Entscheidungsdatum
23.11.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W226 2160269-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA.:
Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2017, Zl. 1133485905-161465044, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 3 FPG, § 52 Absatz 9 FPG, § 46 FPG, § 55 Absatz 1 bis 3 FPG, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Laut Aktenlage stellte die nunmehrige Beschwerdeführerin am 27.10.2016 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 Z. 3 AsylG.
Nach einem beigelegten "Sozialbericht" der XXXX gäbe es einen Gefährder, von dem der eigentliche Nachname unbekannt sei und der mit Vornamen XXXX heiße. Die Beschwerdeführerin habe sich am 12.09.2016 an die XXXX gewandt, da sie seit Jahren von diesem gewalttätigen Exfreund gesucht und verfolgt werde. Nach einer zweijährigen Beziehung sei dieser krankhaft eifersüchtig geworden, es sei zunehmend zu körperlicher Gewalt gekommen und habe sich die Beschwerdeführerin nicht getraut, sich an die Polizei zu wenden, denn der Gefährder habe ihr diesbezüglich mit Ermordung gedroht. Am 24.05.2014 sei die Situation eskaliert und sei die Beschwerdeführerin vom Gefährder verprügelt worden. Gegenüber der einschreitenden Polizei habe die Beschwerdeführerin aus Angst angegeben, von Unbekannten so zugerichtet worden zu sein. Der Gefährder habe weiterhin grausame Morddrohungen per SMS geschickt und habe nicht aufgehört, sie zu suchen. Nachdem dieser herausgefunden habe, wo sie sich in Österreich aufhalte, sei sie Mitte Juni 2014 zu ihrer Familie in die Ukraine geflüchtet.
Für die Zeit in der Ukraine schildert die Beschwerdeführerin eine Vergewaltigung in der Ostukraine, wo sie von mehreren Soldaten vergewaltigt worden sei, als sie im östlichen Teil des Landes gemeinsam mit der Familie Freunde mit Lebensmittel habe unterstützen wollen.
Mehrere Familienmitglieder des Gefährders würden bei der Polizei in der Ukraine arbeiten, deshalb sei es nicht schwer für diesen gewesen, an Informationen über die neue Telefonnummer der Beschwerdeführerin zu kommen. Aus Angst vor den Drohungen in der Ukraine sei diese wieder nach Österreich geflüchtet, habe hier einen neuen Freund gefunden, auch dieser und der nunmehrige Aufenthaltsort seien vom Gefährder herausgefunden worden. Nach der Abschiebung des Gefährders habe sich die Beschwerdeführerin wieder einigermaßen sicher gefühlt. Bei einem Besuch der Familie in der Ukraine habe der Gefährder sofort wieder die neue Telefonnummer herausgefunden. Aus Sicht der XXXX sei dem Gefährder ein Mord zuzutrauen, die Beschwerdeführerin wäre in der Ukraine nicht vor weiterer potentiell tödlicher Gewalt geschützt.
Laut Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 08.02.2017 - Aktenseite 31 ff - stand die Beschwerdeführerin im Verdacht, sich mit einem gefälschten litauischen Personalausweis beim Meldeamt angemeldet zu haben.
Am 24.05.2014 sei es zu einer polizeilich bekannten Körperverletzung durch unbekannte Täter gekommen. Auch dabei habe sich die Beschwerdeführerin gegenüber den einschreitenden Polizisten mit dem gefälschten litauischen Personalausweis ausgewiesen. Dieses gefälschte litauische Dokument hätte sie im Zuge einer Reise im August 2015 in Italien weggeworfen.
Die belangte Behörde ersuchte die Landespolizeidirektion XXXX, Referat 2, im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Abs. 1 Z. 3 AslyG um die Abgabe einer begründeten Stellungnahme.
