TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/30 I407 2137226-1

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Veröffentlicht am 30.11.2017
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Entscheidungsdatum

30.11.2017

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I407 2137226-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie der fachkundigen Laienrichterin Mag. Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX(VN: XXXX), gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg, vom 19.08.2016 (BP: XXXX) betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit formularmäßigem Vordruck des Sozialministeriumservice Landesstelle Vorarlberg (in der Folge: belangte Behörde), beantragte Frau XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) am 05.07.2016, bei der belangten Behörde am 18.07.2016 eingelangt, die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. In einem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 11.08.2016 führte dieser, basierend auf der Aktenlage, zu den Funktionseinschränkungen im Wesentlichen wie folgt aus:

"Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funkti- onseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos. Nr.

GdB %

1

Stoffwechselstörung leichten Grades, "Zöliakie"

09.03.01

20

 

 

 

 

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Ad lfd. Nr. 1) glutenfreie Diät erforderlich -> GdB 20%

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Nicht vorhanden

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:.

x Dauerzustand

0 Nachuntersuchung , Begründung:

Die Antragstellerin / Der Antragsteller kann trotz ihrer/seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

x ja 0 nein

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor :

ja nein nicht

geprüft Die / Der Untersuchte

0 x 0 ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen

0 x 0 ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

0 x 0 ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

0 x 0 ist gehörlos

0 x 0 ist schwer hörbehindert

0 x 0 ist taubblind

0 x 0 ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates

0 x 0 ist Epileptikerin oder Epileptiker

0 x 0 bedarf einer Begleitperson

0 x 0 ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial

0 x 0 ist Orthesenträgerin oder Orthesenträger

0 x 0 ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger

Begründung:

Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmitte:

1) Welche Wegstrecke der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 - 400 Meter ist möglich. Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen können überwunden werden. Der sichere Transport ist gewährleistet

2) Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein, es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

Ja nein nicht geprüft

x 0 0 Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder

eine vergleichbare schwere

Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03, GdB: ab

0 x 0 Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit GdB: ab

x 0 0 Erkrankungen des Verdauungssystems GdB: 30

3. Mit Bescheid vom 19.08.2016 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass der Grad der Behinderung 20 % betrage.

4. Mit E-Mail vom 10.10.2016 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte begründend aus, dass vom Gutachter nicht angekreuzt worden sei, dass ihr Verdauungssystem erkrankt sei. Dies sei jedoch sehr wohl der Fall. Nach Aussagen ihres Arztes müsse sie strenge Diät halten, ansonsten werde laut seinen Aussagen ihre Gesundheit längerfristig aufs höchste gefährdet. Die Lebensmittel die sie brauche, seien sehr teuer. Auch fein Essen gehen oder in einem Kurzurlaub sei kompliziert. Trotz allem sei sie froh, dass sich seit ihrer Ernährungsumstellung die Wirkung eingestellt habe und sie sich viel wohler fühle - weniger Müdigkeit, keine Blähungen mehr, kein dauernder Völlezustand und ein verbesserter Stuhlgang. Sie finde es verwunderlich, dass ein Arzt ein Gutachten ausstellen könne über ihren Gesundheitszustand, ohne sie zu untersuchen und ohne jegliche Rücksprache bzw. Kontaktaufnahme mit ihr oder ihrem behandelnden Arzt. Komischerweise bekämen manche Menschen bei gleicher Krankheit einen Bescheid mit 30%, andere wie sie mit 20 % Behinderung, sie frage sich, wo da der Unterschied bzw. die Gleichberechtigung sei.

