TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/23 LVwG-2017/25/2296-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.11.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze;
90/01 Straßenverkehrsrecht;

Norm

AVG §45 Abs2
StVO 1960 §52 lita Z10a
StVO 1960 §99 Abs2d

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Alexander Hohenhorst über die Beschwerde von Frau AA, wohnhaft Adresse 1, **** Z, vom 22.09.2017, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 08.09.2017, Zl ****, betreffend einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.   Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.   Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 36,-- zu leisten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem bekämpften Straferkenntnis wird Frau A angelastet, sie habe am 10.08.2016 um 21.55 Uhr in Y, X-Autobahn A **, Straßenkilometer **** in Richtung Norden als Lenkerin des Fahrzeuges mit dem deutschen Kennzeichen **-**** die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 37 km/h überschritten, wobei die Überschreitung mit einem Messgerät festgestellt und die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu ihren Gunsten abgezogen wurde. Sie habe damit § 52 lit a Z 10a StVO verletzt, weshalb gem § 99 Abs 2d StVO über sie eine Geldstrafe in der Höhe von € 180,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage und 3 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Ihre Beitragspflicht zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahren wurde mit € 18,-- bestimmt.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in der die Beschuldigte vorbringt, dass sie bereits in ihrem Schreiben vom 10.08.2017 mitgeteilt habe, nicht zum besagten Zeitpunkt gefahren zu sein, sondern ihr Schwager, der bei ihr zu Besuch gewesen sei. Dieses Schreiben wurde nochmals vorgelegt und der Antrag gestellt, von der Strafe abzusehen.

In der mündlichen Verhandlung am 23.11.2017 wurde Beweis aufgenommen durch die Verlesung der Akten der Landespolizeidirektion Tirol und des Landesverwaltungsgerichts Tirol.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat hierzu wie folgt erwogen:

Aufgrund des Akteninhaltes steht fest, dass der auf die Beschwerdeführerin zugelassene PKW der Type *** mit dem deutschen Kennzeichen **-**** am 10.08.2016 um 21.55 Uhr auf der X-Autobahn A ** in Fahrtrichtung Norden bei Kilometer **** von einem automatischen Geschwindigkeitsmessgerät dabei registriert wurde, dass eine Geschwindigkeit von 137 km/h gefahren wurde. An dieser Stelle galt bzw gilt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.

Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die Feststellungen zum gegenständlich verwendeten Kraftfahrzeug, zum Tatzeitpunkt und zum Tatort ergeben sich aus der Polizeianzeige sowie aus den ebenfalls vorgelegten Radarfotos. Auf den Radarfotos ist der in Rede stehende PKW, und zwar insbesondere auch dessen Kennzeichen, klar zu erkennen. Ebenfalls ergibt sich aus dem Radarfoto der Tatzeitpunkt. Dass der Tatort in der Anzeige korrekt bezeichnet ist, steht für die Rechtsmittelbehörde ebenfalls außer Zweifel. Dem Anzeiger ist jedenfalls zuzubilligen, dass er dieses verwaltungsstrafrechtlich relevante Faktum richtig angegeben hat. Die diesbezüglichen Daten in der Anzeige hat im Übrigen auch die Beschwerdeführerin selbst nicht bestritten.

Dass die mit dem betreffenden PKW zum Tatzeitpunkt eingehaltene Geschwindigkeit unter Abzug der Messtoleranz 137 km/h betragen hat, steht aufgrund der mittels eines Radarmessgerätes durchgeführten Geschwindigkeitsmessung fest. Die Beschwerdeführerin hat die Richtigkeit des Messergebnisses nicht bestritten und insbesondere auch keine Umstände aufgezeigt, die Zweifel am ordnungsgemäßen Funktionieren des Radarmessgerätes erwecken könnten.

Die Beschwerdeführerin behauptet nun allerdings, damals nicht selbst Lenkerin des PKW gewesen zu sein und benannte diesbezüglich ihren in W wohnhaften Schwager.

Es wurde eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt, zu der die Rechtsmittelwerberin mit dem Hinweis geladen wurde, dass es notwendig ist, dass sie persönlich zur Verhandlung kommt.

Einer amtswegigen Ermittlung der Person, die ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat, sind Grenzen gesetzt. Der Verwaltungsgerichthof hat daher in solchen Fällen mehrfach auf die verstärkte Mitwirkungspflicht des Beschuldigten bei der Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen (vgl VwGH 26.06.1984, Zl 84/04/0055 ua).

Dieser Ladung hat die Beschuldigte jedoch nicht entsprochen, ohne dafür einen Hinderungsgrund gemäß § 19 Abs 3 AVG glaubhaft zu machen. Ihre persönliche Anhörung ist somit gescheitert.

Wenn sich der Schwager der Beschwerdeführerin in dem von ihr angegebenen knapp dreiwöchigen Zeitraum als Gast bei ihr aufgehalten hat, wäre es ihr zumutbar gewesen, dessen Anwesenheit durch eine dafür geeignete Bescheinigung glaubhaft zu machen. Zur Vorlage derartiger Bescheinigungen wurde die Beschuldigte bereits mit E-Mail des Verwaltungsgerichts vom 03.10.2017 erfolglos aufgefordert. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung hat Frau A dazu insoweit Stellung genommen, als ihr Schwager ihr mitgeteilt hätte, dass er seinen Pass verloren hätte, dass es für die kurzfristigen Besucher oder Geschäftsreisen keine Meldepflicht gebe und deshalb keine Kopie von seinem Pass oder Meldebescheinigung vorgelegt werden könne und er nicht auf seinen Namen oder Rechnung eingekauft habe.

