TE Lvwg Erkenntnis 2017/9/13 LVwG 30.15-526/2016

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Veröffentlicht am 13.09.2017
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Entscheidungsdatum

13.09.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

VStG 1991 §22 Abs1
StPO §190 Z1
ASchG 1994 §8 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Dr. Merl über die Beschwerde des Herrn Ing. M G, geb. xx, vertreten durch Rechtsanwalt MMag. M K, Mstraße, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 15.01.2016, GZ: BHGU-15.1-24435/2015,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz
(im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde dem Grunde nach

a b g e w i e s e n.

II.  Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Beschwerde Folge gegeben und eine Geldstrafe von € 500,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren der belangten Behörde auf den Betrag von insgesamt € 50,00. Dem Beschwerdeführer wird aufgetragen, die Geldstrafe und den Kostenbeitrag binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

III.  Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz
(im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird dahingehend berichtigt, dass im ersten Absatz des Spruches die Formulierung „Baukoordinator der Baustelle in N, Z“ sowie bei der verletzten Verwaltungsvorschrift die Zitierung des § 7 BauKG entfällt.

Weiters wird der Spruch dahingehend konkretisiert, dass der Beschwerdeführer die gegenständliche Übertretung als gemäß § 9 Abs 2 VStG verantwortlicher Beauftragter der B GmbH begangen hat.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Beschwerdevorbringen, Sachverhalt:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer in
seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B GmbH eine Übertretung des § 8 Abs 4 ASchG iVm § 7 Abs 1 BauKG und § 130 Abs 1 Z 6 ASchG mit nachstehendem Tatvorwurf zur Last gelegt und eine Geldstrafe von € 830,00 verhängt:

„Sie haben als verantwortlicher Beauftragter der Firma B GmbH, in G, Fgasse, Baukoordinator der Baustelle in N, Z, folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten:

Der Arbeitnehmer P B, geb. xx, der Firma W GmbH in O, Bstraße, lenkte am 10.9.2014 auf der Baustelle „EKZ F“ in N, Z einen beladenen LKW (Betonmischwagen) bis an den Rand der Baugrube im Bereich der Abfahrtsrampe in die Baugrube und belastete dadurch den 50cm breiten Schutzstreifen, obwohl unter Punkt 4.4.2. des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes angeordnet wurde, dass zusätzlich an jedem Böschungs- oder Grabenrand ein Schutzstreifen mit einer Breite von mindestens 50cm von Aushub, Material und Geräten freizuhalten ist.“

In seiner dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde wandte der Bestrafte ein, der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses sei in mehrfacher Hinsicht mangelhaft, da zum einen die genaue Uhrzeit der Übertretung nicht ersichtlich sei und die Verantwortlichkeit des Beschuldigten nicht hinreichend konkretisiert wurde. Überdies werde dem Beschwerdeführer laut Spruch unrichtig vorgeworfen, er sei Baukoordinator der Baustelle EKZ F gewesen, obwohl aus dem SiGe-Plan zweifelsfrei hervorgehe, dass als Baustellenkoordinator die Baumeister J GmbH & Co KG fungiert habe. Überdies sei auch vom Arbeitsinspektorat zugestanden worden, dass die gegenständliche Rampe eine Breite von ca. 8 m aufgewiesen habe, weshalb abzüglich der Fahrzeugbreite von ca. 2,55 m links und rechts davon ein mehr als ausreichender Schutzstreifen vorhanden gewesen sei, welcher die laut SiGe-Plan geforderte Breite von zumindest 50 cm sogar überschritten habe. Im Übrigen handle es sich bei einem Betonmischwagen nicht um ein „Gerät“ im Sinne von Punkt 4.4.2 des SiGe-Plans. Jedenfalls könne der Beschwerdeführer subjektiv nicht für die gegenständliche Übertretung verantwortlich gemacht werden. Die gegenständliche Rampe sei vor dem Unfall bereits über sechs Wochen lang von diversen Fahrzeugen befahren worden, weshalb die Fahrspur ausreichend verdichtet gewesen sei. Überdies habe der Unfalllenker diese Baustellenzufahrt gekannt, zumal er nachweislich auch bereits am Unfallstag um ca.07.30 Uhr eine weitere Fuhre Frischbeton angeliefert habe. Aus dem der Beschwerde angeschlossenen, von der Staatsanwaltschaft H in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten folge im Übrigen, dass für das Befahren der Rampe im Rückwärtsgang keine Notwendigkeit bestanden habe. Aus dem gegenständlichen Gutachten ergebe sich das alleinige Verschulden des Lenkers. Hätte dieser den Lkw nicht überladen und die Rampe nicht im Rückwärtsgang befahren, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, den nötigen Seitenabstand einzuhalten.

Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12.07.2016, in welcher unter anderem auch der Beschwerdeführer befragt wurde, wurde das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren zunächst mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes vom 03.08.2016, GZ: LVwG 30.15-526/2016, eingestellt, worauf die mitbeteiligte Partei eine Amtsrevision einbrachte. Dieser Amtsrevision wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Ra 2016/02/0236 vom 07.04.2017 – beim Landesverwaltungsgericht Steiermark eingelangt am 27.04.2017 – Folge gegeben und das gegenständliche Erkenntnis des LVwG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Nach Wiedergabe des Parteienvorbringens und der maßgeblichen Rechtslage führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zunächst auf Seite 8 aus, dass das Verwaltungsgericht – in vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandender Weise – zum Ergebnis gekommen sei, dass die objektive Tatseite verwirklicht wurde, weil nicht dafür gesorgt wurde, dass der Schutzstreifen, wie dies in Punkt 4.4.2 des SiGe-Plans – in Anlehnung an § 48 Abs 4 BauV – vorgesehen war, von „Geräten“ freigehalten und nicht belastet wurde. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite wurde vom Verwaltungsgerichtshof allerdings ausgeführt, das Verwaltungsgericht hätte zu prüfen gehabt, „ob der Mitbeteiligte ein sein Verschulden ausschließendes wirksames Kontrollsystem dargelegt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte der Mitbeteiligte dazu unter anderem aufzuzeigen gehabt, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutz-rechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewähr-leisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Wurde ein wirksames Kontrollsystem nicht eingerichtet, so vermag auch das Hinzutreten eines – allenfalls auch krassen – Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers, dass in der Folge zu einem Arbeitsunfall geführt hat, an Verschulden des Arbeitgebers nichts zu ändern“. Weiters führte der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis bezugnehmend auf das vom Beschuldigten in der Revisionsbeantwortung eingewendete Doppel-bestrafungsverbot Nachstehendes aus:

„Dazu ist festzuhalten, dass nach dem angefochtenen Erkenntnis das gegen den Mitbeteiligten eingeleitete gerichtliche Strafverfahren eingestellt wurde, weil aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als 14-tägiger Dauer erfolgt ist (§ 88 Abs 2 Z 2 StGB). Sollte die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens allein darauf beruhen, dass die für die gerichtliche Strafbarkeit erforderliche Schwere der Gesundheitsschädigung nicht erreicht wurde, würde dies der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung des Mitbeteiligten nicht entgegenstehen (vgl. dazu VwGH vom 10.01.2017, Ra 2016/02/0230). Das Verwaltungsgericht wird sich im fortgesetzten Verfahren daher mit der Frage der Sperrwirkung der Einstellung des Strafverfahrens nach § 190 StPO im konkreten Fall anhand der in den zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.05.2015 und vom 10.01.2017 enthaltenen Leitlinien auseinanderzusetzen haben.“

Nach Zustellung des gegenständlichen VwGH-Erkenntnisses wurde dem Beschuldigten zunächst Gelegenheit gegeben, sich zu diesem Erkenntnis und dessen Auswirkungen auf die nunmehr im zweiten Rechtsgang zu erlassende Ersatzentscheidung zu äußern. Im Schriftsatz vom 17.05.2017 hat der Beschwerdeführer ausgeführt, seines Erachtens sei das gegenständliche Gerichtsverfahren nicht alleine wegen des mangelnden Verletzungsgrades des Opfers gemäß § 190 StPO eingestellt worden, sondern auch deswegen, weil der Beschuldigte nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Dies folge insbesondere aus dem Sachverständigengutachten Ing. R S, welcher dort zum Schluss gekommen sei, dass hauptverantwortlich für den Unfall der Umstand war, dass der betreffende Lkw überladen war und seitens der Baustellenkoordination der SiGe-Plan nicht entsprechend adaptiert wurde, da eine ausdrückliche Verpflichtung zur Kennzeichnung oder Absperrung des Rampenrands laut dem Plan nicht gegeben war. Die auf diesem Gutachten basierende Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens habe somit Bindungswirkung insoferne ausgelöst, als kein schweres Verschulden bzw. keine grobe Fahrlässigkeit des Beschwerdeführers gegeben sei und überdies keine schweren Unfallfolgen im Sinne einer Gesundheitsschädigung von mehr als 14-tägiger Dauer vorliegen würden. Es werde daher weiterhin die Auffassung vertreten, dass das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren unter Bedachtnahme auf diesen Ausgang des Gerichtsverfahrens einzustellen sei. Hinsichtlich des Kontrollsystems wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Beschuldigteneinvernahme in der Verhandlung vom 12.07.2016 sehr wohl entsprechende Ausführungen getätigt habe, um sein mangelndes Verschulden darzulegen. Weiters werde beantragt, zu diesem Beweisthema nochmals den Beschwerdeführer sowie Ing. J P und K Z einzuvernehmen.

Entsprechend dem Auftrag des VwGH im zweiten Rechtsgang die genauen Gründe für die Einstellung des gegenständlichen Gerichtsverfahrens gemäß § 190 StPO genauer zu prüfen, wurde in weiterer Folge nochmals der gegenständliche Gerichtsakt bei der Staatsanwaltschaft N angefordert und die zuständige Bezirksanwältin J S unter ausdrücklichem Hinweis auf das gegenständliche VwGH-Erkenntnis ersucht, den Akt vollständig vorzulegen, einschließlich allfälliger bisher noch nicht übermittelter (elektronischer) Aktenteile sowie insbesondere hinsichtlich jener Aktenteile aus denen sich ergibt, aus welchen Gründen das gegenständliche Gerichtsverfahren eingestellt wurde. Der nunmehr zum zweiten Mal beim LVwG Steiermark aufliegende Akt 56 BAZ 866/14d ist inhaltlich identisch mit dem im ersten Rechtsgang bereits geprüften Gerichtsakt. Weitere (elektronische) Aktenteile wurden nicht übermittelt. Im Antwortschreiben der Bezirksanwältin vom 03.08.2017 wurde Nachstehendes ausgeführt:

„In der Strafsache gg. Ing. M G wg.§ 88 Abs.1 StGB, wurde das Verfahren am 4.8.2015 gemäß § 190 Ziffer 1 StPO aus dem Gr.des § 88 Abs.2 Ziffer 2 StGB eingestellt (Das SV-Gutachten ergab dass das Opfer P B Verletzungen mit einer Gesundheitsschädigung unter 14 Tagen erlitten hat und kein schweres Verschulden vorlag, womit das Verfahren zu GUTSCHI gem.§ 190 Ziffer 1 StPO einzustellen war.

Es wurde keine Fortsetzung des Verfahrens gem § 193 oder § 195 StGB beantragt.“

Diese Ermittlungsergebnisse wurden sowohl dem Beschwerdeführer als auch der mitbeteiligten Partei zur Kenntnis gebracht, welche dazu beide keine weiteren Äußerungen mehr abgaben.

Auf Grund des vorliegenden VwGH-Erkenntnisses ist für die nunmehr zu erlassende Ersatzentscheidung von nachstehenden rechtlichen Prämissen auszugehen:

Die Behebung des Erkenntnisses des LVwG vom 03.08.2016 erfolgte ausschließlich wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, nicht wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verfahrensfehlern. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, welche in ihren wesentlichen Passagen zu Beginn der Entscheidung wörtlich wiedergegeben wurden, ist kein Hinweis zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Landesverwaltungsgericht ergänzende Ermittlungen aufgetragen hätte, auch nicht hinsichtlich der subjektiven Tatseite. Im Gegenteil, die Formulierung des Verwaltungsgerichtshofes der Mitbeteiligte „hätte aufzuzeigen gehabt …“ ist dahin-gehend zu verstehen, dass es der Beschuldigte – nach der das Landesverwaltungsgericht bindenden Meinung des VwGH – unterlassen hat, im ersten Rechtsgang trotz eines aufwendigen Ermittlungsverfahrens (mündliche Verhandlung mit Beschuldigteneinvernahme, diverse Schriftsätze seines Rechtsvertreters und von diesem vorgelegte Unterlagen, etc.) sein mangelndes Verschulden darzulegen und ihm mit diesem Vorbringen der gemäß § 5 Abs 2 VStG geforderte Entlastungsbeweis hinsichtlich der subjektiven Tatseite nach Auffassung des VwGH nicht gelungen ist. Ein Hinweis dahingehend, dass das Verwaltungs-gericht gehalten sei, dem Beschuldigten durch eine weitere Verhandlung hinsichtlich der subjektiven Tatseite eine „zweite Chance“ zu gewähren, ist dem Erkenntnis des VwGH nicht zu entnehmen. Die Behebung des Erkenntnisses im ersten Rechtsgang erfolgte hinsichtlich der subjektiven Tatseite ausschließlich deshalb, weil das Verwaltungsgericht nach Auffassung des VwGH die subjektive Tatseite in rechtlicher Hinsicht falsch beurteilt hat, indem es das Verfahren wegen mangelnden Verschuldens einstellte, obwohl nach Auffassung des VwGH ein unzureichendes Kontrollsystem vorgelegen ist. Somit war im zweiten Rechtsgang trotz eines entsprechenden Antrages des Beschwerdeführers keine weitere Verhandlung durchzuführen, da das Verwaltungsgericht hinsichtlich der subjektiven Tatseite ohnedies an die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden ist.

Die rechtliche Beurteilung des Landesverwaltungsgerichts hinsichtlich der objektiven Tatseite wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich nicht beanstandet. Somit sind daher nunmehr im Ersatzerkenntnis im Wesentlichen die gleichen Feststellungen zu treffen, wie im seinerzeitigen Erkenntnis vom 03.08.2016. Es entfallen lediglich die vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich gerügten Passagen des Sachverständigengutachtens Ing. R S, als für die Klärung der Sach- und Rechtsfragen irrelevant (vgl. dazu die Ausführungen des VwGH unter Ziffer 12 des Erkenntnisses). Diese Textteile wurden daher nun weggelassen und stattdessen noch einige Feststellungen zum Inhalt und Ausgang des Gerichtsverfahrens ergänzt.

Ausgehend von diesen Prämissen sind somit nunmehr nachstehende Feststellungen zu treffen:

Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12.07.2016 wird nach Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen Ing. H S, G-F R, P B und E M unter Verwertung der in der Verhandlung vorgekommenen Urkunden, insbesondere den Beilagen ./A bis ./D zur Verhandlungsschrift, dem SiGe-Plan für das EKZ F und dem beigeschafften und auszugsweisen kopierten Akt der Staatsanwaltschaft N, GZ: 56 BAZ 866/14 t, insbesondere dem dortigen Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. R S samt Fotodokumentation und dem Abschlussbericht der Polizeiinspektion N vom 06.10.2014 nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Der Beschwerdeführer ist mit Bestellungsurkunde vom 12.09.2012 zum verantwortlichen Beauftragten der G GmbH für das gegenständliche Bauvorhaben „Erweiterung F“ in N, Z, bestellt worden, dessen Ausführungsphase ca. dreieinhalb Jahre dauerte. Es handelt sich um einen großen Zubau zu einem Shoppingcenter, bei welchem die G GmbH den Auftrag für die gesamten Baumeisterarbeiten und Außenanlagen übernommen hatte. Der SiGe-Plan wurde von der W S, T, W, bestellt, als Baustellenkoordinator fungierte die Baumeister J GmbH & Co KG, Dplatz, N. Der SiGe-Plan enthält für die Absturzsicherung der in ca. 4 m Tiefe befindlichen Baugrube nachstehende Vorgaben:

Zuständig für die Umsetzung der obigen Maßnahmen des SiGe-Plans ist die G GmbH.

Als Zufahrt zur Baugrube diente eine ca. 8 m breite, 40 bis 50 m lange Rampe, mit einer Neigung von etwa 10 Grad, welche ca. eineinhalb Monate vor dem verfahrensgegenständlichen Unfall von der Fa. R, einem Subunternehmen der Fa.
G GmbH, errichtet wurde. In den folgenden Wochen wurde diese Rampe täglich von dutzenden Lkws, unter anderem Betonmischwägen, welche Fertigbeton zu der am Boden der Baugrube aufgestellten Betonpumpe anlieferten benutzt, wobei die Lkws diese Rampe auf einer Fahrspur befuhren, welche gut einen Meter von der Außenkante der Rampe entfernt war. In der Regel befuhren die Lkws die Rampe im Vorwärtsgang, da in der Baugrube ausreichend Platz zum Wenden der Fahrzeuge vorhanden war. Der laut SiGe-Plan geforderte Schutzstreifen entlang der Absturzkante der Rampe Richtung Baugrube war bis zum Vorfall vom 10.09.2014 nicht durch Abschrankungen (Gitter oder dergleichen) gesichert und auch nicht durch optische Hinweise (Warntafeln, Erdwälle, Leitbaken und dergleichen) markiert. Am Unfallstag und einige Zeit davor waren allerdings entlang der Außenkante der Rampe auf ca. dreiviertel von deren Länge großflächige Schalungselemente und runde Schalungen auf dem Boden der Baugrube stehend angelehnt, welche so hoch waren, dass sie noch über die Fahrbahn der Rampe hinaus und schräg in diese hineinragten. Lediglich auf den letzten Metern der Rampe vor deren Einmündung in die Baugrube, wo die Rampe nur mehr weniger als einen Meter hoch war, waren keine derartigen Elemente angelehnt. Als Zulieferer des Fertigbetons fungierte unter anderem die Fa. W GmbH, bei welcher der Unfalllenker P B – ein erfahrener Berufskraftfahrer mit 23 Jahren Berufserfahrung – beschäftigt war. Die verfahrensgegenständliche Baustelle war vor dem Unfall bereits mehrfach in Abständen von wenigen Wochen von dem für dieses Bauvorhaben zuständigen Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates N, Ing. H S, kontrolliert worden, welcher die Baustelle dabei auch mehrfach mit dem Beschwerdeführer bzw. dem zuständigen Polier der G GmbH, Herrn G-F R, abging. Dabei kam der Arbeitsinspektor auch an der gegenständlichen Rampe vorbei, wobei deren bauliche Ausgestaltung nicht beanstandet wurde. Weiters fanden regelmäßige Baustellenbesuche durch den Mitarbeiter des Baustellenkoordinators, Herrn K Z, statt, welcher hinsichtlich der Ausgestaltung der Rampe ebenfalls keine Beanstandungen tätigte. Die oben wiedergegebenen Vorgaben des SiGe-Plans wurden in der Ausführungs-phase vom Baustellenkoordinator weder ergänzt noch modifiziert.

