TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/28 I403 2167446-1

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Veröffentlicht am 28.11.2017
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Entscheidungsdatum

28.11.2017

Norm

AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

I403 2167446-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX (alias XXXX), StA. Nigeria, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2017, Zl. 831184308/1705231 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., V. und VI. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte III. und IV. wird gemäß § 67 Abs. 1 FPG und § 70 FPG stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

III. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsbürger, stellte am 14.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am folgenden Tag erklärte er, in Port Harcourt gelebt zu haben. Er gehöre der Volksgruppe der I(g)bo an und habe Nigeria 2010 wegen einer Bedrohung durch seinen Stiefbruder verlassen. Er habe sich in weiterer Folge zwei Jahre in Griechenland und zwei Wochen in Ungarn aufgehalten, ehe er nach Österreich gekommen sei. Im Fall einer Rückkehr nach Nigeria fürchte er von seinem Stiefbruder getötet zu werden.

Eine Anfrage bei den ungarischen Behörden ergab, dass der Beschwerdeführer am 20.07.2013 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte. Die ungarischen Behörden akzeptierten mit Schreiben vom 29.08.2013 die Rücküberstellung.

Am 10.11.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes, Suchtgift gehandelt zu haben, in Untersuchungshaft genommen. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 05.12.2013, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall, 27 Abs. 2 SMG; §§ 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall, 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

Am 23.01.2014 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Mit dem Beschwerdeführer wurden Feststellungen zur Lage in Ungarn erörtert.

Am 30.01.2013 langte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers beim BFA ein, in der sich dieser kritisch zur Lage in Ungarn äußerte und die Zulassung des Asylverfahrens in Österreich beantragte. Eine Überstellung nach Ungarn erfolgte nicht.

Der zu diesem Zeitpunkt wieder in Strafhaft befindliche Beschwerdeführer wurde am 14.04.2017 niederschriftlich durch das BFA einvernommen. Der Beschwerdeführer erklärte, seit 2015 mit einer polnischen Staatsbürgerin, welche in Österreich angemeldet sei, verheiratet zu sein; diese erwarte ein Kind von ihm. Er wiederholte, in Nigeria Probleme mit seinem Stiefbruder gehabt zu haben und gab an, in Besitz eines spanischen Aufenthaltstitels zu sein.

Am 15.05.2017 wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers niederschriftlich vom BFA einvernommen. Sie legte die Kopie der Heiratsurkunde vor. Sie habe den Beschwerdeführer im Juni 2014 in Wien kennengelernt. Sie sei Küchengehilfin in einem Restaurant und habe eine Anmeldebescheinigung. Sie sei schwanger vom Beschwerdeführer, der schon länger bei ihr leben würde, sich aber erst im April 2017 angemeldet habe. Sie würden am XXXX2015 in Neapel geheiratet und dann in Spanien einen Aufenthaltstitel für ihn bekommen haben. Sie wisse nichts Genaues von Problemen ihres Mannes in Nigeria.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2017, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 fünfter Fall SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Ihm wurde ein Strafaufschub bis zum 28.12.2018 gewährt, um sich der notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen.

Mit Bescheid des BFA vom 13.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.08.2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt III.) Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z. 1 AsylG 2005 ab dem 05.12.2013 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren habe.

Dagegen wurde am 08.08.2017 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch die juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH vorgelegt. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Beschwerdeführer Asyl gewähren, in eventu den Bescheid beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen, ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gewähren, die Spruchpunkt III., IV., V. und VI. ersatzlos beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot maßgeblich verkürzen, in eventu den Bescheid in Hinblick auf Spruchpunkt III. beheben und an das BFA zurückverwiesen, Spruchpunkt V. ersatzlos beheben, in eventu feststellen, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot für die Dauer des nach § 39 Abs. 1 SMG gewährten Strafaufschubes zur Durchführung gesundheitsbezogener Maßnahmen und bis zum Vollzug der unbedingt verhängten Freiheitsstrafe bzw. bis zu deren bedingter Nachsicht nicht durchsetzbar ist und dem Beschwerdeführer in diesem Zeitraum ein faktischer Abschiebschutz nach § 12 AsylG zukommt, eine mündliche Verhandlung durchführen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Inhaltlich wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer eine enge Bindung zu seiner Ehefrau habe, die am XXXX2017 die gemeinsame Tochter geboren habe. In Nigeria sei ein gemeinsames Familienleben nicht möglich. Beim Beschwerdeführer liege eine psychische Störung vor, wie im Gerichtssachverständigengutachten festgestellt worden sei.

Der Beschwerde beigelegt waren in Kopie ein Therapie- und Beratungspass, die Anmeldebescheinigung der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 24.11.2016 bzw. vom 04.08.2017, die Heiratsurkunde sowie Geburtsurkunde und Meldezettel der Tochter.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 14.08.2017 vorgelegt und von Seiten der belangten Behörde erklärt, dass auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung verzichtet werde.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.08.2017, I403 2167446-1/3Z wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Zugleich wurde vom Bundesverwaltungsgericht die Übermittlung eines vom Landesgericht XXXX in Auftrag gegebenen Gutachtens, auf das in der Beschwerde Bezug genommen wurde, veranlasst.

Am 18.10.2017 wurde an der Außenstelle Innsbruck des Bundesverwaltungsgerichtes eine mündliche Verhandlung abgehalten. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau wurden in der Verhandlung befragt. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, eine Kopie seines spanischen Aufenthaltstitels zu übermitteln. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 27.10.2017, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 30.10.2017, nach. Am 09.11.2017 wurde ein Dienstvertrag vorgelegt.

Am 24.11.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Antrag auf Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein. Entsprechende Nachforschungen ergaben, dass aufgrund eines technischen Problems bei der Zustellung der Beschluss, mit dem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, weder dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch dem Beschwerdeführer zugekommen war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen Staatsbürger Nigerias. Seine Identität steht fest. Die Ehefrau des Beschwerdeführers nützt in Österreich ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen, der in Besitz eines gültigen spanischen Aufenthaltstitels ist.

Er gehört der Volksgruppe der Ikwerre und der christlichen Glaubensgemeinschaft an. Der Beschwerdeführer stammt aus Rivers State. Seine Adoptiveltern verstarben 2008 bzw. 2010.

In Port Harcourt lebt seine Großmutter. Der Beschwerdeführer hält über soziale Medien Kontakt zu Schulfreunden in Nigeria.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Allerdings bestand beim Beschwerdeführer eine Drogenabhängigkeit, welcher er – unter Anwendung des § 39 SMG – gegenwärtig mit einer ambulanten Therapie begegnet. Er konsumiert aktuell keine Drogen mehr.

Seine Erwerbsfähigkeit ist nicht beeinträchtigt. Er studierte in Nigeria an der Universität IT-Technik, doch schloss er das Studium nicht ab. Es besteht aber kein Hindernis für den Beschwerdeführer, einfache Tätigkeiten oder Hilfsarbeiten durchzuführen.

Der Beschwerdeführer wird in Nigeria nicht von seinem Stiefbruder verfolgt. Der Beschwerdeführer verließ Nigeria 2010 und hielt sich in weiterer Folge vor allem in Griechenland auf, ehe er 2013 nach Ungarn reiste und hier einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. In weiterer Folge reiste er auch unrechtmäßig in Österreich ein und stellte am 14.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich somit seit viereinhalb Jahren im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer führt in Österreich ein Familienleben: Er ist seit XXXX2015 mit XXXX, einer polnischen Staatsbürgerin, verheiratet. Die Beziehung wurde 2014 eingegangen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügt über eine Anmeldebescheinigung. Am XXXX2017 wurde die gemeinsame Tochter in Österreich geboren. Es besteht ein gemeinsamer Wohnsitz der Familie. Eine Fortsetzung des Familienlebens in Nigeria scheint zum derzeitigen Zeitpunkt nicht möglich. Seit 31.10.2017 ist der Beschwerdeführer als Hilfsarbeiter für 10 Stunden wöchentlich angestellt.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich zweimal strafrechtlich verurteilt:

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 05.12.2013, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall, 27 Abs. 2 SMG; §§ 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall, 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXXvom 27.06.2017, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 fünfter Fall SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Ihm wurde ein Strafaufschub bis zum 28.12.2018 gewährt, um sich der notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung eingetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Diesen ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass sich die Spannungen und Auseinandersetzungen rund um Boko Haram weiterhin vor allem auf den Norden und Nordosten des Landes konzentrieren. Auch in Abuja besteht ein hohes Anschlagrisiko (BMEIA 23.08.2016). In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Zum Beispiel wurden Militäreinheiten in den Plateau State entsandt, um die Gewaltausbrüche zwischen den "Einheimischen" und den "Siedlern" zu verhindern, da die lokale Polizei nicht in der Lage war, die ethno-religiöse Gewalt einzudämmen (USDOS 13.4.2016). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b).