Die ersuchte Landespolizeidirektion XXXX teilte mit Schreiben vom 13.01.2017 mit, dass fremdenpolizeiliche Bedenken gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels bestünden. Die LPD XXXX begründete dies damit, dass die Beschwerdeführerin zwar am 25.05.2014 Anzeige wegen Körperverletzung erstattet habe, dabei jedoch den angeblichen Gefährder als angeblichen Lebensgefährten, nämlich einen "Tschetschenen namens XXXX, Näheres unbekannt" bezeichnet hatte. Auch bei dieser Gelegenheit hätte sich die Beschwerdeführerin unter Verwendung eines gefälschten litauischen Identitätsausweises als litauische Staatsangehörige ausgegeben. Als Verletzung sei zudem nur eine leicht blutende Wunde am Handrücken wahrnehmbar gewesen.
Das Verfahren gegen den nunmehr namentlich bekannten Exlebensgefährten wegen gefährlilcher Drohung sei zudem von der Staatsanwaltschaft XXXX am 21.10.2015 eingestellt worden. Es sei auch nicht glaubwürdig, dass der Exlebensgefährte in der gesamten Ukraine einen derartigen Einfluss auf Polizeibehörden ausüben könne, dass der Beschwerdeführerin die Inanspruchnahme behördlichen Schutzes nicht zumutbar gewesen wäre.
Darüber hinaus verwies die LPD XXXX darauf, dass sich die Beschwerdeführerin erneut mit einem polnischen Reisevisum in Österreich durchgehend aufhalte, diese offensichtlich neuerlich falsche Tatsachen gegenüber - polnischen - Behörden erstattet haben müsste.
Am 04.04.2017 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde. Im Wesentlichen führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Eltern in der Ukraine leben würden, zum Vater würde kein Kontakt bestehen, die Mutter würde ein Lokal betreiben. Eine Schwester würde weiterhin in der Ukraine leben und in einem Nagelstudio arbeiten. Sie halte sich seit November 2013 - zum Teil unrechtmäßig - in Österreich auf, habe sich deshalb auch erst seit 16.10.2015 gemeldet. Der Zweck der Einreise nach Österreich sei im November 2013 der Exfreund, somit der angebliche Gefährder, gewesen. Die Mutter habe in der Ukraine Leute gefunden, die litauische Dokumente ausgestellt hätten und wisse sie nicht, dass die Verwendung dieser Dokumente illegal gewesen sei. Dies sei nämlich normal, auch in Italien könne man gefälschte Dokumente kaufen und habe die Mutter gesagt, dass die Dokumente in Ordnung seien. Nunmehr habe sie aber einen iranischen Lebensgefährten, dies seit Jänner 2016, dieser verfüge über einen Daueraufenthalt und arbeite als Kellner.
Zur Sache selbst führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie Anzeigen gegen den ukrainischen Ex-Freund erstattet habe, sie wisse aber nicht, ob die Behörden in Österreich etwas gemacht hätten. Dieser würde jetzt in der Ukraine leben und sei im September 2015 abgeschoben worden. Diesen hätte sie im April 2016 in der Ukriane getroffen und sei von ihm bedroht worden. Diesbezüglich habe sie aber in der Ukraine keine Anzeige erstattet, weil dessen Brüder bei der Polizei in der Ukraine arbeiten würden. Beim Vorfall mit dem Exfreund in Österreich sei die Polizei gekommen, sie habe sich mit den litauischen Dokumenten ausgewiesen, habe auch nicht ins Krankenhaus oder zu seinem Arzt wollen, denn sie habe keine Versicherung gehabt.
Bei einer Rückkehr in die Ukraine im September 2014 sei sie von jemandem vergewaltigt worden, der auf der Flucht war.
Der Gefährder habe drei Brüder bei der Polizei in der Ukraine.
Zu dieser Einvernahme erstattete die Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie eine schriftliche Stellungnahme, in welcher vor allem ausgeführt wird, dass zu glauben sei, dass drei Brüder des Gefährders bei der Polizei in der Ukraine arbeiten würden. Partnerinnen von Polizeibeamten würden oft in der Beratung erzählen, dass eine Anzeige nicht helfe, weil der Gefährder ein Polizist sei. Es sei der Beratungsstelle bewusst, dass es in der Realität nicht immer so sei, aber viele Frauen würden daran glauben. Darüber hinaus wurde auf integrative Aspekte und den iranischen Lebensgefährten verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und nach allgemeinen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat verwies die belangte Behörde darauf, dass es unwahrscheinlich sei, dass sich der Einfluss des Gefährders so weit erstrecke, dass eine Strafverfolgung des Gefährders in der Ukraine zu keinem Zeitpunkt möglich bzw. unzumutbar wäre.
