TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/23 W202 1413771-2

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Veröffentlicht am 23.11.2017
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Entscheidungsdatum

23.11.2017

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W202 1413771-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard Schlaffer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2017, Zahl 521282701/151689204/BMI-BFA, zu Recht erkannt:

A)

Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2017, Zahl 521282701/151689204/BMI-BFA, wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 26.05.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 31.05.2010, Zahl: 10 04.549-BAT, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde seitens des Asylgerichtshofes mit Erkenntnis vom 09.03.2011, Zahl C4 413.771-1/2010/3E, gem. §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 abgewiesen.

Am 04.11.2015 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ein.

Seinem Antrag legte der Beschwerdeführer einen Meldezettel, eine Bestätigung über die Absolvierung einer Deutschprüfung auf Niveau A2, eine Geburtsurkunde, eine E-Card sowie einen Ausweis in Kopie bei.

Am 27.10.2016 erfolgte seitens des BFA an den Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag vom 04.11.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 zurückzuweisen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Dabei wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV ein gültiges Reisedokument seinem Antrag beizustellen sei. Dazu wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bisher nicht an der Feststellung seiner Identität mitgewirkt habe und der Behörde keine Dokumente vorgelegt habe, die seine Identität nachweisen könnten. Zu Beendigung seines illegalen Aufenthaltes sei beabsichtigt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Weiters wurden seitens des BFA verschiedene Fragen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gestellt.

Nach einem Vertreterwechsel hinsichtlich des Beschwerdeführers erging seitens des BFA am 25.01.2017 eine gleichlautende Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wie jener vom 27.10.2016.

Mit am 28.02.2017 beim BFA eingelangtem Schreiben des Beschwerdeführers nahm dieser zur Verständigung von der Beweisaufnahme eine Stellung und er stellte hiebei einen Antrag gemäß § 4 AsylG-DV, von der Vorlage eines Reisepasses abzusehen. Seinen Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass er seine Identität nie verschleiert habe. Er habe auch im fremdenpolizeilichen Verfahren mitgewirkt. Der Vorwurf des BFA, dass der Antragsteller nicht im Identitätsfeststellungsverfahren mitgewirkt habe, gehe insofern ins Leere, da das BFA selbst kein Reisedokument für den Antragsteller erlangen könne. Der Beschwerdeführer habe einige Male eigenständig mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen. Er habe der Behörde seine Geburtsurkunde bereits vorgelegt.

Weiters tätigte der Beschwerdeführer Ausführungen hinsichtlich seiner Integration im Bundesgebiet.

Am 05.04.2017 wurde der Beschwerdeführer seitens des BFA niederschriftlich einvernommen, wobei der Beschwerdeführer angab, dass er keine Dokumente und keinen Reisepass habe, deswegen habe er Österreich nicht verlassen können. Er sei bei der indischen Botschaft gewesen und diese habe die Ausstellung abgelehnt. Nachgefragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er bei der Botschaft Dokumente hätte beibringen müssen, er habe jedoch nicht einmal seine Asylkarte dabei gehabt. Über Vorhalt der Vorlage der Geburtsurkunde im gegenständlichen Verfahren führte der Beschwerdeführer aus, dass er seine Geburtsurkunde mitgehabt habe, über Vorhalt, dass er zuvor noch ausgesagt hatte, keine Dokumente mitgehabt zu haben, führte er aus, die Asylkarte habe er nicht mitgehabt, jedoch die Geburtsurkunde. Er hätte ein Visum vorweisen sollen. Seinen Reisepass habe ihm der Schlepper abgenommen und nicht wieder zurückgegeben. Er habe auch kein Foto seines vormaligen Reisepasses. Er sei vor ca. 7 Monaten bei der indischen Botschaft gewesen, eine Bestätigung diesbezüglich könne er nicht vorlegen. Ein Freund habe ihn zur Botschaft geführt, es sei das erste Mal gewesen, dass er die Botschaft aufgesucht habe. Zuvor habe er nichts unternommen, um Österreich zu verlassen. Mit einer Organisation hinsichtlich einer freiwilligen Rückkehr habe er sich nicht in Verbindung gesetzt. Er arbeite als Zeitungszusteller und verdiene damit ca. 550 Euro, er teile die Wohnung mit weiteren drei Personen. Er arbeite auf Werkvertragsbasis seit drei Jahren. Vorher habe er auch als Zeitungszusteller gearbeitet. Er verfüge über einen Versicherungsschutz. Er habe keine Angehörigen im Bundesgebiet. In Indien hielten sich seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester auf. Er habe einmal im Monat über Telefon mit ihnen Kontakt. Befragt, bezüglich einer Rückkehr nach Indien, führte er aus, dass die dortige Situation und Zustände ihm zusetzen würden. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Familiäre Bindungen in Österreich habe er nicht, er sei nicht Mitglied in irgendeinem Verein. Er habe einen Deutschkurs auf Niveau A 2 absolviert. Er verfüge über österreichische Arbeitskollegen. In seiner Freizeit sei er zu Hause oder er gehe zu seinen Freunden. Einen Deutschintegrationskurs habe er nicht besucht. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 2 Wochen gewährt, neuerlich Beweismittel vorzulegen. Sollte eine Stellungnahme nicht einlangen, sei beabsichtigt, seinen Antrag zurückzuweisen.