Auch wenn sich die Menschenrechtssituation seit Amtsantritt der Zivilregierung 1999 zum Teil erheblich verbesserte, ist sie insgesamt sehr problematisch (AA 3.2016a).

Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst sind. Der Schutz von Leib und Leben der Bürger vor Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht ist nicht gesichert (AA 3.2016a).

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen (AA 3.12.2015). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien (USDOS 13.4.2016). Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 3.12.2015).

Nigeria hält weiterhin an der Todesstrafe fest. Ein seit 2006 faktisches Vollstreckungsmoratorium wurde am 24. Juni 2013 mit vier Hinrichtungen im Bundesstaat Edo aufgehoben (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014).

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen (Pogrome). Diese gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 2000 sprechen die offiziellen Zahlen von über 11.500 Toten aufgrund von religiösen Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen (GIZ 6.2016b).

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 7.2014).

Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor. Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014). Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 13.7.2016). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 3.12.2015). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 3.12.2015). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 13.4.2016).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 3.12.2015). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 7.2014).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 3.12.2015).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

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BMEIA – Außenministerium (23.8.2016): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 23.8.2016VA1 – Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding MissionUKHO – United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/546640/CIG_-_Nigeria_-_Women_-_v2.0__August_2016_.pd, Zugriff 26.8.2016USDOS

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– U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016AA

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– Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 11.8.2016AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

-

ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

-

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 8.8.2016

-

IOM – International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=%2Fmilop%2Flivelink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26objId%3D16800759%26objAction%3Dbrowse%26viewType%3D1, Zugriff 13.7.2016

Zum Nigerdelta, der Heimatregion des Beschwerdeführers, wird im Länderinformationsblatt ausgeführt:

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst (DACH 2.2013), sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. IEN 18.8.2016).

Die Lage im Nigerdelta ist derzeit nicht stabil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko (AA 5.2016). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 27.1.2016).

Von 2000 bis 2010 entwickelten sich im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen. Die wichtigsten Gruppierungen wurden die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) (AA 3.12.2015).

Mit dem im Juli 2009 vom damaligen Präsidenten Yar'Adua verkündeten Amnestieangebot für die Militanten im Nigerdelta ist seiner Regierung bei der Lösung des Konflikts ein bedeutender Schritt und ein überraschender Erfolg gelungen: Alle bekannten Milizenführer nahmen das Amnestieangebot an. Ein Reintegrationsprogramm für 20.000 ehemalige Kämpfer hat Mitte 2010 begonnen. Der ehemalige Präsident Jonathan setzte das Amnestieprogramm fort. Allerdings kündigten die Milizenführer Henry Okah und John Togo die Amnestie 2010 wieder auf. Der mutmaßliche MEND-Führer Henry Okah, der meistens vom Ausland aus agiert, sitzt derzeit in Südafrika in Haft und wurde dort im Jänner 2013 verurteilt. Als Reaktion auf seine Verurteilung drohte MEND in drastischen Worten mit Anschlägen in ganz Nigeria (AA 3.12.2015). Mit dem Amnestieprogramm gingen Kriminalität und Gewalt im Süden zunächst merklich zurück. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt im Süden in letzter Zeit wieder an (AA 3.2016a) und der zerbrechliche Frieden im Nigerdelta ist dabei sich aufzulösen. Als die Regierung versuchte, den ehemaligen Rebellenführer, Government Ekpemupolo (bekannt als Tompolo) aufgrund von Korruptionsvorwürfen zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen, begannen bewaffnete Gruppen, insbesondere die wenig bekannten Niger Delta Avengers und die obskure Egbesu Mightier Fraternity, Ölanlagen anzugreifen (ICG 30.5.2016). Aufgrund dieser Reihe von Angriffen durch Aufständische, gab Präsident Buhari im Mai 2016 bekannt, dass die kontroverse Amnestievereinbarung mit Überarbeitungen bis 2018 beibehalten werden soll (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 3.12.2015). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb eine Joint Task Force (JTF) 2013 eingerichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Nigerdelta zu bekämpfen (UKHO 8.2016a). Die JTF, auch Operation Pulo Shield genannt, wurde im Juni 2016 umstrukturiert und mit der neuen Operation Delta Safe ersetzt, damit die derzeitigen Sicherheitsprobleme im Nigerdelta adressiert werden können (PT 22.6.2016; vgl. auch NT 9.7.2016).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

-

AA – Auswärtiges Amt (5.2016): Nigeria – Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 24.8.2016

-

AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 24.8.2016

-

DACH – Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 19.6.2015

-

FH – Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/320150/459379_de.html, Zugriff 24.8.2016