5. Am 14.10.2016 legte die belangte Behörde den Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor und gab eine Stellungnahme ab. Darin wird ausgeführt, dass die in der Beschwerde vorgebrachte Notwendigkeit einer glutenfreien Diät im ärztlichen Sachverständigengutachten vom 11.08.2016 berücksichtigt worden sei. Die vom Gutachter gewählte Position sehe bei Stoffwechselstörungen vor, dass - wenn ausschließlich diätetische Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen ermöglichen und die Erkrankung dadurch weitgehend stabilisiert werden könne - ein Rahmensatzwert von 10 - 20 % anzuwenden sei. Die Beschwerdeführerin habe weder in ihrem Antrag noch in ihrer Beschwerde die Notwendigkeit zusätzlicher therapeutischer Maßnahmen geltend gemacht und auch keine entsprechenden medizinischen Nachweise diesbezüglich vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Beschwerdeführerin stellte am 05.07.2016 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Die Beschwerdeführerin leider an der Funktionsbeeinträchtigung "Stoffwechselstörung leichten Grades" "Zöliakie". Es handelt sich dabei im Fall der volljährigen Beschwerdeführerin um eine Stoffwechselerkrankung leichten Grades, welche unter Positionsnummer 09.03.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung einzuordnen ist. Nachdem der Beschwerdeführerin die Führung ihres Alltags- und Arbeitslebens weitgehend ungehindert möglich ist und neben der strengen Einhaltung der gluteinfreien Diät keine weiteren therapeutischen Maßnahmen notwendig sind, ist eine Zuordnung zu einem Grad der Behinderung von 20% angemessen. Weitere Funktionseinschränkungen liegen nicht vor bzw. sind nicht Gegenstand des Verfahrens, so dass von einem Gesamtgrad der Behinderung von 20% ausgegangen werden muss.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellung bezüglich des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz im Inland hat, wurde einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister entnommen.

Die Feststellungen zum Grad der Behinderung beruhen auf dem erstinstanzlichen Gutachten vom 11.08.2016. Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin an Zöliakie leidet - an einer Stoffwechselerkrankung leichten Grades, welche ihr zwar die strenge Einhaltung einer Diät abverlangt, unter dieser Voraussetzung aber ein weitgehend ungehindertes Leben ermöglicht. Im Gutachten wurde die Funktionseinschränkung der Positionsnummer 09.03.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet und ein Grad der Behinderung von 20% angenommen.

Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem Sachverständigengutachten von Dr. R. U. vom 11.08.2016 aufgrund der Aktenlage.

Ein Gutachten ist auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.

Im vorliegenden Verfahren wird das Sachverständigengutachten vom 11.08.2016 als vollständig und schlüssig beurteilt.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung.

Weder die Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde sind den von der Sachverständigen getroffenen Feststellungen entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass ihre Diät eine finanzielle und psychische Belastung darstellen, so ist dem entgegenzuhalten, dass diese Einschränkungen nicht als so schwerwiegend anzusehen sind, dass eine psychische Erkrankung daraus resultieren würde, welche einen höheren Gesamtgrad der Behinderung nahelegen würde.

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur gekennzeichnet. Zudem wurde von der Beschwerdeführerin weder in der Beschwerde noch im Rahmen des Parteiengehörs ein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erscheinen ließ, vielmehr blieb das vom Gericht erstattete Gutachten unwidersprochen.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Nach Art. 130 Abs. 4 B-VG hat das Verwaltungsgericht in Rechtssachen nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (außer Verwaltungsstrafsachen) dann in der Sache zu entscheiden, wenn (1.) der maßgebliche Sachverhalt feststeht, oder wenn (2.) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Im vorliegenden Fall steht der für das Beschwerdeverfahren relevante Sachverhalt fest.

Zu A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

§ 40 Abs. 2 BBG lautet: "Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist."

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. Gemäß Absatz 2 ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 45 Abs. 1 BBG gemäß unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Laut Absatz 2 des § 45 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Das von belangten Behörde beauftragte Sachverständigengutachten und die darin enthaltende Stellungnahme vom 11.08.2016 eines Facharztes für Allgemeinmedizin steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch und erfüllt die Voraussetzungen der Vollständigkeit und Schlüssigkeit.

Nachdem die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (ein Grad der Behinderung von 50% wurde nicht erreicht), war spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" die Innehabung eines Behindertenpasses voraussetzt. Da im gegenständlichen Beschwerdefall die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben waren, war es auch nicht notwendig, sich damit auseinander zu setzen, ob die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist oder nicht.

Zu Spruchpunkt B)

3.4. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I407.2137226.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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