TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/23 W202 2174574-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2017
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Entscheidungsdatum

23.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 2174574-1/2E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2017, Zl. 1091154709/151553264, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 und 55 FPG idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 14.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am folgenden Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung vor, dass am 2. Jänner eine Anhalterin mit seinem Auto mitgefahren sei. Am nächsten Tag habe der Beschwerdeführer erfahren, dass sie gestorben sei und er dafür verantwortlich gemacht worden sei, weil einige Personen ihn dabei beobachtet hätten. Ihre Familie habe Mordanzeige gegen ihn bei der Polizei erstattet und daraufhin sei der Beschwerdeführer von der Polizei gesucht worden. Der Beschwerdeführer sei auch von ihrer Familie mit dem Tod bedroht worden. Er habe jedoch mit dem Tod nichts zu tun gehabt, sondern habe sie nur mitgenommen. Er habe dagegen nichts tun können, da zwei Brüder von der Toten bei der Polizei arbeiten würden. Der Beschwerdeführer habe Angst um sein Leben bekommen und sei deshalb geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, von den Brüdern der Toten erschossen zu werden. Weiters rechne er mit der Todesstrafe oder mit Gefängnis, da eine Mordanzeige gegen ihn laufe.

Am 04.03.2016 meldete der Beschwerdeführer das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" an.

Während seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.07.2017 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll (Fehler im Original):

" ( )

Frage: Können Sie irgendwelche Beweismittel vorlegen oder sich besorgen?

A: Nein, bei der Ersteinvernahme hatte ich einen indischen Zeitungsausschnitt. Damals wollte man ihn nicht sehen und jetzt habe ich alles verloren. Ich habe auch bereits eine neue Asylkarte erhalten, da ich all meine Dokumente verloren hatte.

Frage: Haben Sie im Verfahren, insbesondere bei der Erstbefragung bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Ja

Frage: Geben Sie Ihren vollständigen Namen, Geburtstag und Geburtsort an.

A: XXXX , XXXX XXXX , Indien geb., Meine Fluchtgründe beziehen sich ausschließlich auf Indien.

F: Bitte geben Sie all Ihre Familienangehörige an, samt Geb. Datum und Adresse

A: Die Angaben in der Erstbefragung sind gleich geblieben. Meine Eltern sind jedoch bereits im Dezember 2016 verstorben. Mein Bruder lebt noch in Indien in XXXX in Punjab.

Frage: Wovon lebt Ihre Familie?

A: Mein Bruder arbeitet als Polizist in XXXX in der Central Police Reserve Force, CPRF. Er ist Fahrer.

F. Wovon haben Sie gelebt?

A: Ich habe mit PKW gehandelt.

F: Wie konnten Sie Ihre Ausreise finanzieren?

A: Ich habe Geld von meinen Freunden ausgeborgt.

F: Wie finanzieren Sie sich Ihren Lebensunterhalt in Österreich?

A: Ich wohne hier gemeinsam mit meinem Freund. Mein Bruder in Indien bezahlt der Familie des Freundes Geld für meine Unterkunft in Österreich. Mein Bruder hat nach dem Tod unseres Vaters meinen Anteil bekommen und hat daher das Geld. Dies hat mein Onkel entschieden. Mein Lebensunterhalt wird von meinem Freund bestritten. Ab und an gehe ich auch Werbemittel austragen. Ich habe mein Gewerbe nicht ausgeübt. Ich habe im Februar den Antrag gestellt und im August eine große Rechnung bekommen. Die konnte ich nicht bezahlen. Ich habe damit gar nicht begonnen.

F: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

A: Hindu, Brahmin (Volksgruppe)

F: Können Sie in eine Integration in irgendeiner Form in Österreich geltend machen? (Anmerkung: Dem AW werden die Punkte erklärt, die unter dem Begriff "Integration" zu subsumieren sind. Darunter fallen Sprachkenntnisse, Ausbildung, legale Arbeit, ehrenamtliche Tätigkeit, ein Freundeskreis, der nicht nur aus Angehörigen des eigenen Kulturkreises besteht, Familienangehörige )

A: nichts, ich habe noch keinen Deutschkurs gemacht, einen österreichischen Freund namens XXXX . Wir unterhalten uns in Englisch.

Anmerkung: Es wurde versucht mit dem AW eine kurze Unterhaltung in deutscher Sprache zur führen. Er versteht kein Deutsch.

Frage: Wurden Sie persönlich, aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion, jemals verfolgt, bedroht oder entführt?

A: nein, nein, nein.

Frage: Wurden Sie jemals festgenommen? Wurden Sie jemals verurteilt? Waren Sie jemals in Haft?

A: nein, nein, nein.

Frage: Waren Sie in Ihrer Heimat politisch tätig? Nahmen Sie in Ihrer Heimat an Demonstrationen teil?

A: nein, nein

Frage: Waren Sie jemals von sich aus, d. h. aus eigenem Antrieb in Ihrer Heimat bei der Polizei, bei einer Staatsanwaltschaft oder einem Gericht?

A: Nein, nein, nein

Frage: Haben Sie in Ihrer Heimat Probleme mit Behörden gehabt?

A: nein.

Frage: Wurde auf Sie ein Haftbefehl ausgestellt oder werden Sie steckbrieflich gesucht?

A: nein, nein

Frage: Sind Sie vorbestraft?

A: Nein.

F. Sie verstehen den Dolmetscher?

A: Ja gut.

F: Haben Sie mit Ihrer Familie (Bruder) Kontakt

A: Ja mit meinem Bruder über Facebook Messenager

FLUCHTGRUND

Frage: Sie werden aufgefordert die Gründe für Ihre Asylantragstellung konkret unter Nennung aller Fakten und allen Details zu nennen?

A: Ich hatte eine Freundin und ihre Leiche wurde gefunden. Das war am 2.1.2015, als man ihre Leiche gefunden hatte. Ihre Familie beschuldigt mich dafür. Sie haben keine Anzeige gegen mich erstattet, aber sie verdächtigen mich, dass ich ihre Tochter umgebracht habe.

Frage: Gibt es abgesehen von dem nun angegebenen Vorbringen sonst noch Gründe für Ihre Antragstellung bzw. wollen Sie etwas ergänzen?

A: Nein, Ihre Familienangehörige wollen mich töten und haben mich auch 2mal angegriffen.

Auff.: Sie werden aufgefordert, die nachfolgenden Fragen konkret mit allen Details zu beantworten.

F: Verstehen Sie den Dolmetscher?

A: Ja.

F: Schildern Sie bitte Ihr Fluchtvorbringen konkreter und im Detail

A: Von Afghanistan bin ich zurück nach Indien gegangen.

Ich hatte eine Freundin, danach bin ich nach Afghanistan gegangen. Auch von dort hatte ich mit ihr ständigen Kontakt. Nach meiner Rückkehr nach Indien habe ich mich in XXXX aufgehalten und dort hat auch meine Freundin gearbeitet. Wir haben uns oft getroffen. Silvester haben wir gemeinsam gefeiert. Am 2. Jänner wurde ihre Leiche gefunden. Ihre Mutter wusste von unserer Beziehung und war auch damit einverstanden. Ihr Vater hat es gewusst, aber unsere Beziehung nicht akzeptiert. Als ihre Leiche gefunden worden ist, war ich bei meiner Familie in XXXX zu Besuch. Der Vater ist gemeinsam mit dem Dorfrat und weiteren männlichen Familienmitgliedern der Familie nach XXXX zu uns nach Hause gekommen. Mein Vater wurde kurz davor operiert. Wir wollten ihm keinen Streß aussetzen. Ich bin deshalb nach XXXX gezogen. Die Familie meiner Freundin stammt auch aus XXXX . Sie kamen zu uns nach Hause und fragten meinen Vater wo ich bin. Als ich das nächste Mal in XXXX war, wurde ich von ihnen verprügelt. Der Grund war, warum wir diese Personen nicht angezeigt haben war, dass ich eine Prüfung als TED gemacht, damit ich in Indien als Lehrer arbeiten kann. Hätte ich eine Anzeige eingebracht, wäre es nicht gut für meine berufliche Laufbahn gewesen. Dann hat meine Familie beschlossen mich ins Ausland zu schicken.

F: Wie wurden Sie persönlich bedroht?

A: Die Familie des Mädchens hat mich bedroht. Ihr Bruder.

Fragewiederholung:

Wie wurden Sie persönlich bedroht

A: Einmal haben sie mich geschlagen, einmal haben sie mich verbal bedroht.

Fragewiederholung: Wie wurden sie persönlich bedroht. Bitte schildern Sie dies konkret mit allen Details.

A: Einmal haben die mich bedroht. Einmal bei einem Dorffest habe die mich auch geschlagen. Meinem Vater ging es gesundheitlich nicht gut. Der Arzt hat gesagt, er darf nicht in stressige Situationen kommen, deshalb hat meine Familie ins Ausland geschickt, Außerdem waren die auch oft bei mir zu Hause.

F: Erzählen Sie mir etwas über das Mädchen

A: Was wollen Sie über sie wissen

F: Was würden Sie einen Freund von ihnen über das Mädchen erzählen?

A: Das sie meine Freundin war. Mit ihr war ich in einer Beziehung. Sie hat gearbeitet.

