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L22006 Landesbedienstete Steiermark;Norm
BDG 1979 §43 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dr. P in 8530 Deutschlandsberg, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. Juli 1997, Zl. LAD-15.10-12/96, betreffend Schuldspruch ohne Strafe gemäß § 109 der als Steiermärkisches Landesgesetz geltenden Dienstpragmatik, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1939 geborene Beschwerdeführer steht als Oberregierungsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Er ist 1969 in den Landesdienst eingetreten und seit 1971 in der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg, davon seit 1974 als Bezirkshauptmannstellvertreter tätig. In der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg ist der Beschwerdeführer (bezogen auf das Jahr 1996) seit 25 Jahren Wasserrechtsreferent.
Mit Erkenntnis vom 19. Juni 1996 hat die Disziplinarkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung wie folgt zu Recht erkannt:
"ORR. Dr. P ist schuldig, dass er im Wasserrechtsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 19. Juli 1995, GZ. 3.0 K 167/95 die nachstehenden Formulierungen verwendete, die zu beanstanden sind:
1. 'Offenbar aus Kostengründen haben die Antragsteller bei der Projekterstellung gespart und den entsprechenden Antrag an den Projektanten limitiert. Ohne Einreichung ordnungsgemäßer Lagepläne mit Einmessungen der geplanten Anlagen ..., Angaben über die Untergrundbeschaffenheit, hergestellt auf haltbarem Papier und nicht schäbigen Kopien, unterfertigt von einem Fachkundigen u.a. ...' (Seite 14 oben).
2. 'Das eingereichte Projekt hat also keinen Bezug zum Antrag der Konsenswerber hinsichtlich der gegebenen örtlichen und geologischen Verhältnisse. Es ist aufgrund des eingereichten Projektes egal, ob das Vorhaben am Nord- oder Südpol oder am Äquator liegt'. (Seite 14 Mitte).
3. 'Die Wasserrechtsbehörde tritt auch den ständigen (unterschwelligen) Vorwürfen entgegen, sie sei gegen Abwasserreinigungsanlagen alternativer Art. Es ist eben so, dass die Antragsteller, so wie viele andere trotz nachweislicher, wenn auch erfolgloser Bemühungen der Wasserrechtsbehörde in den Siebzigerjahren, zur Regelung ihrer Abwasserentsorgung in Trahütten erst dann eingeschritten sind oder erst dann ihr Umweltbewusstsein geweckt wurde, als die Gemeinde eine kommunale Entsorgung in Angriff nahm ...' (Seite 16 Mitte).
ORR Dr. P hat daher gegen § 24 Abs. 2 der Dienstpragmatik in der Fassung der Landesbeamtengesetz-Novelle 1989 verstoßen.
Gemäß § 109 der Dienstprakmatik in der Fassung der Landesbeamtengesetz-Novelle 1984 wird von der Verhängung einer Strafe abgesehen."
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Disziplinarkommission im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe den Bescheid vom 19. Juli 1995 verfasst und unterschrieben. Seine Stellungnahme vom 19. Februar 1996 habe er aufrecht erhalten. Der Begriff "Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung" meine die Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genieße. Das bedeute, dass ein Beamter bei Verfassung von Bescheiden eine Formulierung zu verwenden habe, die "nicht zynisch oder lächerlich machend wirkt". Durch die "o.a. Formulierungen hat ORR Dr. P das Standesansehen verletzt". Bei der Strafbemessung seien die Unbescholtenheit und die Erklärung des Beschwerdeführers, in der Zukunft nicht mehr so zu schreiben, als strafmildernd und das mangelnde Unrechtsbewusstsein als straferschwerend zu werten gewesen. Da nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers angenommen werden könne, dass ein Schuldspruch genüge, um ihn von weiteren Verfehlungen abzuhalten, habe von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden können.