TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/29 W116 2148250-1

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W116 2148250-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2017, Zl. 1024473500-14776963, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der minderjährige Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester illegal ins Bundesgebiet ein und seine Mutter stellte am 09.07.2014 für ihn den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers statt. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen haben, gaben die Eltern des Beschwerdeführers gleichlautend an, dass in Syrien Bürgerkrieg herrschen würde und dass sie aus Angst um sich und ihre Familie geflüchtet seien. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat würden sie um ihr und das Leben ihrer Familie fürchten.

1.2. Am 11.07.2014 wurden die Eltern des Beschwerdeführers durch eine Verfahrensanordnung gemäß §°29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 über das Führen von Konsultationen mit Italien informiert. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2014, Zl. 1024473500-14776963 u.a., wurden die Anträge des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 61 Abs. 1 Z 1 FPG als unzulässig zurückgewiesen und wurde die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.07.2016, W 205 2011855-1/11E u.a., wurde der rechtzeitigen Beschwerde der Familie stattgegeben und wurden die bekämpften Bescheide gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG behoben.

1.3. Nach Zulassung der Verfahren wurden die Eltern des Beschwerdeführers am 12.01.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sein Vater im Wesentlichen an, dass er Araber und sunnitischer Moslem sei. Er habe seinen Wehrdienst bereits in den Jahren XXXX geleistet. Er sei kurz danach nochmals für neun Monate zum Militär einberufen worden und habe Syrien schließlich am XXXX gemeinsam mit seinen Angehörigen legal mit einem Flugzeug verlassen. Sein älterer Sohn XXXX sei schon zuvor ausgereist, weil er zum Wehrdienst einrücken hätte müssen. Anschließend schilderte der Vater des Beschwerdeführers ein Problem mit einem Arbeitskollegen, welches seinen Ausreiseentschluss letztlich bekräftigt habe. Er sei am Flughafen (in Syrien) von einem Schlepper durchgeschleust worden und habe dafür 400.000,-- syrische Lira bezahlt. Seine Mutter brachte zu ihren Fluchtgründen zusammenfassend vor, dass die Sicherheit (in Syrien) nicht mehr gegeben sei. Ihr Sohn XXXX (der Beschwerdeführer) sei immer wieder bei den Checkpoints angehalten und gefragt worden, zu welcher Macht er halten würde. Wenn er dabei eine falsche Antwort gegeben hätte, hätte es sein können, dass er inhaftiert werde. Ihr älterer Sohn habe Angst gehabt, zum Militär einrücken zu müssen. Nachdem es in der Schule ihrer Tochter immer wieder Demonstrationen gegeben habe und die Direktorin verhaftet worden sei, habe sie auch Angst um ihre Tochter gehabt. Auch ihrem Mann seien bei der Arbeit viele Probleme gemacht worden, weil der Großteil seiner Kollegen Alawiten gewesen seien. Er sei geschlagen und sein Auto sei kaputt gemacht worden. Es sei generell keine Sicherheit mehr gegeben, sodass nur mehr Angst herrschen würde. Sie habe Angst um ihre Kinder, ihren Mann und um sich selbst gehabt. Weiters teilte sie mit, dass der ältere Bruder ihres Mannes nach ihrer Ausreise verhaftet worden sei und niemand wüsste, wo sich dieser nun aufhalte. Bezüglich ihrer Ausreise mit dem Flugzeug gab sie an, dass sie jemanden bezahlt hätten, um ohne Probleme dorthin zu kommen. Auf die Frage, wie es möglich sei, das Land problemlos per Flugzeug zu verlassen, wenn ihr Mann (tatsächlich) auf einer Liste stehen sollte, erwiderte sie, dass man die Hilfe von Personen in Anspruch nehmen könnte; mit Geld würde alles gehen. Befragt, ob sie für ihren Sohn XXXX eigene Fluchtgründe geltend machen möchte, erklärte sie, nur das, was ihm bei den Grenzen immer passiert sei. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.