-

ICG – Nnamdi Obasi/International Crisis Group (30.5.2016):

Buhari’s Nigeria: Boko Haram Off Balance, but Other Troubles Surge, http://blog.crisisgroup.org/africa/nigeria/2016/05/30/buharis-nigeria-boko-haram-off-balance-but-other-troubles-surge/, Zugriff 24.8.2016

-

IEN – Industrial Equipment News (18.8.2016): Militant Sabotage Disrupting Nigerian Oil Output, http://www.ien.com/supply-chain/news/20831138/militant-sabotage-severely-disrupting-nigerian-oil-output, Zugriff 24.8.2016

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N24 – News 24 (29.5.2016): Buhari to keep Delta amnesty programme, http://www.news24.com/Africa/News/buhari-to-keep-delta-amnesty-programme-20160529-2, Zugriff 24.8.2016

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NT – Nigerian Tribune (9.7.2016): Operation Delta Safe gets new Coordinator,

http://tribuneonlineng.com/operation-delta-safe-gets-new-coordinator/, Zugriff 24.8.2016

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NW – Newsweek (30.8.2016): Niger Delta Avengers say ‘Hostilities ceased’ against Nigerian Government, http://europe.newsweek.com/niger-delta-avengers-say-hostilities-ceased-against-nigerian-government-494387?rm=eu, Zugriff 1.9.2016

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PT – Premium Times (22.6.2016): Nigerian military scraps Niger Delta ‘Operation Pulo Shield’,

http://www.premiumtimesng.com/news/top-news/205761-nigerian-military-scraps-niger-delta-operation-pulo-shield.html, Zugriff 24.8.2016

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UKHO – UK Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection, and internal relocation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 24.8.2016

Zur medizinischen Versorgung wird im Länderinformationsblatt ausgeführt:

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Das öffentliche Gesundheitssystem wird von den drei Regierungsebenen geleitet (VN 14.9.2015) und das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium (IOM 8.2014). Die Bundesregierung ist zuständig für die Koordination der Angelegenheiten in den medizinische Zentren des Bundes und Universitätskliniken. Die Landesregierung ist zuständig für allgemeine Spitäler, die Kommunalregierung für die Medikamentenausgabestellen (VN 14.9.2015).

Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von 20-50 Naira (0,1-0,25 Euro) ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 7.2014).

Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 13.7.2016). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 6.2016b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 7.2014).

Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten (SFH 22.1.2014; vgl. WPA o.D.). In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (AA 3.12.2015; vgl. SFH 22.1.2014). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 25.000 Naira (ca. 115 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 3.12.2015). Die Kosten einer Hospitalisierung in einer psychiatrischen Einrichtung variieren zwischen den verschiedenen Regionen Nigerias. In Lagos betragen sie im Lagos State University

Teaching Hospital: Zulassungsgebühr (admission deposit): 15.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 5.000 Naira; Am Lagos

University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr 23.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 20.000 Naira (SFH 22.1.2014).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 3.12.2015). Gemäß einem Bericht von 2013 vom Health Policy Project (HPP) erreicht das nigerianische Krankenversicherungswesen momentan nur gerade fünf Millionen Menschen. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten nigerianischen Bevölkerung. Auf der Webseite des NHIS steht, dass die Krankenversicherung bis ins Jahr 2015 30 Prozent der nigerianischen Bevölkerung erreichen soll (SFH 22.1.2014). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 3.12.2015). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 6.2016b).

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 3.12.2015). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 3.12.2015). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 13.4.2016).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 3.12.2015). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 7.2014).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 3.12.2015).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 3.12.2015).

Im Vergleich zu den anderen westafrikanischen Ländern hat sich Ebola in Nigeria nur begrenzt ausgebreitet. Insgesamt gab es 20 bestätigte Ebola-Fälle, 8 davon verliefen tödlich. Präsident Goodluck Jonathan erklärte in der UN-Vollversammlung vom 25. September 2014, dass Nigeria Ebola-frei sei. Damit hatte Nigeria bewiesen, dass das Ebola-Virus kontrollierbar ist. Am 20. Oktober 2014 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Nigeria offiziell für Ebola-frei. Nigeria gilt somit als Vorbild bei der Bekämpfung der Ausbreitung von Ebola (GIZ 6.2016b).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

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AA – Auswärtiges Amt (13.7.2016): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 13.7.2016

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GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2015b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.7.2016

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IOM – International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 13.7.2016

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ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

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SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (22.1.2014): Nigeria:

Psychiatrische Versorgung,

http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1391265297_document.pdf, Zugriff 13.7.2016

