RS Vfgh 2017/11/30 G360/2016

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 30.11.2017
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Index

16/01 Medien, Presseförderung

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
MedienG §13 Abs3a

Leitsatz

Keine Unsachlichkeit der für Gegendarstellungen in elektronischen Medien - unabhängig von der tatsächlichen Veröffentlichungsdauer der Primärmitteilung - vorgesehenen Dauer von einem Monat angesichts des Unterschieds zwischen Print- und Rundfunkmedien einerseits und elektronischen Medien andererseits

Rechtssatz

Zulässigkeit des Parteiantrags auf Aufhebung des §13 Abs3a MedienG.

Im Anlassfall war nach dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft die ursprüngliche Veröffentlichung nicht länger als zehn Tage online, weshalb der VfGH davon ausgeht, dass ein Fall des §13 Abs3a erster Satz MedienG vorliegt. Im Fall einer Aufhebung lediglich des ersten Satzes des §13 Abs3a MedienG könnte jedoch dem verbleibenden zweiten Satz nicht mehr entnommen werden, dass er sich lediglich auf die Veröffentlichung auf Websites bezieht. Es liegt daher eine nicht trennbare Einheit zwischen dem ersten und dem zweiten Satz des §13 Abs3a MedienG vor, der die Anfechtung des gesamten Absatzes rechtfertigt.

Abweisung des Antrags.

Als zentraler Begriff des Gegendarstellungsrechts gilt der "gleiche Veröffentlichungswert". Grundgedanke der Gegendarstellung ist es, demjenigen, der zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen in den Medien geworden und von einer unrichtigen oder irreführend unvollständigen Tatsachenmitteilung betroffen ist, den aus seinen Persönlichkeitsrechten erfließenden Anspruch zuzugestehen, alsbald an gleicher Stelle und mit möglichst derselben Publizität vor dem gleichen Forum der Öffentlichkeit mit einer eigenen berichtigenden oder ergänzenden Darstellung zu Wort zu kommen ("audiatur et altera pars").

Die Gegendarstellung dient insoweit auch der Sicherstellung einer korrekten und vollständigen Information des Medienpublikums. Zu diesem Zweck muss die Gegendarstellung auf eine Art und Weise erfolgen, die hinreichend sicherstellt, dass jenes Medienpublikum, dem die unrichtige oder irreführende, abträgliche Medienbehauptung zur Kenntnis gelangt ist, auch von der richtigen Tatsachenbehauptung erfährt.

Veröffentlichungen in elektronischen Medien unterscheiden sich von Veröffentlichungen in Print- und Rundfunkmedien im Hinblick auf die zeitliche wie auch die technische Dimension. Elektronische Medien sind flüchtig, ihre Inhalte stehen Nutzern jederzeit zur Verfügung, sodass die Kenntnisnahme von Inhalten vom individuellen Verhalten der Nutzer abhängig ist. Printmedien hingegen weisen eine gewisse Dauerhaftigkeit in der Zugänglichkeit ihrer Inhalte auf. Während sich Beginn und Dauer einer Veröffentlichung in Print- oder Rundfunkmedien üblicherweise einfach feststellen lassen, sind sowohl der Beginn als auch die Dauer von Veröffentlichungen auf Websites vergleichsweise schwerer nachzuvollziehen bzw zu eruieren. Insofern kann bei elektronischen Medien auch der Kreis des Medienpublikums, der von einer Tatsachenbehauptung Kenntnis erlangt hat, verhältnismäßig schwer festgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, wie lange eine Gegendarstellung online abrufbar sein soll, und wie vieler Schritte ("Clicks") es seitens der Nutzer bedarf, um die Veröffentlichung wahrnehmen zu können.

Die Mediengesetzgebung geht in einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung von einer Wiederkehr eines Nutzers innerhalb des Zeitraumes von einem Monat aus. Die einmonatige Zeitspanne stellt - unabhängig von der tatsächlichen Veröffentlichungsdauer der Tatsachenmitteilung, auf die sich die Gegendarstellung bezieht - sicher, dass jenes Medienpublikum, das von der unrichtigen oder unvollständigen Tatsachenbehauptung auf einer Website Kenntnis erlangt hat, auch von der Gegendarstellung Kenntnis erlangt. Sie dient somit der Sicherstellung des gleichen Veröffentlichungswertes.

Vor diesem Hintergrund dient die angefochtene Regelung der Effektuierung des Anspruches auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung im Fall der Berichtigung einer abträglichen Medienbehauptung, die auf einer Website erfolgt ist. Entgegen der Auffassung der antragstellenden Gesellschaft liegt keine unsachliche Ungleichbehandlung zwischen Print- und Rundfunkmedien einerseits und elektronischen Medien andererseits in Bezug auf die Voraussetzungen bzw. Bedingungen von Gegendarstellungen vor. Vielmehr trägt die angefochtene Regelung den dargelegten Unterschieden zwischen Print- und Rundfunkmedien einerseits und elektronischen Medien andererseits Rechnung und stellt somit sicher, dass dem Anspruch auf Gegendarstellung in Bezug auf alle Arten von Medien in vergleichbarer Weise Genüge getan werden kann. Die Dauer der Frist ist ein geeignetes Mittel, dem Bedürfnis nach einer korrekten und vollständigen Information des Medienpublikums Rechnung zu tragen.

Die angefochtene Regelung liegt innerhalb der Schranken des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes und ist sachlich gerechtfertigt.

§13 Abs3a MedienG sieht keine Vorgaben für die örtliche Platzierung einer Gegendarstellung vor. Die Positionierung in der Site muss lediglich dergestalt sein, dass dieselben Nutzerschichten angesprochen werden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Medienrecht, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G360.2016

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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