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L7030 Buchmacher, Totalisateur, WettenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Zurückweisung einer Beschwerde bzw Einstellung des Verfahrens betreffend den - im Zusammenhang mit einem Straferkenntnis wegen Vermittlung von Wettkunden ausgesprochenen - Verfall näher bezeichneter Gegenstände infolge widersprüchlicher BegründungSpruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch die Spruchpunkte 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.
Der Beschluss wird insoweit aufgehoben.
II. Das Land Wien ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.357,60 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Bescheid vom 8. Februar 2017 verhängte der Magistrat der Stadt Wien eine Geldstrafe in Höhe von € 6.300,– über den Zweitbeschwerdeführer, weil er es als gemäß §9 Abs1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft ohne die gemäß dem Gesetz betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens ("GTBW-G") erforderliche Konzession gewerbsmäßig Wettkunden an die erstbeschwerdeführende Gesellschaft als Buchmacherin vermittelt habe. Mit demselben Bescheid erklärte der Magistrat der Stadt Wien gemäß §2 Abs4 GTBW-G näher bezeichnete Eingriffsgegenstände, welche – wie sich aus der Begründung des Bescheides ergibt – "unstrittig" im Eigentum der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft standen, für verfallen.
2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Einschreiter Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, welches diese hinsichtlich der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft mit dem angefochtenen Beschluss zurückwies. Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien hiezu aus, Adressaten und damit auch Parteien des angefochtenen Bescheides seien nur der Zweitbeschwerdeführer sowie eine näher bezeichnete gemäß §9 Abs7 VStG haftungsbeteiligte Gesellschaft gewesen. Eine Parteistellung der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft wird sodann mit folgender Begründung verneint:
"Da durch das gegenständliche Straferkenntnis kein Verfall im Hinblick auf einen Gegenstand ausgesprochen worden ist, kommt auch keiner Person, welche auf irgend einen Gegenstand (etwa einen beschlagnahmten Gegenstand) ein Anrecht hat, eine Parteistellung zu.
Sohin ist aber kein Umstand zu erblicken, auf welchen die Beschwerdeführerin ihre Parteistellung stützten könnte. Auf einen nicht ausgesprochenen Verfall kann diese im Hinblick auf diesen Nichtausspruch jedenfalls keine Parteistellung knüpfen."
Im Hinblick auf den Zweitbeschwerdeführer gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde hingegen statt, behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z1 VStG ein. Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien hiezu – zusammengefasst – aus, es könne nicht festgestellt werden, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich eine Vermittlung von Wettkunden an die erstbeschwerdeführende Gesellschaft stattgefunden habe.
3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG behauptet wird. Begründend führen die Beschwerdeführer hiezu aus, dass nicht klar sei, ob mit der stattgebenden Entscheidung hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers auch der Verfallsausspruch behoben worden sei. Die Beschwerdeführer gingen zwar von einer solchen Sichtweise aus – womit keine Beschwer im verfassungsgerichtlichen Verfahren bestünde – es bleibe allerdings eine Rechtsunsicherheit; insbesondere deshalb, weil das Verwaltungsgericht Wien die Entscheidung mit Beschluss und nicht mit Erkenntnis getroffen habe. Jedenfalls hätte das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft nicht zurückweisen dürfen, weil diese Eigentümerin der mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 8. Februar 2017 für verfallen erklärten Gegenstände sei. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes Wien, wonach in diesem Bescheid kein Verfall ausgesprochen worden sei, seien absolut unzutreffend und stellten eine bloße Scheinbegründung dar. Dass das Gegenteil zutreffe, ergebe sich sowohl aus dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien selbst als auch aus den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses. Schließlich sei auch unklar, ob und inwieweit die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers gegen den Verfallsausspruch durch den angefochtenen Beschluss erledigt worden sei.
4. Der Magistrat der Stadt Wien gab bekannt, dass die Verwaltungsakten auf Grund einer außerordentlichen Revision bereits an den Verwaltungsgerichtshof übermittelt worden seien und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
5. Das Verwaltungsgericht Wien legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Rechtslage
§1 und §2 des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens ("GTBW-G"), StGBI. 388/1919, idF LGBl 26/2015, lauteten:
"I. Verwaltungsrechtliche Bestimmungen.
Bewilligung
§1. (1) Die gewerbsmäßige Vermittlung und der gewerbsmäßige Abschluss von Wetten sowie die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden aus Anlass sportlicher Veranstaltungen ist nur mit Bewilligung der Landesregierung zulässig.
(2) Zur gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten der im ersten Absatz bezeichneten Art dürfen nur die im Anschluss an sportliche Veranstaltungen bestehenden besonderen Unternehmungen (Totalisateurinnen und Totalisateure) zugelassen werden. Diese müssen die Gewähr voller Vertrauenswürdigkeit besitzen.
(3) Die Bewilligung zum gewerbsmäßigen Abschluss der im ersten Absatz angeführten Wetten darf nur Personen erteilt werden, welche die Gewähr voller Vertrauenswürdigkeit bieten. Personen, denen diese Bewilligung erteilt wurde, werden in diesem Gesetz als Buchmacherinnen und Buchmacher bezeichnet.
(3a) Die Bewilligung zur gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden darf nur Personen erteilt werden, welche die Gewähr voller Vertrauenswürdigkeit bieten. Personen, denen diese Bewilligung erteilt wurde, werden in diesem Gesetz als Vermittlerin oder Vermittler von Wettkundinnen und Wettkunden bezeichnet.
(4) Die Landesregierung kann die Bewilligung (Abs1) zurücknehmen, für den Fall, daß die Voraussetzung der vollen Vertrauenswürdigkeit nicht mehr zutrifft.
(5) Die Unternehmungen für sportliche Veranstaltungen dürfen nur mit Zustimmung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Finanzen Abzüge von den Wetteinsätzen beim Totalisateur vornehmen oder den Wettenden und den an ihrem Sitze Wetten abschließenden Buchmachern sonstige Leistungen auferlegen; die Höhe dieser Abzüge oder Leistungen wird vom Staatsamte für Inneres und Unterricht im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Finanzen festgesetzt.
Strafbestimmungen
§2. (1) Wer ohne Bewilligung der Landesregierung Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen gewerbsmäßig abschließt oder vermittelt oder bei diesem Abschluss (dieser Vermittlung) mitwirkt, wer ohne Bewilligung der Landesregierung aus Anlass sportlicher Veranstaltungen Wettkundinnen und Wettkunden gewerbsmäßig vermittelt, ferner wer die ihm erteilte Bewilligung der Landesregierung überschreitet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet - mit einer Geldstrafe bis 22.000 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen.
(2) Weiters begeht eine Verwaltungsübertretung und ist - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet - mit einer Geldstrafe bis 22.000 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer in einem zur Ausübung seiner oder ihrer Erwerbstätigkeit bestimmten allgemein zugänglichen Betriebsraum (Gast- und Schankgewerbelokalität, Vergnügungsunternehmung usw.) die gewerbsmäßige Vermittlung oder den gewerbsmäßigen Abschluss der im ersten Absatz bezeichneten Wetten oder die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden betreffend die im ersten Absatz bezeichneten Wetten erlaubt.
(3) Derselben Strafe unterliegt:
1. wer bei dem gewerbsmäßigen Abschluss oder der gewerbsmäßigen Vermittlung der im ersten Absatz angeführten Wetten mitwirkt;
2. wer bei der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden betreffend der der im ersten Absatz angeführten Wetten mitwirkt;
3. wer in einem zur Ausübung seiner oder ihrer Erwerbstätigkeit bestimmten, allgemein zugänglichen Betriebsraum (Gast- und Schankgewerbelokalität, Vergnügungsunternehmungen usw.) die gewerbsmäßige Vermittlung oder den gewerbsmäßigen Abschluss der im ersten Absatz bezeichneten Wetten oder die Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden betreffend der im ersten Absatz angeführten Wetten duldet.
(4) Mit der Bestrafung nach dem ersten und zweiten Absatze ist der Verfall der bei Ergreifung auf frischer Tat vorgefundenen, zur strafbaren Handlung verwendeten Betriebsmittel, Wetteinsätze und Gewinste des Übertreters zu verbinden.
(5) Zur Bestrafung ist die politische Bezirksbehörde und, wo sich eine staatliche Sicherheitsbehörde befindet, diese berufen. Die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren betreffend die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden obliegt dem Magistrat."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann dem Verwaltungsgericht unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn es den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn die angefochtene Entscheidung wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).
2. Solche Fehler sind dem Verwaltungsgericht Wien im konkreten Fall unterlaufen:
Das Verwaltungsgericht Wien wies die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft vor dem Verfassungsgerichtshof mit der Begründung zurück, dass im angefochtenen Bescheid kein Verfall ausgesprochen worden sei. Dies widerspricht – wie die beschwerdeführenden Parteien zutreffend ausführen – nicht nur dem Inhalt des im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, sondern auch den eigenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes Wien im angefochtenen Beschluss: Auf Seite 34 dieses Beschlusses trifft das Verwaltungsgericht Wien nämlich die Feststellung (soweit sich im Rahmen der angefochtenen Entscheidung überhaupt ein derartiger Abschnitt festmachen lässt; vgl. zu den notwendigen Elementen einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung VwGH 22.2.2017, Ra 2015/17/0059), dass näher bezeichnete im Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 8. Februar 2017 genannte "beschlagnahmte Geräte" im Eigentum der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft stünden (ebenso auf Seite 40 des angefochtenen Beschlusses). Zusätzliche Unklarheit entsteht in diesem Zusammenhang dadurch, dass der von den Einschreitern vor dem Verwaltungsgericht Wien bekämpfte Bescheid des Magistrates der Stadt Wien an unterschiedlichen Stellen des angefochtenen Beschlusses zwar mit identer Geschäftszahl, aber mit unterschiedlichem Datum (31. Jänner 2017 bzw. 8. Februar 2017) angeführt ist. Ob und inwiefern über eine sich gegen den Verfallsausspruch richtende Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers abgesprochen wird, bleibt unersichtlich (vgl. zur Beschlagnahme als Teil des Verwaltungsstrafverfahrens VwGH 24.2.2012, 2009/02/0337).
Damit erweist sich die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien, welche über mehrere Beschwerden in einem abspricht, insgesamt als widersprüchlich, womit die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt werden.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführer sind somit durch die Spruchpunkte 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.
Der Beschluss ist daher insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 218,–, Umsatzsteuer in der Höhe von € 479,60 sowie die Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 480,– enthalten.
Schlagworte
Wetten, Verwaltungsstrafrecht, Verfall, EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E3486.2017Zuletzt aktualisiert am
15.12.2017