Entscheidungsdatum
24.11.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W271 2170713-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna Walbert-Satek als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX, alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX, alias XXXX), StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2017, Zl. 1079991107-150958894, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer, XXXX, alias XXXX, alias XXXX, geboren am XXXX, alias XXXX, alias XXXX (nachfolgend kurz: "BF"), stellte am 25.11.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Am 27.11.2014 fand die Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST Ost statt. Darin brachte der BF zusammengefasst vor, aus Afghanistan aus Angst vor einer Person ausgereist zu sein, die mit der Frau verlobt gewesen sei, die der BF traditionell geehelicht habe. Diese Person sei mächtig und der BF habe Angst um sein Leben.
I.3. Im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung gab der BF an, am 15.09.2014 in Griechenland und am 17.11.2014 in Ungarn angehalten und erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein.
I.4. Im Zuge des Konsultationsverfahrens erklärte sich Ungarn mit Schreiben vom 16.12.2014 für den Fall zuständig.
I.5. Am 06.02.2015 wurde dem BF Parteiengehör in Bezug auf die Überstellung nach Ungarn gewährt und wurde diese niederschriftlich festgehalten.
I.6. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz "BFA") vom 16.02.2015 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sodann zurückgewiesen und die Außerlandesbringung angeordnet, wobei eine Abschiebung nach Ungarn für zulässig erklärt wurde. Die vom BF gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2015 abgewiesen.
I.7. Am 29.07.2015 erfolgte neuerlich eine niederschriftliche (Erst-)Einvernahme im Polizeianhaltezentrum St. Pölten. Darin gab der BF an, nach erfolgter Überstellung nach Ungarn kurze Zeit später mit dem Zug von Györ nach Wien und dann weiter nach St. Pölten gereist zu sein, wo die Schwester des BF lebt. Bei dieser habe der BF zwei Tage verbracht, bevor er sich der Polizei gestellt habe. Als Fluchtgrund gab er in dieser Einvernahme an, in Afghanistan herrsche Krieg und im Iran dürfe er nicht bleiben; er tat die Befürchtung kund, aus dem Iran wieder "rausgeschmissen" zu werden und in Afghanistan Angst vor dem Krieg zu haben.
I.8. Am 08.04.2016 erfolgte aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Ungarn die Zulassung des Verfahrens des BF in Österreich.
I.9. Am 27.07.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Darin gab der BF zusammengefasst an, gesundheitliche Probleme bekommen zu haben, weil er im Iran nur "schwere" Arbeiten habe vollrichten dürfen. Befragt zum Flucht- oder Asylgrund gab er an: "Ich wollte nach Österreich kommen, weil meine Geschwister hier sind. Ich wollte einfach nach Österreich." Und führte weiter aus: "Ich war auch krank. Ich wollte zu meiner Schwester, weil sie wie eine Mutter für mich ist".
I.10. Der Antrag auf internationalen Schutz des BF wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.08.2017 abgewiesen; es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde ausgeschlossen.
I.11. Gegen diese Entscheidung erhob der BF am 07.09.2017 vollinhaltlich Beschwerde und beantragte, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.09.2017 wurde der Beschwerde des BF die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
I.12. Am 14.11.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt; diese wurde am 15.11.2017 fortgesetzt. Im Zuge der Verhandlung wurden auch der Bruder und die Schwester des BF einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
Der BF ist illegal nach Österreich eingereist. Die Identität des BF steht nicht fest. Angaben zu seiner Person dienen lediglich einer Identifizierung für das Verfahren.
Der BF ist volljährig und etwa Mitte Zwanzig. Er ist afghanischer Staatsbürger, Hazara und schiitischer Moslem. Er stammt aus der Provinz Kunduz, Distrikt Khan Abad, Dorf XXXX. Der BF genoss keine Schulbildung.
Der BF verbrachte zumindest acht Jahre als Kind in Afghanistan. Schon damals arbeitete er als Schafhirte.
Danach hielt er sich etwa zehn Jahre im Iran, konkret in Esfahan, auf und war als Hilfsarbeiter, zumeist im Baubereich und im Mosaikbau, tätig. Der BF wurde dreimal aus dem Iran abgeschoben.
Als Erwachsener lebte er für zumindest ein halbes Jahr in Afghanistan, konkret in Herat. Dort arbeitete er zumindest drei Monate in der Baubranche. Der Arbeitgeber des BF war XXXX. Es handelte sich dabei um den Bruder des Schwagers des BF. Der BF verbrachte in Herat zunächst einige Tage in einem Hotel. Als ihm das Geld ausging, übernachtete er vorübergehend im Freien und begab sich dann auf die Suche nach einer Arbeit. Danach kam der BF für seinen Aufenthalt in Herat beim Bruder seines Schwagers unter.
Der BF ist mittlerweile unverheiratet und unterhält in Österreich keine Liebesbeziehung. Er hat keine sozialen Verpflichtungen.
1.2. Gesundheitszustand des BF
Der BF erlitt als Kind einen "Leistenbruch" im Bereich des Hodens. Dieser Leistenbruch, konkret "Hernia inguinalis lateralis onA, K40.9", blieb bis zu seiner Operation im Dezember 2015, in der chirurgischen Ambulanz XXXX, unbehandelt. Die Operation wurde im TAPP-Verfahren unter Einsatz des Operationsinstruments ABSTACK15 durchgeführt; durch das Bauchfell wurde eine Netzeinlage (BARD 3DMax Mesh) implantiert. Der BF war dafür vom 10.12.2015 bis 13.12.2015 in stationärer Behandlung im Krankenhaus in XXXX. Als weiteres Procedere wurde ihm die körperliche Schonung für zwei Wochen und die Nachkontrolle beim Hausarzt nach 10 Tagen empfohlen. Als Medikation wurde ihm MEXALEN 500MG (2x1) bei Schmerzen verschrieben.
Nach seiner Operation ging der BF einmal zur Kontrolle ins Krankenhaus. Wegen des Leistenbruchs ging er daraufhin kein weiteres Mal zum Arzt.
Der BF leidet sonst an keinen chronischen Leiden oder Krankheiten. Der BF ist weitgehend gesund und ist arbeitsfähig.
1.3. Zur Motivation für die Ausreise aus Afghanistan
1.3.1. Primäres Fluchtvorbringen
Der BF hielt sich in Herat auf und lernte dort ein Mädchen namens XXXX, kennen. Innerhalb eines Monats heiratete der BF dieses Mädchen traditionell. Die ehemalige Frau des BF und dessen ehemaliger Schwiegervater leben nach wie vor in Herat. Nach seiner Ausreise hielt der BF telefonischen Kontakt zu seiner Frau und seinem Schwiegervater.
