TE Lvwg Beschluss 2017/12/6 LVwG-2017/20/1935-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2017
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Entscheidungsdatum

06.12.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58

Text

Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde der AA, Stadt Z vertreten durch Herrn RA Dr. BB, Adresse 1, Stadt Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 09.05.2017, GZ ***, den

B E S C H L U S S:

1.   Gemäß § 28 Abs 2 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister der Gemeinde Y zurückverwiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang, Sachverhalt:

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Studentenverbindung, welche seit ca 1960 jährlich nach Ende des Sommersemesters eine, ein Wochenende dauernde Feier im X-Tal im Gemeindegebiet von Y durchführt. Zumindest in den Jahren 2006 und 2007 wurden von dieser Vereinigung damit in Verbindung stehend bei der Gemeinde Y Ansuchen um Bewilligungen zur Benützung des X-Talweges für drei PKW´s beantragt, wobei es dabei offensichtlich um eine Ausnahmegenehmigung in Bezug auf das dort bestehende Fahrverbot für Kraftfahrzeuge ging. Seitens des Bürgermeisters der Gemeinde wurde mit einem Schreiben vom 14.06.2006 „die Benützung des X-Talweges beginnend von der Sportgemeinschaft CC in östlicher Richtung für die Benützung für drei PKW´s am 1. und 2. Juli 2006 gestattet“. Möglicherweise hat der Bürgermeister der Gemeinde der Gemeinde Y im Jahr 2007 eine Bewilligung um Befahren der Gemeindestraße im X-Tal mit drei PKW im Zusammenhang „mit der traditionellen jährlichen Studienabschlussfeier jeweils Mitte Juli“ ohne Bezugnahme auf ein konkretes Jahr erteilt.

Im Jahr 2017 richtete der Bürgermeister der Gemeinde Y ein mit 09.05.2017 datiertes Schreiben an die Beschwerdeführerin, welches folgenden Wortlaut aufweist:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

auf Grund der Vorfälle im letzten Jahr müssen wir Ihnen mitteilen, dass ab sofort sämtliche – gegebenenfalls noch gültigen – Fahrgenehmigungen für die Befahrung des Gemeindeweges ins X-Tal hiermit ersatzlos aufgehoben sind und das dortige allgemeine Fahrverbot zu beachten ist.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibt

Der Bürgermeister:

DD“

Die AA hat mit Schreiben vom 07.06.2017 Beschwerde erhoben und bezog sich dabei auf das vorangeführte Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Y, welches als „Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 09.05.2017, GZ ***, zugestellt am 15.05.2017“, bezeichnet wurde.

In der Begründung dieser Beschwerde wurde zunächst darauf verwiesen, dass die AA seit ca 1960 jährlich nach Ende des Sommersemesters eine Feier im X-Tal durchführe, wobei sich Mitglieder der Studentenverbindung „rund um ein Wochenende“ im X-Tal in Y treffen würden.

Der An- und Abtransport der Lebensmittel, von Sitzgelegenheiten, Planen und Zelt, sowie der Abtransport des Abfalls erfolge über die Gemeindestraße im X-Tal. Eigentümer dieses Weges sei die Gemeinde Y.

Mit Bescheid vom 04.07.2007 habe der damalige Bürgermeister der Gemeinde Y der Beschwerdeführerin die Bewilligung zum Befahren der Gemeindestraße im X-Tal östlich des Sportplatzes CC mit drei PKW im Zusammenhang mit der traditionellen jährlichen Studienabschlussfeier jeweils Mitte Juli erteilt. Mit dem angefochtenen Bescheid soll diese Bewilligung zum Befahren der Gemeindestraße im X-Tal widerrufen werden. Die Rechtsgrundlage dieses Widerrufes sei aber daraus nicht ersichtlich. Man gehe von der Anwendbarkeit des Tiroler Straßengesetzes aus. Im Zusammenhang mit dieser Erledigung seien Verfahrensvorschriften verletzt worden. Es sei etwa die Begründungspflicht verletzt worden. Es sei aus dem Bescheid nicht erschließbar, welche konkreten Vorfälle gemeint wären. Es würden auch eine Beweiswürdigung und eine rechtliche Beurteilung fehlen. Die Beschwerdeführerin sei auch nicht von der Einleitung eines Verfahrens zum Widerruf der Fahrgenehmigung informiert worden. Es sei daher das Parteiengehör verletzt worden.

