Entscheidungsdatum
11.12.2017Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I404 2148162-2/4E
BESCHLUSS
In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 06.12.2017, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA. Algerien, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin MMag.
Alexandra JUNKER als Einzelrichterin beschlossen:
A)
Die gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist nicht rechtswidrig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte nach seiner Festnahme am 30. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es erfolgte keine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.
2. Am 31.01.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Er habe Diabestes, aber es gehe ihm gut. Er nehme viermal am Tag Insulin. Er habe schon in seiner Heimat Diabetes gehabt. Er habe bis zu seiner Ausreise mit seiner Mutter zusammengelebt. Sein Vater sei bei der Armee gewesen, er wisse nicht, welchen Posten er gehabt habe. Sein Vater sei am 28.11.1992 gestorben. Offiziell sei er eines natürlichen Todes gestorben, er kenne die Todesursache aber nicht genau. In Algerien würden noch seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder wohnen. Sein Bruder
XXXX sei verstorben. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er an, dass er keine asylrelevanten Gründe für seine Flucht vorbringen könne, sondern nur einen persönlichen und es ihm unangenehm sei, darüber zu sprechen. Außerdem hab er einmal "ein anderes Leben und eine andere Gesellschaft" kennenlernen wollen habe. Er sei niemals bedroht und auch niemals aus politischen Gründen verfolgt worden. Im Falle einer Rückkehr nach Algerien fürchte er sich "vor gar nichts", denn er fürchte "nur Gott". Es sei ihm bekannt, dass keine asylrelevanten Gründe vorliegen würde, er wolle aber keine Geschichte erfinden.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31.01.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§ 57 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß "§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF" wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). Letztlich wurde einer Beschwerde "gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF" die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Begründend wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Algerien verfolgte werde, da er angegeben habe, sein Herkunftsland aus persönlichen Gründen verlassen zu haben und den Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, um seinen Aufenthalt zu legalisieren. Im Hinblick auf die Diabetes Erkrankung sei festzustellen, dass Behandlungsmöglichkeiten in Algerien existieren würden und der Beschwerdeführer auch schon vor seiner Ausreise entsprechende Medikamente bekommen habe. Der Beschwerdeführer habe keine Verwandte oder Familienangehörigen in Österreich. Er habe in Österreich eine Freundin, mit der er jedoch zu keiner Zeit einen gemeinsamen Haushalt geführt habe. Schließlich wurde bezogen auf das Einreiseverbot festgehalten, dass der Beschwerdeführer bereits zweimal von einem österreichischen Gericht wegen strafrechtlichen Fehlverhaltens verurteilt wurde.
4. Der Beschwerdeführer erhob nur gegen den Spruchpunkt IV. dieses Bescheides Beschwerde an das BVwG.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2017 zu GZ. I418 2148162-1/3E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
5. Am 23.11.2017 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung am 24.11.2017 gab er an, dass er Österreich seit der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf Internationalen Schutz nicht verlassen habe. Hinsichtlich der Gründe für seine neuerliche Antragstellung führte der Beschwerdeführer Folgendes an:
"Ich möchte hier leben und möchte hier um Schutz ansuchen. Ich wäre auch woanders hingegangen, aber ich habe Österreich ausgesucht, weil ich weiß, dass ich hier Schutz bekommen kann. Ich habe mich hier auch integriert. Ich habe auch viele Probleme in Algerien. Bei meinem ersten Asylantrag habe ich auch nicht alles erzählt. Ich will heute auch nicht alles erzählen, weil ich Angst habe. Ich werde es aber jetzt probieren alles zu erzählen, damit ich hier in Sicherheit leben kann.