Am Morgen des Unfalltages führte P B zunächst problemlos wieder eine Betonzulieferung durch und kehrte kurz danach mit einer weiteren Fuhre Fertigbeton an die Baustelle zurück. Als er vom Rand der Baugrube aus erkennen konnte, dass in der Baugrube bereits zwei andere Lkws standen und daher nicht genug Platz zum Wenden des Lkws vorhanden war, entschloss er sich aus eigenem Antrieb um Zeit zu sparen, den Lkw im Rückwärtsgang in die Baugrube hinunterzuschieben. Dabei geriet er auf den letzten Metern der Rampe kurz vor Erreichen der Baugrube mit den hinteren Zwillingsrädern über den nicht gekennzeichneten Rand der Rampe, dadurch kippte der Lkw nach rechts und fiel über die Rampe hinunter, wo er seitlich zum Liegen kam. P B zog sich durch den Unfall einen Wirbelbruch zu, welcher einen dreiwöchigen Krankenstand nach sich zog. Noch am Unfallstag fand eine Unfallserhebung durch Ing. H S statt, welcher veranlasste, dass der Schutzstreifen entlang der Absturzkante der Rampe durch einen Erdwall und Leitbaken ersichtlich gemacht wird und dies auch in einer Ergänzung zum SiGe-Plan festgehalten wird. Die aufgetragenen Maßnahmen wurden von der G GmbH sofort umgesetzt. Eine Anzeige gegenüber dem Planungskoordinator und/oder Baustellenkoordinator erfolgte nicht, hingegen wurde die verfahrensgegenständliche Verwaltungsstrafanzeige hinsichtlich der B GmbH erstattet sowie parallel dazu eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 88 StGB. Die Staatsanwaltschaft N führte hinsichtlich des Beschwerdeführers als Beschuldigten Erhebungen durch und gab ein medizinisches Sachverständigengutachten und ein bautechnisches Sachverständigengutachten in Auftrag. Dabei gelangte der medizinische Sachverständige Dr. R W in seinem Gutachten vom 30.07.2015 zum Ergebnis, dass die Verletzungen des P B einzeln und im Zusammenwirken dem Grade nach als leicht zu bezeichnen seien und die Dauer der Gesundheitsstörung oder Berufsunfähigkeit im Sinne des StGB bei strenger Auslegung nicht mehr als 14 Tage betragen habe. Weiters wurde der Bausachverständige Ing. R S beauftragt, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob beim gegenständlichen Bauvorhaben eine Absicherung der Böschungsrampen bei Betonarbeiten vorgeschrieben war und ob es sich bei der Unfallörtlichkeit um eine Baugrube handelt. Nach Einlangen dieser Gutachten wurde das Gerichtsverfahren ohne weitere Erhebungen gemäß § 190 Abs 1 StPO aus den im Schreiben der Bezirksanwältin J S vom 03.08.2017 dargelegten Gründen eingestellt.

II.      Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die in allen entscheidungs-wesentlichen Punkten übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers sowie der Zeugen Ing. H S, G-F R und E M, welche sich in allen entscheidungs-wesentlichen Details mit den vorliegenden schriftlichen Unterlagen (SiGe-Plan, Sachverständigengutachten, Fotodokumentation) decken.

Einzig der Zeuge P B ist in mehreren Punkten von den Aussagen der übrigen Personen abgewichen und hat den Beschwerdeführer und dessen Polier G-F R überraschend heftig attackiert. Die bezughabenden Aussagen des Zeugen P B, er sei mit der gegenständlichen Zufahrtsrampe nicht vertraut gewesen, weil diese im Laufe der Bauarbeiten immer wieder „versetzt“ worden sei, die Schalungselemente seien am Unfallstag nicht entlang der Außenkante der Rampe angelehnt gewesen, er sei nicht aus eigenem Antrieb mit dem Lkw verkehrt in die Baugrube gefahren, sondern habe ihn der Polier G-F R beschimpft und bedrängt, dieses waghalsige Fahrmanöver durchzuführen, sind vollkommen unglaubwürdig und werden durch die Aussagen aller übrigen Zeugen und insbesondere auch die vorliegenden Fotos, auf denen man unter anderem das Rettungsfahrzeug zum Abtransport des P B direkt neben den von ihm bestrittenen Schalungselementen an der Rampenaußenkante sieht, widerlegt. Die nunmehrige Darstellung des Zeugen, der Polier G-F R habe ihn zu diesem Fahrmanöver gedrängt, widerspricht im Übrigen auch der Erstaussage des P B vor der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 24.09.2014. Es kann daher nur vermutet werden, dass der Zeuge P B diese nachträglich belastenden Aussagen deshalb getätigt hat, weil der gegenständliche Vorfall möglicherweise für ihn nachteilige Konsequenzen in Bezug auf seinen eigenen Arbeitgeber hatte bzw. er in der Verhandlung vor dem LVwG, zu welcher er zwei Verwandte als Zuhörer mitgebracht hatte, aus gekränkter Berufsehre („Ich bin seit 23 Jahren als Lkw-Fahrer tätig und habe auch Prämien für unfallfreies Fahren erhalten“) eigenes Fehlverhalten nicht zugeben wollte. Dass Herr P B sehr wohl wusste, dass sein Lkw damals überladen war, folgt ebenfalls aus seiner eigenen Aussage („Mein Lkw war sicher damals überladen, das sind die Lkws der Fa. W GmbH immer“). Insgesamt war daher den Aussagen des Zeugen P B in jenen Punkten kein Glauben zu schenken, in welchen diese von den übrigen Beweisergebnissen abweichen.

Hinsichtlich der nachweislich vor der Kontrolle mehrfach stattgefundenen Baustellenbesuche durch den Mitarbeiter des Baustellenkoordinators und den zuständigen Arbeitsinspektor, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass diese Personen jedenfalls auch an der gegenständlichen Rampe vorbeigekommen sind bzw. diese wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit auch begangen haben, weil man anders nicht in die Baugrube hinuntergelangt. Dabei mag es durchaus sein, dass diese fachkundigen Personen der baulichen Ausgestaltung dieser Zufahrtsrampe mangels Notwendigkeit keine nähere Beachtung geschenkt haben.