Mit am 24.04.2017 beim BFA eingelangten Schreiben des Beschwerdeführers führte dieser aus, dass er auch mit der indischen Botschaft bezüglich seines Reisepasses Kontakt aufgenommen habe. Es werde auf die Stellungnahme vom 26.02.2017 verwiesen. Der Beschwerdeführer habe im Verfahren mitgewirkt und allen Ladungen Folge geleistet. Er habe auch bei seiner Identitätsfeststellung mitgewirkt und alles in seiner Macht stehende getan. Die Hinderungsgründe lägen nicht in seinem Einflussbereich. Der Antragsteller sei sprachlich, beruflich und sozial im Bundesgebiet integriert. Er bitte daher, von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung Abstand zu nehmen und den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen. Dem Schreiben legte er eine Wohnbestätigung in Kopie bei.

Mit Bescheid vom 06.07.2017, Zahl 521282701/151689204/BMI-BFA, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 55 Absatz 1 Asylgesetz gemäß § 58 Absatz 11 Ziffer 2 Asylgesetz als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Absatz 3 FPG eine Rückkehrentscheidung, stellte gem. § 52 Absatz 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

Zu Spruchpunkt I. führte das BFA nach Zitierung des § 8 Abs. 1 AsylG-DV sowie § 58 Abs. 11 AsylG aus, dass der Beschwerdeführer seine Identität bis dato der Behörde nicht nachgewiesen habe, obwohl er zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert worden sei. Der Beschwerdeführer habe dem BFA zwar die Kopie einer indischen Geburtsurkunde vorgelegt, die jedoch nicht geeignet sei, seine Identität nachzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. kam das BFA nach einer Abwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK zum Schluss, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit eine größere Gewichtung zuzusprechen sei, als seinen privaten Interessen. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG sowie § 52 Abs. 3 FPG sei gegenständliche Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde. Da die Voraussetzungen des § 50 FPG in seinem Fall nicht vorlägen, seien im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei vorliegendem § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig.

Zu Spruchpunkt III. führte das BFA aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides betrage, da keine besonderen Umstände im Sinne des § 55 FPG in seinem Fall vorlägen.

Gegen den oben genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, wobei er im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:

Der Beschwerdeführer sei stets kooperativ gewesen und habe beim Verfahren betreffend die Erlangung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt. Er sei auch über eine geraume Zeitspanne in gelinderen Mitteln gewesen, nämlich von 21.11.2011 bis 02.10.2013 zur täglichen Meldepflicht bei der Polizeiinspektion. Der Beschwerdeführer habe stets gleichlautende Angaben zu seiner Identität gemacht, er habe eine indische Geburtsurkunde vorgelegt. Zudem habe er selbstständig mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen. Die Hinderungsgründe an der Erlangung eines Reisedokumentes lägen nicht in seinem Einflussbereich. Allen Ladungen habe der Beschwerdeführer Folge geleistet, er habe sich erkennungsdienstlich behandeln lassen und Formulare zum Zwecke der Erlangung eines Heimreisezertifikates wahrheitsgemäß ausgefüllt. Der Beschwerdeführer erfülle sämtliche Erteilungsvoraussetzungen wie auch das A 2 Deutschzertifikat und den Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft. Er habe einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt. Er könne eine langjährige Arbeit in Österreich nachweisen, er sei strafrechtlich unbescholten. Zudem sei er krankenversichert und habe im Bundesgebiet einen großen Freundeskreis aufgebaut.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang sowie Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungs- sowie Gerichtsakt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i. d. F. BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. I 1961/194, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. I 1950/173, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl I 1984/29, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 i. d. F. BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und 8 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A)

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2). Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der AsylG-DV sind folgende Urkunden und Nachweise - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 leg. cit. - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen: 1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; 3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5; 4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls, 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder 3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war. Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber gemäß Abs. 2 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

§ 28 VwGVG lautet:

"(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden. (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, Zl. 2013/08/013627.01.2010).

"Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK vom 04.11.2015 durch das Bundesamt (vgl. VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 18.12.2014, Zl. Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Zl. Ra 2015/22/0040; VwGH B 16.09.2015, Zl. Ra 2015/22/0082 bis 0084).

Im vorliegenden Fall begründete das BFA die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages damit, dass der Beschwerdeführer keine Dokumente vorgelegt habe, obwohl er zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert worden sei. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer mit am 28.02.2017 beim BFA eingelangten Schreiben unter anderem einen Antrag gemäß § 4 AsylG-DV stellte, und das BFA verpflichtet gewesen wäre, im verfahrensabschließenden Bescheid über diesen Antrag abzusprechen. Vor Befassung und Entscheidung über den Antrag gemäß § 4 AsylG-DV durfte daher das BFA im gegenständlichen Fall den vorliegenden Antrag nicht gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückweisen, zumal auch keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, dass sonst der Tatbestand des § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG erfüllt wäre.

Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag hätte dem gegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, RA 2015/22/0115). Es war daher im Ergebnis der Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Entscheidung zu beheben. Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall geboten Aufhebung des angefochtenen Bescheides der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist.

Es konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, Behebung der
Entscheidung, Identitätsfeststellung, Kooperation, Rechtswidrigkeit,
Urkundenvorlage, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W202.1413771.2.00

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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