Es ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung als äußerst unwahrscheinlich anzusehen, dass – falls die als Lenker bezeichnete Person ihren Pass tatsächlich verloren haben sollte – bei diesem langen Aufenthalt bei der Fahrzeughalterin keinerlei sie betreffende amtlichen oder geschäftlichen Vorgänge stattgefunden haben, die sich durch irgendwelche Bescheinigungen dokumentieren oder rekonstruieren ließen.

Bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände ist daher nach Ansicht der Rechtsmittelbehörde davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin selbst das betreffende Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt hat. Von einem Zulassungsbesitzer, der das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat, ist nämlich nach Ansicht der Beschwerdebehörde zu erwarten, dass er zumindest konkret darlegen kann, weshalb er als Lenker ausscheidet. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin behauptet, keinerlei Bescheinigung zu dem fast dreiwöchigen Aufenthalt ihres Schwagers bei ihr vorlegen zu können, führt die Rechtsmittelbehörde zur Schlussfolgerung, dass es sich bei der Benennung ihres Schwagers aus W als Lenker zum Tatzeitpunkt um eine Schutzbehauptung handelt und die Beschwerdeführerin trotz ihrer gegenteiligen Behauptung zum Tatzeitpunkt die Lenkerin ihres PKWs war (vgl VwGH 20.09.1996, Zl 96/17/0320).

Was die innere Tatseite anlangt, ist festzuhalten, dass es sich bei der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handelt, weil zum Tatbestand der betreffenden Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens, noch der Eintritt einer Gefahr gehören. Für derartige Delikte sieht § 5 Abs 1 2. Satz VStG vor, dass dann ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. „Glaubhaftmachung“ bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Täter hat initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hatte also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen oder konkrete Beweisanträge zu stellen (VwGH 24.05.1989, Zahl 89/02/0017 ua).

Diese Glaubhaftmachung ist der Beschwerdeführerin nicht gelungen. Diese hat nämlich kein Vorbringen erstattet, wodurch ein fehlendes Verschulden aufgezeigt werden könnte.

Sofern ihr die betreffende Geschwindigkeitsbeschränkung allenfalls nicht bekannt war, ist für sie auch damit nichts zu gewinnen. Nach § 5 Abs 2 VStG ist nämlich die Unkenntnis der übertretenen Verwaltungsvorschriften nur dann beachtlich, wenn sie erwiesener Maßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Wie nun aber der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, muss sich ein ausländischer Fahrzeuglenker über die Vorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu beachten hat, ausreichend informieren. Die betreffende Geschwindigkeitsbeschränkung ist durch Verkehrszeichen kundgemacht gewesen. Wenn die Beschwerdeführerin diese Verkehrszeichen nicht wahrgenommen hat, stellt dies einen erheblichen Sorgfaltsverstoß dar. Wie nämlich der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, ist von einem verkehrstüchtigen Verkehrsteilnehmer zu erwarten, dass er rechtmäßig aufgestellte Straßenverkehrszeichen samt Zusatztafeln beachtet (VwGH 27.10.1997, Zl 96/17/0456).

Der Beschwerdeführerin liegt nun nach Ansicht der Rechtsmittelbehörde Vorsatz zur Last. Aufgrund des beträchtlichen Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung ist davon auszugehen, dass diese absichtlich mit einer höheren Geschwindigkeit als 100 km/h gefahren ist. Wenn die Beschwerdeführerin rechtsirrig angenommen hat, dass eine höhere Fahrgeschwindigkeit erlaubt sei, hätte ihr lediglich das Unrechtbewusstsein gefehlt, ein Schuldelement, welches von jenem des Vorsatzes zur unterscheiden ist (vgl VwGH vom 11.09.1997, Zl 96/17/0233).

Die Bestrafung ist daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt.

Die Beeinträchtigungsintensität der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretung ist durchaus erheblich. Die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit stellt eine wesentliche Voraussetzung zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr dar. Indem die Beschwerdeführerin die zulässige Höchstgeschwindigkeit um ca 37 % überschritten hat, hat sie diesen Schutzinteressen in beträchtlicher Weise zuwidergehandelt.

Hinsichtlich des Verschuldens war – wie erwähnt – von Vorsatz auszugehen.

Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen hat die Beschwerdeführerin keine getätigt, obwohl für sie dazu im Verfahren die Gelegenheit bestanden hätte, nicht gemacht. Sie hat lediglich angegeben, getrennt zu leben und drei minderjährige Kinder zu haben. Es war daher insofern eine Einschätzung vorzunehmen (VwGH vom 14.01.1981, Zl 3033/80 ua), wobei mangels gegenteiliger Anhaltspunkte jedenfalls von einem durchschnittlichen Einkommen und Vermögen auszugehen war.

Im Hinblick auf diese Strafzumessungskriterien konnte nun die verhängte Geldstrafe nicht als überhöht angesehen werden. Schon aufgrund des erheblichen Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung war eine Bestrafung in dieser Höhe erforderlich, um dem Verschulden und der Beeinträchtigungsintensität der Übertretung ausreichend Rechnung zu tragen. Das Gesetz sieht für eine derartige Übertretung einen Strafrahmen von Euro 70,-- bis Euro 2.180,-- vor.

Gem § 52 Abs 1 und 2 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat, welcher für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit € 10,-- zu bemessen ist. Daraus ergibt sich die Vorschreibung der Verfahrenskosten im Spruchpunkt 2.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Alexander Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Mitwirkungspflicht des Beschuldigten;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.25.2296.4

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten