Entscheidungsdatum
14.11.2017Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §26 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Alois Huber über die Beschwerde der AA, Z, vertreten durch RA Dr. BB, Y, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 13.07.2017, Zl ****, nach durchgeführter mündlicher Beschwerdeverhandlung,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 13.07.2017, Zl **** lautet bis zur Rechtsmittelbelehrung wie folgt:
„Frau AA, vertreten durch RA Dr. BB, hat mit Antrag vom 27.04.2017 um Erteilung einer Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund wegen der ergangenen gerichtlichen Verurteilungen für die Ausübung des Gewerbes „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk) gem. §94 Z 13 GewO“ als gewerberechtliche Geschäftsführerin angesucht.
S p r u c h
1. Die Bürgermeisterin der Stadt Y als Gewerbebehörde I. Instanz gemäß § 333 Abs 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) entscheidet über den gegenständlichen Antrag gem. § 346 GewO 1994 wie folgt:
Gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 wird Frau AA die Nachsicht vom Ausschluss der Tätigkeit als gewerberechtliche Geschäftsführerin im Gewerbe „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk) gem. §94 Z 13 GewO“ wegen der gerichtlichen Verurteilungen
v e r w e i g e r t.
2. Gemäß Tarifpost 135 lit. a der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24/1983, idgF, beträgt die Verwaltungsabgabe für die Erledigung des Antrages, gerichtet auf die Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund, mittels Bescheides EUR 32,70.
Dieser Betrag ist gemäß § 78 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 idgF, vom Antragsteller binnen 14 Tagen nach Rechtskraft dieses Bescheides (§2 Abs 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983) mit beiliegendem Erlagschein zu bezahlen.
Hinweis:
Gemäß den Bestimmungen des Gebührengesetzes 1957, BGBl Nr. 267/1957, idgF, sind Eingaben und deren Beilagen sowie die Erledigung zu vergebühren.
Die im Verfahren aufgelaufenen Stempelgebühren betragen:
€ 14,30 Antragsgebühr (§ 14 TP 6 Abs 1 Gebührengesetz 1957),
€ 23,40 Beilagen (§ 14 TP 5 Abs 1 Gebührengesetz 1957),
Zur Entrichtung der Stempelgebühren ist daher binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Bescheides (§11 Abs 1 Z 1 Gebührengesetz 1957) ein Betrag von € 37,70 mittels beiliegendem Zahlschein zu entrichten.
Die Höhe der in diesem Verfahren angelaufenen und zu bezahlenden Kosten beläuft sich auf insgesamt € 70,40.“
Gegen diesen Bescheid hat AA durch ihren Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 20.07.2017 rechtzeitig Beschwerde erhoben.
In dieser Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, den wesentlichen und entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig zu ermitteln. Die belangte Behörde habe damit gegen § 37 iVm § 39 AVG verstoßen. Die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführerin als Partei persönlich laden und einvernehmen müssen. Dadurch hätte sich die belangte Behörde selbst einen Eindruck von der Beschwerdeführerin machen können.
Hätte die belangte Behörde die Einholung der gesamten Strafakten veranlasst und sich mit den Verurteilungen im Detail auseinandergesetzt, hätte sich ergeben, dass die Strafgerichte günstige Prognosen für die Beschwerdeführerin angestellt haben und die Strafen, bis auf die letzte Verurteilung, bedingt verhängt hätten. Dass die belangte Behörde im Gegensatz dazu befürchte, dass die Beschwerdeführerin als gewerberechtliche Geschäftsführerin wiederholt straffällig werden würde, sei nicht nachvollziehbar und nicht begründet. Die belangte Behörde stütze sich ausschließlich auf die strafgerichtlichen Tatbestände, die den Verurteilungen laut Strafregisterauszug zugrunde liegen würden. Die belangte Behörde hätte jedoch bei Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Nachsicht auf die Eigenart der strafbaren Handlungen einerseits als auch auf das Persönlichkeitsbild der Beschwerdeführerin andererseits Bedacht nehmen müssen. Dies zumal die gewerberechtliche Geschäftsführerin lediglich die Verantwortlichkeit für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften, jedoch kein sonstiger Verantwortungsbereich, treffe. Die gewerberechtliche Geschäftsführerin wäre auch nicht mit der wirtschaftlichen Führung des Unternehmens beauftragt. Hätte die belangte Behörde die Strafakten eingeholt und die Beschwerdeführerin persönlich einvernommen, wäre festzustellen gewesen, dass in keiner Weise zu befürchten gewesen wäre, dass die Beschwerdeführerin in Zukunft als gewerberechtliche Geschäftsführerin gleichartige Straftaten begehen würde. Insbesondere wäre nicht zu befürchten gewesen, dass die Beschuldigte aufgrund ihrer Verurteilung wegen Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c StGB im Tatzeitraum 15.09.2009 bis 15.12.2009 – also vor acht Jahren – als gewerberechtliche Geschäftsführerin des Unternehmens ihres eigenen Sohnes gleichartige strafrechtliche Taten begehen würde.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung würden daher die Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung einer Nachsicht vorliegen.