Mein Vater ist 1992 verstorben, meine Mutter ist psychisch krank geworden, aus verschiedenen Gründen. Einer diese Gründe ist die Entführung meines Vaters. Mein Vater hat beim algerischen Geheimdienst gearbeitet. Die ganze Welt glaubt, dass Algerien ein demokratisches Land ist, aber es ist das Gegenteil: Es ist eine Diktatur. Das Bild was man von Algerien kennt ist ein schönes. Es gibt Wahlen, aber hinter den Kulissen sieht es anders aus. Der Präsident ist seit 3 Jahren krank und das Land wird vom Militär regiert. Zwischen 1991 und 1999 gab es in Algerien einen Bürgerkrieg, dabei wurden 600.000 Bürger getötet. Dann wurde der jetzige Präsident gewählt, aber es war nur ein Scheinpräsident, weil in Wirklichkeit das Militär das Sagen gehabt hat. 1992 wurde mein Vater dann entführt, von diesem Regime. Ich mache mir große Sorgen, wenn das andere erfahren, bekomme ich sicher große Schwierigkeiten. Ich mache mir ebenfalls Sorgen, dass meine Familie auch deswegen Probleme bekommt. Ich bin nicht gegen das Regime, ich möchte mein Leben einfach in Sicherheit führen können. Ich habe vom Regime oft Drohungen bekommen.
2016 ist mein Bruder, der 32 Jahre war, gestorben. Ich habe einfach die Nachricht bekommen, dass er gestorben ist. Ich weiß die Todesursache nicht. Es war die gleiche Geschichte, wie bei meinem Vater. Bei meinem Vater haben wir die gleiche Nachricht bekommen. Ich weiß ganz genau, dass mein Bruder gesund war, er kann einfach nicht so ohne Grund gestorben sein. Ich bin zuckerkrank Typ 1, ich bekomme 4 mal am Tag Insulin. Ich brauche viele Medikamente, aber in Algerien ist die Gesundheitsversorgung sehr schlecht, und kann sie mir dort auch nicht leisten. In Österreich habe ich Gesundheitsversorgung gefunden. Ich habe vom Roten Kreuz die Medikamente bekommen. Ich habe auch eine Karte, mit der ich immer zum Arzt gehen kann. Ich muss immer wieder untersucht werden, es besteht die Gefahr, dass meine Augen, Zähne und Beine beschädigt werden können. Deswegen muss ich immer wieder untersucht werden. Das wissen die Ärzte. Hier in Österreich bekomme ich diese Betreuung. Ich wollte immer hier legal sein und einen rechtmäßigen Aufenthalt haben. Mit meiner grünen Karte durfte ich nur begrenzte Arbeiten machen. Ich habe mich integriert, ich habe auch eine Freundin, vielleicht werden wir auch eines Tages heiraten."
In der niederschriftlichen Befragung am 06.12.2017 vor dem BFA, Erstaufnahmezentrum Ost, gab der Beschwerdeführer an, dass er seit ca. 6 Jahren zuckerkrank - Typ 1 -sei und Medikamente nehme. Seine Fluchtgründe seien noch aufrecht. Er habe noch weitere Fluchtgründe.
Diese führte er wie Folgt aus:
"Mein Vater hat beim algerischen Geheimdienst gearbeitet. Diese Tatsache habe ich aus Angst nicht angegeben. Mein Vater wurde am 28.11.1992 getötet. Mein Vater war ideologisch auf der Seite der Opposition und wurde deswegen ermordet. Zu dieser Zeit herrschte dort eine politische Krise und es kam anschließend zu einem Bürgerkrieg. Es gab damals Terror und Unterdrückung. Meine Mutter ist deswegen bis heute psychisch krank und benötigt eine medizinische Versorgung. Sie muss Medikamente nehmen. Mein Onkel mütterlicherseits stand auf der Seite meiner Familie und ist auch psychisch krank geworden. Der Hauptgrund für die ganzen Probleme liegt an der politischen Haltung meines Vaters. Ich wurde, so wie meine Geschwister in der Schule schikaniert und unterdrückt. Mein Bruder ist im Jahre 2016 unter ungeklärten Umständen gestorben. Ich möchte mit diesen Angaben zum Ausdruck bringen, dass mein Leben in Algerien in Gefahr war. Ich war Opfer von Unterdrückung, sowohl körperlich als auch psychisch. Das Problem war nicht mit der einfachen Polizei, sondern mit dem Geheimdienst und seinen Mitarbeitern, deren Identität man nicht weiß. Ein weiterer Grund ist die medizinische Versorgung. Ich wäre finanziell niemals in der Lage, für meine Gesundheit und meine medizinische Behandlung zu sorgen. Das Problem ist, dass meine Krankheit chronisch ist und ich auf diese Medikamente angewiesen bin. Ich muss täglich eine große Menge an Medikamenten einnehmen." Er führte auf Nachfrage weiter aus, dass er In Österreich oder der EU keine Familienangehörigen habe. Er habe eine Freundin, mit welcher er nicht zusammenlebe, aber bei welcher er manchmal übernachte und täglich telefoniere. Sie habe ihn auch manchmal in der Justizanstalt besucht.