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USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 2.8.2016

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VN – VisitNigeria (14.9.2015): Nigeria Healthcare System – The Good and the Bad,

http://www.visitnigeria.com.ng/nigeria-healthcare-system-the-good-and-the-bad/, Zugriff 13.7.2016

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WPA – World Psychiatric Association (o.D.): Association of Psychiatrists in Nigeria (APN), http://www.wpanet.org/detail.php?section_id=5&content_id=238, Zugriff 12.6.2015

Aus diesen Länderfeststellungen ergibt sich insgesamt, dass in Nigeria trotz der Bedrohungen durch Boko Haram im Norden bzw. Nordosten des Landes und der schlechten wirtschaftlichen Situation eine nach Nigeria zurückkehrende Person, welche nicht aus dem Norden bzw. Nordosten stammt und bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt wird.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer legte einen amtlichen Lichtbildausweis und einen spanischen Aufenthaltstitel vor, so dass seine Identität abschließend festgestellt werden konnte. Die Feststellung, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handelt, ergibt sich aus den vorgelegten Dokumenten (Heiratsurkunde, Anmeldebescheinigung der Ehefrau) und wurde von keiner der Verfahrensparteien in Zweifel gezogen bzw. war dies auch Grundlage des angefochtenen Bescheides.

Die Feststellungen zu Volksgruppe, Glaubensgemeinschaft, Wohnort und Ausbildung ergeben sich aus den entsprechenden Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, insbesondere der Erstbefragung am 15.08.2013, der Einvernahme durch das BFA am 14.04.2017 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Allerdings wurde einmal festgehalten, dass der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Igbo angehöre, dann erklärte er aber gleichbleibend, der Volksgruppe der Ikwerre anzugehören, welche in Rivers State angesiedelt ist. Der Beschwerdeführer gab auch immer an, aus diesem Bundesstaat zu stammen, auch wenn einmal die Rede von XXXX, dann von Port Harcourt war. Seine Ehefrau gab in der Einvernahme am 15.05.2017 zu Protokoll, dass die Großmutter des Beschwerdeführers in Port Harcourt leben würde.

Zum Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein Gerichtssachverständigengutachten erstmals in der Beschwerde an, an einer "krankheitswertigen psychischen Störung" zu leiden. Es wurde behauptet, er benötige aufgrund seiner Erkrankung medizinische Versorgung und Psychotherapie, welche in Nigeria nicht verfügbar seien. Er leide an "einer schweren psychischen Krankheit". Entsprechende Befunde wurden aber nicht vorgelegt. Dem in der Beschwerde erwähnten und vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen und psychotherapeutischen Gutachten vom 21.06.2017 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit etwa zwei Jahren Kokain konsumiere, aber bestrebt sei, die Abhängigkeit hinter sich zu lassen, insbesondere auch aufgrund der (zu diesem Zeitpunkt nahenden) Geburt seiner Tochter. Ansonsten wird von einem guten Allgemeinzustand berichtet. Diagnostiziert wurde nur ein Abhängigkeitssyndrom aufgrund des Kokainkonsums, allerdings keine sonstige krankheitswertige psychische Störung. Das Bundesverwaltungsgericht stellt daher fest, dass beim Beschwerdeführer, abgesehen von der Abhängigkeit von Kokain (wobei der Beschwerdeführer seit einigen Monaten abstinent ist), keine Erkrankung vorliegt. Zudem erklärte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, an keiner psychischen Störung mehr zu leiden, sondern gesund zu sein.

Die Feststellungen zu seinem Familienleben in Österreich ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den vorgelegten Unterlagen (Heiratsurkunde, polnischer Reisepass und e-card der Ehefrau des Beschwerdeführers, Anmeldebescheinigung der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 24.11.2016 sowie vom 04.08.2017, Lichtbilder der Eheschließung, Geburtsurkunde der Tochter des Beschwerdeführers). Zudem wurde auch die Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers durch das BFA am 15.05.2017 sowie ihre Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung herangezogen. Dabei gab die Ehefrau des Beschwerdeführers an, sich eine Fortsetzung des Familienlebens weder in Nigeria noch in Polen vorstellen zu können.

Der Beschwerdeführer ist laut ZMR-Auszug erst seit 07.04.2017 ordentlich gemeldet. Sein Dienstvertrag wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 10.11.2017 vorgelegt.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich und den im Akt einliegenden Strafurteilen. Während der Beschwerdeführer Ende 2013 wegen verschiedener Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt wurde, wurde er mit Urteil vom 27.06.2017 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels verur

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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