Hinzu komme, dass die der ersten Verurteilung durch das Amtsgericht X zugrunde liegende Tat mit 01.02.2008 datiere und der Verurteilung durch das LG Y zu **** eine Tatbegehung im Zeitraum vom 15.09.2009 bis 15.12.2009 zugrunde liege. Beide Sachverhalte würden damit also neun bzw acht Jahre zurückliegen. Beide Vorstrafen wären sogar bereits getilgt, wenn es nicht zur Verurteilung durch das BG Y gekommen wäre, wobei diese Tat weder im Zusammenhang mit einer gewerblichen oder unternehmerischen Tätigkeit gestanden sei und auch schon vier Jahre zurückliege. Da sich die Beschwerdeführerin damit bereits etwa seit acht Jahren nichts mehr Relevantes zuschulden kommen habe lassen, irre die belangte Behörde in ihrer Einschätzung, dass die Zeitspanne zu kurz sei, um die Gefahr einer Wiederbegehung auszuschließen. Die belangte Behörde hätte eine positive Prognose für die Zukunft abgeben müssen und die Nachsicht erteilen müssen.
Überdies seien Stempelgebühren von Euro 37,70 im gegenständlichen Fall zweimal angeordnet worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch diese Gebühr schon einmal entrichtet und dürften diese nicht ein zweites Mal vorgeschrieben werden.
Bei der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde die Beschwerdeführerin einvernommen. Weiters wurden die von den Gerichten eingeholten Akten, einerseits des LG Y zu **** sowie andererseits des BG Y zu ****, dargetan. Überdies wurde der erstinstanzliche Akt verlesen und ein von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin gelegtes Schreiben des Stadtmagistrates Y an CC vom 03.05.2017 dargetan.
Der Beschwerde kam keine Berechtigung zu.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht insbesondere nachstehender Sachverhalt fest:
Die Beschwerdeführerin ist am xx.xx.xxxx in Serbien geboren und ist nach ihrem Pflichtschulabschluss in Serbien mit 15 Jahren nach Österreich gekommen. Seit dem Jahr 2000 arbeitete sie als angestellte Reinigungskraft in Reinigungsfirmen. Mit 2005 gründete sie ein eigenes Reinigungsunternehmen in Z. In der Zeit der Betriebsführung in Z beschäftigte sie in ihrem Unternehmen zahlreiche Reinigungskräfte.
Die Beschwerdeführerin wurde insgesamt dreimal rechtskräftig gerichtlich verurteilt:
1. Verurteilung des Amtsgerichtes X vom 09.12.2009 zu Zahl ****:
Mit diesem Urteil wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erklärt, eine Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug begangen zu haben und wurde deswegen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, wobei die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. In diesem Urteil wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am 01.02.2008 in den Räumen der W-Bank in X gefälschte Gehaltsabrechnungen der Monate Dezember 2007 bis Januar 2008 sowie eine Arbeitsbescheinigung der Firma DD in V vorgelegt habe, in der Absicht, einen Kredit mit einem Nettodarlehensbetrag in der Höhe von Euro 28.790,00 von der Bank zu erlangen. Da die Fälschungen jedoch als solche erkannt worden seien, sei es nicht zur Auszahlung des Darlehensbetrages gekommen.
Die Beschwerdeführerin erklärte dazu in ihrer Einvernahme, dass sie dieses Darlehen in erster Linie für die Abdeckung von privaten Schulden benötigt hätte.
Mit Bewährungsbeschluss vom 09.12.2009 des Amtsgerichtes X wurde die Bewährungsfrist auf drei Jahre festgesetzt, wobei diese Frist mit weiterem Beschluss des Amtsgerichtes X vom 06.08.2011 um ein Jahr, also bis einschließlich 08.12.2013 verlängert worden ist. Grund hiefür war, dass die Beschwerdeführerin Bewährungsauflagen verletzt hat.
2. Verurteilung des Landesgerichtes X vom 12.12.2011 zu Zahl ****:
Mit Urteil des Landesgerichtes Y vom 12.12.2011 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe in der Zeit vom 15.09.2009 bis 15.12.2009 in Z als Dienstgeberin (EE) Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt Euro 11.412,54 der Tiroler Gebietskrankenkasse als berechtigten Versicherungsträger vorsätzlich vorenthalten, indem sie diese die fälligen Dienstnehmeranteile für die Monate August 2009 bis November 2009 nicht weitergeleitet habe, wodurch die Beschwerdeführerin das Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB begangen habe und sie zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt worden ist. Zufolge des Umstandes, dass der einzelne Tagessatz lediglich mit Euro 4,00 bestimmt worden ist, betrug die gesamte Geldstrafe Euro 800,00. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde der Vollzug der verhängten Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Die Beschwerdeführerin erklärte dazu insbesondere, dass sie diese Sozialversicherungsbeiträge zur Abdeckung von Schulden verwendet habe.
3. Verurteilung durch das Bezirksgericht Y vom 02.12.2013 zu Zahl ****:
Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Y vom 02.12.2013 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe am 13.07.2013 in Z beim Bankomaten mit der Nummer **** aus der Gewahrsame der U zum Nachteil der FF eine fremde bewegliche Sache, nämlich Euro 200,00, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wodurch sie das Vergehen des Diebstahles nach § 127 begangen habe und zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit 35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt worden ist (der einzelne Tagessatz wurde mit Euro 4,00 bemessen, sodass die Geldstrafe Euro 280,00 beträgt). Mit diesem Urteil wurde der Beschluss gefasst, dass vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht im Verfahren **** des LG Y abgesehen wird, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wird.
Die Beschwerdeführerin gab zu dieser Verurteilung an, dass ihr damals schon bewusst gewesen sei, dass sie das in der Geldlade vorgefundene Geld am Bankomaten nicht behalten hätte dürfen.
Hinsichtlich der Beschwerdeführerin war beim Bezirksgericht Y Zl **** ein Schuldenregulierungsverfahren anhängig, wobei der Zahlungsplan mit Beschluss des Bezirksgerichtes Y vom 13.12.2011 angenommen worden ist. Nach diesem hat die Beschwerdeführerin 15 % (der Schulden) zahlbar in sieben Jahren in 14 gleichen halbjährlichen Raten, beginnend mit 12.06.2012, letzte Rate 12.12.2018, zu bezahlen.
Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe ihrer Rechtsvertretung vom 25.04.2017 bei der Bürgermeisterin der Stadt Y um Nachsicht vom Gewerbeausschluss zum Zweck der Bestellung zur gewerberechtlichen Geschäftsführerin angesucht. In diesem Antrag wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin beabsichtige, gewerberechtliche Geschäftsführerin für CC, Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk), Adresse 2, Y zu werden.
Bei CC handelt es sich um den Sohn der Beschwerdeführerin. Durch diesen Antrag sollte der Ehemann der Beschwerdeführerin, nämlich GG, als gewerberechtlicher Geschäftsführer des CC abgelöst werden.
Die Beschwerdeführerin arbeitet seit mehreren Jahren im Betrieb des CC und ist dabei auch zum Großteil für die bürokratischen Aufgaben im Büro zuständig. Sie ist dabei angestellt mit 40 Wochenstunden.
Diese Feststellungen ergeben sich aufgrund der eingeholten Gerichtsakten, wobei hinsichtlich der Verurteilung des Amtsgerichtes X auszuführen ist, dass sich eine Urteilsausfertigung im Akt des Landesgerichtes Y zu **** findet.
Weiters ergeben sich die Feststellungen aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme im Beschwerdeverfahren.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass nach § 13 Abs 1 der Gewerbeordnung, BGBl Nr 194/1994 idgF, natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen sind, wenn sie
1. von einem Gericht verurteilt worden sind
a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder
b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und
2. die Verurteilung nicht getilgt ist.
Nach § 2 Abs 1 des Tilgungsgesetzes beginnt die Tilgungsfrist zu laufen, sobald alle Freiheits- oder Geldstrafen und die mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen sind, als vollzogen gelten, nachgesehen worden sind oder nicht mehr vollzogen werden dürfen.
§ 4 Abs 1 des Tilgungsgesetzes regelt, dass dann, wenn jemand rechtskräftig verurteilt wird, bevor eine oder mehrere frühere Verurteilungen getilgt sind, die Tilgung aller Verurteilungen nur gemeinsam eintreten.