Der Schwiegervater des BF verlangte von diesem, dass er ihm aus Österreich Geld schicken soll, widrigenfalls er für eine Scheidung sorgen werde. Der BF konnte diese finanziellen Erwartungen nicht erfüllen. Seit der negativen Entscheidung des BFA im Asylverfahren des BF (August 2017) sind der BF und seine Frau geschieden. Der BF und seine Exfrau haben nach wie vor telefonischen Kontakt. Als Fluchtgrund gab der BF an, Angst vor der Person zu haben, mit der seine Exfrau bereits verlobt gewesen sein soll, als der BF sie geehelicht habe. Der BF gab auch an, diese Person nicht zu kennen. Es konnte nicht festgestellt werden, wer diese Person ist oder dass dem BF von Seiten dieser Person eine Gefahr drohte oder derzeit droht. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF deswegen keinen Schutz beim Staat hätte suchen können.
Der BF reiste aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen aus Afghanistan aus.
1.3.2. Fluchtvorbringen der Geschwister des BF
Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Familienfeindschaft oder die drohende Zwangsverheiratung der Schwester des BF vor etwa 16 Jahren ein Grund dafür war, dass der BF vor etwa drei Jahren aus Afghanistan ausreiste. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass diese mögliche Problematik nach wie vor besteht oder dem BF überall in Afghanistan droht.
1.3.3. Sonstige mögliche Gründe für eine Ausreise
Dem BF widerfuhr in Afghanistan, insbesondere wegen der Zugehörigkeit zu den Hazara, oder wegen seines schiitischen Glaubens, keine schlechte Behandlung. Seine ethnische Zugehörigkeit und sein Glaube waren auch keine Gründe, im Jahr 2014 Afghanistan zu verlassen.
1.4. Ausreise
Der BF trat 2014 seinen Weg nach Europa von Herat aus an. Von Herat aus ging er zunächst in den Iran und blieb dort etwa einen Monat lang, bevor er weiter nach Europa reiste.
Die Reise des BF wurde überwiegend von dessen in Österreich befindlichen Geschwistern (Bruder des BF: XXXX, geb. am XXXX, und Schwester des BF: XXXX, geb. am XXXX) bezahlt. Diese überwiesen dem BF Geld über Western Union.
Die Reise des BF nach Europa kostete zwischen EUR 3.500,-- und EUR 4.000,--, wovon EUR 500,-- der BF selbst erspart gehabt hatte. EUR 200,-- davon zahlte der Bruder des BF, den Rest die Schwester des BF.
1.5. Finanzielle Situation des BF
Der BF lebt in Österreich von der Grundversorgung. Er verfügt über kein Vermögen.
Die Schwester des BF empfängt monatlich EUR 1.900,-- an Sozialhilfe; ihr Mann arbeitet geringfügig. Um die Reise des BF nach Europa zu finanzieren borgte sich die Schwester Geld bei Freunden aus und zahlt dieses ratenweise zurück.
Bruder und Schwester geben dem BF in Österreich immer wieder Geld und unterstützen ihn finanziell, insbesondere bei den Fahrkarten.
1.6. Situation des BF in Österreich
In Österreich leben die bereits erwähnten Geschwister des Beschwerdeführers, XXXX und XXXX. Der BF wohnt in Österreich nicht bei seinen Geschwistern: Der Bruder des BF wohnt in Wien, die Schwester des BF in St. Pölten und der BF selbst in der Steiermark. Der BF verbrachte nach seiner Ankunft in Österreich eine Handvoll Tage bei seiner Schwester.
Die Schwester des BF sah diesen seit ihrer Ausreise aus dem Iran bis zur Ankunft in Österreich für etwa fünf Jahre nicht.
Der BF sieht und hört seinen Bruder alle ein bis drei Monate; alle ein bis zwei Wochen telefonieren sie miteinander. Er sieht und hört seine Schwester alle drei bis vier Monate; im Sommer öfter. Alle ein bis zwei Wochen telefonieren sie miteinander. Die Gespräche sind ab Anberaumung der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht häufiger geworden. Eine besonders intensive Beziehung zwischen dem BF und seinen Geschwistern konnte nicht festgestellt werden.
Der BF besuchte verschiedene Deutschkurse; er spricht lediglich in einzelnen Worten Deutsch und konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung keinen ganzen deutschen Satz formulieren.
Der BF geht Billardspielen, er spielt Fußball und geht ins Fitnesscenter, wo er Ausdauertraining betreibt. Gewichte über 10kg darf der BF wegen seines früheren Leistenbruchs nicht heben.
Der BF arbeitet ehrenamtlich in seiner Gemeinde und stellte einen Antrag für einen freiwilligen Job bei der Tafel (Rotes Kreuz), wofür er sich auf der Warteliste befindet.
Der BF hat in Österreich Kontakt mit drei Frauen, die er immer wieder trifft, um mit ihnen auszugehen. Er hilft diesen Frauen auch bei Veranstaltungen, konkret beispielsweise beim Zeltaufbauen.
Der BF hat auch Kontakt zu Afghanen, die in Österreich im gleichen Flüchtlingsheim wie der BF leben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass es zu Problemen mit diesen Personen gekommen ist. Ansonsten hat der BF noch Kontakt mit seiner Deutschlehrerin sowie mit Personen, die er einmal in der Woche im Rahmen der "Tafel" (Rotes Kreuz) sieht.
Der BF ist nicht erwerbstätig und hat vor, wieder als Bauarbeiter im Baubereich zu arbeiten.
1.7. Lage in Afghanistan und im Herkunftsort des BF
1.7.1. Allgemeine Lage in Afghanistan
Die Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat, zuletzt aktualisiert am 25.09.2017 (insbesondere zur allgemeinen Sicherheitslage, zur allgemeinen Infrastruktur und Verkehrsinfrastruktur, zur sanitären und medizinischen Versorgung, Bildung, zu den Erwerbsmöglichkeiten, zur Situation von Rückkehrern sowie zur Situation von ethnischen und religiösen Minderheiten), werden dem vorliegenden Erkenntnis als Feststellung zu Grunde gelegt und bilden einen Bestandteil desselben. Diese Länderfeststellungen wurden dem BF im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausgehändigt. Nachfolgend werden jene Informationen aus den Länderfeststellungen angeführt, die insbesondere für den vorliegenden Fall relevant sind.
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt volatil; immer wieder erschüttern Attentate das Land und treiben regierungsfeindliche Kräfte ihr Unwesen. Die konkrete Beurteilung der Sicherheitslage variiert von Provinz zu Provinz stark. Die Hauptstadt Kabul und mehrere Provinzhauptstädte, darunter auch Herat, stehen jedoch überwiegend unter staatlichem Einfluss und sind vergleichsweise sicher (Länderfeststellungen, Seite 15). Die Taliban haben keine größeren Versuche mehr unternommen, Provinzhauptstädte einzunehmen (vgl. Länderfeststellungen, Seite 10).
1.7.2. Lage im Herkunftsort des BF
Der BF stammt aus dem Dorf XXXX, Distrikt Khan Abad, Provinz Kunduz. Die Sicherheitslage in ganz Afghanistan ist volatil (Länderfeststellungen, Seite 13). Die Taliban haben im in den Länderberichten erfassten Zeitraum ua die Provinz Kunduz angegriffen (Länderfeststellungen, Seite 13); Kunduz gilt als stark umkämpfte Provinz (Länderfeststellungen, Seite 15) und als Austragungsort intensiver Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Länderfeststellungen, Seite 24). Kunduz ist ein strategischer Korridor und wird als einflussreiche Provinz in Nordafghanistan erachtet (Länderfeststellungen, Seite 84). Gleichzeitig dienen die städtischen Gegenden von Kunduz als Orte, an welche zahlreiche afghanische Staatsbürger zurückkehren (Länderfeststellungen, Seite 191).
1.8. Möglicher Aufenthaltsort: Herat
Herat ist die zweitgrößte Stadt des Landes nach Kabul. Die Provinzhauptstadt Herat steht unter staatlicher Kontrolle (Länderfeststellungen, Seite 31) und ist vergleichsweise sicher (Länderfeststellungen, Seite 15). Herat ist von Europa aus legal und sicher mit dem Flugzeug zu erreichen. Der nächste Flughafen heißt "Herat International Airport" (Länderfeststellungen, Seite 124). Von Wien aus gelangt man beispielsweise mit Zwischenlandungen in Istanbul, Dubai und Kabul dort hin.
In Herat gibt es eine städtische Infrastruktur. Diese bietet Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung, wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung sowie Erwerbsmöglichkeiten (vgl. Länderfeststellungen, Seite 188). Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Taliban oder sonstige regierungsfeindliche Kräfte einen besonderen Einfluss in Herat ausüben, auch wenn es immer wieder Attentate gibt (vgl. Länderfeststellungen, Seiten 10 und 16).
Die afghanische Regierung startete im September 2016 ein Programm, um die Armut zu reduzieren und um den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und die sozialen Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden; zu den Schwerpunkten des städtischen Entwicklungsprogramms zählt auch die Stadt Herat. Auch zielt dieses Projekt darauf ab, den Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen, sowie Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung und arme Menschen besser zu integrieren (Länderfeststellungen, Seite 184).
Der BF kann im Falle der Rückkehr in die Stadt Herat die beschriebene Infrastruktur nutzen; es konnte nicht festgestellt werden, dass wegen seiner persönlichen Situation oder sonst in seiner Person begründeten Umstände Gefahr liefe, in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in der Stadt Herat eine Gefahr droht oder er einer sonstigen speziell gegen ihn gerichteten Bedrohung ausgesetzt ist.
1.9. Zur Lage der ethnischen Minderheiten, der Hazara und der Schiiten
1.9.1. Zur allgemeinen Lage von ethnischen Minderheiten
In Afghanistan gibt es mehrere ethnische Minderheiten; die Bevölkerung setzt sich aus 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, etwa 10% Hazara und 9% Usbeken zusammen. Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Dessen ungeachtet beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen. Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen.
1.9.2. Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (Länderfeststellungen, Seite 159). Die Hazara begleitet eine lange Geschichte der Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung; Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Länderfeststellungen, Seite 159). Hazara sind auch gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt (Länderfeststellungen, Seite 151). Dennoch hat sich die Situation grundsätzlich verbessert (Länderfeststellungen, Seite 160). Hazara sind auch keiner gezielten Diskriminierung wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Länderfeststellungen, Seite 151).
Auch nach den im Beschwerdevorbringen zitierten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender in Afghanistan droht ethnischen Minderheiten, wie den Hazara, in Afghanistan teilweise eine schlechte Behandlung. So sind diese gesellschaftlicher Diskriminierung und Misshandlung ausgesetzt. Ihnen droht auch eine schlechte Behandlung durch Taliban (beispielsweise Entführung, Schikanierung, Tötung). Die Hazara haben jedoch seit Ende des Taliban-Regimes im Jahr 2001 erhebliche wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht (UNHCR-RL, Seite 87 f).
Hazara sind in Afghanistan keiner systematisch gegen sie gerichteten existenzbedrohenden Gefährdung durch andere ethnische Gruppen ausgesetzt.
1.9.3. Schiiten
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten (Länderfeststellungen, Seite 151). Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (Länderfeststellungen, Seite 151). Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (Länderfeststellungen, Seite 151). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (Länderfeststellungen, Seite 151). Es kommt auch immer wieder zu Anschlägen (Länderfeststellungen, Seiten 8, 44 oder 151).
Nach den im Beschwerdevorbringen zitierten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender in Afghanistan droht Angehörigen religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Gefahr durch regierungsfeindliche Kräfte und die Taliban (UNHCR-RL, Seite 57).
Schiiten sind in Afghanistan keiner systematisch gegen sie gerichteten existenzbedrohenden Gefährdung durch andere religiöse Gruppen ausgesetzt.
1.10. Lage des BF im Fall einer Rückkehr
1.10.1. Allgemeines zur Situation von Rückkehrern
Im Allgemeinen ist die Lage für Rückkehrer schwierig. In der letzten Zeit kehrten Hunderttausende AfghanInnen aus dem Iran nach Afghanistan zurück, wobei es sich sowohl um freiwillige als auch um abgeschobene Rückkehrer handelt. Es ist schwierig, alle afghanischen Flüchtlinge zu verteilen, weil der Iran afghanische MigrantInnen zurückschickt und Afghanistan eine Anzahl wohnungsloser Menschen hat, die zusätzlich die Situation verkomplizieren (Länderfeststellungen, Seite 193 f).
Auch nach den im Beschwerdevorbringen zitierten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender in Afghanistan droht verwestlicht wahrgenommenen Personen (das sind oftmals Rückkehrer) Gefahr von Seiten regierungsfeindlicher Kräfte (UNHCR-RL, Seite 46).
1.10.2. Orientierung des BF in Afghanistan
Der BF war bei seinem letzten Aufenthalt in Afghanistan in Herat. Binnen kürzester Zeit fand er dort Anschluss am Arbeitsmarkt und eine Unterkunft. Der BF fand auch sozialen Anschluss, indem er schon nach einem Monat eine Frau geheiratet hat. Der BF kennt in Herat zudem den Bruder seines Schwagers, der ihm während seines Aufenthalts auch einen Arbeitsplatz ermöglichte und Unterkunft gewährte. Der BF kennt Bezugspersonen in Herat; eine Kontaktaufnahme zu ihnen ist möglich. Der BF konnte in Afghanistan Ersparnisse für seine Ausreise machen; es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Afghanistan nicht selbsterhaltungsfähig ist.
Der BF versteht und spricht mit Dari eine Landessprache Afghanistans. Verständigungsschwierigkeiten konnten nicht festgestellt werden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass ein allfälliger iranischer Einschlag in der Sprache des BF für diesen ein Leben in Afghanistan gleichsam unmöglich macht.
Der BF hat mindestens acht Jahre als Kind und zumindest ein halbes Jahr als Erwachsener in Afghanistan gelebt und über zehn Jahre im Iran verbracht. Der BF ist mit den Gegebenheiten seines Herkunftsstaats Afghanistan vertraut.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine während des Aufenthalts des BF in Österreich allenfalls gelebte "liberale" Gesinnung - welche nicht gesondert festgestellt werden konnte - und seine "westliche" Aufmachung mit einer Gefährdung des BF in Afghanistan im Fall seiner Rückkehr einhergehen würden.
1.10.3. Mögliche Gefahr einer Zwangsrekrutierung
Der BF hat im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Angst, einer Zwangsrekrutierung zu unterliegen und hat eine solche in Gebieten, die unter staatlicher Kontrolle stehen, auch kaum zu befürchten.
1.10.4. Finanzielle Situation im Fall einer Rückkehr
Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer im Allgemeinen arm (Länderfeststellungen, Seite 191). Der BF kann, auch wenn er im Ausland sein sollte, finanzielle Unterstützung von seiner Schwester erwarten.
1.10.5. Mögliche Gefahren durch regierungsfeindliche Kräfte
Die Taliban, Angehörige der ISIS und sonstige regierungsfeindliche Kräfte und Extremisten gehen teilweise mit Festnahmen, Gefängnisstrafen oder körperlicher Züchtigung gegen jene Personen vor, die angeblich gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch regierungsfeindliche Kräfte verstoßen.
Von Seiten der Taliban kam es in der Vergangenheit immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen gegen Hazara.
Probleme durch die Taliban und regierungsfeindliche Kräfte drohen überwiegend nur im Wirkungsbereich dieser Gruppierungen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des BF
Die Feststellungen zur Person des BF unter Punkt 1.1. oben stützen sich auf die in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden und in diesem Zusammenhang glaubwürdigen Aussagen des BF im Zuge seiner Einvernahmen vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Verfahren sind drei Alias-Identitäten und drei Geburtsdaten bekannt gegeben worden, doch ist der BF nach seiner zuletzt in der mündlichen Verhandlung getätigten Aussage derzeit 25, womit eine entsprechende Feststellung hinsichtlich seines Alters getroffen werden konnte. Abhängig von den Altersangaben hat der BF zumindest acht bis zwölf Jahre in Afghanistan verbracht, bevor er in den Iran ausgereist ist; dementsprechend konnte festgestellt werden, dass er zumindest acht Jahre in Afghanistan verbracht hat. Eine Tazkira oder ein sonst für die Identitätsfeststellung erforderliches Dokument wurde im Verfahren nicht vorgelegt.
2.2. Gesundheitszustand des BF
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen sich auf dessen widerspruchsfreie Aussagen im Zuge des erstinstanzlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, auf die Einvernahme seiner Schwester vor dem Bundesverwaltungsgericht und auf die ärztliche Dokumentation im Akt.
In der Niederschrift des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2017 gab der BF an, "krank" gewesen zu sein. Dies konkretisierte der BF in der mündlichen Verhandlung damit, einen Leistenbruch erlitten zu haben. Diese Aussage wird auch durch den Kurzarztbrief vom 13.12.2015 gestützt, wo dem BF eine "Hernia inguinalis lateralis onA, K40.9" diagnostiziert wurde. Aus dem dem Kurzarztbrief beiliegenden und in der mündlichen Verhandlung nochmals vorgelegten "Implantatpass" ergibt sich, in welchem Verfahren, mit welchem Operationsinstrument und durch welches "Implantat" der Leistenbruch des BF im Zuge einer Operation im Krankenhaus XXXX, Mitte Dezember 2015, kuriert wurde. Laut dem Kurzarztbrief wurde der BF zur einmaligen Nachkontrolle beordert, was die Aussage des BF bestätigt, wegen der Operation ein weiteres Mal ins Krankenhaus gegangen zu sein.
Die Feststellungen dazu, dass der BF an keinen weiteren Krankheiten leidet und wegen des Leistenbruchs kein weiteres Mal in Behandlung war, gründen sich auf die insoweit glaubwürdigen Aussagen des BF im Zuge der mündlichen Verhandlung (vgl. das Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seite 4).
Der BF gab zwar an, ein- bis zweimal im Monat Schmerzen im Bereich des Bauchs zu haben, gab aber gleichfalls an, deswegen kein weiteres Mal beim Arzt gewesen zu sein (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seite 4). Es gab keinen Grund, an dieser Angabe zu zweifeln.
Die Einvernahme der Schwester des BF in der mündlichen Verhandlung ergab, dass der BF bereits seit er ein Kind ist, mit dem Leistenbruch lebte (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 15.11.2017, Seite 4). Dennoch war der BF laut eigener und glaubwürdiger Aussage Zeit seines Lebens auch am Bau als Hilfsarbeiter tätig (vgl. die Angaben zu seiner Berufstätigkeit in der Einvernahme am 27.11.2014 und laut Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seiten 7 f).
Der Leistenbruch hinderte den BF sohin nicht daran, am Bau zu arbeiten. Es ist nicht ersichtlich, warum der BF nun, nach der mittlerweile erfolgten Behandlung seines Leistenbruchs, nicht mehr arbeiten können sollte.
Der BF gab in der mündlichen Verhandlung auch an, im Zuge seiner Tätigkeit für die Gemeinde dabei geholfen zu haben, Zeltstangen aufzubauen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seite 15 f). Auch hierfür ist eine gewisse körperliche Anstrengung erforderlich, wobei der BF mit keinem Wort erwähnte, es habe wegen seines früheren Leistenbruchs dabei ein Problem gegeben.
Es konnte daher festgestellt werden, dass der BF weitgehend gesund und arbeitsfähig ist.