Die Straße im X-Tal sei als Gemeindestraße und somit gemäß § 6 Tiroler Straßengesetz als öffentliche Straße anzusehen. Der Beschwerdeführerin sei mittels Bescheid vom 04.07.2007 ein Sondergebrauch zum Befahren der Straße im Zusammenhang mit der die Feiern erlaubt worden. Gemäß § 5 Abs 3 Tiroler Straßengesetz dürfe die Zustimmung zu einem Sondergebrauch unter Setzung einer angemessenen Frist ganz oder teilweise widerrufen werden, dies sei jedoch nur in zwei Fällen zulässig, nämlich soweit dies die Schutzinteressen der Straßen erfordern (lit a ) oder wenn dies wegen einer baulichen Änderung der Straße erforderlich sei (lit b). Es liege jedoch keiner dieser Fälle vor.

Mit Schreiben vom 16.08.2017 wurde die Beschwerde gemeinsam mit dem Schreiben des Bürgermeisters an die Beschwerdeführerin vom 09.05.2017 vorgelegt. Weiters wurden die Ansuchen der Beschwerdeführerin um Benützung des X-Talweges vom 13.06.2006 und vom 29.06.2007, sowie das Antwortschreiben des Bürgermeisters vom 14.06.2006 und ein Schreiben vom 12.07.2010 des Bürgermeisters der Gemeinde Y, in welchem auf eine vom Grund- und Waldbesitzer eingebrachte Anzeige Bezug genommen wurde, vorgelegt.

Im Vorlageschreiben wurde darauf verwiesen, dass es von Seiten der Gemeinde „niemals einen Bescheid gegeben hat, sondern nur schriftliche Genehmigungen, welche nicht einmal ansatzweise einen Bescheidcharakter aufweisen“. Schließlich wurde noch darauf verwiesen, dass der von der Beschwerdeführerin behauptete Bescheid vom 04.07.2017 mit Ausnahme des Datums und des Bewilligungszeitraumes ident mit dem Schreiben vom 14.06.2006 sei.

II.      Beweiswürdigung:

Der hier maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenstücken.

III.     Rechtliche Erwägungen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch einer „in Briefform gekleideten Mitteilung“ Bescheidcharakter zukommen, wenn diese nach ihrem Inhalt eine normative Erledigung im Einzelfall darstellt und die Behörde nach der anzuwendenden Rechtslage einen Bescheid zu erlassen hatte (VwGH 06.10.2010, 2008/9/0527).

Im gegenständlichen Fall geht es, wie dem Inhalt der Mitteilung der Behörde vom 09.05.2017 entnommen werden kann, um „sämtliche – gegebenenfalls noch gültige – Fahrgenehmigungen für die Befahrung des Gemeindeweges ins X-Tal“, die „aufgrund der Vorfälle im letzten Jahr“ widerrufen werden. Es geht somit um die Bewilligung einer Ausnahme von einem straßenpolizeilichen Fahrverbot. Ob eine solche Bewilligung nach wie vor in Geltung ist bzw in welchem Umfang die Ausnahmebewilligung erteilt wurde, kann den vorgelegten Aktenstücken nicht entnommen werden. Offensichtlich besteht diesbezüglich auch bei der Gemeinde Y Unklarheit, da von „gegebenenfalls noch gültigen Fahrgenehmigungen“ die Rede ist.

Die Erteilung einer Ausnahme von einem auf der Grundlage der StVO verordneten Fahrverbot durch die Gemeinde in deren eigenen Wirkungsbereich findet ihre Rechtsgrundlage in § 94d Zif 6 StVO und hat in Bescheidform zu erfolgen. Auch der Widerruf einer derartigen Ausnahmebewilligung stellt einen normativen, rechtsgestalteten Abspruch dar. Im gegenständlichen Fall war seitens der Gemeinde Y offensichtlich der Widerruf einer in der Vergangenheit erteilten, unbefristeten Ausnahmebewilligung beabsichtigt, sodass dem Schreiben, ungeachtet seiner formalen Defizite Bescheidcharakter zukommt.

Neben den formales Erfordernissen eines Bescheides mangelt es auch an einem entsprechenden Ermittlungsverfahren, welches insbesondere auch die Frage zu umfassen hat, in welchem Umfang Ausnahmebewilligungen („Ausnahmegenehmigungen“) derzeit überhaupt noch gültig sind.

Im Hinblick darauf, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Im Hinblick auf diese Sachverhalts- und Rechtslage konnte gemäß § 24 Abs 4 AVG von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Alfred Stöbich

(Richter)

Schlagworte

Widerruf einer Genehmigung; Bescheidcharakter; Zurückverweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.20.1935.2

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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