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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im AnlassfallSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Die Stadt Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt
1. Mit Straferkenntnis vom 26. September 2013 hat der Magistrat der Stadt Wien über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von € 60,– (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt, weil er zu einem näher genannten Zeitpunkt ein näher genanntes Kfz in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt habe, ohne das Kfz mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben.
2. Mit Erkenntnis vom 9. Dezember 2015 (dem Beschwerdeführer zugestellt am 15. Dezember 2015) hat das Bundesfinanzgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führt das Bundesfinanzgericht aus, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer sein Kfz in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt habe, ohne die Parkgebühr zu entrichten. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der maßgeblichen Kurzparkzonenverordnung teile das Bundesfinanzgericht nicht. Nach der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes genüge für die Kundmachung einer flächendeckenden Kurzparkzone die Aufstellung entsprechender Verkehrsschilder an den Zu- und Ausfahrten dieser Zone. Das Fehlen der Aktenvermerke nach §44 Abs1 des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), führe nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht zur Rechtswidrigkeit der Kundmachung der Verordnung, sondern sei eine bloße Ordnungsvorschrift. Die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 StVO 1960 teile das Bundesfinanzgericht nicht. Es gebe keine Hinweise, dass den Beschwerdeführer an der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Die Strafbemessung sei angemessen.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§25 Abs2 StVO 1960) sowie wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (Kurzparkzonenverordnung für den 12. Wiener Gemeindebezirk MA 46–DEF/10391/12) behauptet wird.
4. Das Bundesfinanzgericht hat weder die Gerichtsakten vorgelegt noch eine Gegenschrift erstattet.
5. Der Magistrat der Stadt Wien hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er dem Beschwerdevorbringen entgegentritt.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 27. November 2017, G182/2017 ua., die Wortfolge ", wobei jedoch die Frist gemäß §43 Abs1 VwGVG 24 Monate beträgt" in §24 Abs1 Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl I 14/2013 idF BGBl I. 105/2014, als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Das Bundesfinanzgericht hat bei der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer wurde durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E115.2016Zuletzt aktualisiert am
04.01.2018