2.3. Zur Motivation für die Ausreise aus Afghanistan
2.3.1. Primäres Fluchtvorbringen
Am 15.09.2014 stellte der BF in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Fluchtgrund gab der BF am 27.11.2014 zu Protokoll, dass seine jetzige Frau jemand anderem versprochen worden sei und mit diesem Mann schon verlobt gewesen sei. Weil der BF und sie sich ineinander verliebt hätten, hätten sie auch traditionell geheiratet. Der BF gab in seiner ersten Einvernahme an, von Seiten des Verlobten der Frau drohe Gefahr für ihn. Aus Angst um sein Leben habe er fliehen müssen, da sein Verfolger sehr mächtig sei.
In der mündlichen Verhandlung bezeichnete der BF den "Verlobten" seiner Frau nunmehr als deren "Cousin". Der BF bezeichnete diesen "Cousin" als "mächtigen" Mann mit "Geld" (Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seiten 9 f). Dennoch konnte der BF nicht einmal den Namen dieser Person nennen und gab - trotz erfolgter Rückübersetzung - an, diesen Mann nicht zu kennen (Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seite 9). Das ist unplausibel: Sollte tatsächlich Gefahr von einem mächtigen Mann mit Geld drohen oder gedroht haben, der sogar der ehemalige Verlobte der damaligen Frau des BF war und der allenfalls auch ihr Cousin ist, ist nicht nachvollziehbar, wie dem BF dessen Name nicht bekannt sein kann und auch nicht, wie der BF diesen Mann nicht kennen kann.
Auch die äußerst vage und detailarme Schilderung der behaupteten Bedrohung durch diese Person lässt eine mögliche Gefahr für den BF von Seiten dieser Person nicht glaubwürdiger erscheinen:
Der BF gab an, erst nach der Heirat erfahren zu haben, dass der Cousin/Verlobte auch an seiner Frau interessiert war. Sodann führte der BF aus, er sei im Haus seines Schwiegervaters gewesen, als der Cousin/Verlobte eine Drohung gegen ihn ausgesprochen habe. Dem BF sei gedroht worden, wo auch immer der Cousin/Verlobte den BF in seine Hände bekommen würde, würde er diesen umbringen. Dieser Drohung sollen nach Aussage des BF auch der Schwiegervater und die damalige Frau des BF beigewohnt haben. In der mündlichen Verhandlung danach befragt, was die damalige Frau und der Schwiegervater zu dieser Drohung gesagt haben, gab der BF an, seine Frau habe darauf keine Antwort gegeben und der Schwiegervater habe gesagt, dass der BF nun der Mann seiner Tochter sei (vgl. dazu Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seiten 9 f).
Bei dieser Erzählung ist zum einen nicht nachvollziehbar, wie in so einer Situation, sollte diese tatsächlich stattgefunden haben, untergehen kann, wer der Cousin/Verlobte ist. Schon aus diesem Grund sind Zweifel daran angebracht, ob der BF durch diese namenlose Person ernstlich bedroht wurde.
Zum anderen fehlt dieser Schilderung jene Verdichtung an Bedrohungsmomenten, die für die Glaubwürdigkeit einer ernsthaften und konkreten Bedrohung gegenüber dem BF erforderlich wäre: Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, dass eine Gattin in Reaktion auf eine gegenüber ihrem Ehemann ausgesprochenen Drohung mit dem Tod ganz einfach schweigen würde. Als normale Reaktion wäre zumindest ein milder Ausdruck der Besorgnis zu erwarten. Die vom BF wiedergegebene Aussage seines damaligen Schwiegervaters deutet darauf hin, dass der Cousin/Verlobte der Frau zwar allenfalls erzürnt darüber war, dass diese Frau jemand anderen geheiratet hat, der Schwiegervater diesen Zorn aber mit der Information beschwichtigen wollte, die Frau habe nun den BF zum Mann - womit logisch weitergedacht eine Heirat des Cousins/Verlobten nicht in Frage komme. Wäre es hier tatsächlich zu einer Bedrohungshandlung gekommen, bei der ernstliche Sorge um das Leben des BF entstanden wäre, wäre auch im Fall des Schwiegervaters eine andere - wie auch immer geartete - emotionale Reaktion weit plausibler gewesen, als ein bloßer Beschwichtigungsversuch.
Die Schilderung des BF ist daher nicht recht plausibel.
Der BF gab in der mündlichen Verhandlung auch an, seit der beschriebenen Bedrohungssituation durch diesen Cousin/Verlobten nichts mehr von diesem gehört zu haben; auch von einer weiteren Drohung gegenüber der Exfrau und dem Schwiegervater ist dem BF nichts bekannt. Der BF hat und hatte nach seiner Ausreise noch Kontakt zur ehemaligen Frau und zu deren Schwiegervater, was sich aus der im Zuge der mündlichen Verhandlung eingesehenen Anruferliste des BF in seinem Telefon ablesen ließ. Wäre eine Bedrohungslage durch den Cousin/Verlobten der Exfrau nach wie vor gegeben, wäre doch zu erwarten, dass der BF davon weiß. Es ist nicht plausibel, dass die bis vor kurzem noch mit dem BF verheiratete Frau und sein damaliger Schwiegervater ihm im Zuge eines ihrer Telefonate nichts von einer andauernden Bedrohungssituation erzählt hätten, wäre eine solche tatsächlich gegeben gewesen. Da der BF aber nichts Entsprechendes vorgebracht hat, konnte auch nichts dazu festgestellt werden, dass dem BF auch aktuell noch eine Gefahr vom Cousin/Verlobten der Exfrau drohen sollte (sollte diese überhaupt einmal gegeben gewesen sein). Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass von Seiten des Verlobten/Cousin der Exfrau des BF eine Bedrohungslage gegenüber dem BF, selbst wenn sie einmal bestanden haben sollte, derzeit noch gegeben ist.
Hinzuzufügen ist noch, dass die Scheidung des BF von seiner damaligen Frau eine Bedrohung durch ihren früheren Verlobten nicht wahrscheinlicher oder glaubwürdiger macht.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF hinsichtlich seines primären Fluchtvorbringens sind auch deswegen aufgetreten, weil der BF lediglich in seiner ersten Einvernahme und dann erst wieder in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, Angst vor dem Cousin/Verlobten seiner damaligen Frau gehabt zu haben. In der Zwischenzeit, d.h. bei seiner Einvernahme am 29.07.2015 und in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.07.2017, sprach der BF ganz andere Themen an. Am 29.07.2015 gab der BF als Fluchtgrund an, in Afghanistan herrsche Krieg und im Iran dürfe er nicht bleiben, wobei er auch die Sorge im Hinblick auf seine Rückkehr kund tat, wieder aus dem Iran rausgeschmissen zu werden. In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.07.2017 verwies der BF überhaupt nur darauf, er habe nur nach Österreich kommen wollen, weil seine Geschwister hier seien und führte aus: "Ich wollte einfach nach Österreich". Zudem verwies er darauf, "krank" gewesen zu sein und zu seiner Schwester gewollt zu haben. Das bei diesem Vorbringen erkennbare Fehlen an Fluchtgründen führte bereits im Verfahren vor der belangten Behörde dazu, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abgesprochen wurde.
Dieser Mangel an Stringenz hinsichtlich des tatsächlichen Grundes, der den BF zur Ausreise bewegt hat, lässt seinem Vorbringen endgültig die für entsprechende Feststellungen notwendige Glaubwürdigkeit fehlen.
Folgende weitere Aspekte erhärten die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des primären Fluchtvorbringens des BF:
Im Zuge der mündlichen Verhandlung gab der BF an, der Schwiegervater habe ihn unter der Androhung, es würde sonst für eine Scheidung von der Frau gesorgt, um die Überweisung von Geld gebeten. Die Zahlungen des BF haben jedoch den Erwartungen des Schwiegervaters nicht genügt, woraufhin sich der BF laut seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung mit einer Scheidung einverstanden gezeigt habe und diese nach der negativen Entscheidung in erster Instanz auch durchgeführt habe. Aus diesem Vorbringen ergibt sich, dass der Schwiegervater finanzielle Erwartungen gegenüber dem BF hatte, die der BF nicht erfüllt hat.
Die Einvernahme der Schwester des BF ergab, dass diese sich lediglich wegen des Leistenbruchs Sorgen um ihren Bruder gemacht hat, der die längste Zeit unbehandelt geblieben ist; mit keinem Wort erwähnte sie jedoch einen möglichen Konflikt mit dem Verlobten/Cousin der damaligen Frau des BF. Das deckt sich nicht mit dem primären Fluchtvorbringen des BF selbst: Wird einem Geschwister mit dem Tod gedroht, dann ist davon auszugehen, dass dies viel mehr Anlass zur Sorge gibt, als ein über Jahre hinweg unbehandelter aber weitgehend unproblematischer Leistenbruch. Außerdem: Wenn der BF anführt, seine Schwester sei wie eine Mutter für ihn, müsste man umso mehr davon ausgehen können, dass diese über eine ihrem Bruder drohende Todesgefahr Bescheid weiß.
Es liegt vor diesem Hintergrund daher nahe, dass der BF aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen nach Österreich kam und nicht, weil er tatsächlich eine lebensgefährliche Bedrohung zu gewärtigen hatte oder hat.
Die hier aufgezeigten Ungereimtheiten, Unplausibilitäten und die mangelnde Stringenz betreffen den wesentlichen Kern des primären Fluchtvorbringens des BF und machen seine Aussagen zur Flucht aus angeblicher Sorge vor der Verfolgung durch den Verlobten/Cousin der Exfrau des BF insgesamt unglaubwürdig. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass dem BF eine Gefahr durch den Cousin/Verlobten seiner Exfrau drohte oder nach wie vor droht.
Der BF hat im Zuge des Verfahrens auch nicht vorgebracht und ist auch sonst kein Hinweis dazu hervorgekommen, dass der BF den Schutz von Seiten des afghanischen Staats nicht hätte in Anspruch nehmen können.
2.3.2. Fluchtvorbringen der Geschwister des BF
Der Schwester des BF wurde in Österreich mit Entscheidung des AsylGH vom XXXX, XXXX, Asyl gewährt. Ihrer Flucht lag die Problematik einer drohenden Zwangsverheiratung und einer daraus entstehenden Familienfeindschaft, zu Grunde. Infolgedessen reiste die Familie, d. h. auch der BF, vor etwa 16 Jahren von Afghanistan in den Iran aus. Die Schwester des BF reiste sodann vor etwa 8 Jahren nach Österreich ein. Dies ergibt sich aus den Angaben der Schwester im Zuge ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 15.11.2017, Seiten 3 ff) sowie aus der im Rechtsinformationssystem des Bundes abrufbaren obzitierten Entscheidung.
Dem Bruder des BF wurde mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX, XXXX, Asyl nach § 3 AsylG nicht gewährt, weil es ihm nicht gelang, die damalige Problematik der Schwester auch als eine ihm drohende asylrelevante Gefahr glaubhaft zu machen. Dies ergibt sich aus der im Rechtsinformationssystem des Bundes abrufbaren, obzitierten Entscheidung, zum Bruder des BF.
Der BF nannte erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch den Asylgrund seiner Schwester als weiteren Grund, Afghanistan verlassen zu haben. Diese Aussage bezog sich jedoch auf die Ausreise aus Afghanistan vor - von heute zurückgerechnet - etwa 16 Jahren. In der Zwischenzeit lebte der BF auch wieder (unbehelligt) in Afghanistan. Im Verfahren kam nichts hervor, was eine Feststellung tragen würde, dass der Asylgrund der Schwester ein Grund war, warum er sich 2014 für eine (neuerliche) Ausreise aus Afghanistan entschieden hat.
Ebenso konnte keine Feststellung dazu getroffen werden, dass die Gründe, die für die Schwester des BF zur Zuerkennung des Status der Asylberechtigten geführt haben, auch heute noch ein Problem für den BF darstellen. Der BF gab an, 25 Jahre alt zu sein. Wenn er vor 16 Jahren ausgereist ist, war er damals neun Jahre alt. Es ist wenig wahrscheinlich, dass jemand im Heimatort des BF sich an ihn erinnern kann, weil er, als er den Heimatort verlassen hat, noch ein Kind war und mittlerweile zum Mann gereift ist.
Die Schwester des BF gab im Zuge der mündlichen Verhandlung an, die "Feindschaft" habe es in ihrem Dorf, XXXX, Khan Abad, gegeben (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 15.11.2017, Seite 6). Selbst wenn die damalige Problematik sich auch heute noch negativ auf den BF auswirken könnte, was bereits wegen der langen dazwischen liegenden Zeit bereits äußerst unwahrscheinlich ist, sind keine Hinweise hervorgekommen und wurde auch kein entsprechendes Vorbringen erstattet, dass diese Gefahr dem BF überall in Afghanistan drohen würde. Auch konnte der BF ein halbes Jahr lang unbehelligt von einer möglichen, seine Schwester betreffenden, Problematik, in Herat leben und führte den schwesterlichen Asylgrund auch bei seinen Einvernahmen seit 2014 nicht als eigenen "Fluchtgrund" ins Treffen. Dementsprechend konnten keine Feststellungen dazu getroffen werden, dass die angesprochene Problematik der Schwester überall in Afghanistan besteht, überhaupt aktuell noch besteht, oder den BF 2014 zur Ausreise bewegt hat.
