2015 wurde bei der belangten Behörde ein Antrag auf Sondervergütung für die in diesem Verfahren vom 26.06.2014 bis zum 31.12.2014 erbrachten Leistungen eingebracht. In dem vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien zur Geschäftszahl 122 Hv 74/13s anhängigen Verfahren fanden im Jahr 2014 nach dem Vorbringen im Antrag vier Verhandlungstage im Ausmaß von 25 Verhandlungsstunden statt. Die Antragswerberin brachte zwei weitere Stunden für Wartezeiten, weil Zeugen kurzfristig nicht erschienen wären, in Anschlag. Die übermäßige Belastung wird mit der umfangreichen Vorbereitung, dem Umfang des zu bearbeitenden Aktes sowie damit begründet, dass das Strafgericht – ob der Komplexität des Falles – auf Antrag der Verfahrensbeholfenen einen den Sachverhalt erhellenden Schriftsatz eingeräumt habe. Mit angefochtenem Bescheid wurde in Erledigung einer gegen einen in der Sache ergangenen Bescheid der Abteilung III des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12.07.2016 erhobenen Vorstellung der Antrag auf Sondervergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO vom 04.02.2015, der Antrag den Bescheid des Ausschusses ersatzlos aufzuheben sowie der Antrag auf Auszahlung des verzeichneten Betrages von insgesamt EUR 80.620,56 abgewiesen. Dagegen wurde rechtzeitig Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien erhoben.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides verweist die belangte Behörde zusammengefasst auf den Wortlaut des § 16 Abs. 4 RAO sowie darauf, dass die dort normierten Voraussetzungen gegenständlich nicht erfüllt seien. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung würden nicht geteilt, könnten von der belangten Behörde aber auch nicht vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden.
In der Beschwerde wird zunächst unter Bezugnahme auf die gesetzlich normierten Schwellenwerte gelten gemacht, es hätten im Strafverfahren E. H. vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien vier Verhandlungstage im Ausmaß von 15 Verhandlungsstunden (26/2) plus 2 Stunden (4/2) Wartezeit stattgefunden. Im Jahr 2015 habe keine Verhandlung in diesem Verfahren stattgefunden. Im Jahr 2016 habe am 03.03. eine Verhandlung mit 5/2 Stunden und am 21.12. mit ebenfalls 5/2 Stunden, im Jahr 2017 am 19.01. mit 11/2, am 24.01. mit 12/2, am 25.01.mit 10/2 und am 09.02. mit 15/2 Stunden stattgefunden. Zu ihrer Belastung führt die Beschwerdeführerin an, dass es sich um keinen „typischen Strafrechtsfall“ handle, sei dieser doch sehr umfangreich und beinhalte zahlreiche Rechtsfragen. Darüber hinaus sei die Verantwortung des Erstangeklagten und der Zweitangeklagten, die noch dazu über keinerlei Detailwissen verfüge, gegenläufig. Dadurch seien Kosten entstanden, die in einem eigenen Kostenverzeichnis ausgewiesen seien. Als Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin geltend, dass – unter Bezugnahme auf VfGH vom 27.02.1991, VfSlg 12638 - § 16 Abs. 4 RAO verfassungswidrig erscheine, da die vom Verfassungsgerichtshof als wesentlich angeführten Kriterien keine Beachtung gefunden hätten. Der Schwellenwert, der sich alleine auf Verhandlungstage und Verhandlungsstunden stütze, berücksichtige nicht den tatsächlichen Arbeitsaufwand. Darüber hinaus genüge der Terminus „innerhalb eines Jahres“ nicht dem gesetzlichen Determinierungsgebot, weil er mehrere Auslegungen zulasse. Dasselbe träfe auf die Wortfolge „…bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres …“ zu. Auch die nach der Rechtsprechung festzusetzende „angemessene Vergütung“ erscheint der Beschwerdeführerin prüfenswert. Beantragt wurde daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht, dahingehend, dass der angefochtene Bescheid insoweit abgeändert werde, dass dem Antrag auf Sondervergütung stattgegeben und die belangte Behörde verpflichtet werde, den verzeichneten Betrag auszubezahlen, in eventu die Verwaltungssache an die Behörde zurückzuverweisen. Angeregt wurde, das Verwaltungsgericht Wien möge einen Antrag auf Prüfung der Bestimmung des § 16 Abs. 4 RAO oder einzelner Wortfolgen dieser Bestimmung wegen Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof stellen.