F: Wenn man mit einer Person eine Beziehung eingeht, kann man wohl mehr über diese Person erzählen, als so allgemeine Dinge. Was können Sie über dieses Mädchen erzählen?

A: Ich habe eh gesagt, dass sie gearbeitet hat, was wollen sie noch wissen.

Dem AW wird die Frage nochmals erklärt: Stellen Sie sich vor, wir beide wären Freunde und Sie erzählen mir, dass Sie ein Mädchen kennengelernt haben. Ich sage darauf: Wow super. Erzähl mir von ihr.

Haben Sie die Frage verstanden?

A: Ja. Sie lebt ja nicht mehr. Sie ist meine Vergangenheit.

Die Frage wird nochmals dem AW erklärt

A: Ihr Name war ist XXXX . Sie ist am XXXX geboren. Wir haben uns 2009 in Punjab University kennengelernt. Unser erstes Treffen war in XXXX . Sie hat Teilzeit gearbeitet für ein Callcenter.

F. Wann feiern Sie Silvester?

A: am 31.12..

F: Was haben Sie nach der Silvesterfeier gemacht?

A: Wir sind beide zurück nach XXXX zu sich nach Hause gegangen.

F: Welches Lehramt wollten Sie in Indien ausüben?

A: Sanskrit, ich habe die diesbezüglichen Prüfungen abgelegt.

F. Wie ist Ihre Freundin ums Leben gekommen?

A: Manche behaupten, dass Sie Selbstmord begangen haben soll, manche sagen sie wurde ermordet.

Vorhalt: In der Ersteinvernahme sagten Sie aus, Sie hätten eine Anhalterin mitgenommen. Jetzt sprechen Sie immer von Ihrer Freundin. Wie soll das verstanden werden

A: Ich habe meine Freundin aussteigen lassen und dann habe ich eine Anhalterin mitgenommen.

F: Was arbeiten die Schwestern Ihrer Freundin?

A: Beide Schwestern sind Lehrer.

F: Ihre Freundin hatte einen Bruder. Was arbeitet dieser?

A: Das weiß ich nicht.

F: Sie haben also bei der Ersteinvernahme die Wahrheit bezüglich Ihrer Fluchtgeschichte erzählt?

A: Ja

Vorhalt: Sie sagten heute aus, dass es sich bei der Getöten um Ihre Freundin gehandelt ist. Wurde das richtig verstanden?

A: Ja

Auch bei der Ersteinvernahme meinten Sie Ihre Freundin?

A: Ja

Damals gaben Sie an, dass Ihre Freundin 2 Brüder hatte und nannten deren Jobs. Heute befragt nach der Tätigkeit eines Bruder gaben Sie an, diese nicht zu kennen. Auch korregierten Sie nicht die Fragen nach den Schwestern und dem Bruder. Was sagen Sie dazu?

A: Ich kann mich nicht erinnern was ich bei der Ersteinvernahme gesagt habe.

F: Ich habe Sie vor einigen Minuten gefragt, ob Sie bei der Ersteinvernahme die Wahrheit gesagt haben und bejaten Sie diese Frage. Nun, einige Minuten danach erklären Sie mir, Sie können sich an die Ersteinvernahme nicht mehr erinnern. Warum haben Sie vor einigen Minuten meine Frage mit ja beantwortet.

F: Über Ihre Familie weiß ich nichts.

F: Nennen Sie mir die Bedrohungen denen Sie ausgesetzt waren?

A: Das sie mich umbringen werden.

F: Warum sind sie nicht zur Polizei gegangen?

A: Wegen meiner Arbeit, wie ich bereits gesagt hatte.

F: Was hat der Dorfälterste gesagt?

A: Wir verstehen uns mit dem nicht gut. Der Dorfrat und die Familie und das Mädchen gehören in die gleiche Kaste

F. Wann haben Sie Indien verlassen?

A: Am 18.4.2015

F: Wann fanden die Bedrohungen gegen Sie statt?

A: Im wurde im Jänner,Februar März 2015 bedroht.

F: Beschreiben Sie die erste Bedrohung, der Sie ausgesetzt waren. Konkret und im Detail.

A: Das erste Mal waren sie bei mir zu Hause. Das zweite Mal traf ich sie auf einem Fest.

Fragewiederholung.

Wann war die erste Bedrohung. Beschreiben Sie dies im Detail

A: Die Familie des Mädchens kam zu mir nach Hause. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht Hause.

F. Wenn Sie nicht zu Hause gewesen sind, kann diese Bedrohung nicht persönlich gegen Sie gerichtet gewesen sein. Erzählen Sie von der ersten persönlichen Bedrohung.

A: Das erste Mal wurde ich am Fest bedroht. Sie haben mich geschlagen.

Fragewiederholung:

Bitte werden Sie konkreter und erzählen dies im Detail

A: konkreter kann ich es nicht angeben.

F: Was würde passieren wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

A: Die Personen würden mit mir streiten.

F: Hätten Sie nicht die Möglichkeit gehabt, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen?

A: Es wäre nicht sicher für mich gewesen. Hätte ich mich in Indien aufgehalten, hätte ich meinen Vater alle 6 Monate besucht und wäre meine Probleme nicht los geworden.

Frage: Möchten Sie noch etwas zu Ihren Fluchtgründen ergänzend vorbringen?

A: .Nein, ich habe ihnen alles erzählt. Wäre mein Leben in Indien sicher gewesen, wäre ich zum Begräbnis meiner Eltern nach Indien geflogen.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Pakistan Einsicht und Stellung zu nehmen. Die Feststellungsunterlagen werden dem AW vorgelegt und die Übersetzung angeboten.

A: Nein, danke.

Frage: Konnten Sie sich bei dieser Einvernahme konzentrieren und die/den DolmetscherIn gut verstehen?

A: Ja.

Gesundheitlich geht es Ihnen gut?

A: Ja"

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.09.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht, erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1–3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der Beschwerdeführer die Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates nur in den Raum gestellt habe und dazu keine konkreten Angaben habe machen können. Zudem enthalte sein Vorbringen zahlreiche Widersprüche. Befragt, wie er persönlich bedroht worden sei, habe er lapidar zur Antwort gegeben, dass die Familie des Mädchens bzw. deren Bruder ihn bedroht habe. Daraufhin sei die Frage wiederholt worden und sei er erneut mit seiner Antwort oberflächlich geblieben, indem er gesagt habe, er wäre einmal geschlagen worden und einmal sei er verbal bedroht worden. Zum dritten Mal sei die Frage wiederholt worden und sei er erneut aufgefordert worden, konkret und im Detail die Bedrohung zu erzählen, der er ausgeliefert gewesen sei. Er habe erneut geantwortet, dass er einmal bedroht worden sei und einmal sei er bei einem Dorffest geschlagen worden. Auch habe er angegeben, dass es zu diesem Zeitpunkt seinem Vater gesundheitlich nicht gut gegangen wäre und dieser in keine Stresssituation hätte kommen sollen und seine Familie habe ihn deshalb ins Ausland geschickt. Auch habe er angegeben, dass "die" bei ihm zu Hause gewesen wären. Im Laufe der Niederschrift sei er erneut zu den Bedrohungen, denen er ausgesetzt gewesen sei, befragt worden. Er habe widersprüchlich angegeben, dass nun die Familie des Mädchens ihn umbringen werde. Erneut befragt, die erste Bedrohung, der er ausgesetzt gewesen sei, genau und im Detail zu schildern, habe er vage und unkonkret geantwortet. Er habe gemeint, die erste Bedrohung sei bei ihnen zu Hause gewesen und die zweite Bedrohung habe auf einem Fest stattgefunden. Erneut aufgefordert, die erste Bedrohung konkret zu beschreiben, habe er geantwortet, dass die Familie des Mädchens zu ihnen nach Hause gekommen sei, aber der Beschwerdeführer sei nicht daheim gewesen. Es sei ihm vorgehalten worden, dass es sich in diesem Falle um keine ihm persönliche Bedrohung gehandelt haben konnte, und sei er aufgefordert worden, die tatsächliche erste Bedrohung zu beschreiben, worauf er erwidert habe, dass er das erste Mal auf einem Fest bedroht worden sei und er geschlagen worden sei. Darauf hingewiesen, er möge doch bitte die Frage konkret und im Detail erzählen, habe er geantwortet, dass er es nicht konkreter angeben könne. Für die Behörde sei das Vorbringen der Bedrohungen unglaubwürdig, da er widersprüchliche Antworten gegeben habe und keine Bedrohung im Detail habe beschreiben können. Aufgefordert, über das Mädchen etwas zu erzählen, habe er mit einer Gegenfrage geantwortet. Daraufhin sei ihm die Frage erklärt worden. Er habe erneut sehr oberflächlich geantwortet. Er habe angegeben, dass er mit diesem Mädchen in Beziehung gewesen wäre und dass sie seine Freundin gewesen wäre. Mehrmals nachgefragt und die Frage genauestens erklärt habe er keine konkreten Angaben machen können.