Angesichts der recht knappen Begründung der Bezirksanwältin im Schreiben vom 03.08.2017 für die Einstellung des Verfahrens gemäß § 190 Z 1 StPO kann bloß vermutet werden, dass die Bezirksanwältin seinerzeit deshalb zur Einschätzung gelangt ist, dass dem Beschwerdeführer am gegenständlichen Arbeitsunfall kein schweres Verschulden vorwerfbar sei, weil der technische Sachverständige auf Seite 13 seines Gutachtens ausgeführt hat, dass seines Erachtens Hauptursache für den Unfall ein Fahrfehler des Lkw-Fahrers sowie der Umstand war, dass das Fahrzeug überladen war. Jedenfalls folgt aus dem beigeschafften Akt der Staatsanwaltschaft N eindeutig, dass sowohl das medizinische Sachverständigengutachten als auch das technische Sachverständigengutachten ausschließlich deshalb in Auftrag gegeben wurden, um prüfen zu können, ob das Bestrafungshindernis gemäß § 88 Abs 2 StGB vorliegt.

III.    Rechtliche Beurteilung:

a.) Zur Entscheidungsfrist:

Im Hinblick auf den Umstand, dass Tattag im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren der 10.09.2014 war, sei zunächst darauf hingewiesen, dass dessen ungeachtet noch keine Bestrafungsverjährung eingetreten ist, da gemäß § 31 Abs 2 Z 4 VStG die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof die Verjährungsfrist nicht einzurechnen ist. Gleiches gilt gemäß § 43 iVm § 34 VwGVG auch für die 15-monatige Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes. Auf Grund der Unterbrechung der vorgenannten Fristen für die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof – gerechnet ab dem Einlangen der Revision bis zur Zustellung des VwGH-Erkenntnisses an das Landesverwaltungsgericht – verlängert sich somit die Frist gemäß § 43 VwGVG im gegenständlichen Fall bis zum 27.07.2018 und jene gemäß § 31 Abs 2 VStG bis zum 05.03.2018.

b.) Zur Frage der Doppelbestrafung:

Aus dem im Sachverhalt auszugsweise wiedergegebenen Akt der Staatsanwaltschaft N folgt, dass dort im Jahr 2015 für einen Zeitraum von mehreren Monaten aus Anlass des gleichen Arbeitsunfalles gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 88 StGB anhängig war, in welchem der Beschwerdeführer mehrere Monate lang als Beschuldigter geführt wurde. Da dieses Gerichtsverfahren letztlich mit einer Einstellung gemäß § 190 StPO endete, ist vorliegend nun zu prüfen, ob daraus auch eine Bindungswirkung für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren resultiert.

Der Zweck des Ermittlungsverfahrens wird in § 91 StPO wie folgt umschrieben:

„(1) Das Ermittlungsverfahren dient dazu, Sachverhalt und Tatverdacht durch Ermittlungen soweit zu klären, dass die Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von der Verfolgung oder Einstellung des Verfahrens entscheiden kann und im Fall der Anklage eine zügige Durchführung der Hauptverhandlung ermöglicht wird.

(2) Ermittlung ist jede Tätigkeit der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die der Gewinnung, Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat dient. Sie ist nach der in diesem Gesetz vorgesehenen Form entweder als Erkundigung oder als Beweisaufnahme durchzuführen. Die bloße Nutzung von allgemein zugänglichen oder behördeninternen Informationsquellen sowie die Durchführung von Erkundigungen zur Klärung, ob ein Anfangsverdacht (§ 1 Abs. 3) vorliegt, stellen keine Ermittlung in diesem Sinn dar.“

Die §§ 190 bis 197 StPO sehen verschiedene Möglichkeiten für die Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens vor, darunter die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 190 StPO. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„Die Staatsanwaltschaft hat von der Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, als

      1. die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit                    gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung des           Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre oder

      2. kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten           besteht.“

Die einschlägigen Bestimmungen des VStG über das Zusammentreffen einer Verwaltungsübertretung und einer gerichtlich strafbaren Handlung lauten wie folgt:

§ 22 Abs 1 VStG:

„(1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.“

§ 30 VStG:

„(1) Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.

(2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

(3) Hat die Behörde vor dieser Entscheidung ein Straferkenntnis erlassen, so darf es vorläufig nicht vollzogen werden. Ergibt sich später, daß das Verwaltungsstrafverfahren nicht hätte durchgeführt werden sollen, so hat die Behörde das Straferkenntnis außer Kraft zu setzen und das Verfahren einzustellen.

(4) Die Gerichte und die sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörden haben eine entgegen Abs. 3 vollstreckte Verwaltungsstrafe auf die von ihnen wegen derselben Tat verhängte Strafe anzurechnen.“

Diese Bestimmungen gelten Kraft Verweisung in § 38 VwGVG auch für das Verfahren vor den Landesverwaltungsgerichten.

Die maßgeblichen arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften lauten in der zur Tatzeit jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt:

§ 8 Abs 4 ASchG:

„(4) Sind für eine solche Baustelle Personen mit Koordinationsaufgaben auf dem Gebiet des Arbeitnehmerschutzes beauftragt, so haben die Arbeitgeber bei der Umsetzung der Grundsätze der Gefahrenverhütung die Anordnungen und Hinweise dieser Personen zu berücksichtigen. Soweit dies zur Vermeidung von Gefahren für Sicherheit oder Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich ist, ist bei der Koordination, der Information und der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen auch auf jene auf einer Baustelle tätigen Personen Bedacht zu nehmen, die keine Arbeitnehmer sind.“

§ 130 Abs 1 Z 6 ASchG:

„(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 € zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen

6.

die durchzuführenden Schutzmaßnahmen nicht festlegt oder nicht für deren Einhaltung sorgt,

...“

Die einschlägigen Strafbestimmungen des § 130 ASchG sehen in der geltenden Fassung zwar keine Subsidiaritätsklausel im Sinne von § 30 Abs 2 VStG zu Gunsten einer Gerichtszuständigkeit vor. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof bereits mit seinem Grundsatzerkenntnis vom 07.10.1998,
G 51/97-7, ausgesprochen, dass Art. 130 ASchG auch ohne Subsidiaritätsklausel nicht gegen das Doppelverwertungsverbot der EMRK verstößt. Vielmehr sei eine verfassungskonforme Interpretation möglich und müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob wirklich dasselbe Verhalten Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens war.

§ 88 StGB:

„(1) Wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Trifft den Täter kein schweres Verschulden und ist entweder

      1. die verletzte Person mit dem Täter in auf- oder absteigender Linie    verwandt oder verschwägert oder sein Ehegatte, sein eingetragener   Partner, sein Bruder oder seine Schwester oder nach § 72 Abs. 2 wie   ein Angehöriger des Täters zu behandeln,

              (Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

      3. aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer   anderen Person von mehr als vierzehntägiger Dauer erfolgt,

so ist der Täter nach Abs. 1 nicht zu bestrafen.

(3) In den im § 81 Abs. 1 Z 1 bis 3 bezeichneten Fällen ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(4) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, in den im § 81 Abs. 1 Z 1 bis 3 bezeichneten Fällen aber mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.“

Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK lautet in seiner deutschen Übersetzung wie folgt:

„Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.“

In seiner neuen Judikatur (Verfahren Fischer gegen Österreich, Beschwerde
Nr. 37950/97) hat der EGMR ausgesprochen, dass Art 4 7. ZPEMRK sich nicht auf das Recht beschränkt, nicht zweimal bestraft zu werden, sondern auch das Recht betrifft, nicht zweimal vor Gericht gestellt zu werden. Angesichts der unterschiedlichen Tatumschreibungen im StGB bzw. in den jeweils einschlägigen Verwaltungsvorschriften ist in derartigen Fällen jeweils zu prüfen, ob die strafbare Handlung, welche Gegenstand des Gerichtsverfahrens war und die angezeigte Verwaltungsübertretung die gleichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale aufweisen oder nicht (vgl. dazu unter anderem grundsätzlich Thienel/Hauenschild, Verfassungsrechtliches „ne bis in idem“ und seine Auswirkung auf das Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafverfahren, JBl 2004, 70 ff).

In seiner Vorabentscheidung im Fall Van ESBROECK, RsC-436/04, ist der EuGH von einem weiten Begriff „derselben Tat“ ausgegangen. Im Ergebnis bestimmt der EuGH den Tatbegriff anhand des tatsächlichen Sachverhaltes. Entscheidend ist somit das tatsächliche Geschehen, der sogenannte historische Lebenssachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Einordnung unter einem bestimmten Straftatbestand. Ebenso wenig ist die Identität des hinter der jeweiligen Strafnorm stehenden Rechtsguts von Bedeutung (vgl. ausführlich zu dieser Entscheidung den Beitrag von Rosbaud in ÖJZ 2006, 669 ff).

In seiner Grundsatzentscheidung vom 07.10.1998, G51/97-7, hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass die fehlende Subsidiaritätsklausel in Art 130 ASchG nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot verstößt, jedoch in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob wirklich dasselbe Verhalten Gegenstand des gerichtlichen Strafverfahrens war. In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung aufgrund des Art. 4 des 7. ZPEMRK erst dann unzulässig wird, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. In dem zitierten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof unter anderem ausgeführt, dass das Maß der erforderlichen objektiven Sorgfalt im Sinne der Legaldefinition der Fahrlässigkeit gemäß
§ 6 StGB durch Rechtsnormen bestimmt wird. Die Vorschriften der Bauverordnung in Verbindung mit den Straftatbeständen des ASchG sind derartige Regelungen, die ein bestimmtes Maß an erforderlicher Sorgfalt vorschreiben. Wenn der strafrechtsrelevante Erfolg durch die Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen verursacht wurde, liegen auch die übrigen für die objektive Zurechnung des Erfolges erforderlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen – Rechtswidrigkeit, (Adäquanz) und Kausalzusammenhang – vor, da das Leben und die Gesundheit die primären Schutzzwecke der verletzten Vorschriften des ASchG sind. Bei der Außerachtlassung der Arbeitnehmerschutzvorschriften handelt es sich also um ein zentrales Tatbestandselement der Körperverletzungs- und Tötungsdelikte des StGB und daher um einen wesentlichen Gesichtspunkt des gerichtlichen Strafverfahrens.

Im weiteren Grundsatzerkenntnis vom 02.07.2009, B 559/08, hat der Verfassungsgerichtshof sich wiederum unter ausführlicher Bedachtnahme mit der bisherigen einschlägigen Judikatur des EGMR zu Art. 4 des 7. ZPEMRK mit der Auslegung des Begriffes „derselben strafbaren Handlung“ sowie des Vorliegens „derselben wesentlichen Elemente“ befasst und dabei betont, dass es bei der Auslegung des Wortes „strafbare Handlung“ („offence“) im Text des Art. 4 des 7. ZPEMRK nicht auf die rechtliche Qualifikation ankommt.

Der Verfahrensbeginn nach Art. 6 EMRK ist ab dem Zeitpunkt anzunehmen, an dem der Beschuldigte gemäß § 50 StPO durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren und den gegen ihn bestehenden Tatverdacht informiert wurde bzw. er – wie im vorliegenden Fall die beiden Vorstandsmitglieder – als einer strafbaren Handlung verdächtig vernommen wurde. Dies gilt auch für den Fall, dass die Sicherheitsbehörden – wie im vorliegenden Fall die Polizeiinspektion Krieglach – derartige Einvernahmen im Auftrag des Staatsanwaltes durchgeführt haben. Kommen der Staatsanwalt oder das Gericht nach diesem Zeitpunkt zu dem Schluss, dass von den Verdächtigen die strafbare Handlung nicht begangen wurde, oder lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, so stellt auch die Einstellung des Strafverfahrens einen Freispruch im Sinne des Art. 4 des 7. ZPEMRK dar. Hiebei kommt es entscheidend auf die Gründe für die Einstellung an. Sind diese rein prozentualer Natur, wie etwa im Fall mangelnder Verfolgbarkeit der Tat wegen Verjährung oder wegen Unzuständigkeit, so ist daran keine „ne bis in idem“ – Wirkung gemäß Art. 4 des 7. ZPEMRK geknüpft.

Für den vorliegenden Fall sind insbesondere das Urteil des OGH vom 21.08.2013, GZ: 15 Os 94/13g, das vom Beschwerdeführer mehrfach zitierte Erkenntnis des VwGH vom 29.05.2015, Zl.: 2012/02/0238 sowie insbesondere das Erkenntnis vom 10.01.2017, Ra 2016/02/0230, auf welches der VwGH in seinem Erkenntnis vom 07.04.2017 ausdrücklich hingewiesen hat, von Relevanz, welche ebenfalls zu Sachverhalten ergangen sind, in denen parallel zu Verwaltungsstrafverfahren wegen verschiedener Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen § 88 StGB gemäß § 190 StPO eingestellt wurde.