2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2017, frühestens am 18.01.2017 durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag des minderjährigen Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.01.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität des minderjährigen Beschwerdeführers fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass seine Mutter als gesetzliche Vertreterin bezüglich seiner Fluchtgründe zwar angegeben habe, dass er vor seiner Ausreise an Kontrollpunkten hin und wieder angehalten worden sei und bei einer falschen Antwort in Gefahr gewesen wäre, jedoch habe niemand derartige Vorfälle bis dahin erwähnt. In Anbetracht eines diesbezüglich gesteigerten Vorbringens, seines damals noch geringen Alters von elf Jahren und der legalen Ausreise seiner gesamten Familie aus Syrien, würde die Behörde davon ausgehen, dass dieser Vorfall nicht wirklich stattgefunden habe. Weiters sei der Beschwerdeführer im Ausreisezeitpunkt gerade elf Jahre alt gewesen und vor wenigen Tagen erst 16 Jahre alt geworden, sodass er noch rund zwei Jahre nicht wehrdienstpflichtig sei. Laut Länderberichten würde in Syrien nämlich frühestens ab dem vollendeten 18. Lebensjahr Wehrpflicht herrschen und der Beschwerdeführer sei (bislang) weder einer Musterung unterzogen worden, noch gebe es einen Einberufungsbefehl. Seine gesetzliche Vertretung habe auch auf mehrmalige Nachfrage weder in der Erstbefragung, noch in der Einvernahme behauptet, dass er bis zum Ausreisezeitpunkt jemals persönlichen Übergriffen ausgesetzt gewesen sei. Da auch keinem anderen Familienmitglied im Sinne der Kernfamilie der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, würde für ihn eine Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens ebenso nicht in Betracht kommen. Es werde ihm jedoch aufgrund der prekären Situation in weiten Teilen Syriens subsidiärer Schutz gewährt.

2.2. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 17.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht eine (gemeinsame) Beschwerde erhoben, welche am 15.02.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde – neben einer teilweisen Wiederholung des bisherigen Fluchtvorbringens seiner Eltern – zum Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass er und seine Familienangehörigen dem sunnitischen Glauben angehören würden und deshalb bereits seit Jahren Beleidigungen, Demütigungen und Bedrohungen durch Angehörige der alawitisch/sunnitischen Glaubensgemeinschaft ausgesetzt gewesen seien. Zusätzlich würde dem Beschwerdeführer die Einziehung zum Militärdienst drohen. Da er nicht gewillt sei, für das syrische Regime in den Krieg zu ziehen, würden ihm in Syrien Verfolgung und Misshandlung bis hin zum Tod drohen. Davon abgesehen habe die belangte Behörde das Fluchtvorbringen seiner Eltern nicht mit der gebotenen Tiefe ermittelt und dadurch die in §°18 Abs. 1 AsylG normierte Ermittlungspflicht in grober Weise verletzt. Hätte die Behörde die Eltern des Beschwerdeführers ordnungsgemäß und detailliert zu allen asylrelevanten Punkten befragt, hätten diese ihr Fluchtvorbringen glaubhaft und vor allem detailliert schildern können. Nach den Länderberichten zufolge würden in Syrien alle Männer im Alter zwischen 18 und 40 Jahren für den Wehrdienst in Frage kommen und da der Beschwerdeführer bald das wehrfähige Alter erreichen würde, sei auch er definitiv davon betroffen. Ferner gebe es in den angefochtenen Bescheiden keine Berichte über die aktuelle Situation in der Heimatregion XXXX bzw. zu den dominierenden Glaubensgemeinschaften in dieser Region und zum dort vorherrschenden Konflikt zwischen Alawiten und Sunniten. Der Beschwerdeführer und seine Angehörigen wären bei einer Rückkehr nach Syrien allein schon aufgrund ihrer Asylantragstellung im Ausland gefährdet und wäre dies bzw. ein allfällig drohender Militärdienst von Amts wegen zu erörtern gewesen. In diesem Zusammenhang wird ein Auszug eines Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes angeführt (W170 1430055-1, vom 05.03.2014). Nach zahlreichen Entgegnungen zu Ausführungen der Behörde das Verfahren seinen Vaters ("BF1") betreffend wird zum Beschwerdeführer ("BF4") zusammenfassend ausgeführt, dass das Bundesamt Feststellungen zu der Wehrdienstpflicht gänzlich unterlassen und zu diesen entscheidungswesentlichen Punkten auch keine Ermittlungen angestellt habe. Andernfalls hätte sie feststellen müssen, dass ihm aufgrund seines Alters im Fall einer Rückkehr nach Syrien definitiv die Einberufung zum Wehrdienst und im Fall seiner Weigerung demnach asylrelevante Verfolgung drohen würde. Aufgrund der aktuellen Situation im Bürgerkriegsland Syrien sei nämlich davon auszugehen, dass allen wehrfähigen Männern unabhängig von ihrem konkreten Alter die Einziehung zum Militärdienst mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Behörde vor dem Hintergrund ihrer eigenen Länderfeststellungen und den oa. aktuellen Erkenntnisquellen zum Schluss kommt, dass im gegenständlichen Fall keine individuelle Verfolgung sowie kein Fluchtgrund iSd GFK vorliegen würde. Aus den oa. Erkenntnisquellen und der Judikatur würde sich vielmehr das reale Risiko ergeben, dass der Beschwerdeführer und seine Angehörigen bei einer Rückkehr nach Syrien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung sowie einer individuellen Verfolgung ausgesetzt sein würden. Dem Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen würde in ihrem Heimatland jedenfalls Verfolgung aufgrund ihrer religiösen Gesinnung und dem Beschwerdeführer darüber hinaus die Einziehung zum Militärdienst drohen. Da er nicht gewillt sei, für das syrische Regime in den Krieg zu ziehen, würden ihm zudem Verfolgung und Misshandlung bis hin zum Tod drohen. Von dieser Verfolgung seien auch seine Angehörigen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie betroffen. Schließlich würde seiner gesamten Familie eine Verfolgung aufgrund ihrer Asylantragstellung im Ausland und der damit einhergehenden unterstellten, oppositionellen Gesinnung drohen, weshalb ihnen jedenfalls die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zuerkannt werden müsste.

3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 22.02.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 09.07.2014, der Einvernahmen der Eltern des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der (gemeinsamen) Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der Volksgruppe der Araber. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam.

Der Beschwerdeführer hat Syrien am XXXX gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester legal von XXXX aus verlassen und ist mit einem Flugzeug nach Alexandria (Ägypten) geflogen. Danach ist er mit einem Boot nach Sizilien (Italien) gelangt und nach einem Tag in einem Flüchtlingscamp mit einem Flugzeug nach Reggio Emilia weitergereist. Anschließend ist er mit dem Zug über Mailand schließlich illegal nach Österreich eingereist, wo er am 09.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Der Beschwerdeführer ist ein im Entscheidungszeitpunkt fast 17-jähriger syrischer Staatsangehöriger. Er wäre nach Erreichen des 18. Lebensjahres und damit in etwa einem Jahr jedenfalls wehrdienstpflichtig und müsste im Falle einer Rückkehr nach Syrien schon sehr bald damit rechnen, zum Dienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, wo er der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Es kommt aktuell in Syrien bei der Vollziehung des Wehrgesetzes nämlich bereits zu einem bestimmten Maß an Willkür, wobei es vor allem beim Alter der Betroffenen keine Klarheit mehr gibt.

Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten werden auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt dabei sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Wie sich aus den aktuellen Länderberichten nämlich ergibt, kann beim gegenwärtigen Stand des Krieges in Syrien auf eine Ausnahme vom oder einen Aufschub des Militärdienstes nicht mehr vertraut werden. Es ist daher – vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme des syrischen Militärs mit dem Nachschub junger Rekruten – mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch keinen Aufschub bzw. keine Ausnahmebewilligung bekommen würde und bei einer allfälligen Rückkehr in seine Heimat in absehbarer Zeit der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes nachkommen muss.

Dem Beschwerdeführer droht in Syrien damit die reale Gefahr, als Mann im beinahe wehrfähigen Alter zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und bei Verweigerung des Militärdienstes erheblichen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu werden.