Befragt, ob er bei der Ersteinvernahme die Wahrheit gesagt habe, habe er angegeben, dass er das getan habe. Es sei ihm niederschriftlich vorgehalten worden, dass er bei der Ersteinvernahme von einer Anhalterin gesprochen habe und nun von seiner Freundin. Er habe darauf geantwortet, er hätte seine Freundin aussteigen lassen und danach eine Anhalterin mitgenommen. Dies erkläre jedoch nicht den Widerspruch, dass bei der Ersteinvernahme die Anhalterin zu Tode gekommen sei und deren Familie ihn bedroht habe und bei der niederschriftlichen Einvernahme seine Freundin zu Tode gekommen sei und er nun von der Familie der Freundin bedroht werden würde. Auch habe der Beschwerdeführer widersprüchlich angegeben, dass in der Erstbefragung seine Freundin zwei Brüder gehabt hätte und habe er deren Jobs nennen können. Befragt nach der Tätigkeit eines Bruders habe er keine Antwort geben können. Auch sei von der Behörde nach der Tätigkeit der Schwestern seiner Freundin gefragt worden und habe er zur Antwort gegeben, dass beide Schwestern Lehrerinnen seien. In der Erstbefragung habe er jedoch nicht erwähnt, dass seine Freundin Schwestern hätte. Befragt nach diesem Widerspruch und seiner Antwort bei der niederschriftlichen Einvernahme, dass er bei der Erstbefragung die Wahrheit gesagt habe, habe er angegeben, dass er über die Familie des Mädchens nichts wisse. Der Beschwerdeführer habe sich im Laufe der Einvernahme zunehmend in mehr Widersprüche verstrickt. Sein gesamtes Vorbringen sei unglaubwürdig.

Rechtlich führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass das BFA im Rahmen der Beweiswürdigung seine Angaben grundsätzlich als nicht glaubhaft erachte, sodass die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden könnten und es sei deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht nicht näher zu beurteilen. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben, der gemäß Artikel 1 Abschnitt A Z 2 zur Gewährung von Asyl führen würde.

Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass in seinem Fall von einer Glaubhaftmachung der Gefährdungslage nicht gesprochen werden könne. In seinem Fall sei nichts dahingehend ersichtlich, dass er im Falle der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Auch aus der allgemeinen Situation in seinem Herkunftsstaat lasse sich eine solche nicht ableiten. Er sei ein erwachsener, gesunder und arbeitsfähiger Mann. Es sei ihm im Falle einer Rückkehr die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit zumutbar. Es sei davon auszugehen, dass ihm das in seiner Heimat, wo er nahezu sein gesamtes Leben verbracht habe und auch der Sprache mächtig sei, auch gelinge.

Zu Spruchpunkt III. führte das BFA aus, dass die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG nicht vorlägen. Er befinde sich erst seit kurzer Zeit in Österreich, er sei bis dato nicht strafrechtlich angefallen, er sei kein Opfer von Gewalt.

Der Beschwerdeführer habe keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, es bestehe kein Eingriff in sein Familienleben. Weiters führte das BFA eine Abwägung im Sinne des Artikel 8 Abs. 2 EMRK durch und kam zu dem Schluss, dass im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten seien, die die Vermutung einer besonderen Integration seiner Person in Österreich rechtfertigen würden, demgegenüber das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens stehe, sodass die Rückkehrentscheidung zulässig sei. Da eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG nicht vorliege, sei im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig.

Zu Spruchpunkt IV. führte das BFA aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides betrage, da in seinem Fall keine Gründe für eine längere Frist hätten festgestellt werden können.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den gegenständlichen Bescheid Beschwerde und erstattete soweit hier wesentlich folgendes Vorbringen:

Die Entscheidung werde in vollem Umfang angefochten. Der Beschwerdeführer habe eine nicht gestattete Liebesbeziehung zu einem Mädchen einer anderen Schicht gepflogen. Dieses Mädchen sei offensichtlich gewaltsam ums Leben gekommen. Der Beschwerdeführer werde nun von allen Seiten verdächtigt, beschuldigt und angefeindet. Er habe detailreich Hintergründe und Details geschildert. Er könne zu dem verstorbenen Mädchen und der mit ihr geführten Beziehung viele Einzelheiten und Informationen darlegen. Die Integration des Beschwerdeführers sei sehr gut. Er arbeite als Zeitungszusteller und wohne in einer ortsüblichen Unterkunft. Er spreche die deutsche Sprache. Eine Liebesbeziehung zwischen Menschen unterschiedlicher Schichten führe in Indien regelmäßig zu Problemen. Die Anfeindungen gegen den Beschwerdeführer resultierten nicht nur aus den sozialen Unterschieden, sondern auch aus Gründen der Volksgruppenzugehörigkeit und der Religion. Die Länderfeststellungen hätten keinen besonderen Bezug zur Situation und zum Vorbringen des Beschwerdeführers. In Indien gebe es für Angehörige niedriger Bevölkerungsschichten keine ausreichenden Möglichkeiten für ein faires Verfahren. Das BFA hätte die Angaben des Beschwerdeführers daher nicht pauschal als unglaubwürdig und nicht asylrelevant abtun dürfen. Die Beweiswürdigung der Behörde erweise sich als unbrauchbar. Aus der Befragung und dem diesbezüglichen Protokoll ergebe sich eine detailreiche Schilderung und die Fähigkeit des Beschwerdeführers sämtliche nachgefragte Einzelheiten zufriedenstellend zu "bearbeiten". Der Beschwerdeführer sei in der Lage, weitere Details zu den Ereignissen in Verbindung mit einem ermordeten Freund zu beantworten und so allfällige Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit zu "verstreuen". Erst vor dem Hintergrund von geeigneten fallbezogenen Rechercheergebnissen könne der Beschwerdeführer und seine Angaben beurteilt werden. Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsamer, freundlicher und integrationswilliger Mensch, der seine Chancen in Österreich nützen wolle. Er arbeite über die Mediaprint als Zeitungszusteller und nehme keine sozialen Geldaushilfen in Anspruch. Da er sparsam sei, könne er von dem selbstverdienten Geld leben. Er spreche die deutsche Sprache. Der Beschwerdeführer sei sozial, sprachlich und beruflich in Österreich integriert. Negative Faktoren seien keine ersichtlich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien. In Indien besuchte der Beschwerdeführer von 1993 bis 2002 die Grundschule, danach von 2002 bis 2009 die Universität. In der Folge war der Beschwerdeführer im Autohandel tätig. In Indien hält sich weiterhin sein Bruder auf, der als Polizist tätig ist. Am 18.04.2015 verließ der Beschwerdeführer legal mit seinem Reisepass sein Heimatland. Er reiste im Oktober 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Bundesgebiet meldete der Beschwerdeführer am 04.03.2016 das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt", an, übte jedoch das Gewerbe bislang nicht aus. Ab und zu geht der Beschwerdeführer Werbemittel austragen. Der Beschwerdeführer hat bislang keinen Deutschkurs absolviert, nennenswerte Deutschkenntnisse bestehen nicht, er hat einen österreichischen Freund, mit dem er sich in Englisch unterhält. Weiters kann er keinerlei Umstände, die auf eine fortgeschrittene Integration hindeuten würden, darlegen. Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet unbescholten.

Zur Lage in Indien:

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen der bevölkerungsreichste demokratische Staat der Welt (CIA Factbook 28.10.2015; vgl. AA 24.4.2015). Mit seinen vielen Sprachen ist Indien besonders vielfältig, was sich auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 28.10.2015). Indien hat seit dem 2.6.2014 29 Bundesstaaten und sieben Unionsstaaten (CIA Factbook 28.10.2015; vgl. AA 10.2015a). Es ist laut Verfassung eine säkulare, demokratische und föderale Republik. Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus. Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten und kann im Fall interner Probleme einen Bundesstaat für einen begrenzten Zeitraum unter direkte zentralstaatliche Verwaltung stellen (AA 10.2015a).

Indien hat nach der Unabhängigkeit von Großbritannien (1947) den Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative durchgesetzt. Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft, die mit vielfältigen Initiativen an der Gestaltung der Politik mitwirkt (AA 10.2015a). Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 10.2015a). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 25.6.2015). Das Amt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse (AA 10.2015a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister, der seit 26.5.2014 Narendra Modi heißt (GIZ 11.2015).

Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 25.6.2015). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene. Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2015; vgl. AA 24.4.2015).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster. In Indien gibt es eine verfassungsmäßig garantierte, unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 24.4.2015).

In den letzten Jahrzehnten erlebte Indien einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, der zur Bildung einer neuen Mittelschicht führte. Doch das uralte Kastensystem Indiens, eine marode Infrastruktur auf dem Land, die starke Umweltverschmutzung und religiöse Konflikte zwischen Hindus und Muslimen stellen das Land weiterhin vor große Probleme (FAZ 16.5.2014). Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 8.2015).

Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien gibt es eine verfassungsmäßig garantierte, unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 24.4.2015). Das Gesetz garantiert ein unabhängiges Gerichtswesen, aber Korruption war im Gerichtswesen weit verbreitet (USDOS 25.6.2015).

Die Gerichte führen Strafprozesse in richterlicher Unabhängigkeit. Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Der frühere Chief Justice Katju hatte mit einer Äußerung im Herbst 2014 eine öffentlich ausgetragene Kontroverse ausgelöst, als er Korruption unter den Richtern öffentlich machte und außerdem in einem Fall staatliche Einflussnahme auf eine Richterbenennung offenlegte (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen war auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führte zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung (USDOS 25.6.2015). Im August 2013 gab der Justizminister bekannt, dass im Supreme Court drei und in den hohen Gerichten 275 Positionen zu besetzen seien. Alarmierend war auch die Zahl der offenen Position in den untergeordneten Richterschaften, mit mehr als 3.700 Positionen, die zu besetzen waren. Der Justizminister führte langwierige Verspätungen in den Gerichten auf die offenen Stellen zurück (USDOS 27.2.2014). Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2014 eine Vakanz von 34% der Richter an den Obergerichten (USDOS 25.6.2015).

Sehr problematisch ist die sehr lange Verfahrensdauer. Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahren. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt. Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Jedoch eröffneten in den letzten Jahren auch Richter Verfahren wegen ungebührlichem Verhalten vor Gericht gegen Aktivisten und Journalisten, die gegen Korruption in der Richterschaft vorgingen oder Urteile anzweifelten. In den unteren Ebenen des Gerichtswesens ist Berichten zufolge Korruption weit verbreitet. Viele Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte durchzusetzen (FH 28.1.2015). Das System hat einen starken Arbeitsrückstand und ist unterbesetzt. Dies führt häufig zu einer überlangen Untersuchungshaft für viele Verdächtige, die oft länger dauert als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 28.1.2015; vgl. FH 19.5.2014). Die Errichtung von verschiedenen Fast-Track-Gerichten zwecks Abarbeitung anhängiger Gerichtsfälle führte dazu, dass das Recht auf ein faires Verfahren in einigen Fällen nicht eingehalten wird (FH 19.5.2014).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, Art. 21) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 24.4.2015). Die Untersuchungshaft dauert sehr lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung anordnen und eine Freilassung auf Kaution anordnen Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 24.4.2015).

Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt. Alle gegen einen Angeklagten vorgebrachten Beweise müssen diesem zugänglich sein und Verurteilungen veröffentlicht werden (USDOS 25.6.2015). Das Gesetz erlaubt den Angeklagten in den meisten Zivil- und Kriminalfällen den Zugang zu relevanten Regierungsbeweisen, aber die Regierung behält sich das Recht vor, Informationen zurückzuhalten und tut dies auch in Fällen, die sie für heikel erachtet. Die Angeklagten haben das Recht Zeugen zu befragen, unterprivilegierte Angeklagte genießen aufgrund des Mangels von ordentlicher Rechtsvertretung manchmal dieses Recht nicht. Das Gericht ist verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz (USDOS 25.6.2015).

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten (FH 28.1.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 – India, http://www.ecoi.net/local_link/296800/433144_de.html, Zugriff 9.11.2015

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FH - Freedom House (19.5.2014): Freedom in the World 2014 – India, http://www.refworld.org/docid/5379d1d710.html, Zugriff 9.11.2015

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USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices 2013 - India, http://www.ecoi.net/local_link/270728/400811_de.html, Zugriff 9.11.2015

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Sicherheitsbehörden

Die Polizei handelt aufgrund von Polizeigesetzen der einzelnen Bundesstaaten (AA 24.4.2015). Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde. Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten sind zwar dezentral organisiert, haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der oben beschrieben zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus (BICC 6.2015). Daneben bestehen zum Großteil dem Innenministerium unterstehende paramilitärische Einheiten (AA 24.4.2015).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2015). Auch das Militär kann im Inland tätig werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 24.4.2015; vgl. BICC 6.2015), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2015).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter und außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2015; vgl. USDOS 25.6.2015; vgl. HRW 29.1.2015). Der Polizei werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, wie außergerichtliche Tötungen, Folter und Vergewaltigungen (USDOS 25.6.2015). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt. Politische Forderungen, Täter möglichst schnell nach Terrorangriffen und Vergewaltigungen zu ermitteln, führt oft zu widerrechtlichen Verhaftungen (USDOS 25.6.2015).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sog. Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sog. Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen. Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram, Nagaland und Tripura (AA 24.4.2015 vgl. USDOS 25.6.2015).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt. Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.4.2015).