Nach § 7 Abs 1 des Tilgungsgesetzes stehen ausländische Verurteilungen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und in einem den Grundsätzen des Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958 entsprechenden Verfahren ergangen sind.
Damit ist die Verurteilung des Amtsgerichtes X naturgemäß für die Tilgung relevant.
Die Tilgungsfrist nach § 3 Abs 1 Z 2 Tilgungsgesetz beträgt fünf Jahre, wobei insbesondere aufgrund der letzten Verurteilung durch das Bezirksgericht Y die Tilgungsfrist, wie auch nicht bestritten, längst noch nicht abgelaufen ist.
Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale für die Erteilung der Nachsicht selbstständig zu beurteilen, ohne hiebei an gerichtliche Strafzumessungsgründe bzw den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht oder den Strafaufschub gebunden zu sein, handelt es sich doch dabei lediglich um einen ausschließlich von der Behörde zu beurteilenden gewerberechtlichen Tatbestand (VwGH vom 27.05.2009, 2009/04/0101).
Der Umstand, dass eine bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen worden ist, ist dabei nicht relevant (VwGH 02.06.2004, 2004/04/0065).
Insbesondere die Verurteilung des Landesgerichtes Y wegen Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung steht einer positiven Prognoseentscheidung iSd § 26 Abs 1 GewO entgegen. Dabei hat die Beschuldigte in einem Zeitraum von drei Monaten eine erhebliche Gesamtsumme von Sozialversicherungsbeiträgen der Dienstnehmer nicht an die Gebietskrankenkasse abgeführt. Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme selbst angegeben hat, erledigt sie zum Großteil die bürokratischen Angelegenheiten ihres Sohnes. Zweifelsfrei beschäftigt dieses Unternehmen Reinigungskräfte. Damit ist keinerlei Gewähr dafür gegeben, dass nicht zu befürchten wäre, dass in Hinkunft durch die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin im Unternehmen von ihr Tatbestände nach § 153c StGB begangen werden. Aus dieser Sicht wäre die Funktion der Beschwerdeführerin als gewerberechtliche Geschäftsführerin im Betrieb jedenfalls als bedenklich anzusehen.
Auch die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin bietet keine Gewähr dafür, dass derartige Vergehen in Hinkunft nicht mehr verübt werden. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass die Beschwerdeführerin offenbar eine problematische Einstellung zu fremden Vermögenswerten hat. Anders wäre die Einbehaltung der Euro 200,00 am Bankomaten laut Urteil des Bezirksgerichtes Y aber auch nicht der Versuch, durch Vorlage einer gefälschten Gehaltsbestätigung ein Darlehen in erheblicher Höhe zu erhalten (Verurteilung des Amtsgerichtes X) zu erklären. Daran kann nichts ändern, dass es keinen Hinweis dafür gibt, dass die Beschwerdeführerin den Zahlungsplan im Schuldenregulierungsverfahren nicht einhalten würde. Insgesamt gesehen kann keine günstige Prognose für die Beschwerdeführerin abgegeben werden, sodass nach der Eigenart der strafbaren Handlungen im gegenständlichen Fall und nach der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin keine Gewähr dafür besteht, dass bei Ausübung der Tätigkeit als gewerberechtliche Geschäftsführerin nicht zu befürchten wäre, dass gleiche oder ähnliche Straftaten begangen werden.
Hinsichtlich dem Einwand, dass sich die belangte Behörde zwar auf § 346 GewO stütze, jedoch kein Gutachten eingeholt habe, ist darauf zu verweisen, dass es sich bei dieser Bestimmung ohnehin lediglich um eine Kannbestimmung handelt und aufgrund der aufgenommenen Beweise auch ohne Gutachten der Wirtschaftskammer festgestellt werden konnte, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Nachsicht nicht vorliegen.
Soweit weiters vorgebracht worden ist, die Stempelgebühren wären zweimal vorgeschrieben worden, ist anzuführen, dass der frühere Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 11.05.2017, mit dem diese Gebühren vorgeschrieben worden sind, nachfolgend mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 10.06.2017 ersatzlos behoben worden ist. Damit ist es nicht richtig, dass Gebühren doppelt vorgeschrieben worden wären.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der überaus umfangreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 GewO ab.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Alois Huber
(Richter)
Schlagworte
Prognoseentscheidung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.18.1892.5Zuletzt aktualisiert am
14.12.2017