Entscheidungsdatum
13.11.2017Index
60/01 ArbeitsvertragsrechtNorm
AVRAG §7m Abs8Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fritz über die Beschwerde der B. GmbH mit Sitz in Wien, D.-straße, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 11.08.2017, Zl. MBA ... - 545089/17, betreffend Verfall einer Sicherheitsleistung in einem Verfahren wegen Übertretungen des AVRAG, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde, die sich ausschließlich gegen den Ausspruch des Verfalls eines Teiles der Sicherheitsleistung (in der Höhe von 12.650,-- Euro) richtet, Folge gegeben und anstelle des Ausspruches über den Verfall Folgendes verfügt: Gemäß § 7m Abs. 8 erster Satz AVRAG wird (auch) der weitere Teilbetrag der erlegten Sicherheitsleistung in der Höhe von 12.650 Euro für frei erklärt. Die frei gewordene Sicherheitsleistung ist an die B. GmbH (Auftraggeberin) auszuzahlen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit (in Rechtskraft erwachsenem) Bescheid der belangten Behörde vom 26.04.2016, Zl. MBA...-306924/16 war gemäß § 7m Abs. 3 iVm § 7b Abs. 3 iVm Abs. 8 und § 7d Abs. 1 iVm § 7i Abs. 4 Z. 1 des Arbeitsvertragsrechts – Anpassungsgesetzes (AVRAG) der B. GmbH (der beschwerdeführenden Partei) als Auftraggeberin der K. Kft. mit Sitz in ..., Ungarn für das Bauvorhaben in ..., B.-straße der Erlag einer Sicherheitsleistung als Teil des noch zu leistenden Werklohnes in der Höhe von 25.000,-- Euro aufgetragen worden. Dieser Betrag sei binnen einer Frist von 2 Wochen ab Zustellung des Bescheides auf ein näher bezeichnetes Konto einzuzahlen.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgericht Wien (teilweise) angefochtenen Bescheid über eine Sicherheitsleistung vom 11.08.2017 erklärte die belangte Behörde gemäß § 7m Abs. 9 AVRAG die der B. GmbH als Auftraggeberin der K. Kft. mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.04.2016 zur Zl. MBA ...-306924/16 aufgetragene Sicherheitsleistung bezüglich eines Teilbetrages in der Höhe von 12.650,-- Euro für verfallen. Der Teilbetrag in der Höhe von 12.350,-- Euro werde gemäß § 7m Abs. 8 erster Satz AVRAG für frei erklärt. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage Folgendes aus:
„Mit Bescheid vom 26.04.2016, ZI. MBA ... - 306924/16, rechtskräftig mit 16.08.2016, wurde der B. GmbH der Erlag einer Sicherheitsleistung in der Höhe von € 25.000,00 aufgetragen.
Vom Magistratischen Bezirksamt für den ... Bezirk wurden zu den Zahlen MBA ... - S 22817/16, MBA ... - S 22832/16 und MBA ... - S 22855/16 drei Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der K. Kft., Herrn M. L., und zu den Zahlen MBA ... - S 22825/16, MBA ... - S 22847/16 und MBA ... – S 22861/16 drei Verwaltungsstrafverfahren gegen den Geschäftsführer I. N. geführt. Es wurden insgesamt Geldstrafen in der Höhe von € 30.000,00 und Verfahrenskosten in Höhe von € 3.000,00 festgesetzt. Das Verwaltungsgericht Wien hat mit Erkenntnis vom 08.06.2017, rechtskräftig mit 20.06.2017, die Strafverfahren gegen Herrn M. L. eingestellt und die Geldstrafen gegen Herrn I. N. auf eine Höhe von insgesamt € 11.500,00 (zuzüglich Verfahrenskosten in der Höhe von 10%) herabgesetzt.
Daraufhin versuchte die Magistratsabteilung 6 die Eintreibung der Geldstrafen. Der Beschuldigte verfügt über keinen Wohnsitz in Österreich. Sämtliche Schreiben und Aufforderungen wurden an die Wohn- bzw. Firmenadresse in Ungarn zugestellt.
Laut Stellungnahme der Magistratsabteilung 6 vom 01.08.2017 und vom 10.08.2017 sind bisher trotz Zahlungsaufforderungen keine Zahlungen für die angeführten Strafzahlen eingelangt.
Laut BKA-Wiki sind bei der Vollstreckung in Verwaltungsstrafsachen in Ungarn Fälle von Verweigerung der Vollstreckungshilfe durch das Nationale Polizeipräsidium dokumentiert. Das BKA hat bereits mit Rundschreiben vom 15. Mai 2009, GZ BKA-672.736/0012-V/1/2009 (Verweigerung der Leistung von Rechtshilfe nach dem EU-Rechtshilfeübereinkommen 2000 durch die Republik Ungarn; Änderung des Durchführungsrundschreiben zum EU- Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz) festgelegt, dass es zulässig ist, Personen, die ihren Hauptwohnsitz in Ungarn haben, eine Sicherheitsleistung iSd. § 37 VStG vorzuschreiben bzw. von diesen Personen eine vorläufige Sicherheit iSd. § 37a VStG einzuheben. Dies ist analog auch für die diesbezüglichen Spezialbestimmungen zur Vorschreibung von Sicherheitsleistungen nach dem AVRAG anzuwenden.
Da sich der Vollzug der Strafe somit als unmöglich erweist und noch kein Jahr seit der rechtskräftigen Festsetzung der Sicherheit vergangen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.“
Gegen den Ausspruch des Verfalles im Bescheid vom 11.08.2017 erhob die B. GmbH fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, von einer Unmöglichkeit eines Strafvollzuges auszugehen, ohne Vollstreckungshilfe überhaupt beantragt zu haben, sei nicht argumentierbar und rechtswidrig. Der erkennenden Behörde sei offenbar das aktuelle (!) Schreiben des BKA-Vefassungsdienstes hinsichtlich der Leistung von Rechtshilfe nach dem EU-Rechtshilfeübereinkommen 2000 durch die Republik Ungarn vom 25.11.2016, BKA-670.502/0043-V/1/2016, nicht bekannt. Demnach liege dem BKA-Verfassungsdienst „ein Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Ungarn, Abteilung für Verwaltungsrecht, vom 13.10.2016 vor, aus dem hervorgeht, dass österreichischen Rechtshilfeersuchen in Verwaltungsstrafsachen der Regel entsprochen wird; nur in (begründeten) Einzelfällen werden Rechtshilfeersuchen von den zuständigen ungarischen Behörden abgelehnt“. Und weiter heißt es: „Von einer systematischen Verweigerung der Leistung von Rechtshilfe nach dem EU-Rechtshilfeübereinkommen 2000 durch die zuständigen ungarischen Behörden kann daher nach Ansicht des Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst nicht mehr ausgegangen werden“. Angewandt auf den beschwerdegegenständlichen Bescheid bedeute dieses Schreiben zweifelsfrei, dass ein Rechtshilfeansuchen an die ungarischen Behörden einen Strafvollzug ermöglicht hätte (beigelegt war das erwähnte Schreiben des BKA-Verfassungsdienstes vom 25.11.2016).
Das Verwaltungsgericht Wien schaffte von der belangten Behörde die Akten zu den Zlen. MBA ... - S 22825/2016, MBA ... - S 22847/2016 und MBA ... – S 22861/2016 (Beschuldigter jeweils: I. N.) bei. In einem AV des MBA ... vom 05.10.2017 ist festgehalten worden, dass Frau Mag. S. vom MBA ... bekannt gebe, dass ihr Frau T. von der MA 6 mitgeteilt habe, dass Herr I. N. die Strafen (zu den drei erwähnten Zahlen) bezahlt habe.
Dieser Aktenvermerk wurde der Finanzpolizei Wien, Team ... im Rahmen des Parteiengehöres zur Kenntnisnahme übermittelt und um Mitteilung ersucht ob (ohne Verhandlung) zugestimmt werde, dass der gesamte Betrag für frei erklärt werde (die Strafen seien zur Gänze bezahlt worden). Die Finanzpolizei Team ... (Spezialteam Bau) teilte mit Schreiben vom 16.10.2017 mit, dass die Abgabenbehörde eine solche Zustimmung nicht erteilen könne, weil hierfür das Magistratische Bezirksamt zuständig sei.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 7m Abs. 8 AVRAG (idF vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/2016) hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Sicherheit für frei zu erklären, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Auftragnehmer oder den Überlasser verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen eines Jahres der Verfall ausgesprochen wurde. In Verfahren nach § 7i Abs. 5 findet der erste Satz Anwendung mit der Maßgabe, dass die Sicherheit für frei zu erklären ist, wenn nicht binnen zwei Jahren der Verfall ausgesprochen wurde. Die Sicherheit ist auch dann für frei zu erklären, wenn sie vom/von der Auftragnehmer/in oder dem/der Überlasser/in erlegt wird. Frei gewordene Sicherheiten sind an den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in auszuzahlen
Gemäß § 7m Abs. 9 AVRAG (in der genannten Fassung) hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Sicherheit für verfallen zu erklären, sobald sich die Strafverfolgung des Auftragnehmers oder der Auftragnehmerin oder des Überlassers oder der Überlasserin oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 ist sinngemäß anzuwenden.
Die belangte Behörde hat mit dem bekämpften Teil ihres Bescheides vom 11.08.2017 die der beschwerdeführenden Partei als Auftraggeberin aufgetragene Sicherheitsleistung bezüglich eines Teilbetrages in der Höhe von 12.650,-- Euro für verfallen erklärt. Ohne dass auf das Beschwerdevorbringen näher eingegangen werden musste, war der Beschwerde (bezüglich des Ausspruches des Verfalles über den Teilbeitrag von 12.500 Euro) Folge zu geben, weil die Strafen von I. N. (zu drei angeführten Strafzahlen; siehe den Aktenvermerk vom 05.10.2017) bereits bezahlt worden sind; es war daher davon auszugehen, dass die gegen den Verantwortlichen der Auftragnehmerin verhängten Strafen vollständig bezahlt (vollzogen) worden sind.
Aus dem Gesagten folgt, dass der angefochtene Bescheid (in seinem bekämpften Teil) zu beheben und zu verfügen war, dass auch der weitere Teilbetrag der erlegten Sicherheitsleistung in der Höhe von 12.650,-- Euro für frei zu erklären ist.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlicher mündlichen Verhandlung entfallen.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich keine über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehenden Rechtsfragen stellten.
Schlagworte
Sicherheitsleistung; Verfall; Strafe bezahlt; ersatzlose BehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.041.V.036.13107.2017Zuletzt aktualisiert am
19.12.2017