§ 16 RAO in der geltenden Fassung lautet wie folgt:
§ 16. (1) Der Rechtsanwalt kann sein Honorar mit der Partei frei vereinbaren. Er ist jedoch nicht berechtigt, eine ihm anvertraute Streitsache ganz oder teilweise an sich zu lösen.
(2) Der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt hat die Vertretung oder Verteidigung der Partei nach Maßgabe des Bestellungsbescheides zu übernehmen und mit der gleichen Sorgfalt wie ein frei gewählter Rechtsanwalt zu besorgen. Er hat an die von ihm vertretene oder verteidigte Partei, vorbehaltlich weitergehender verfahrensrechtlicher Vorschriften, nur so weit einen Entlohnungsanspruch, als ihr der unterlegene Gegner Kosten ersetzt.
(3) Für die Leistungen, für die die nach den §§ 45 oder 45a bestellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, haben die in der Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte an diese Rechtsanwaltskammer einen Anspruch darauf, daß sie jedem von ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag der Pauschalvergütung einen gleichen Anteil auf seinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung anrechnet, soweit nicht ein Anspruch auf Vergütung nach Abs. 4 besteht.
(4) In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs. 3 für alle jährlich darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf Antrag des Rechtsanwalts ist bei Verfahren, in denen das Gericht unter Heranziehung von § 285 Abs. 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten. Der Antrag auf Vergütung ist vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen nach Maßgabe von Vorschusszahlungen nach § 47 Abs. 5 letzter Satz von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss. Im Rahmen der Festsetzung der angemessenen Vergütung sind die vom Rechtsanwalt in seinem Antrag verzeichneten Leistungen entsprechend der zeitlichen Abfolge ihrer Erbringung zu berücksichtigen und zu beurteilen. Ist die Vergütung, die der Rechtsanwalt erhält, geringer als der ihm gewährte Vorschuss, so hat der Rechtsanwalt den betreffenden Betrag dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer zurückzuerstatten.
(5) Die Regelungen der Abs. 3 und 4 sind auch sinngemäß anzuwenden, wenn sich der Entlohnungsanspruch eines nach § 61 Abs. 3 StPO bestellten Amtsverteidigers trotz Ausschöpfung der ihm zur Hereinbringung zumutbaren Schritte als uneinbringlich erweist und dies vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer festgestellt wurde.
Aus den Gesetzesmaterialien zu § 16 Abs. 4 RAO geht insbesondere Folgendes hervor:
§ 16 Abs. 4 RAO regelt die sogenannte “Sonderpauschalvergütung” für Verfahrenshilfeleistungen in überdurchschnittlich lang dauernden Verfahren. Während sonst die Verfahrenshilfeleistungen der Rechtsanwälte durch die (allgemeine) Pauschalvergütung abgegolten sind, die an die Rechtsanwaltskammer fließt und auf Grund der der Rechtsanwalt einen Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung hat, erhält der Rechtsanwalt für diese überdurchschnittlichen Leistungen ab einem gewissen Zeitpunkt eine Sondervergütung. Für den Fall, dass sich ein derartiges Verfahren über mehrere Jahre erstreckt, wird – für Bestellungen nach dem 31. Mai 1999 (Art. V Z 3) – vorgesehen, dass eine Sonderpauschalvergütung nur dann anfällt, wenn es sich um ein Verfahren handelt, in dem innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage (50 Verhandlungsstunden) anfallen, und in solchen Verfahren in jedem Jahr zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden ohne Sondervergütung geleistet werden müssen.
…. Mit der vorgeschlagenen Erweiterung des § 16 Abs. 4 RAO soll den praktischen Erfahrungen im Zusammenhang mit der verordnungsmäßigen Festsetzung der sog. „Sonderpauschalvergütung“, also der Abgeltung von Verfahrenshilfeleistungen in überdurchschnittlich lang dauernden Verfahren, Rechnung getragen werden.
Nach § 16 Abs. 4 erster Satz RAO setzt der Anspruch des zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalts auf Sondervergütung insbesondere voraus, dass der Rechtsanwalt im betreffenden Verfahren innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird. Übersteigen die im konkreten Verfahren pro Jahr erbrachten Verfahrenshilfeleistungen diesen Umfang nicht, so besteht kein Anspruch (wobei freilich auch solche Verfahrenshilfeleistungen vom Rechtsanwalt letztlich nicht unentgeltlich zu erbringen sind, sondern von der Republik Österreich im Rahmen der allgemeinen Pauschalvergütung nach § 47 Abs. 1 RAO abgegolten werden). Zur Ermittlung der maßgeblichen Grenze von zehn Verhandlungstagen bzw. von fünfzig Verhandlungsstunden ist nach dem Gesetzeswortlaut dabei nur auf die tatsächliche Verhandlungstätigkeit vor Gericht abzustellen…… (siehe RV, 303 d.B., XXIII. GP).
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 12.638/1991 vom 27.2.1991 wurde die damals in Geltung befindliche Bestimmung des § 16 Abs. 2 RAO als verfassungswidrig aufgehoben. Diese hatte angeordnet, dass einem Verfahrenshilfeanwalt nur so weit ein Entlohnungsanspruch gegenüber der von ihm vertretenen oder verteidigten Partei zukommt, als der unterlegene Gegner Kosten ersetzt. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes bestünden gegen ein Pauschalvergütungssystem, bei dem nicht die Leistungen des einzelnen Rechtsanwaltes, sondern die der Rechtsanwaltschaft insgesamt abgegolten würden, prinzipiell keine Bedenken. In Fällen "besonders umfangreicher und arbeitsintensiver Vertretungen und Strafverteidigungen, die Verfahrenshelfer wochen- und auch monatelang in Anspruch nehmen", sei die "undifferenzierte Anwendung" eines derartigen Pauschalvergütungssystems indes gleichheitswidrig.
Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, welches die Grundlage für die – im Wesentlichen nunmehr geltende – Regelung des § 16 Abs. 4 RAO mit angemessener Vergütung bildet, gehen folgende, grundlegende Erwägungen (dies bei der vormals in Geltung befindlichen Regelung, welche keine angemessene Vergütung bei Großverfahren von mehr als 10 Verhandlungstagen vorsah) hervor:
„Gleichheitsbedenken treten jedoch unter dem Aspekt auf, dass Verfahrenshelfer auch für Verfahren zu bestellen sind, die eine weit überdurchschnittliche Belastung der bestellten Rechtsanwälte bewirken, sodaß ungeachtet der Anordnungen des §46 Abs1 RAO unzumutbare Belastungen eintreten können. Dabei scheint es sich nicht um vernachlässigbare Härtefälle zu handeln, sondern um Auswirkungen, die dem System an sich innewohnen. Auch wenn im Falle der Bestellung eines Rechtsanwaltes für ein monatelanges Verfahren eine neuerliche Heranziehung zur Verfahrenshilfe allenfalls erst nach Jahren zulässig wäre, kann eine solche Vertretungsverpflichtung zu Belastungen führen, die sich für Anwälte existenzgefährdend auswirken können.
Andererseits dürfte Art 6 MRK einem Vorgehen der Ausschüsse der Rechtsanwaltskammern entgegenstehen, das darin münden würde, bei Verfahren von langer Dauer - zur Entlastung des bestellten Verfahrenshelfers - nach einer bestimmten Anzahl von Verhandlungstagen eine Umbestellung vorzunehmen oder gleichzeitig eine größere Anzahl an Verfahrenshelfern für zeitlich abgegrenzte Abschnitte eines Verfahrens zu bestellen; dies deshalb, weil bei einer derartigen Vorgangsweise der für eine angemessene Verteidigung gebotene Überblick des einzelnen Rechtsanwaltes nicht mehr gewährleistet und die durch Art6 MRK geforderte wirksame Verteidigung (siehe auch EuGMR Urteil vom 13.5.1980 im Fall Artico und VfSlg. 9535/1982) in Frage gestellt sein dürfte.
Dies scheint dazu zu führen, daß in einzelnen, aber doch wiederkehrenden Fällen eine weit überdurchschnittliche und aus der Sicht einer freiberuflichen Tätigkeit von Rechtsanwälten unzumutbare Belastung entsteht.
Die den Rechtsanwälten gemäß § 16 Abs 2 RAO obliegende Verpflichtung, im Falle ihrer Bestellung zum Verfahrenshelfer die Vertretung oder Verteidigung einer mittellosen Partei zu übernehmen, besteht auch dann, wenn zufolge besonderer Umstände (zB Komplexität des Verfahrensgegenstandes) Prozesse und Strafverfahren eine weit über dem Durchschnitt liegende Dauer erreichen, und wenn eine sorgfältige Vertretung oder Verteidigung einen ungewöhnlich hohen Arbeitsaufwand erfordert.
Solche Fälle besonders umfangreicher und arbeitsintensiver Vertretungen und Strafverteidigungen, die Verfahrenshelfer wochen- und auch monatelang in Anspruch nehmen, stellen - selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie eher selten vorkommen - keine Härtefälle dar, die aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes vernachlässigbar wären (vgl. zB VfSlg. 7012/1973, 8352/1978, 8806/1980).
Die Beigebung eines Verfahrenshelfers dient Interessen der Rechtspflege; bei komplizierten und langdauernden Verfahren besteht ein besonderes Interesse der Rechtspflege daran, dass auch Parteien, die nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Beistandes oder Verteidigers verfügen, ein solcher beigegeben wird. Es ist dem Verfahrenshilfesystem somit immanent, dass Rechtsanwälte als Verfahrenshelfer insbesondere auch in solchen Fällen mit einer Vertretung oder Verteidigung betraut werden, die einen überdurchschnittlich hohen Arbeitsaufwand für sie nach sich ziehen.
Aus der in Prüfung gezogenen Regelung ergibt sich nun, dass Verfahrenshelfer die Vertretung oder Verteidigung der Partei nach Maßgabe des Bestellungsbescheides zu übernehmen haben, ohne dass ihnen gegenüber dieser Partei ein Entlohnungsanspruch zusteht, und zwar auch für den Fall, dass die Bestellung ein wochen- oder monatelanges Einschreiten erfordert. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass die Verpflichtung zur Übernahme einer Verfahrenshilfe in Prozessen von überdurchschnittlich langer Dauer an sich eine große Belastung für den Anwalt darstellt; dies gilt im besonderen aber dann, wenn Rechtsanwälte erst relativ kurz in die Liste eingetragen sind und (oder) ihren Beruf nicht in einer Kanzleigemeinschaft ausüben. Die Belastungen durch die Bestellung zum Verfahrenshelfer im Rahmen eines Pauschalvergütungssystems, das zudem auch in solchen Fällen kein Recht auf Ablehnung oder Enthebung vorsieht, können sich in wochen- oder monatelangen Verfahren existenzbedrohend auswirken.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13.09.2016, Ra 2015/03/0088, mit welcher Beschwerden gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes Wien betreffend den Antrag auf Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO abgewiesen wurden, folgendes grundsätzlich ausgeführt:
„Der einzelne Rechtsanwalt erwirbt im Allgemeinen durch seine Leistungen in einem Verfahren, in dem er als Verfahrenshelfer bestellt wurde, gegenüber der Rechtsanwaltskammer - abgesehen vom Anspruch auf anteilsmäßige Anrechnung auf die Beiträge zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung - keinen individuellen Vergütungsanspruch.
