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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2000/02/0108 E 30. Juni 2000Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde der 1965 geborenen D R, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Michael Medwed, Rechtsanwälte in 8010 Graz, A. Kolpinggasse 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 4. November 1999, Zl. UVS 20.14-4,5,6/1999-18, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt i.A. des FrG 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit ihrem Bescheid vom 4. November 1999 wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin (einer kroatischen, nach dem Beschwerdevorbringen auch slowenischen Staatsbürgerin) wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Zurückweisung der Beschwerdeführerin am 23. April 1999 am Grenzübergang Spielfeld durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz) unter Berufung auf § 67c Abs. 4 AVG als unbegründet ab.
In der Begründung wurde als erwiesen angenommen, dass die Beschwerdeführerin am 23. April 1999 gegen 7.45 Uhr am erwähnten Grenzübergang in das Bundesgebiet einreisen hätte wollen. Dabei habe sie sich gegenüber dem Grenzkontrollbeamten mit einem gültigen kroatischen Reisepass ausgewiesen. Da die vom Beamten routinemäßig durchgeführte Fremdenkontrolle ergeben habe, dass der Fahrer des Pkws, dessen Beifahrerin die Beschwerdeführerin gewesen sei, im Jahre 1997 wegen Schwarzarbeit aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden sei, habe der Beamte in der Folge das Fahrzeug näher kontrolliert; dabei sei er auf eine halbvolle Flasche Pestizid unter einer Lederjacke auf der Rücksitzbank sowie ein Sanitärmittel unter dem Beifahrersitz gestoßen. Am Rücksitz des Fahrzeuges sei eine Plastiktasche mit 2 kg Weißbrot sowie ein kleiner schwarzer Koffer mit Unterwäsche und Kleidung gelegen. Der Beamte habe den Fahrer in deutscher Sprache gefragt, wie lange er in Österreich bleiben wolle, worauf ihm als Aufenthaltsdauer (deutsch) "zwei Tage" genannt worden sei. Die Frage nach dem Aufenthaltszweck sei mit "shoppen" beantwortet worden; diejenige nach dem Geld mit 300 bis 400 Kuna.
Hierauf habe der Beamte telefonisch den Dienst habenden Gruppenkommandanten verständigt und diesem die vorläufigen Ergebnisse der Überprüfung mitgeteilt. Der Gruppenkommandant habe die Amtshandlung übernommen. Bei der Befragung durch diesen seien die Angaben über Aufenthaltsdauer und -zweck wiederholt worden. An Barmitteln habe der Fahrer 150 Kuna, die Beschwerdeführerin 50 Kuna vorgewiesen. Der Gruppenkommandant habe die Beschwerdeführerin ersucht, die Gegenstände in ihrer Handtasche vorzuzeigen. Darunter habe sich auch eine Notiz mit einer Grazer Telefonnummer befunden, wobei eine gleiche Telefonnummer bei den Autopapieren des Fahrers gewesen sei. Auf die auch an die Beschwerdeführerin gerichtete Frage, was dies für eine Nummer sei, sei keine Antwort gegeben worden; unbeantwortet seien auch die Fragen nach den Geschäften in Graz geblieben, in denen eingekauft und wo übernachtet werden sollte. Der Gruppenkommandant habe sich mit dem Fahrer und der Beschwerdeführerin teilweise in gebrochenem Deutsch und teilweise unter Verwendung kroatischer Wörter und Sätze, die sich der Beamte in Laufe seiner 15-jährigen Tätigkeit an der Grenzkontrollstelle Spielfeld angeeignet habe, unterhalten. Soweit dies für die Verständigung hilfreich gewesen sei, seien auch "non verbale Mittel" eingesetzt worden. Zum Beispiel habe der Beamte auf die Notizen mit der Telefonnummer gedeutet und auf Kroatisch nach dem "Namen der Telefonnummer" gefragt. Die im Auto vorgefundenen Gegenstände und die schon einmal erfolgte Ausweisung des Begleiters der Beschwerdeführerin hätten beim amtshandelnden Beamten den Verdacht einer beabsichtigten Erwerbstätigkeit in Graz erweckt. Nachdem weder der Begleiter der Beschwerdeführerin noch diese selbst die Angaben zum Aufenthalt in Graz (Einkäufe tätigen) plausibel hätten machen können (dies im Hinblick auf die Geldmittel) sei die Zurückweisung (des Begleiters und) der Beschwerdeführerin nach Slowenien ausgesprochen worden. Unter Hinweis auf das Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, sowie die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes gelangte der unabhängige Verwaltungssenat zum Ergebnis, dass die Zurückweisung der Beschwerdeführerin durch das Grenzkontrollorgan rechtmäßig gewesen sei.
Mit Beschluss vom 6. März 2000, B 4/00-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab. Dieser hat über die - ergänzte Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den geltend gemachten Beschwerdepunkt, in dem sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich in ihren Rechten (nur) im Hinblick auf das oben erwähnte Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht verletzt erachtet, ist die Frage der - nach den Beschwerdebehauptungen auch vorliegenden - slowenischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin nicht entscheidungswesentlich.
Nach dem bereits mehrfach erwähnten Abkommen können die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Art. 3 angeführten Reiseausweise (unter anderem Reisepass) mit sich führen, ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten (Art. 1). Nach Art. 2 des Abkommens findet die Befreiung von der Sichtvermerkspflicht auf jene Personen keine Anwendung, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen oder dort die Ausübung einer Erwerbstätigkeit beabsichtigen. In diesen Fällen ist vor der Einreise die Erteilung eines Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung erforderlich.
Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, über einen Sichtvermerk oder eine Aufenthaltsbewilligung zum fraglichen Zeitpunkt verfügt zu haben.
Gemäß § 52 Abs. 1 FrG 1997 sind Fremde bei der Grenzkontrolle am Betreten des Bundesgebietes zu hindern (Zurückweisung), wenn (unter anderem) sie der Pass- oder Sichtvermerkspflicht nicht genügen. Eine Zurückweisung hat zu unterbleiben, soweit dies einem Bundesgesetz, zwischenstaatlichen Vereinbarungen oder internationalen Gepflogenheiten entspricht. Abs. 2 Z. 3 leg. cit. bestimmt, dass Fremde bei der Grenzkontrolle zurückzuweisen sind, wenn sie zwar für den von ihnen angegebenen Aufenthaltszweck zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, aber bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass (lit. b) sie ohne die hiefür erforderlichen Bewilligungen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet beabsichtigen.
Nach Abs. 3 leg. cit. ist über die Zulässigkeit der Einreise nach Befragung des Fremden auf Grund des von diesem glaubhaft gemachten oder sonst bekannten Sachverhaltes zu entscheiden. Die Zurückweisung kann im Reisedokument des Fremden ersichtlich gemacht werden.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich dahin zusammen fassen, die Zurückweisung der Beschwerdeführerin durch das Grenzkontrollorgan sei deshalb rechtswidrig gewesen, da die im § 52 Abs. 3 FrG angeordnete Befragung im Sinne einer wechselseitigen Verständigung infolge von Sprachschwierigkeiten nicht möglich gewesen sei; demgemäß habe auch die Beschwerdeführerin nicht einen "Sachverhalt glaubhaft machen" können; es seien daher an "bestimmten Tatsachen" nur die angeführten Gegenstände (Flasche mit Pestiziden, Reinigungsmittel, Tasche mit Bekleidungsstücken und Damenunterwäsche) übrig geblieben, sodass sich die Beweiswürdigung im Ergebnis als völlig unzulässig und unzureichend erwiesen habe.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juli 1995, Zl. 95/02/0135; 21. März 1997, Zl. 96/02/0264, und vom 18. Juli 1997, Zl. 95/02/0143) war die Bestimmung des § 32 Abs. 3 FrG 1992, wonach das Grenzkontrollorgan nach Befragung des Fremden auf Grund des von diesem glaubhaft gemachten oder sonst bekannten Sachverhaltes zu entscheiden hatte, als "Beweislastverteilung" dahin zu verstehen, dass das Grenzkontrollorgan nicht zu Erhebungen verpflichtet werden könne, sondern der Fremde den für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt vorzubringen und glaubhaft zu machen habe. Der Fremde habe daher auf die Frage des Grenzkontrollorgans über den Zweck der beabsichtigten Einreise den entsprechenden Sachverhalt in einer solchen Form darzulegen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen, dass es ihm gelinge, einen Verdacht auf das Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes sofort an Ort und Stelle zu entkräften, andernfalls die Zurückweisung berechtigt sei.
Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind auch für die Auslegung der insofern identen Bestimmung des § 52 Abs. 3 FrG 1997 heranzuziehen.
Von einem solchen "Entkräften des Verdachtes" (im Beschwerdefall, dass die Beschwerdeführerin in Österreich ohne erforderliche Bewilligung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet beabsichtige) durch die Beschwerdeführerin konnte durch die bloße Behauptung, in Graz einkaufen zu wollen, nicht die Rede sein, sodass die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, die Zurückweisung der Beschwerdeführerin an der Grenze (und damit auch die Eintragung derselben im Reisedokument) sei rechtens gewesen. Die Annahme der belangten Behörde, dass dieser "Verdacht" berechtigt war, ist nämlich im Rahmen der Kontrolle der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. dazu näher den hg. verstärkten Senat vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keineswegs als rechtswidrig zu erkennen.
Soweit aber die Beschwerdeführerin "Verständigungsschwierigkeiten" ins Treffen führt, so besteht zwar die Pflicht des Grenzkontrollorganes, den Fremden zu befragen (§ 52 Abs. 3 FrG 1997) um ihm die "Glaubhaftmachung" des Sachverhaltes zu ermöglichen. Aus welchen Gründen aber dieser Versuch fehlschlägt - sei es auf Grund von "Sprachschwierigkeiten" oder etwa weil der Fremde nicht willens ist, zur Aufklärung des Sachverhaltes (durch Glaubhaftmachung) beizutragen -, ist rechtlich unerheblich; vielmehr kommt in einem solchen Fall die Regelung zur Anwendung, dass auf Grund des "sonst bekannten Sachverhaltes" über die Zulässigkeit der Einreise zu entscheiden ist.
Bei diesem Ergebnis kann den von der Beschwerdeführerin behaupteten Verfahrensmängeln keine Relevanz zukommen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wird eine Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung nach § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen, so ist der Verwaltungsgerichtshof an einen Antrag des Beschwerdeführers auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht gebunden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1997, Zl. 97/19/0981 mit weiteren Nachweisen).
Wien, am 30. Juni 2000
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Sachverhalt Beweiswürdigung VwRallg7 GlaubhaftmachungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000020107.X00Im RIS seit
07.05.2001