Die belangte Behörde verwies auch darauf, dass die einschreitenden Polizeibeamten zum angeführten Vorfall andere Wahrnehmungen gehabt hätten, nämlich nur eine leichte Verletzung am Handrücken festgestellt hätten, wohingegen die Beschwerdeführerin ausgeführt habe, "bewusstlos und blutüberströmt" auf der Straße liegen geblieben zu sein.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 Z. 3 AsylG nicht vorliegen würden, weil einerseits die behaupteten Verletzungen laut Stellungnahme der LPD XXXX nicht feststellbar waren und somit eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 b bzw. § 382 e EO nicht hätte erlassen werden können. Eine allenfalls erfolgte Traumatisierung in der Ukraine könne nicht Anknüpfungspunkt für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Österreich sein. Die LPD XXXX habe eine negative Stellungnahme erstattet und fremdenpolizeiliche Bedenken gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels angemeldet.
Darüber hinaus begründete die belangte Behörde die ergangene Rückkehrentscheidung, wobei vor allem auf den illegalen Aufenthalt, zum Teil mit gefälschten Dokumenten, im Bundesgebiet über Jahre hindurch hingewiesen wurde, die Beschwerdeführerin habe zum wiederholten Mal Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen ignoriert.
In einer fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nach der erfolgten Anzeige im Jahr 2014 den Lebensgefährten verlassen habe und in die Ukraine zurückgekehrt sei. Im September 2014 sei sie mit der Mutter in das Kriegsgebiet nach XXXX gereist, um einer Freundin der Mutter Hilfsgüter zu bringen, dort sei sie von drei Soldaten vergewaltigt worden. Nach diesem Vorfall sei sie im November 2014 erneut nach Österreich gereist, der Exlebensgefährte sei wiederum im September 2015 in die Ukraine abgeschoben worden. Dort hätte die Beschwerdeführerin diesen bei einem Aufenthalt im April 2016 getroffen und sei von ihm bedroht worden, er werde sie töten, sobald er sie alleine antreffe. Die Brüder des Exlebensgefährten würden bei der ukrainischen Polizei arbeiten. Die Beschwerdeführerin sei auch in Österreich Opfer durch Gewalt durch den Exlebensgefährten geworden, sei körperlich angegriffen und massiv bedroht worden und hätte daher im Fall der Beschwerdeführerin eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 b bzw. § 382 e EO erlassen werden können. In der Ukraine könne sie keinen effektiven staatlichen Schutz vor dem Exlebensgefährten bekommen. Verschärfend komme hinzu, dass die Brüder des Exlebensgefährten bei der Polizei arbeiten.
Darüber hinaus wurde erneut auf die Lebensgemeinschaft mit einem iranischen Staatsbürger verwiesen und eine mündliche Verhandlung beantragt.
Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerin am 25.09.2017 eine Ladung für eine Beschwerdeverhandlung am 16.11.2017.
Mit Schreiben vom 06.11.2017 teilte der XXXX mit, dass die Ladung für den 16.11.2017 an die Beschwerdeführerin weitergeleitet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe sich jedoch nicht mehr bei der XXXX gemeldet und sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin keine weitere Vertretung mehr wünsche, weshalb nunmehr die am 18.05.2017 erteilte Vollmacht zurückgelegt werde.
Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 16.11.2017 wurde der aktuelle Länderbericht der Staatendokumentation zur Ukraine verlesen und wurde darüber hinaus Einsichtnahme in den Fremdenakt des angeblichen Gefährders genommen.
