TE Bvwg Beschluss 2017/11/30 W238 2158297-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.11.2017

Norm

AlVG §21
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §34 Abs3

Spruch

W238 2158297-1/29Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ingo RIß, Gußhausstraße 14/Top 7, 1040 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 30.09.2016, VN XXXX XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 14.12.2016, GZ XXXX , betreffend rückwirkende Berichtigung der Bemessung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis 31.01.2015 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG und Rückforderung der unberechtigt empfangen Notstandshilfe iHv EUR 3.268,74 gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.09.2017 beschlossen:

A) Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG

bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dem zu Zahl Ro 2017/08/0018 anhängigen Verfahren ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße (im Folgenden AMS) vom 30.09.2016 wurde der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum von 01.04.2014 bis 31.01.2015 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG rückwirkend berichtigt und die nunmehrige Beschwerdeführerin gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe des Gesamtbetrages von EUR 5.230,31 verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im angegebenen Zeitraum in unberechtigter Höhe bezogen habe, da es aufgrund des Einkommensteuerbescheides ihres Ehemannes zu einer höheren Anrechnung komme.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die Anrechnung nicht nachvollziehbar sei. Unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Gatten in Höhe von durchschnittlich EUR 900,- bis EUR 1.000,- monatlich im Jahr 2014 und unter Bedachtnahme auf die Freigrenzen für ihren Sohn wären weder Berichtigung noch Rückforderung berechtigt. Es wurde beantragt, den Bescheid aufzuheben und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 14.12.2016 wurde der Bescheid des AMS vom 30.09.2016 dahingehend abgeändert, dass der Bezug der Notstandshilfe von 01.04.2014 bis 31.01.2015 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG unter Angabe näher bezeichneter Beträge rückwirkend berichtigt und die Beschwerdeführerin gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe des Gesamtbetrages von EUR 3.268,74 verpflichtet wurde.

4. Die Beschwerdeführerin brachte einen Vorlageantrag ein, in dem die Selbsterhaltungsfähigkeit ihres Sohnes XXXX bestritten und vorgebracht wurde, dass die letzte Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin erst nach der Darlehensaufnahme eingetreten sei. Es seien daher Freigrenzen für den Sohn XXXX sowie für die Rückzahlungsraten anzuerkennen.

5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 22.05.2017 vorgelegt.

6. Nach Beschwerdevorlage wurden von den Verfahrensparteien mehrere Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

7. In einer Stellungnahme der Beschwerdeführerin wurde (u.a.) erstmals auch die korrekte Berechnung der Notstandshilfe vor Anrechnung des Partnereinkommens bestritten. Richtigerweise würde die Notstandshilfe vor Anrechnung EUR 27,50 (gedeckelt auf 80 % des Nettoeinkommens) und nicht nur EUR 26,17 betragen. Der Fehler des AMS liege in der falschen Berechnung des Ergänzungsbetrages, da diese in Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als Differenz zwischen Grundbetrag und Ergänzungsbetrag errechnet worden sei.

Die belangte Behörde führte dazu aus, dass die Beschwerdeführerin offenbar ihren Tagsatz an Arbeitslosengeld (EUR 27,50 täglich) mit ihrem Tagsatz an Notstandshilfe (EUR 26,17 täglich) verwechsle. Notstandshilfe und Arbeitslosengeld würden hingegen nicht in exakt derselben Höhe gebühren. Das AMS habe die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes berücksichtigt und den gebührenden Tagsatz korrekt ermittelt, zumal die Berechnung edv-unterstützt durchgeführt werde.

8. Am 26.09.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführerin und ihr Rechtsvertreter sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurden die unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Verfahrensparteien zur Höhe der gebührenden Notstandshilfe sowie zu einer allfälligen Rückzahlung ausführlich erörtert. Strittig waren im Wesentlichen drei Punkte: Die Gewährung einer Freigrenze für einen volljährigen Sohn der Beschwerdeführerin, die Gewährung einer Freigrenze für Rückzahlungsraten eines Kredits sowie die korrekte Berechnung der Notstandshilfe vor Anrechnung des Partnereinkommens, konkret ob der Ergänzungsbetrag vom AMS richtig berechnet wurde.

9. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden von der belangten Behörde eine Stellungnahme erstattet und Unterlagen nachgereicht. Vom Bundesverwaltungsgericht wurden eine Mitteilung der MA 40 sowie bezughabende Unterlagen eingeholt. Seitens des AMS wurde u.a. angeregt, das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über eine vom AMS erhobene Revision gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG 30.08.2017, W238 2142939-1/23E) auszusetzen. Seitens der Beschwerdeführerin wurde – neben weiteren Ausführungen in der Sache – mitgeteilt, dass kein Einwand gegen eine Aussetzung des Verfahrens bestehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Aussetzung des Verfahrens:

1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.

Hinsichtlich der Beschlüsse (§ 31 VwGVG) ist zwischen verfahrensleitenden und nicht-verfahrensleitenden Beschlüssen zu differenzieren. Verfahrensleitende Beschlüsse kann der Vorsitzende alleine fassen, sofern sie nicht auch verfahrensbeendend sind. Darüber hinaus kann der Vorsitzende auch nicht-verfahrensleitende Beschlüsse, die nicht-verfahrensbeendende Beschlüsse sind, alleine fassen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 9 BVwGG, Anm. 3).

Der Verwaltungsgerichtshof sah keinen sachlichen Grund dafür, eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung als (bloß) verfahrensleitende Entscheidung zu beurteilen, die nicht abgesondert bekämpfbar wäre (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/05/0089). Für Beschlüsse auf Grundlage des § 34 Abs. 3 VwGVG wird dies ebenso gelten.

Da der Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens jedoch nicht verfahrensbeendend ist, sondern das Verfahren nur unterbricht, liegt diesbezüglich die Zuständigkeit des Senatsvorsitzenden als Einzelrichter vor.

2. Gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn (1.) vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und (2.) eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen.

Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

3. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist u.a. zu klären, wie der Ergänzungsbetrag zu berechnen ist. Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die in § 21 Abs. 5 AlVG vorgesehene Deckelung erst auf das als Basis für die Ermittlung des verfahrensgegenständlichen Notstandshilfeanspruchs errechnete Gesamtausmaß des täglichen Arbeitslosengeldes (bestehend aus Grundbetrag, Familienzuschlägen sowie einem allfälligen Ergänzungsbetrag) und damit in Verbindung mit § 36 Abs. 1 AlVG auf das Gesamtausmaß der täglichen Notstandshilfe Anwendung findet oder bereits bei der Errechnung des – sodann allenfalls auf null reduzierten – Ergänzungsbetrages iSd § 21 Abs. 4 AlVG eine Rolle spielt.

Während die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.02.2016, Ro 2015/08/0028, die Auffassung vertritt, dass sich der Ergänzungsbetrag auch im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 5 AlVG aus der Differenz zwischen Ausgleichszulagenrichtsatz und Grundbetrag ergebe, geht die belangte Behörde davon aus, dass die 80 %-Grenze des täglichen Nettoeinkommens iSd § 21 Abs. 5 erster Satz AlVG die Summe aus Grundbetrag, Ergänzungsbetrag und Familienzuschlag sei, weshalb sich der Ergänzungsbetrag aus der 80 %-Grenze errechne.

Zwar hat sich der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom 24.02.2016 bereits mit der Frage der Berechnung des Ergänzungsbetrages befasst. Zur Frage, ob die dem Erkenntnis zugrunde liegenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlung des Ergänzungsbetrages auch im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 5 AlVG maßgeblich sind, fehlt jedoch eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Beim Verwaltungsgerichtshof ist das im Spruch genannte Verfahren über eine Amtsrevision des AMS gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG 30.08.2017, W238 2142939-1/23E) anhängig, in dem diese Rechtsfrage zu lösen ist.

Auch wenn derzeit über die Zahl der zu erwartenden einschlägigen Beschwerdefälle vom Bundesverwaltungsgericht keine präzise Aussage getroffen werden kann, lässt sich im Hinblick darauf, dass der Ergänzungsbetrag in einer großen Zahl von Verfahren zu ermitteln ist, die Prognose treffen, dass die dabei maßgebende Rechtsfrage in Summe in einer erheblichen Zahl von Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu lösen sein wird.

Die Annahme einer "erheblichen Zahl von Verfahren" iSd § 34 Abs. 3 VwGVG hält das Bundesverwaltungsgericht im gegebenen Zusammenhang auch deshalb für gerechtfertigt, weil zu beachten ist, dass eine Aussetzung nach § 34 VwGVG – im Unterschied zu jener nach § 38a VwGG – keine Rechtswirkungen genereller Natur hervorruft (und keine Kundmachung im Bundesgesetzblatt nach sich zieht), sondern in ihren Wirkungen auf das jeweils individuell ausgesetzte Beschwerdeverfahren beschränkt bleibt. Die für § 34 Abs. 3 VwGVG erforderliche "Zahl" der Verfahren muss daher nicht notwendigerweise jene Schwelle erreichen, die für eine Aussetzung nach § 38a VwGG erforderlich wäre (vgl. im Übrigen auch Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts2, Rz 183, wo auf den Umstand hingewiesen wird, dass der in § 34 Abs. 3 VwGVG verwendete unbestimmte Gesetzesbegriff "einigen Spielraum für extensive Anwendung" lässt).

4. Aus den dargelegten Erwägungen war gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des im Spruch genannten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu verfügen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht macht von dem ihm in § 34 Abs. 3 VwGVG eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen Gebrauch.

Schlagworte

Aussetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W238.2158297.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten