TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/4 2000/05/0086

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Veröffentlicht am 04.07.2000
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Index

L46106 Tierhaltung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
TierschutzG Stmk 1984 §8 Abs1 idF 1993/045;
TierschutzG Stmk 1984 §8 Abs2 idF 1993/045;
TierschutzGNov Stmk 1993 Art2 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Johann Ruprechter in Ehrenhausen, vertreten durch Mag. Horst Bruckner, Rechtsanwalt in Leibnitz, Kadagasse 19, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. März 2000, Zl. 8-78 Ru 1/I-00, betreffend Ausnahmegenehmigung zur Haltung von Wildschweinen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 12. Februar 1999 bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz eingelangten Ansuchen beantragte F.M. die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Haltung von 4 Stück Wildschweinen nach § 8 des Steiermärkischen Tierschutz- und Tierhaltegesetzes. Die Tiere seien derzeit in einem kleinen Gehege des landwirtschaftlichen Besitzes des nunmehrigen Beschwerdeführers auf der Parzelle Nr. 369/1, KG Wielitsch, untergebracht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 23. März 1999 wurde das Ansuchen des F.M. mit der Begründung abgewiesen, dass weder ein öffentliches Interesse behauptet noch die allgemein bekannte Tatsache widerlegt worden sei, dass Schwarzwild vor allem im südlichen Bereich des Bezirkes Leibnitz als Wechselwild vorkomme, die entsprechenden Abschusszahlen (im abgelaufenen Jagdjahr seien im Bereich des Bezirkes Leibnitz 32 Stück Schwarzwild erlegt worden) belegten dies eindeutig. Die Voraussetzungen zur Bewilligung eines Gatters seien daher nicht gegeben.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Ansuchen vom 12. April 1999, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz am 13. April 1999, teilte der Beschwerdeführer der Behörde mit, dass er die Haltung von 4 Stück Wildschweinen von F.M. übernommen habe. F.M. sei zur Haltung der Tiere auf Grund eines Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz nicht berechtigt. Der Beschwerdeführer betreibe unter der Adresse Wielitsch 40, Ehrenhausen, einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Er verfüge über besondere Kenntnisse im Bereich der Wildtierhaltung. Auf der ihm gehörigen Parzelle Nr. 369/1, KG Wielitsch, sei ein Gehege errichtet worden, in dem zur Zeit 4 Stück eingekreuzte Wildschweine untergebracht seien. Der Antragsteller beabsichtige, diese Tiere im Rahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zur Zucht oder Gewinnung von Fleisch zu halten. Er betreibe auf seiner Liegenschaft überdies aus Tierschutzinteresse die genehmigte Haltung von Braunbären. Auf Grund dieser Tierhaltung werde die Gemeinde Berghausen durch Ausflügler frequentiert und die umliegende Wirtschaft belebt. Die Haltung und Zucht der Wildschweine stelle neben den Bären eine weitere Attraktion dar, die diesen Effekt verstärke. Die Interessen des Tierschutzes würden durch die Haltung dieser Wildschweine gefördert. Die vom Beschwerdeführer gehaltenen Bären wären ohne sein persönliches und finanzielles Engagement zu größten Teilen bereits getötet worden. Die Belebung der Wirtschaft im ohnehin wirtschaftlich außerordentlich schwachen Gebiet um Berghausen sei daher auch als öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 lit. b des Stmk. Tierschutzgesetzes zu sehen, die Voraussetzung, dass im "Bereich" des Geheges in freier Wildbahn keine Wildschweine als Stand- oder Wechselwild vorkommen dürften, erscheine ebenfalls gegeben zu sein. Es sei zwar richtig, dass es im Bezirk Leibnitz jährlich zu einigen Abschüssen von Wildschweinen komme, dies beziehe sich aber in erster Linie auf den Bereich des Korwaldes. Im Bereich der Gemeinde Berghausen sei seit vielen Jahren kein Wildschwein mehr geschossen worden, dies gelte insbesondere für jenen Bereich, in dem das Gehege errichtet sei. Es ergehe daher der Antrag, dem Beschwerdeführer die Haltung der 4 Wildschweine im bestehenden Gehege auf der Parzelle Nr. 369/1, KG Wielitsch, durch Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes zu gestatten.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 2. Dezember 1999 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 23. März 1999 sei das Ansuchen des F.M. gemäß § 8 des Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetzes abgewiesen worden, mit Eingabe vom 13. April 1999 sei derselbe Antrag, jedoch bezogen auf die Person des Beschwerdeführers, eingebracht worden. Da nach § 8 des Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetzes Gegenstand der Bewilligung die Haltung wilder Tiere sei, liege somit Identität der Sache vor. Es gälten dieselben Voraussetzungen und Bedingungen wie für F.M. Aus diesem Grunde sei die Sache bereits rechtskräftig entschieden, weshalb der neuerliche Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden müsse.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine entschiedene Sache vorliege, weil die Person des das Verfahren anstrengenden Antragstellers nicht mit der Person des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens ident sei und der relevante Unterschied zwischen F.M. und dem Beschwerdeführer jener sei, dass der Beschwerdeführer Landwirt sei und daher hinsichtlich der Verwaltungssache andere Voraussetzungen hätten berücksichtigt werden müssen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 2000 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 2. Dezember 1999 abgewiesen. Es liege entschiedene Sache vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 des Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetzes, LGBl. Nr. 74/1984 in der Fassung LGBl. Nr. 45/1993, ist das Halten von Wildtieren, außer in Wildgattern gemäß § 4 Steiermärkisches Jagdgesetz 1986, LGBl. Nr. 23, in der geltenden Fassung, verboten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Behörde Ausnahmen vom Verbot des Abs. 1 bewilligen, wenn den Bedürfnissen des Tierschutzes Rechnung getragen wird, das Wildtier im Bereich des geplanten Geheges in freier Wildbahn nicht, auch nicht als Wechselwild vorkommt und a) die Haltung von Rot-, Dam-, Muffel- oder Schwarzwild im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zur Zucht oder Gewinnung von Fleisch erfolgt oder b) die Tierhaltung im öffentlichen Interesse liegt.