6. In der Folge wurde gegenüber dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Dies wurde damit begründet, dass der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sei, da der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt, welcher nach Rechtskraft des letzten Asylverfahrens neu entstanden sei, vorgebracht habe. Die Erlangung eines Heimreisezertifikaktes sei bereits gegeben bzw. stehe unmittelbar bevor. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsland, habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Eine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z. 3 AsylG beschrieben könne nicht angenommen werden.
5. Am 11.12.2017 wurde der Akt der Gerichtsabteilung I404 (vollständig) zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist algerischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer ist ledig und befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er hat Diabetes und leidet darüberhinaus an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich. In Bezug auf das Privat- und/oder Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist seit der letzten Entscheidungen des BFA am 31.01.2017 keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes erkennbar.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in keiner Lebensgemeinschaft.
1.2. Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.07.2015 wurde mit Bescheid des BFA vom 31.01.2017 abgewiesen und ausgesprochen, dass eine Abschiebung nach Algerien zulässig ist.
Der Beschwerdeführer verließ das Bundesgebiet seinen Angaben zufolge seit der Bescheiderlassung am 31.01.2017 nicht.
1.3. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme betreffend seinen ersten Antrag vom 30.07.2015 auf internationalen Schutz gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 31.01.2017 an, dass sein Vater beim Militär gewesen und am 28.11.1992 gestorben ist. Offiziell wäre er eines natürlichen Todes gestorben, er kennt die Todesursache aber nicht genau. Er führte auch an, dass sein Bruder XXXX schon gestorben ist. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er keine asylrelevanten Gründe hat, er aber ein anderes Leben und eine andere Gesellschaft kennenlernen will.
Im Folgeantrag vom 31.01.2017 gab der Beschwerdeführer nun an, dass sein Vater beim algerischen Geheimdienst war und getötet worden ist, weil er auf der Seite der Opposition gestanden ist. Er gab weiter an, dass sein Bruder 2016 unter ungeklärten Umständen gestorben ist. Auch der Beschwerdeführer war seinen Angaben zufolge Opfer von körperlicher und psychischer Unterdrückung durch den Geheimdienst und dessen Mitarbeitern. Als weiteren Grund machte der Beschwerdeführer geltend, dass er Diabetes hat und finanziell niemals in der Lage ist, für seine Gesundheit und seine medizinische Behandlung in Algerien zu sorgen.
1.4. Im Hinblick auf die allgemeine Lage in Algerien ist seit Abschluss des ersten Asylverfahrens im Februar 2017 keine maßgebliche Änderung eingetreten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde. Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht fest.
Dass der Beschwerdeführer – mit Ausnahme der Diabetes - an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, wurde festgestellt, da der Beschwerdeführer in seinen Vorverfahren und auch bei der Befragung am 06.12.2017 keine weiteren Krankheiten anführte.
Dass in Bezug auf das Privat- und/oder Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes erkennbar ist, liegt an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bei sämtlichen Befragungen angegeben hat, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben.
Auch seine Diabetes –Erkrankung war bereits im Vorfahren bekannt und hat sich diesbezüglich ebenfalls nichts geändert.
Weiters hat er auch in seiner Befragung vom 06.12.2017 angegeben, keinen Deutschkurs absolviert zu haben. Darüberhinaus befindet sich der Beschwerdeführer seit dem 18.08.2016 bis laufend durchgehend in Strafhaft.