Festgestellt wird weiters, dass der bewaffnete Konflikt zunehmend konfessionell wird und sunnitische Zivilisten aktuell das Hauptziel von Regimetruppen und von Pro-Regime-Milizen sind. Der Beschwerdeführer gehört der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Eine Verfolgung aus religiösen Gründen ist daher ebenfalls nicht völlig auszuschließen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bürgerkriegssituation in Syrien ist auch nicht damit zu rechnen, dass der syrische Staat – sollte von ihm selbst keine Verfolgungshandlung ausgehen – seine Bürger vor Bedrohungen und Übergriffen seitens bewaffneter Milizen oder sonstiger Gruppierungen ausreichend schützen kann. Der Beschwerdeführer wäre allfälligen Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen von den anderen Kriegsparteien somit schutzlos ausgeliefert.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Bei Männern im wehrfähigen Alter wird überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Weiters besteht für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein (UK Home 8.2016).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

"Folter und unmenschliche Behandlung

Die weit verbreitete Anwendung von Folter in Syrien zeigt die Straflosigkeit, mit der die Konfliktparteien agieren. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016).

Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weitverbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Viele der Opfer von Folter sind Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Das Regime foltert jedoch auch Frauen und Kinder, welche sich in Gewahrsam befinden (UNHRC 11.8.2016). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder als die Regierung nicht ausreichend unterstützend wahrgenommen werden. Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen (UNHRC 11.8.2016).

Die syrischen Sicherheitskräfte führen willkürliche Festnahmen durch und lassen häufig Festgenommene in dem weitreichenden Netzwerk an Haftanstalten in Syrien verschwinden. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 13.4.2016).

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (also solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen und konfessionell motivierte Tötungen von Zivilisten (FH 27.1.2016). Manche Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 13.4.2016). Des Weiteren begehen sie Massaker, Morde, Folter, Geiselnahmen, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt und setzen Kinder in Kampfhandlungen ein (UKFCO 8.2016).

Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the human":

Torture, disease and death in Syria’s prisons [MDE 24/4508/2016], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 2.12.2016

-

AI - Amnesty International (18.8.2016): Schwere Folter in syrischen Gefängnissen,

http://www.amnesty.de/2016/8/18/schwere-folter-syrischen-gefaengnissen, Zugriff 22.11.2016

-

FH-Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/454885_en.html, Zugriff 22.11.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/318418/443598_en.html, Zugriff 18.11.2016

-

UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.7.2016): Human Rights and Democracy Report 2015- Human Rights Priority Country update report: January to June 2016, http://www.ecoi.net/local_link/329304/470272_de.html, Zugriff 22.11.2016

-

UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2016): Report of the Independent International Commission of inquiry on the Syrian Arab Republic,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1474461066_g1617860.pdf, Zugriff 22.11.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015-Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen (FIS 23.8.2016).

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht (FIS 23.8.2016).

In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung, und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen (FIS 23.8.2016).

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 30.6.2016).

Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 30.6.2016).

Auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren Burschen und Mädchen, indoktrinieren sie und bringen sie in Trainings-Camps (USDOS 30.6.2016).

Quellen:

-

CIA - Central Intelligence Agency (19.10.2016): The World

Factbook: Syria,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 27.10.2016

-

FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

-

USDOS - US Department of State (30.6.2016): Trafficking in Persons Report 2016 - Country Narratives – Syria, https://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 2.12.2016

Die syrischen Streitkräfte – Wehr- und Reservedienst

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht (FIS 23.8.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2016). Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016). Berichten zufolge besteht aber auch für – teils relativ junge – Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 10.8.2016).

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016).

Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt (FIS 23.8.2016).

Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2016).

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015, UNHCR 30.11.2016). Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen (UNHCR 30.11.2016).

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016).

Quellen:

-

DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016

-

FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

-

IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:

Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015) [SYR105361.E],

https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 27.1.2016

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2016): Ergänzende aktuelle Länderinformationenen; Syrien: Militärdienst, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481012908_coi-military-recruitment-syria.pdf, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report in International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/328447/469225_de.html, Zugriff 27.10.2016

Wehrdienstverweigerung/Desertion

Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden (FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht (FIS 23.8.2016). Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte‘, vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.02.2015).

Quellen:

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AI - Amnesty International (6.2012): Amnesty Journal Juni 2012 - Operation Freiheit,

http://www.amnesty.de/journal/2012/juni/operation-freiheit, Zugriff 5.1.2016

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DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016

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FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

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Reuters (20.7.2016): Seeing no future, deserters and draft-dodgers flee Syria,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-army-idUSKCN1001PY, Zugriff 27.10.2016

Rückkehr

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 22.11.2016).

Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert (UK HOME 8.2016).

Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen (IRB 19.1.2016).

Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird (UK Home Office 8.2016).

Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.11.2016): Syrien: Reisewarnung, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SyrienSicherheit_node.html, Zugriff 22.11.2016

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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:

Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015),

https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 30.9.2016

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UK HOME - UK Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 22.11.2016

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USDOS - US Department of State (13.04.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016

Risikoprofile (Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung aus November 2015)

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

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Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

Risikogruppen

In seinen Richtlinien "zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen" vom Oktober 2014 geht UNHCR u.a. von folgenden "Risikoprofilen" aus:

• Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen – darunter fallen auch Wehrdienstverweigerer

• Angehörige ethnischer Minderheiten (u.a. Kurden)

• Mitglieder religiöser Gruppen (u.a. Sunniten)"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Länderfeststellungen stützen sich auf das Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 05.01.2017 sowie auf die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, vom November 2015 (4. Aktualisierte Fassung). All diese Dokumente sind dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtsbekannt.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Fluchtvorbringen:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben seiner Eltern sowie auf die von diesen im Verfahren vorgelegten Dokumente (insbesondere syrischer Reisepass und Personalausweis). Die Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt. Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben seiner gesetzlichen Vertreter.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben seiner Eltern im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen, dass dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien in absehbarer Zeit die Einziehung zum Dienst bei der syrischen Armee bzw. dabei die Pflicht zur Teilnahme an menschenrechtswidrigen Handlungen oder für seine Weigerung eine Bestrafung droht, deren Ausmaß aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation bis zur extralegalen Tötung reichen kann, stützen sich maßgeblich auf die Länderfeststellungen. Wie sich aus diesen Berichten nämlich ergibt, hat die syrische Regierung Schwierigkeiten neue Rekruten auszuheben. Aus diesem Grund kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes, vor allem in Hinblick auf das Alter der Betroffenen zu einem bestimmten Maß an Willkür. Ferner kann es während des Militärdienstes zur zwangsweisen Mitwirkung an schweren Menschenrechtsverletzungen und bei deren Verweigerung zu einer Verhaftung und Bestrafung von asylrelevanter Intensität kommen. Weiters ist aufgrund der besonderen Situation in Syrien die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig und werden vor allem Personen einer oppositionellen Gesinnung bzw. einer Regimegegnerschaft verdächtigt, die während des staatlichen Ausnahmezustandes ihre Heimat verlassen und im Ausland einen Asylantrag gestellt haben.

Den Quellen zufolge betrachtet die syrische Regierung die Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (UNHCR 02.2017). Präsident Al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst (Interview mit Lama Fakih, Beirut, 18.05.2017). Generell werden Regelungen nun strenger durchgesetzt (Interview mit Orion Wilcox, Amman, 16.05.2017), außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden (diplomatische Quelle, Amman, 16.05.2017). Jeder Mann im Alter zwischen 17 und 42 Jahren ist verpflichtet, einen zweijährigen Militärdienst abzuleisten. Diese gesetzliche Altersgrenze ist jedoch reine Theorie. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Seiten nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (diplomatische Quelle, Beirut, 18.05.2017).

Dass der Beschwerdeführer erst knapp 17 Jahre alt ist und die gesetzlich Wehrpflicht in Syrien erst ab 18 Jahren festgeschrieben ist, ändert an dieser Einschätzung nichts, zumal sich aus den Länderfeststellungen eindeutig ergibt, dass es auch zu Rekrutierungen von Jugendlichen unter 18 Jahren an Checkpoints kommt. So wurden etwa im August 2013 in Aleppo drei 17-Jährige an Checkp

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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