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis der belangten Behörde vom 25. Juli 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis der Disziplinarkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. Juni 1996 keine Folge gegeben und damit dieses erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis bestätigt.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Disziplinaroberkommission im Wesentlichen aus, die Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft bilde nicht die Grundlage des Disziplinarerkenntnisses, sondern sie sei allenfalls Anlass für die Einleitung des Disziplinarverfahrens gewesen. Insoweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass der Wasserrechtsbescheid vom 19. Juli 1995 bestätigt und dabei die beanstandeten Formulierungen nicht gerügt worden seien, sei darauf zu erwidern, dass die Berufungsinstanz die Entscheidung primär rechtlich und nicht hinsichtlich der Angemessenheit der gewählten Formulierungen zu beurteilen habe. § 24 Abs. 2 der Dienstpragmatik beinhalte "sehr wohl den Tatbestand der Verletzung des Standesansehens der Beamten". Eine Handlung eines Beamten, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung erschüttere, werde in der Regel als Fehlleistung des gesamten Beamtentums gewertet. Für die Disziplinaroberkommission sei auch ausschlaggebend, dass der Bescheidadressat keine Möglichkeit habe, die Begründung des Bescheides "als solche anzufechten". Es sei daher erforderlich, gegen die "Unangemessenheit gewählter Formulierungen in der Begründung eines Bescheides mit den Mitteln des Standesrechtes vorzugehen".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer - der rechtskundiger Bediensteter eines Landes im Sinn des § 24 Abs. 2 zweiter Satz VwGG ist - erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften unter Zuerkennung eines Gebührenaufwandes von S 2.500,-- aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Bedienstete, die im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark stehen (Landesbeamte), ist das Steiermärkische Landesbeamtengesetz anzuwenden. Nach § 2 Abs. 1 dieses Landesgesetzes ist auf Landesbeamten unter anderem die Dienstpragmatik 1914 (RGBl. Nr. 15 in der Fassung BGBl. Nr. 213/1972) als Landesgesetz mit landesgesetzlichen Abweichungen sinngemäß anzuwenden (DP/Stmk.).
Abschnitt II der als Steiermärkisches Landesgesetz geltenden Dienstpragmatik (§§ 21 bis 35 DP/Stmk.) regelt die Pflichten der Beamten.
Gemäß § 24 Abs. 1 leg. cit. ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Das Disziplinarrecht (allgemeine Bestimmungen und organisatorische Bestimmungen) ist in den §§ 87 bis 98 DP/Stmk. geregelt. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist gemäß § 87 leg. cit. nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen. Als Disziplinarstrafen sieht § 88 Abs. 1 leg. cit. den Verweis, die Geldbuße, die Geldstrafe, die Versetzung in den Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuss und die Entlassung vor.
Das Disziplinarverfahren (abgesehen von den Bestimmungen über das Verfahren vor der Disziplinarkommission und das abgekürzte Verfahren) ist in den §§ 99 bis 116 DP/Stmk. geregelt. Gemäß § 109 leg. cit. kann im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten.
Das Disziplinarverfahren ist zufolge § 112 Abs. 1 leg. cit. mit Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt
3.
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4.
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Gemäß § 120 Abs. 2 DP/Stmk. hat das Disziplinarerkenntnis auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten und im Falle eines Schuldspruches, sofern nicht nach § 91 Abs. 3 oder § 109 von einem Strafausspruch abgesehen wird, die Strafe festzusetzen.
Bei dem - über den Beschwerdeführer verhängten - Schuldspruch ohne Strafe nach § 109 DP/Stmk. handelt es sich um eine Disziplinarstrafe (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse jeweils vom 18. Februar 1998, Zl. 94/09/0354 und Zl. 95/09/0112, zur in dieser Hinsicht vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979).
Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend dargelegt hat, stimmt § 24 Abs. 2 DP/Stmk. mit § 43 Abs. 2 BDG 1979 wortgleich überein. Demnach erweist sich - wie der Beschwerdeführer zutreffend gerügt hat - die von den Disziplinarbehörden vertretene Rechtsansicht, eine Verletzung des Standesansehens sei als Dienstpflichtverletzung nach dieser Gesetzesbestimmung zu qualifizieren, als unrichtig, weil § 43 Abs. 2 BDG 1979 und § 24 Abs. 2 DP/Stmk. den Beamten nicht zur Wahrung eines "Standesansehen von Beamten", sondern zur Wahrung "des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben" verpflichten. Eine Verletzung dieser Dienstpflicht ist daher nur dann anzunehmen, wenn zwischen dem vorgeworfenen Verhalten und den dienstlichen Aufgaben des beschuldigten Beamten eine solche Verbindung besteht, dass hieraus Dritte bei einer an objektiven Maßstäben orientierten Betrachtung negative Rückschlüsse auf die rechtmäßige und sachliche Erfüllung der diesem Beamten zukommenden Aufgaben ziehen würden (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 93/09/0016 in Slg. N.F. Nr. 14092/A, und Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 2. Auflage 1996, Seite 117). Dass die "beanstandeten Formulierungen" in diesem Sinn als Dienstpflichtverletzung zu werten seien, haben die Disziplinarbehörden nach den Begründungen ihrer Disziplinarerkenntnisse nicht angenommen. Eine parteiliche oder eigennützige Amtsführung wurde dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht vorgeworfen. Die Disziplinarbehörden haben auch nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der von ihm behandelten Angelegenheit im Sinne des § 7 AVG befangen gewesen sei, oder der von ihm verfasste Wasserrechtsbescheid als inhaltlich bedenklich anzusehen sei. Entgegen der (auch als ausschlaggebend dargelegten) Ansicht der belangten Behörde konnte der Bescheidadressat Formulierungen des Bescheides, die geeignet sind, die Unbefangenheit des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen, in der Berufung als Verfahrensmangel geltend machen.
Die inkriminierten Bescheidformulierungen sind im vorliegenden Disziplinarverfahren unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer durch die im Bescheid gewählte Schreibweise die im Verkehr zwischen Behörde und Partei gebotene Ordnung in einem Ausmaß verletzte, dass die Schwelle zur disziplinären Erheblichkeit überschritten wurde.
Mit der unter Punkt 1. beanstandeten Formulierung hat der Beschwerdeführer ausgedrückt, dass die Antragsteller aus Kostengründen bei der Projekterstellung gespart hätten, bzw. in welcher Weise die Wasserrechtsbehörde "in Hinkunft" mit Projektunterlagen, die unter anderem "schäbige Kopien" umfassen, verfahren werde. Die unter Punkt 2. beanstandete Formulierung - wird sie nicht isoliert, sondern im Zusammenhang beurteilt - drückt in etwas drastischer Weise das aus, was bereits im vorhergehenden Satz ausgedrückt wurde, nämlich einen konstatierten fehlenden örtlichen und geologischen Bezug des eingereichten Projekts. Mit der unter Punkt 3. beanstandeten Formulierung reagierte der Beschwerdeführer auf "ständige und unterschwellige Vorwürfe", dass die Wasserrechtsbehörde alternative Abwasserreinigungsanlagen ablehne. Die danach im Bescheid gegebene Darstellung beinhaltet eine - aus Sicht der Wasserrechtsbehörde - in Trahütten vorgelegene chronologische Abfolge der "Entwicklung des Umweltbewusstseins". Aus welchem Grund die beanstandeten Formulierungen als "zynisch" - also eine bissig-spöttische Haltung gegenüber den Gefühlen anderer anzeigend - oder als "lächerlich machend" angesehen werden müssen, hat die Disziplinarkommission erster Instanz nicht hinreichend begründet. Die belangte Behörde beurteilte die inkriminierten Formulierungen auch nicht mehr in dieser Hinsicht, sondern nur als "unangemessen".
Die vorgeworfenen Formulierungen überschreiten insgesamt betrachtet nicht die Schwelle des disziplinär erheblichen Verhaltens im Sinn des § 24 Abs. 2 DP/Stmk. Sie rechtfertigen nicht Bedenken an einer sachlichen Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben bzw. den Schluss, der Beschwerdeführer werde seine dienstlichen Aufgaben nicht sachlich und rechtmäßig erfüllen (vgl. insoweit auch das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418).
Die belangte Behörde hat dadurch, dass sie den erstinstanzlichen Schuldspruch bestätigte, statt einen Freispruch zu fällen (vgl. insoweit auch das hg. Erkenntnis vom 18. März 1993, Zl. 92/09/0352, zu einer vergleichbaren Rechtslage), den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 3. Juli 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997090289.X00Im RIS seit
28.03.2001