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Strittig ist, ob entschiedene Sache vorliegt; während die belangte Behörde davon ausgeht, dass der wesentliche Umstand der Versagung der Ausnahmegenehmigung gegenüber F.M. jener war, dass in der Umgebung Wildschweine als Wechselwild vorkommen und, da sich das Ansuchen auf dasselbe Gehege bezieht, entschiedene Sache vorliegt, geht der Beschwerdeführer davon aus, dass es im Zusammenhang mit der Erteilung einer Ausnahme auf die Person des Antragstellers ankommt, wenn dieser, im Gegensatz zu einem anderen Antragsteller, die Haltung des Wildes im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes betreibt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 7. Mai 1991, Zl. 91/07/0039, ausgesprochen hat, kommt die formelle Rechtskraft als Voraussetzung für den Zurückweisungsgrund der entschiedenen Sache nur gegenüber Verfahrensparteien in Frage. Ausnahmen von diesem Grundsatz liegen dort vor, wo einem Bescheid dingliche Wirkung zukommt. Die dingliche Wirkung eines Bescheides besagt nämlich, dass die durch ihn begründeten Rechte an der Sache haften und durch einen Wechsel des Eigentümers nicht berührt werden (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 628, unter E 50 und 51 zitierte hg. Judikatur). Es ist daher zu untersuchen, ob § 8 Abs. 2 des Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetzes dingliche Wirkung zukommt.

Dazu sagt Art. II Abs. 3 der Novelle LGBl. Nr. 45/1993: "Nach § 8 Abs. 2 erteilte Bewilligungen bleiben unberührt, bis sich in der Person des Bewilligungsinhabers oder am Grundeigentum eine Veränderung ergibt."

Diese Bestimmung stellt somit klar, dass die Rechtskraft einer Bewilligung an die Person des Bewilligungsinhabers geknüpft ist. Dasselbe muss für die Versagung einer Bewilligung gelten.

Da im Beschwerdefall in der Person des Bewilligungswerbers eine Veränderung eingetreten ist, weil F.M. nicht mit dem Beschwerdeführer ident ist, ist im Wechsel der Person des Antragstellers jedenfalls ein Umstand zu erblicken, der die Zurückweisung wegen entschiedener Sache rechtswidrig macht.

Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz wäre daher gehalten gewesen, das Ansuchen des Beschwerdeführers inhaltlich zu erledigen. Durch die Zurückweisung eines Gesuches gemäß § 68 Abs. 1 AVG und durch Abweisung seiner Berufung wurde daher der Beschwerdeführer in seinem Recht auf inhaltliche Entscheidung verletzt. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden. Wien, am 4. Juli 2000

Schlagworte

Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche Wirkung Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000050086.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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