In den zitierten Entscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof zum Doppelbestrafungsverbot nachstehende grundsätzliche Ausführungen getätigt (jeweils Rechtssatz):

Ra 2016/02/0230:

„Art. 4 Abs. 1 7. ZP MRK besagt, dass niemand wegen einer strafbaren Handlung (englisch: "same offence", französisch: "meme infraction"), wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf. In diesem Sinne ist zunächst zu prüfen, ob die strafgerichtlich verfolgte Handlung einerseits und die verwaltungsstrafrechtliche Übertretungshandlung andererseits dieselbe strafbare Handlung iSd Art. 4 Abs. 1 7. ZP MRK betreffen (vgl. E 15. April 2016, Ra 2015/02/0226).“

Art. 4 Abs. 1 7. ZP MRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist (Sperrwirkung). Eine Entscheidung - Freispruch oder Verurteilung - ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. E 15. April 2016, Ra 2015/02/0226). Allerdings kommt nicht jeder endgültigen Entscheidung die Fähigkeit zu, ein Wiederholungsverbot iSd Art. 4 7. ZP MRK zu bewirken. Im Fall einer Einstellung nach§ 190 StPO 1975 ist dabei zunächst zu prüfen, ob sie (formell und materiell) rechtskräftig im Sinne von unwiderruflich geworden ist, somit keine formlose Fortführungsmöglichkeit mehr besteht und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat. In einem zweiten Schritt mit Blick auf den Umfang einer Sperrwirkung ist zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und aufgrund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt des vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben (vgl. E 29. Mai 2015, Zl. 2012/02/0238). Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag nicht ohne weiteres eine dem Art. 4 7. ZP MRK entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten (vgl. E 13. September 2016, Ra 2016/03/0083).

Ra 2012/02/0238:

„Die Bestrafung nach § 80 bzw. § 88 StGB schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 130 Abs. 5 ASchG 1994 aus (vgl. VfGH Urteil 7. Oktober 1998, G 51/97 ua). Der VwGH schließt sich diesem Ergebnis des VfGH an. Im Zentrum beider angewendeten Strafbestimmungen (§ 130 ASchG 1994 und § 88 StGB) steht derselbe Vorwurf, nämlich die (fahrlässige) Außerachtlassung der normierten arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen. Damit umfasst die strafrechtliche Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung die Fakten der Verwaltungsstraftat in ihrer Gesamtheit, und geht sogar noch um ein weiteres Element (den Erfolgseintritt der Körperverletzung) über die Verwaltungsstraftat hinaus. Auch davon, dass der Unrechtsgehalt, der im Straftatbestand des § 88 StGB zum Ausdruck kommt, von jenem des § 130 ASchG 1994 in einem wesentlichen Element abweiche und damit wesentlich verschieden sei, kann nicht die Rede sein (vgl. VfGH Urteil 7. Oktober 1998, G 51/97 ua). Somit liegen keine verschiedenen Straftatbestände vor, die sich in wesentlichen Elementen unterscheiden. Eine weitere verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung bzw. Verurteilung nach rechtskräftig beendetem Strafverfahren wäre eine Verletzung des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZP MRK und daher unzulässig. Diese Ansicht vertrat auch der EGMR in einem Fall des tödlichen Absturzes eines Arbeiters von einem Gerüst, in dem er ausgehend von einem Arbeitsunfall zur Konkurrenz eines Strafverfahrens wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und einer erfolgten verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilung nach § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG 1994 iVm diversen Bestimmungen der BauArbSchV 1994 feststellte, dass die Anklage im Strafverfahren, nämlich das Versäumnis, einem Arbeitsunfall vorzubeugen, und der Vorwurf im Verwaltungsstrafverfahren, die Kontrolle der Beachtung der Sicherheitsregeln durch die Arbeiter versäumt zu haben, im Wesentlichen übereinstimmen (vgl. Urteil EGMR 18. September 2008, Müller v. Austria (No. 2), Nr. 28034/04). Vor dem Hintergrund, dass ein sorgfaltswidriges Verhalten des Arbeitgebers und damit sein Verschulden im Rahmen des Strafverfahrens wegen Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB verneint wurde, durfte der Arbeitgeber im Hinblick auf Art. 4 7. ZP MRK somit nicht ein weiteres Mal verwaltungsstrafrechtlich wegen Übertretung des § 130 Abs. 5 ASchG 1994 verfolgt bzw. verurteilt werden.“

„Sowohl die Verfolgung nach § 130 Abs. 5 ASchG 1994 als auch jene nach § 88 StGB betrifft im Fall einer tatsächlich erfolgten Körperverletzung dieselbe strafbare Handlung, somit darf diese nur einmal verfolgt werden. Art. 4 Abs. 1 des 7. ZP MRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung - Freispruch oder Verurteilung - ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh. wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. Urteil EGMR 10. Februar 2009, Zolotukhin v. Russia, Nr. 14939/03). Wann eine Entscheidung als rechtskräftig anzusehen ist, ist nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen, wie wohl dabei von einem autonomen Verständnis des Begriffs "Rechtskraft", welches sich am traditionellen Begriffsbild iS von Unwiderruflichkeit orientiert, auszugehen ist (vgl. VfGH E 2. Juli 2009, B 559/08). Die Möglichkeit der Erhebung außerordentlicher Rechtsmittel - wie einer Wiederaufnahme - ändert hingegen nichts an der Rechtskraft einer Entscheidung. Art. 4 des 7. ZP MRK verbietet nicht die gleichzeitige Führung mehrerer Strafverfahren, wenn das zweite Verfahren nach endgültiger Beendigung des ersten Verfahrens eingestellt wird (vgl. EGMR Urteil 17. Februar 2015, Boman v. Finland).“

„Zur Rechtskraft hat der EuGH in seinem Urteil vom 5. Juni 2014 in der Rechtssache M, C-398/12, zur Frage, ob ein Einstellungsbeschluss ohne Eröffnung des Hauptverfahrens als rechtskräftige Aburteilung iSd Art. 54 SDÜ 1990 anzusehen ist und somit erneute Ermittlungen wegen derselben Tat gegen dieselbe Person in einem anderen Vertragsstaat ausschließt, festgehalten, dass ein Einstellungsbeschluss nach einem Ermittlungsverfahren, in dessen Zuge verschiedene Beweismittel zusammengetragen und geprüft wurden, als nach Prüfung in der Sache ergangen anzusehen ist, soweit er eine endgültige Entscheidung dahin enthält, dass diese Beweise nicht ausreichen und jede Möglichkeit ausschließt, dass das Verfahren auf der Grundlage desselben Bündels von Indizien wieder aufgenommen wird. Der Betroffene ist wegen der ihm vorgeworfenen Tat als "rechtkräftig abgeurteilt" iSd Art. 54 SDÜ 1990 anzusehen, wenn die Strafklage endgültig verbraucht ist, so dass die in Rede stehende Entscheidung in dem Vertragsstaat, in dem sie getroffen wurde, den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz bewirkt. Diese Auslegung des Art. 54 SDÜ 1990 hat der EuGH im Lichte des Art. 50 Grundrechtecharta vorgenommen und dazu ausgeführt, dass das in Art. 54 SDÜ 1990 verankerte Grundrecht dieselbe Bedeutung und dieselbe Tragweite hat wie jenes nach Art. 4 7. ZP MRK garantiert. Ein Einstellungsbeschluss, der in dem Vertragsstaat, in dem dieser Beschluss ergangen ist, verhindert ohne Eröffnung des Hauptverfahrens, erneute Ermittlungen aufgrund des gleichen Sachverhalts gegen die Person, zu deren Gunsten dieser Beschluss ergangen ist, sofern keine neuen Belastungstatsachen gegen Letztere auftauchen. Er ist als eine rechtskräftige Aburteilung iSd Art. 54 SDÜ 1990 anzusehen und schließt somit erneute Ermittlungen wegen derselben Tat gegen dieselbe Person in einem anderen Vertragsstaat aus. Auch eine Einstellung kann somit unter diesen Bedingungen eine rechtskräftige Entscheidung darstellen. Im Zuge der Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 227 Abs. 1 StPO 1975 (Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Anklage vor Beginn der Hauptverhandlung) ist eine Fortsetzung des Strafverfahrens im Fall des Anklagerücktritts außer durch Erhebung einer Subsidiaranklage nur unter den Voraussetzungen des § 352 Abs. 1 StPO 1975 (Wiederaufnahme) möglichi und liegt daher eine rechtskräftige Entscheidung iSd Art. 4 7. ZP MRK vor (vgl. E VfGH 2. Juli 2009, B 559/08), diese ist auch einem Freispruch im Sinne dieser Bestimmung der MRK gleichzuhalten. Eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft ist als Aburteilung in der Sache zu werten, wenn sie einen Strafanklageverbrauch bewirkt, also das Verfahren nur unter den Bedingungen und Förmlichkeiten einer Wiederaufnahme fortgesetzt werden kann (vgl. OGH Urteil 17. September 2013, 11 Os 73/13i; Urteil EuGH 22. Dezember 2008, C-491/07, Turansky).“

OGH 15Os94/13g:

„Eine gemäß § 190 StPO erfolgte Einstellung eines Ermittlungsverfahrens, dessen formlose Fortführung über Anordnung der Staatsanwaltschaft gemäß § 193 Abs 2 Z 1 StPO nicht mehr möglich ist, entfaltet Sperrwirkung im Sinn des Prinzips "ne bis in idem" (§ 17 Abs 1 StPO; vgl auch Art 4 des 7. ZPMRK), was zur Folge hat, dass eine neue bzw weitere Verfolgung desselben Beschuldigten wegen derselben Tat - außer in den Fällen der Anordnung der Fortführung nach § 193 Abs 2 Z 2 oder §§ 195 f StPO (§ 17 Abs 2 StPO) - nicht mehr zulässig ist.“

Zu dem vom Beschwerdeführer mehrfach zitierten VwGH-Erkenntnis,
Zl.: 2012/02/0238, mit welchem eine im Übrigen von der gleichen Richterin erlassene Entscheidung des damaligen UVS Steiermark, UVS 30.15-55/2011, bestätigt wurde, sei ausgeführt, dass dieses Erkenntnis für den gegenständlichen Fall bei näherer Prüfung nicht wirklich einschlägig ist, weil der dortige Sachverhalt grundlegend anders gelagert war. Im dortigen Gerichtsverfahren wurde zwar auch ein Verfahren wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 88 StGB eingestellt, allerdings nicht unter Bedachtnahme auf den Ausnahmetatbestand gemäß § 88 Abs 2 VStG, sondern nach § 88 Abs 1 StGB nachdem das Gericht den Tatvorwurf inhaltlich umfassend und zwar sowohl hinsichtlich der subjektiven als auch objektiven Tatseite geprüft hatte und sich dabei auch mit den einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften, unter anderem § 7 BauV beschäftigt hatte und hinsichtlich der subjektiven Tatseite auch die Ursachen des gegenständlichen Arbeitsunfalls und allfällige Verstöße des Beschuldigten gegen Kontroll- und Aufsichtspflichten eingehend geprüft hatte.

Für die Lösung des gegenständlichen Falls wesentlich einschlägiger ist der dem VwGH-Erkenntnis Ra 2016/02/0230 zugrundeliegende Sachverhalt. Im dortigen Verwaltungsstrafverfahren hatte das Verwaltungsgericht Wien im ersten Rechtsgang ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen
§ 14 ASchG mit der Begründung eingestellt, dass das parallel dazu anhängig gewesene Gerichtsverfahren wegen § 190 Z 1 StPO eingestellt worden sei, weil die Verletzungsfolgen unter 14 Tagen gelegen seien und somit aus strafrechtlicher Sicht bei Fahrlässigkeitsdelikten ohne schweres Verschulden ein Straf-ausschließungsgrund vorliege. In der dagegen eingebrachten Amtsrevision wurde eingewendet, es läge kein Doppelbestrafungshindernis vor, weil die Staatsanwaltschaft nicht das sorgfaltswidrige Verhalten des Beschuldigten, sondern lediglich eine grob fahrlässige Begehungsweise sowie Verletzungsfolgen von mehr als 14-tägiger Dauer verneint und ihre Ermittlungen auf Grund des Strafausschließungsgrundes nach § 88 Abs 2 Z 3 StGB eingestellt habe. Hinsichtlich der grundsätzlichen Sorgfaltswidrigkeit – für die Strafbarkeit der Verwaltungs-übertretung genüge leichte Fahrlässigkeit – habe die Staatsanwaltschaft hingegen keine Aussage getroffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Argumentation angeschlossen, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes behoben und dem Verwaltungsgericht Wien aufgetragen, sich im zweiten Rechtsgang näher mit der Frage derselben strafbaren Handlung zu befassen. Das in weiterer Folge vom Verwaltungsgericht Wien in der gegenständlichen Causa erlassene Ersatzerkenntnis vom 17.02.2017 vermag al

Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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