2.3.3. Sonstige mögliche Gründe für eine Ausreise
In der Beschwerde wurde für den BF, vertreten durch die Diakonie, unter einem angeführt, er habe sich aus gesundheitlichen Gründen entschlossen, den Iran zu verlassen. Nach Afghanistan könne er nicht zurückkehren, weil er als Hazara ständiger Verfolgung ausgesetzt wäre.
Dieses Beschwerdevorbringen stützt lediglich die Feststellung, dass die Ausreise des BF (aus dem Iran) gesundheitliche Gründe gehabt hat, was auch in der Aussage der Schwester des BF Bestätigung findet. Ein Fluchtvorbringen wegen der ethnischen Zugehörigkeit oder religiösen Überzeugung des BF vermag dieses Vorbringen jedoch nicht zu unterstützen.
Themenkreis: Zugehörigkeit des BF zu den Hazara
Zunächst fällt auf, dass die ethnische Zugehörigkeit des BF (wenn auch bereits im Verfahren bekannt, vgl. dazu die Niederschriften über die Einvernahme des BF vom 27.11.2014 und vom 27.07.2017) erstmals in der Beschwerde (insb. Seiten 3 und 45) als Grund dafür genannt wurde, warum dem BF ein Leben in Afghanistan nicht zugemutet werden könne.
Außerdem erschöpfte sich das Beschwerdevorbringen zum Themenkreis der ethnischen Zugehörigkeit des BF in der bloßen Behauptung, ein Leben als Hazara sei in Afghanistan unmöglich, und in der Wiedergabe verschiedener Quellen wie Zeitungsartikel, ohne aber auf eine konkrete und individuelle Gefährdungslage des BF einzugehen. Das Vorbringen ist daher zu vage, um Feststellungen zu einer individuellen Gefährdungslage des BF zu treffen.
Dann steht das Vorbringen zur ethnische Zugehörigkeit des BF in der Beschwerde im Widerspruch zu anderen vom BF selbst gemachten Aussagen: So brachte der BF zu keinem Zeitpunkt persönlich vor, als Hazara einer besonderen Problematik in Afghanistan ausgesetzt gewesen zu sein. Zuletzt verneinte der BF in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Frage, ob er jemals Probleme in Afghanistan deshalb gehabt habe, weil er Hazare ist.
Hinsichtlich dieses widersprüchlichen Vorbringens ist den Aussagen des BF aus unmittelbarer Wahrnehmung seiner Situation in Herat mehr Glauben zu schenken, als den Ausführungen des Beschwerdeverfassers, auch wenn diese im Namen und zu Gunsten des BF getätigt wurden. Die Angaben des BF sind auch glaubwürdig: Schließlich hat der BF als Erwachsener in Herat, Afghanistan, gearbeitet; dort ist ihm jedoch wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit und Religion keine schlechte Behandlung widerfahren.
Auch wenn Hazara Diskriminierungen ausgesetzt sein können (vgl. auch die in Punkt 1.9.2. gemachten Feststellungen), trägt allein die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara keine Feststellung, dass deswegen ein Leben in Afghanistan unmöglich sei. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Hazara immerhin 10% der Bevölkerung Afghanistans ausmachen (vgl. auch die in Punkt 1.9.2. gemachten Feststellungen).
Das teilweise widersprüchliche und nicht individualisierte Beschwerdevorbringen im Hinblick auf eine mögliche Gefährdungslage des BF wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit konnte daher keine Feststellung stützen, der BF hätte wegen seiner ethischen Zugehörigkeit in Afghanistan Probleme gehabt oder wäre deswegen einer Gefahr ausgesetzt gewesen; es konnte daher auch keine Feststellung dahingehend getroffen werden, dass der BF bloß weil er ein Hazara ist, aus Afghanistan ausgereist wäre oder dies per se ein Hindernis für seine Rückkehr nach Afghanistan bedeutet.
Themenkreis: Religiöse Überzeugung
Gleichermaßen substanzlos blieb die am Rande erwähnte mögliche Problematik wegen der religiösen Überzeugung des BF als schiitischer Moslem. Der BF konnte hinsichtlich seines Glaubens selbst nichts über eine schlechte Behandlung ihm gegenüber berichten, auch wenn es zT Anschläge gegen Schiiten geben mag. Zudem wurde dieses Thema erstmals in der Beschwerde des BF aufgegriffen (insb. Seiten 3 und 45 der Beschwerde).
Zu diesem Thema verwiesen der BF und das Beschwerdevorbringen lediglich auf die allgemein schlechte Sicherheitslage in Afghanistan, der auch Angehörige des schiitischen Glaubens zum Opfer fallen würden. Aus den Feststellungen in den Länderberichten ergibt sich jedoch keineswegs, dass Schiiten einer systematischen Bedrohung durch Angehörige anderer Glaubensrichtungen ausgesetzt sind (vgl. schon die in Punkt 1.9.3. gemachten Feststellungen): So dürfen Schiiten ihre religiösen Feste öffentlich feiern, auch wenn es manchmal zu Zwischenfällen kommt; zudem werden Hazara wegen ihres schiitischen Glaubens keiner gezielten Diskriminierung ausgesetzt.
Da das Vorbringen des BF zu einer möglichen Bedrohung wegen seiner religiösen Überzeugung unsubstantiiert geblieben ist und auf Grund der Länderfeststellungen nicht von einer systematischen Bedrohung der Schiiten auszugehen ist, vermochte das hierzu erstattete Vorbringen keine Feststellungen zu tragen, dass die religiöse Überzeugung einen Grund für die Ausreise oder ein Hindernis für die Rückkehr darstellt.
2.4. Ausreise
Die Feststellungen zur Reiseroute des BF, zur Tragung der Kosten für die Reise nach Europa und zur Modalität der Geldüberweisung durch die Geschwister stützen sich auf die widerspruchsfreien Aussagen des BF im Zuge des gesamten Verfahrens (Niederschriften über die Einvernahmen vom 27.11.2014, 06.02.2015, 29.07.2015 und 27.07.2017 sowie insb. auch das Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seite 14) und auf die Aussagen seiner Geschwister in der mündlichen Verhandlung (vgl. zur Aussage des Bruders das Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seiten 19 f und zur Aussage der Schwester das Protokoll vom 15.11.2017, Seiten 3 ff).
2.5. Finanzielle Situation des BF
Die Feststellungen zur finanziellen Situation des BF gründen sich auf dessen glaubwürdige Aussagen (Niederschriften über die Einvernahmen vom 06.02.2015 und 27.07.2017 sowie insb. auch das Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seite 14) und auf die dahingehend übereinstimmenden Aussagen seiner Geschwister, die jeweils widerspruchsfrei und glaubhaft waren (vgl. zur Aussage des Bruders das Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2017, Seiten 19 f und zur Aussage der Schwester das Protokoll vom 15.11.2017, Seiten 3 ff).
2.6. Situation des BF in Österreich
Die Feststellungen zur Situation des BF in Österreich gründen sich auf dessen Aussagen im Zuge seiner Einvernahmen und während der mündlichen Verhandlung (Niederschriften über die Einvernahmen vom 27.11.2014, 06.02.2015, 29.07.2015 und 27.07.2017 sowie insb. auch die Verhandlungsprotokolle vom 14.11.2017 und vom 15.11.2017). Weiters stützen sich die Feststellungen auf die im Zuge des Verfahrens und der Verhandlung vorgelegten Dokumente (Urkunden betreffend die Teilnahme am "XXXX Kleinfeldturnier", Bestätigung über Verrichtung von Hilfstätigkeiten in der Gemeinde XXXX; Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse; Fitnessstudiovertrag) sowie auf die Aussagen seiner Geschwister in der mündlichen Verhandlung, die jeweils im Kern widerspruchsfrei und glaubhaft waren. Kleinere Ungenauigkeiten, beispielsweise ob der BF nach seiner Abschiebung nach Ungarn und wiederholter Einreise nach Österreich zwei Tage oder eine Woche bei seiner Schwester verbracht hat, bevor er sich der Polizei "gestellt" hat, begründen hinsichtlich der Angaben zum Aufenthalt in Österreich noch keine Unglaubwürdigkeit des hierzu erstatteten Vorbringens.
Der BF gab in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 27.07.2017 zwar an, seine Schwester sei für ihn "wie eine Mutter", doch war dieses Vorbringen nicht glaubwürdig: So sieht und hört der BF seine Schwester lediglich sporadisch und wohnt in Österreich auch nicht mit ihr zusammen. Vor der Ausreise des BF hat dieser seine Schwester für fünf Jahre nicht gesehen und hat der BF auch nur wenige Tage bei ihr verbracht, als er von Ungarn aus zum zweiten Mal in Österreich eingereist ist. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass der BF zu seiner Schwester eine besonders intensive Beziehung pflegt. Hinsichtlich seines Bruders hat der BF nicht behauptet, eine besonders intensive Beziehung zu diesem zu unterhalten. Auch hinsichtlich des Bruders konnte daher nichts Entsprechendes festgestellt werden.
2.7. Lage in Afghanistan und im Herkunftsort des BF
2.7.1. Allgemeine Lage in Afghanistan
Die Länderfeststellungen für Afghanistan und insbesondere die Herkunftsprovinz des BF sowie die mögliche innerstaatliche Fluchtalternative Herat gründen sich auf das vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herausgegebene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan - mit Stand vom 25.09.2017.
Dieses Dokument beruht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen. In ihrer Kernaussage bieten diese Dokumentationen ein stimmiges Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche. Für das BVwG besteht sohin kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.
In der Beschwerde wird hinsichtlich der angefochtenen Entscheidung der belangten Behörde unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des AsylGH moniert, dass Ausführungen zu Themen, die mit dem Vorbringen des BF in überhaupt keinem Bezug stehen, keine taugliche Entscheidungsgrundlage darstellen. Es wird auch ins Treffen geführt, dass mehrere Monate alte Beweismittel als überholt anzusehen seien. Mit diesem Vorbringen liegt der BF auch teilweise richtig. Klar ist, dass Ausführungen, die an der Sache vorbei gehen, nicht relevant sind. Doch gibt das bloße Alter eines Beweismittels keine Auskunft darüber, ob ein solches noch berücksichtigt werden dürfe; auch ältere "Beweismittel" oder Entscheidungsgrundlagen können herangezogen werden, sofern diese nicht überholt oder unrichtig geworden sind.
Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Vorgaben an die Sachbezogenheit und an die Aktualität von Entscheidungsgrundlagen gleichermaßen für verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Entscheidungen wie auch für das Vorbringen eines Beschwerdeführers gelten. Diesen Vorgaben wird das Beschwerdevorbringen jedoch nicht in jedem Punkt gerecht. In den nachfolgenden Punkten erfolgt eine gesammelte Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen:
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Die Ausführungen auf den Seiten 6 f der Beschwerde stützen sich auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (im Folgenden kurz: "UNHCR-Richtlinien") und datieren vom 19.04.2016. Soweit das Vorbringen die Situation der Hazara und der Schiiten betrifft, wurden diese in den Feststellungen in Punkt 1.9.2. und 1.9.3. oben bereits berücksichtigt. Zum anderen ergibt sich aus diesen Richtlinien, gleich wie aus den Länderberichten, ein facettenreiches Bild hinsichtlich der angesprochenen Gruppen: In beiden Dokumenten wird darauf hingewiesen, dass sowohl Schiiten als auch Hazara einer gewissen Diskriminierung unterliegen, sich deren Situation aber gebessert hat. Die getroffenen Feststellungen zu den Schiiten und den Hazara sind daher auch mit den UNHCR-Richtlinien vereinbar.
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Die in der Beschwerde zitierte Passage aus den UNHCR-Richtlinien (Seite 7 der Beschwerde), dass Personen, die angeblich gegen islamische Grundsätze verstoßen, einer schlechten Behandlung ausgesetzt sind bezieht sich lediglich auf eine schlechte Behandlung durch die Taliban und die ISIS bzw. sonstige regierungsfeindliche Kräfte. Dementsprechend waren die Feststellungen in Punkt 1.10.5., erster Absatz, zu treffen. Klar ist aber auch, dass die angesprochenen Gefahren nur dort drohen, wo diese regierungsfeindlichen Kräfte wirken, nicht aber in jenen Gebieten, die unter staatlichem Einfluss stehen; dies war in Punkt 1.10.5., dritter Absatz, festzustellen.
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Zur Lage der Hazara verweist die Beschwerde auf den Seiten 8 f auf eine Anfragebeantwortung vom 02.09.2016 von ACCORD zu Afghanistan. Diese Informationen sind deutlich älter, als die Länderberichte mit Stand vom 25.09.2017. Gleich wie in den aktuellen Länderberichten zeigt sich aber das Bild, dass Hazara immer wieder unterschiedlichen Formen von Diskriminierung ausgesetzt werden und auch Opfer verschiedener Verbrechen werden. Zudem sind viele der Ausführungen in der Beschwerde für den BF nicht relevant: So wurde er nie Opfer einer Entführung