Es gab auch weiterhin Berichte über Vergewaltigungen von Häftlingen durch die Polizei. Manche Vergewaltigungsopfer hatten Angst, aufgrund des drohenden sozialen Stigmas und möglichen Vergeltungshandlungen, sich zu melden und das Verbrechen anzuzeigen, speziell dann, wenn der Täter ein Polizist oder ein anderer Beamter war. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) hat das Mandat Vergewaltigungsfälle in denen Polizisten involviert sind zu untersuchen. Die NHRC ist gesetzlich befugt, Informationen über Mitglieder des Militärs und den paramilitärischen Streitkräften zu verlangen, jedoch hat sie kein Mandant, um Fälle zu untersuchen in denen diese Einheiten verwickelt sind (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2015):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/20157/indien.pdf, Zugriff 9.11.2015

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 – India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 9.11.2015

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Korruption

Korruption ist weit verbreitet (USDOS 25.6.2015). Indien scheint im Korruptionsindex 2014 von Transparency International auf Platz 85 (Anmerkung: 2013 Platz 94) von insgesamt 175 Ländern auf (TI 12.2014).

Durch heimischen und internationalen Druck wurde die Korruptionsbekämpfung intensiviert. Obwohl jedes Jahr Politiker und Beamte bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, die unbemerkt und unbestraft bleiben. Nationaler und internationaler Druck hat zu gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption geführt. Nach Jahren groß angelegter gesellschaftlicher Mobilisierung durch Aktivisten verabschiedete das Parlament das Lok Pal und Lokayuktas Gesetz, das der Präsident im Jänner 2014 unterzeichnete. Das Gesetz schafft unabhängige, staatliche Gremien, an die man Beschwerden wegen korrupter Beamter oder Politiker richten kann und die ermächtigt sind, die Beschwerden zu untersuchen und Verurteilungen vor Gericht zu verfolgen. Auf Bundesebene wird diese Einrichtung Lok Pal genannt und das Gesetz schreibt den Bundesstaaten vor, binnen eines Jahres ihre eigenen Korruptionsbekämpfungsinstitutionen, die sogenannten Lokayuktas, zu schaffen. Fragen zur Durchsetzung bleiben jedoch offen. Seit 2008 sind mindestens 29 "Recht auf Informationsaktivisten" ermordet und 164 angegriffen oder belästigt worden (FH 28.1.2015).

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, die Regierung hat das Gesetz aber nicht effektiv umgesetzt und in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon. Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten. Das CBI (Central Bureau of Investigation) registrierte im Untersuchungszeitraum [Anm.: Jänner bis November] 583 Korruptionsfälle. Das CBI betreibt eine gebührenfreie Hotline - um Beschwerden aufzunehmen – und ein Webportal, um Informationen zu veröffentlichen (USDOS 25.6.2015).

NGOs berichten, dass Bestechungsgelder üblicherweise für die Beschleunigung von Gerichtsverfahren, für Polizeischutz, für Schuleinschreibung, oder Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen bezahlt werden. Zivilgesellschaftliche Organisationen lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit u.a. mit öffentlichen Demonstrationen und mittels Websites während des gesamten Jahres 2014 auf das Thema Korruption (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung ernannte Hauptüberwachungsbeamte (Chief Vigilance Offifers), um öffentlichen Beschwerden und Missstände im Banken-, Versicherungs- und anderen Sektoren, die durch private, öffentliche und körperschaftliche Gremien bedient werden, nachzugehen. Das Parlament verabschiedete im Dezember ein Gesetz zu Ombudsmannorganisation, Lok Pal, um Vorwürfe von Regierungskorruption zu untersuchen (USDOS 25.6.2015).

Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im speziellen von Korruption betroffen und die meisten BürgerInnen haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 28.1.2015). Auch viele staatlich unterstützte Programme für die Armutsbekämpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen, litten unter Korruption. (USDOS 25.6.2015).

Eine neue Helpline, um Menschen im Umgang mit Bestechungsforderung durch Regierungsmitarbeiter in der Hauptstadt Delhi zu unterstützen, erhielt mehr als 4.000 Anrufe in den ersten Stunden ihres Bestehens. Die Korruptionsbekämpfungshelpline ist eine Initiative der neuen Aam Aadami (Normalbürger) Partei (AAP), welche Delhi mit Unterstützung der Kongresspartei regiert. Diese Helpline steht 14 Stunden pro Tag zur Verfügung und soll helfen die alltägliche Korruption zu bekämpfen (BBC 9.1.2014).

Quellen:

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BBC - British Broadcasting Corporation (9.1.2014): India's Delhi government's anti-corruption helpline gets thousands of calls, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25663763, Zugriff 9.11.2015

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FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 – India, http://www.ecoi.net/local_link/296800/433144_de.html, Zugriff 9.11.2015

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TI - Transparency International (12.2014): Corruption Perceptions Index 2014, http://www.transparency.org/cpi2014/results, Zugriff 9.11.2015

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2015). Wesentliche Grundrechte sind in der indischen Verfassung garantiert. Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien aber ein (AA 24.4.2015). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, wo es interne Konflik

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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