Dass der Beschwerdeführer in keiner Lebensgemeinschaft lebt, wurde festgestellt, da der Beschwerdeführer diesbezüglich in seinen Befragungen unterschiedliche Angaben machte:
Der Beschwerdeführer hat im Vorverfahren am 31.01.2017 angegeben, seit 2016 eine Freundin mit dem Namen "XXXX" zu haben. In der Einvernahme am 06.12.2017 gab er an, dass seine Freundin in Österreich lebe und "XXXX" heiße. Er habe sie auf der Donauinselt im März 2016 kennen gelernt, die Wohnadresse sei ihm nicht bekannt.
Außerdem scheint im Zentralen Melderegister keine "XXXX" auf und "XXXX" gibt es nur eine mit Geburtsjahr 2009.
2.2. Die Feststellungen zum Verfahren betreffend den ersten Asylantrag sowie den Folgeantrag vom 23.11.2017 wurden dem vorgelegten Behördenakt entnommen. Dass der Beschwerdeführer seit Bescheiderlassung am 31.01.2017 Österreich nicht verlassen hat, wurde der Einvernahme vom 24.11.2017 entnommen und wäre aufgrund der durchgehenden Inhaftierung des Beschwerdeführers auch nicht möglich gewesen.
2.3. Die Angaben des Beschwerdeführers zum Asylantrag vom 30.07.2015 und dem Folgeantrag vom 23.11.2017 ergeben sich aus den im Akt der belangten Behörde einliegenden Niederschriften.
2.4. Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, ergeben sich aus einem Vergleich des in den vorherigen Asylverfahren beigezogenen Länderberichtsmaterial mit dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Länderberichtsmaterial.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.
3.2. Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
§12a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG 2005 idgF:
(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF lautet:
Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
3.2.2. Das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.07.2015 wurde mit Bescheid des BFA vom 31.01.2017 hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.11.2017 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.
Mit Bescheid des BFA vom 31.01.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.
Aufrechte Rückkehrentscheidung
Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005. Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Gegenständlich liegt daher eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor.
Res iudicata
Der Antrag vom 23.11.2017 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.
Der Beschwerdeführer hat im gegenständlich Folgeantrag vorgebracht, dass sein Vater beim Geheimdienst gewesen und am 28.11.1992 getötet worden sei. Sein Bruder sei 2016 gestorben. Auch der Beschwerdeführer selbst sei Opfer von Unterdrückung, sowohl körperlich als auch psychisch durch den Geheimdienst gewesen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Änderung des Sachverhaltes darzulegen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. etwa VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783, VwGH vom 10.06.1998, Zl. 96/20/0266, oder vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). Da sich das Vorbringen des Beschwerdeführers sohin ausschließlich auf Sachverhalte stützt, die dem Beschwerdeführer schon vor der Bescheiderlassung am 31.01.2017 bekannt waren, macht der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt geltend. Auch seine Diabetes-Erkrankung war bereits im Verfahren hinsichtlich seines ersten Asylantrages bekannt und wurde von der Behörde geprüft. Eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.
Schließlich hat sich auch die Situation in Algerien seit dem Vorbescheid nicht entscheidungswesentlich geändert. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen des Beschwerdeführers.
Es ist daher davon auszugehen, dass sein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.
Verletzungen der EMRK
Im ersten Verfahrensgang hat das Bundesamt bereits ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). In der Begründung des Bescheides des Bundesamtes wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine konkrete Gefährdung seiner Person geltend gemacht habe. Es sei nicht anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein würde. Auch aus der allgemeinen Situation im Heimatland bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine ließe sich eine solche nicht ableiten. Im Hinblick auf die Diabetes Erkrankung führte die belangte Behörde aus, dass Behandlungsmöglichkeiten in Algerien existieren würden und der Beschwerdeführer auch schon vor seiner Ausreise entsprechende Medikamente bekommen habe.
Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren sind bis dato keine Risiken für den Beschwerdeführer im Sinne von § 12a (2) Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.
Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des Beschwerdeführers wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt.
Auch führt der Fremde in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich und sein Privatleben weist keine besonders ausgeprägte Intensität auf.
Zudem ist grundsätzlich festzuhalten, dass (auch) im Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der notwendigen Einräumung von rechtlichem Gehör (§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt; es wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt, er wurde einvernommen.
3.2.3. Im Lichte des § 22 BFA - VG hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.
3.2.4. Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 06.12.2017 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I404.2148162.2.00Zuletzt aktualisiert am
18.12.2017