Von diesem Grundsatz normiert § 16 Abs 4 RAO eine Ausnahme: Wird der Rechtsanwalt in besonderem Umfang in Anspruch genommen, gebührt ihm eine individuelle Vergütung (VwGH vom 3. September 2001, 99/10/0206; VwGH vom 28. Februar 2006, 2002/06/0211; VwGH vom 26. Mai 2008, 2006/06/0264). Diesbezüglich sieht § 16 Abs 4 erster Satz RAO vor, dass dem Rechtsanwalt die Sonderpauschalvergütung für solche Verfahren zusteht, in denen innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden anfallen (ErläutRV 1638 BlgNR 20. GP, 16; vgl VwGH vom 3. September 2001, 99/10/0206; VwGH vom 28. Februar 2006, 2002/06/0083). Zur Ermittlung der maßgeblichen Grenze von zehn Verhandlungstagen bzw von 50 Verhandlungsstunden ist nach dem Gesetzeswortlaut auf die tatsächliche Verhandlungstätigkeit vor Gericht abzustellen (ErläutRV 303 BlgNR 23. GP, 22). In § 16 Abs 4 RAO werden daher nach dem Kriterium der Dauer der Hauptverhandlung jene Gruppe von Strafverfahren definiert, in denen eine sorgfältige Vertretung oder Verteidigung für den Verfahrenshelfer einen ungewöhnlich hohen Arbeitsaufwand erfordert und in welchen daher den als Verfahrenshelfer beigegebenen Rechtsanwälten für ihren Aufwand ausnahmsweise eine besondere Vergütung zuerkannt werden soll. Diese Wertung hat der Gesetzgeber insofern unterstrichen, als er den ursprünglich mit BGBl Nr 474/1990 in die RAO aufgenommenen § 16 Abs 4 durch das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 (BGBl I Nr 111/2007) erweiterte, sodass nunmehr bei Verfahren, in denen das Gericht unter Heranziehung des § 285 Abs 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, auch die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche, um welche die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten ist. Damit wollte er bewusst dem Umstand Rechnung tragen, dass das Gesetz im Fall des § 285 Abs 2 StPO selbst auf den besonderen Umfang der Rechtssache Bedacht nimmt und anerkennt, dass mit der üblicherweise für die Erstellung einer Rechtsmittelschrift zur Verfügung stehenden Zeit nicht das Auslangen gefunden werden kann. Tragender Erwägungsgrund dafür war, dass bei Rechtsmitteln in solchen "Monsterverfahren" der besonders hohe Aufwand, der mit der Erstellung des Rechtsmittels verbunden ist, durch die Entscheidung des Gerichts auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist objektiviert ist (ErläutRV 303 BlgNR 23. GP, 23; vgl VwGH vom 18. Mai 2010, 2009/06/0263).
Die Regelung des § 16 Abs 4 RAO geht auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. Februar 1991, G 135/90 ua, VfSlg 12.638, zurück, mit dem ausgesprochen wurde, dass die Bestimmung des § 16 Abs 2 RAO idF BGBl Nr 570/1973 verfassungswidrig war. Diese hatte angeordnet, dass einem Verfahrenshelfer an die von ihm vertretene oder verteidigte Partei nur so weit ein Entlohnungsanspruch zustand, als ihr der unterlegene Gegner Kosten ersetzte. Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass es dem Gleichheitsgrundsatz iSd Art 7 B-VG widerspricht, wenn Verfahrenshelfer auch für Verfahren zu bestellen sind, die eine weit überdurchschnittliche Belastung der bestellten Rechtsanwälte bewirken, sodass für die betroffenen Rechtsanwälte unzumutbare Belastungen eintreten können. Dabei handelt es sich nicht um vernachlässigbare Härtefälle, sondern um Auswirkungen, die dem System innewohnen. Auch wenn im Falle der Bestellung eines Rechtsanwalts für ein monatelanges Verfahren eine neuerliche Heranziehung zur Verfahrenshilfe allenfalls erst nach Jahren zulässig wäre, kann eine solche Vertretungsverpflichtung zu Belastungen führen, die sich für Anwälte existenzgefährdend auswirken können (VfSlg 12.638/1991, Z 3,6; vgl VwGH vom 26. Mai 2008, 2006/06/0264; VwGH vom 17. Dezember 2009, 2009/06/0144).
Vor diesem Hintergrund ging der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 16 Abs 4 RAO davon aus, dass die Einführung einer individuellen Vergütung für zu Verfahrenshelfern bestellte Rechtsanwälte, deren Inanspruchnahme einen bestimmten Umfang überschreitet, notwendig ist, um existenzbedrohende Situationen für Rechtsanwälte, die durch den Umfang ihrer Tätigkeit in solchen Verfahren am anderweitigen Erwerb gehindert sind, zu vermeiden. Unter diesem Gesichtspunkt entspricht eine Regelung dem Gleichheitsgebot, die eine individuelle Vergütung für den Rechtsanwalt erst ab dem Erreichen eines bestimmten Arbeitsumfangs für diesen vorsieht. Eine Auslegung, wonach etwa einem während eines Prozesses bestellten Rechtsanwalt unabhängig davon, ob seine Inanspruchnahme den Schwellenwert überschritten hat, die Vergütung zu gewähren sei, ist von daher nicht geboten (VwGH vom 3. September 2001, 99/10/0206). Wenn in § 16 Abs 4 RAO festgelegt ist, dass dem Rechtsanwalt "für alle darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtsanwaltskammer (ein) Anspruch auf eine angemessene Vergütung zusteht", so wird damit aber zum Ausdruck gebracht, dass ein solcher Anspruch auf angemessene Vergütung in jenem Ausmaß gewährt werden soll, in welchem die Leistungen des Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer die Leistungen eines Verteidigers in einem typischen Strafverfahren unterhalb der Schwelle des § 16 Abs 4 RAO übersteigen (VwGH vom 28. Februar 2006, 2002/06/0083; VwGH vom 17. April 2007, 2003/06/0050).
Der Verwaltungsgerichtshof hat festgehalten, dass zur Bemessung des Anspruchs nach § 16 Abs 4 RAO nur auf das einzelne Verfahren abzustellen ist, nicht aber alle während eines Jahres erbrachten Verfahrenshilfeleistungen in jedem einzelnen Verfahren, für das der Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer bestellt worden ist, zusammenzuzählen sind (VwGH vom 14. Mai 1996, 95/19/0565).“
Im Erkenntnis vom 03.09.2001, 99/10/0206 hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgeführt:
„Der einzelne Rechtsanwalt erwirbt im Allgemeinen durch seine Leistungen in einem Verfahren, in dem er gemäß § 45 RAO bestellt wurde, gegenüber der Rechtsanwaltskammer - abgesehen vom Anspruch auf anteilsmäßige Anrechnung auf die Beiträge gemäß § 16 Abs 3 RAO - keinen individuellen Vergütungsanspruch. Von diesem Grundsatz normiert § 16 Abs 4 RAO eine Ausnahme: Wird der Rechtsanwalt im besonderen Umfang in Anspruch genommen, gebührt ihm eine individuelle Vergütung. Dabei wird in § 16 Abs 4 erster Satz RAO in einer Zweifel ausschließenden Weise daran angeknüpft, dass der betreffende Rechtsanwalt, dessen Vergütungsanspruch zu bemessen ist, mehr als zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden in Anspruch genommen wurde, indem gesagt wird, "er" (der Rechtsanwalt) hat ... Anspruch auf eine Vergütung für "alle darüber hinausgehenden Leistungen". Die Vorschrift bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der Überschreitung der Verhandlungsdauer um eine von der Person des Rechtsanwaltes und des Umfanges der von diesem erbrachten Leistungen losgelöste, allein auf das Verfahren bezogene Anspruchsvoraussetzung handle. Der Vergütungsanspruch wird somit vom Erreichen eines - an einer Durchschnittsbetrachtung orientierten - "Schwellenwertes" der Belastung des betreffenden Rechtsanwaltes abhängig gemacht. Die in den Materialien (Bericht des Justizausschusses, 1380 Blg NR XVII. GP) zum Ausdruck kommenden Überlegungen des Gesetzgebers stellen klar, dass der individuelle Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts nach § 16 Abs 4 RAO an das Überschreiten des Schwellenwertes durch den Umfang der Leistungen des betreffenden Rechtsanwaltes anknüpft (arg "dass einem zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt dann eine besondere Vergütung zukommen soll, wenn er ... an mehr als zehn Verhandlungstagen oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig geworden ist und ihm hiefür nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften kein Entlohnungsanspruch zusteht"). Ebenso wird in den Materialien - in unmittelbarem Zusammenhang mit der soeben erörterten Anspruchsvoraussetzung - darauf hingewiesen, dass "die Leistung eines Rechtsanwaltes bis zur Dauer von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden durch die (allgemeine) Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt" werde. Das Überschreiten des Schwellenwertes ist eine für jeden gemäß § 45 RAO bestellten Rechtsanwalt gesondert zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung einer Vergütung nach § 16 Abs 4 RAO. Eine Auffassung, die darauf hinausliefe, dass zwar dem Rechtsanwalt bzw den Rechtsanwälten, die innerhalb der "ersten" im betreffenden Verfahren abzuwickelnden zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden einschreiten, die betreffenden Leistungen nicht individuell abgegolten würden, den in der Folge einschreitenden Rechtsanwälten hingegen ab dem ersten Einschreiten schon, würde eine Ungleichheit herbeiführen. Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 16 Abs 4 RAO offenbar davon aus, dass die Einführung einer individuellen Vergütung für gemäß § 45 RAO bestellte Rechtsanwälte, deren Inanspruchnahme einen bestimmten Umfang überschreitet, notwendig wäre, um existenzbedrohende Situationen für Rechtsanwälte, die durch den Umfang ihrer Tätigkeit in solchen Verfahren am anderweitigen Erwerb gehindert werden, zu vermeiden. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend entspricht eine Regelung dem Gleichheitsgebot, die eine individuelle Vergütung für den Rechtsanwalt erst ab dem Erreichen eines bestimmten Arbeitsumfanges für diesen vorsieht. Eine Auslegung, wonach einem während eines Prozesses bestellten Rechtsanwalt unabhängig davon, ob seine Inanspruchnahme den Schwellenwert überschritten hat, die Vergütung zu gewähren sei, ist auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes keineswegs geboten.“
In seinem Erkenntnis vom 01.03.2017, Ra 2016/03/0001 brachte der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das eben zitierte Erkenntnis vom 13.09.2016 zum Ausdruck, dass für eine Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO nach seinem Wortlaut ausschließlich die alternativen Voraussetzungen (Tätigwerden für insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden bzw Verlängerung der Ausführungsfrist für ein Rechtsmittel iSd § 16 Abs 4 zweiter Satz RAO) in Betracht kommen. Darüber hinaus führte der Gerichtshof im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen im dortigen Revisionsverfahren aus, ein Eingehen auf die Frage, ob sich ein Anspruch nach § 16 Abs 4 RAO auch für in mehreren Kalenderjahren liegende Verhandlungstage ergeben könne, erübrige sich, wenn alle Verhandlungstage im selben Kalenderjahr stattgefunden hätten.
1. Nach dem Beschwerdevorbringen hat die Beschwerdeführerin im gegenständlich relevanten Verfahrenshilfeverfahren E. H. beginnend mit 2014 bis zum Tag der Beschwerdeerhebung, dem 08.06.2017 44 (richtig 43) Verhandlungsstunden plus zwei Stunden Wartezeit oder 10 Verhandlungstage absolviert. Die gesetzlichen Schwellenwerte (der Alternativtatbestand, dass das Gericht unter Heranziehung von § 285 Abs. 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, wurde nicht geltend gemacht) wurden somit im gesamten von den beiden Anträgen der Beschwerdeführerin auf Sondervergütung umfassten Zeitraum auch nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht erreicht.
2. Eine Entscheidung in der Sache dahingehend, dass der Beschwerdeführerin der geltend gemachte Betrag zugesprochen würde setzt voraus, dass es sich bei der Aufzählung der Tatbestände in § 16 Abs. 4 RAO um eine demonstrative Aufzählung handelt, die der Behörde (dem Verwaltungsgericht) eine Stattgabe auch bei Vorliegen anderer Gründe gestattet. Eine solche Auslegung würde aber nicht nur den Gesetzesmaterialien zu § 16 Abs. 4 RAO widersprechen (arg "dass einem zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt dann eine besondere Vergütung zukommen soll, wenn er ... an mehr als zehn Verhandlungstagen oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig geworden ist und ihm hiefür nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften kein Entlohnungsanspruch zusteht") sondern stünde auch zu der insbesondere mit dem Erkenntnis vom 03.09.2001, 99/10/0206 begonnenen und unter anderem mit dem Erkenntnis vom 13.09.2016, Ra 2015/03/0088 fortgesetzten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Widerspruch. So hat der Verwaltungsgerichtshof das Überschreiten des Schwellenwertes als eine für jeden gemäß § 45 RAO bestellten Rechtsanwalt gesondert zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung einer Vergütung nach § 16 Abs 4 RAO angesehen und ausgeführt, dass eine Regelung dem Gleichheitsgebot entspricht, die eine individuelle Vergütung für den Rechtsanwalt erst ab dem Erreichen eines bestimmten Arbeitsumfanges für diesen vorsieht.
3. Da somit die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 4 RAO nicht erfüllt wurden, kam eine Entscheidung in der Sache im Sinne der Beschwerdeführerin und Antragstellerin nicht in Betracht.
4. Auf das Vorbringen hinsichtlich der Jahresfrist braucht schon deshalb nicht näher eingegangen werden, weil die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 4 in dem gesamten verfahrensrelevanten Zeitraum, und auch nicht bis zur Erhebung der Beschwerde erfüllt wurden.
5. Zu der in der Beschwerde angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Norm, wird, soweit die behauptete Verfassungswidrigkeit für gegenständliches Verfahren von Relevanz ist, wird folgendes ausgeführt:
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien liegt die Entscheidung des Gesetzgebers, wie er die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Vergütung von zu Verfahrenshelfern bestellten Rechtsanwälten in § 16 RAO im rechtspolitischen Gestaltungsraum.
Zur Frage des rechtspolitischen Entscheidungsspielraumes hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13.12.1982, B 193/77; G 85/77 ausgeführt, dass die rechtspolitische Gestaltungsfreiheit nicht unbegrenzt ist. Rechtspolitische Erwägungen des Gesetzgebers unterliegen – außer im Falle eines Exzesses – nicht der Kontrolle durch den VfGH und sind insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgebot ableitbaren Maßstäben zu messen (Verweis auf VfSlg 6030/1969, 6152/1970, 6191/1970, 6929/1972, 9280/1981). Innerhalb dieser Grenzen sei die Rechtskontrolle nicht zu einem Urteil in Angelegenheit der Rechtspolitik berufen (Verweis auf VfSlg. 5692/1968, 6033/1969, 6533/1971, 7359/1974, 7864/1976). Ein Exzess wäre zum Beispiel dann gegeben, wenn durch eine differenzierende Vorschrift ein anderes Grundrecht, etwa die Freiheit der Erwerbsausübung, im Wesen geschmälert würde.
Wenn der Gesetzgeber in Reaktion auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch macht und auf die vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigte Problematik bei Verfahrenshilfe in Prozessen von überdurchschnittlich langer Dauer reagiert, handelt er nicht exzessiv. Die Verhandlungsdauer bei Strafprozessen stellt durchaus ein sachliches Kriterium für die Gewährung einer Sondervergütung in den Fällen der Verfahrenshilfe dar. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bei Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung keinen Anlass für ein Herantreten an der Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit erkannt.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Vorliegenden waren die aufgeworfenen Rechtsfragen angesichts des unbestrittenen Wortlautes des zu Grunde liegenden Antrages wie des angefochtenen Bescheides an Hand der Beschwerde zu klären, wobei das Beschwerdevorbringen als Basis herangezogen wurde. Diesbezüglich hätte auch eine Erörterung in einer mündlichen Verhandlung nichts an den festgestellten und unbestrittenen Tatsachen geändert. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Rechtsanwaltskammer; Rechtsanwalt; Verfahrenshelfer; Pflichtverteidiger; Entlohnungsanspruch; Pauschalvergütung; Sonderpauschalvergütung; Schwellenwert; individuelle Vergütung; GleichheitskonformitätAnmerkung
VfGH v. 29.11.2018, E 3115-3116/2017; AblehnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.101.020.9860.2017Zuletzt aktualisiert am
02.01.2019