Zur vorliegenden Beschwerde wurde wie folgt erwogen:
Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin führt den im Spruch angeführten Namen, sie ist Staatsangehörige der Ukraine. Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin gegen den angeblichen Gefährder jemals einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 382 b, 382 e EO eingebracht hätte.
Nicht festgestellt werden kann, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete massive Gefährdung durch den ehemaligen Lebensgefährten in der durch sie beschriebenen Form jemals stattgefunden hätte und kann auch nicht festgestellt werden, dass der angebliche Gefährder irgendeine Art von Einfluss auf die ukrainische Justiz oder die dortigen Polizeidienststellen hätte.
Nach jahrelangem Aufenthalt mit zum Teil gefälschten Dokumenten beantragte die Beschwerdeführerin am 27.10.2016 eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz.
Festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin während des nunmehrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet mit einem iranischen Staatsbürger zusammen gewohnt hat, die eigene engere Familie lebt unverändert im Herkunftsstaat.
Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des BF:
Aktuelles Länderinformationsblatt der Staatendokumentation:
1. Politische Lage
Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):
Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)
142
Volksfront (Narodny Front)
81
Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)
43
Selbsthilfe (Samopomitsch)
26
Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)
20
Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)
20
Gruppe Wolja Narodu
19
Gruppe Widrodshennja
24
Fraktionslose Abgeordnete
48
(AA 2.2017a)
Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).
Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).
Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017
-
DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,
http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017
2. Sicherheitslage
Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).
Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).
Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).
Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon
9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).
Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
-
ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017
2.1. Halbinsel Krim
Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:
Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).
Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.
a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).
Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).
Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).
Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).
Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).
Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).
Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).
Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336532/479204_de.html, Zugriff 1.6.2017
-
FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 1.6.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/334769/476523_de.html, Zugriff 6.6.2017
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ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine
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USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017b): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/337269/480036_de.html, Zugriff 1.6.2017
2.2. Ostukraine
Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 rissen pro-russische Separatisten in einigen Gebieten der Ost-Ukraine die Macht an sich und riefen, unterstützt von russischen Staatsangehörigen, die "Volksrepublik Donezk" und die "Volksrepublik Lugansk" aus. Der ukrainische Staat begann daraufhin eine sogenannte Antiterroroperation (ATO), um die staatliche Kontrolle wiederherzustellen. Bis August 2014 erzielten die ukrainischen Kräfte stetige Fortschritte, danach erlitten sie jedoch - bedingt durch militärische Unterstützung der Separatisten aus Russland - zum Teil schwerwiegende Verluste. Die trilaterale Kontaktgruppe mit Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE bemüht sich darum, den militärischen Konflikt zu beenden. Das Minsker Protokoll vom 5. September 2014, das Minsker Memorandum vom 19. September 2014 und das Minsker Maßnahmenpaket vom 12. Februar 2015 sehen unter anderem eine Feuerpause, den Abzug schwerer Waffen, die Gewährung eines "Sonderstatus" für einige Teile der Ost-Ukraine, die Durchführung von Lokalwahlen und die vollständige Wiederherstellung der Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze vor. Die von der OSZE-Beobachtermission SMM überwachte Umsetzung, etwa des Truppenabzugs, erfolgt jedoch schleppend. Die Sicherheitslage im Osten des Landes bleibt volatil (AA 2.2017b).
In den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Berichte der OSZE-Beobachtermission, von Amnesty International sowie weiteren NGOs lassen den Schluss zu, dass es nach Ausbruch des Konflikts im März 2014 in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Dazu zählen extralegale Tötungen auf Befehl örtlicher Kommandeure ebenso wie Freiheitsberaubung, Erpressung, Raub, Entführung, Scheinhinrichtungen und Vergewaltigungen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte spricht von einem "vollständigen Zusammenbruch von Recht und Ordnung", von einem "unter den Bewohnern vorherrschenden Gefühl der Angst, besonders ausgeprägt in der Region Lugansk", sowie einer durch "fortgesetzte Beschränkungen der Grundrechte, die die Isolation der in diesen Regionen lebenden Bevölkerung verschärft, sowie des Zugangs zu Informationen" gekennzeichneten Menschenrechtslage. Die Zivilbevölkerung ist der Willkür der Soldateska schutzlos ausgeliefert, Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit sind faktisch suspendiert. Nach UN-Angaben sind seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen umgekommen. Es sind rund 1,7 Mio. Binnenflüchtlinge registriert und ca. 1,5 Mio. Menschen sind in Nachbarländer geflohen. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt: Die Sicherheitslage hat sich verbessert, auch wenn Waffenstillstandsverletzungen an der Tagesordnung bleiben. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt jedoch trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt neben den Lokalwahlen im besetzten Donbas der Dezentralisierungsprozess für den Donbas, den die Rada noch nicht abgeschlossen hat. In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Lugansk wird die staatliche Ordnung erhalten oder wieder hergestellt, um Wiederaufbau sowie humanitäre Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen (AA 7.2.2017).
Die von Russland unterstützten Separatisten im Donbas verüben weiterhin Entführungen, Folter und unrechtmäßige Inhaftierung, rekrutieren Kindersoldaten, unterdrücken abweichende Meinungen und schränken humanitäre Hilfe ein. Trotzdem dies offiziell weiterhin abgestritten wird, kontrolliert Russland das Ausmaß der Gewalt in der Ostukraine und eskaliert den Konflikt nach eigenem politischen Gutdünken. Die separatistischen bewaffneten Gruppen werden weiterhin von Russland trainiert, bewaffnet, geführt und gegebenenfalls direkt im Einsatz unterstützt. Die Arbeit internationaler Beobachter wird dabei nach Kräften behindert. Geschätzte 70 Quadratkilometer landwirtschaftlicher Flächen in der Ostukraine wurden von den beiden Seiten vermint, speziell nahe der sogenannten Kontaktlinie. Diese Verminungen sind oft schlecht markiert und stellen eine Gefahr für Zivilisten dar. Bis zu 2.000 Zivilisten sollen im ostukrainischen Konfliktgebiet umgekommen sein, meist durch Artilleriebeschuss bewohnter Gebiete. Die Zahl derer, die durch Folter und andere Menschenrechtsverletzungen umgekommen sein dürften, geht in die Dutzende. 498 Personen (darunter 347 Zivilisten) bleiben vermisst. Die von Russland unterstützten Separatisten begingen systematisch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Schläge, Zwangsarbeit, Folter, Erniedrigung, sexuelle Gewalt, Verschwindenlassen aber auch Tötungen) sowohl zur Aufrechterhaltung der Kontrolle als auch zur Bereicherung. Sie entführen regelmäßig Personen für politische Zwecke oder zur Erpressung von Lösegeld, besonders an Checkpoints. Es kommt zu willkürlichen Inhaftierungen von Zivilpersonen bei völligem Fehlen jeglicher rechtsstaatlicher Kontrolle. Diese Entführungen führen wegen ihrer willkürlichen Natur zu großer Angst unter der Zivilbevölkerung. Von einem "Kollaps von Recht und Ordnung" in den Separatistengebieten wird berichtet. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise in die Separatistengebiete verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung. Journalisten werden willkürlich inhaftiert und misshandelt. Die separatistischen bewaffneten Gruppen beeinflussen direkt die Medienberichterstattung in den selbsternannten Volksrepubliken. Freie (kritische) Meinungsäußerung ist nicht möglich. Da die separatistischen Machthaber die Einfuhr von humanitären Gütern durch ukrainische oder internationale Organisationen stark einschränken, sind die Anwohner der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk mit starken Preisanstiegen konfrontiert. An Medikamenten herrscht ein erheblicher Mangel. Das erschwert auch die Behandlung von HIV und Tuberkulose. Mehr als 6.000 HIV-positive Personen in der Region leiden unter dem Mangel an Medikamenten und Medizinern (USDOS 3.3.2017a).
In den ostukrainischen Konfliktgebieten begingen Berichten zufolge auch Regierungstruppen bzw. mit ihnen verbündete Gruppen Menschenrechtsverletzungen. Der ukrainische Geheimdienst (SBU) soll Personen geheim festhalten bzw. festgehalten haben (USDOS 3.3.2017a). Nach einem Bericht über illegale Haft und Folter, sowohl durch den ukrainischen SBU sowie durch prorussische Separatisten, reagierte im Juli 2016 der SBU mit der Entlassung von 13 Personen aus der Haft (die Illegalität der Haft wurde aber abgestritten). Von der separatistischen Seite ist nichts dergleichen berichtet, obwohl deren Vergehen viel zahlreicher waren (FH 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017).
Trotz des Abkommens von Minsk ist in der Ostukraine immer noch kein tragfähiger Waffenstillstand zustande gekommen. Russland liefert weiterhin Waffen und stellt militärisches Personal als "Freiwillige". 2016 haben sich die lokalen Verwaltungen in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk institutionell konsolidiert und der Aufbau russisch kontrollierter Staatsgebilde ist überwiegend abgeschlossen. Unabhängige politische Aktivitäten und politische Parteien sind jedoch verboten, NGOs arbeiten dort nicht, und eine freie Presse ist nicht vorhanden (FH 29.3.2017).
Nach wie vor kam es im Osten der Ukraine auf beiden Seiten zu sporadischen Verstößen gegen den vereinbarten Waffenstillstand. Sowohl die ukrainischen Streitkräfte als auch die pro-russischen Separatisten verübten Verletzungen des humanitären Völkerrechts, darunter Kriegsverbrechen wie Folter, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. In der Ukraine und den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk wurden Personen, die der Unterstützung der jeweils anderen Seite verdächtigt wurden, rechtswidrig inhaftiert, auch zum Zwecke des Gefangenenaustauschs. Sowohl seitens der ukrainischen Behörden als auch der separatistischen Kräfte im Osten der Ukraine kam es auf den von der jeweiligen Seite kontrollierten Gebieten zu rechtswidrigen Inhaftierungen. Zivilpersonen, die als Sympathisanten der anderen Seite galten, wurden als Geiseln für den Gefangenenaustausch benutzt. Wer für einen Gefangenenaustausch nicht in Frage kam, blieb häufig monatelang inoffiziell in Haft, ohne Rechtsbehelf oder Aussicht auf Freilassung. In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk setzten lokale "Ministerien für Staatssicherheit" die ihnen im Rahmen lokaler "Verordnungen" verliehenen Befugnisse dazu ein, Personen bis zu 30 Tage lang willkürlich zu inhaftieren und diese Haftdauer wiederholt zu verlängern. Die ukrainischen Behörden schränkten den Personenverkehr zwischen den von den Separatisten kontrollierten Regionen Donezk und Lugansk und den von der Ukraine kontrollierten Gebieten weiterhin stark ein (AI 22.2.2017).
In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk agieren lokale Sicherheitsdienste in einem vollkommenen rechtlichen Vakuum, wodurch die von ihnen festgenommenen Personen jeglicher Rechtssicherheit oder Beschwerdemöglichkeiten beraubt (HRW 12.1.2017).
In den von pro-russischen Kräften besetzten Gebieten im Osten der Ukraine kann in keinster Weise von einer freien, gar kritischen Presse die Rede sein. Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).
Pro-russische Separatisten in der Ostukraine entführen, inhaftieren, schlagen und bedrohen Mitglieder der ukrainisch-orthodoxen Kirche Kiewer Patriarchats, Zeugen Jehovas und Angehörige protestantischer Kirchen. Auch antisemitische Rhetorik und Handlungen werden berichtet. Sie verwüsten oder beschlagnahmen weiterhin Kirchenvermögen und geben vor, nur "offizielle Kirchen" dürften tätig werden. Faktisch werden religiöse Gruppen außer der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats systematisch diskriminiert (USDOS 10.8.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336532/479204_de.html, Zugriff 1.6.2017
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FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 1.6.2017
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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336975/479728_de.html, Zugriff 22.6.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/334769/476523_de.html, Zugriff 6.6.2017