TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/4 98/21/0373

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Veröffentlicht am 04.07.2000
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Index

E3Y E19103010;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z12;
31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Z17;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21;
AsylG 1997 §4;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §6;
FrG 1997 §33 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/21/0374 E 1. August 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des S in Linz, geboren am 25. August 1966, vertreten durch Mag. Wilhelm Bergthaler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 19. Juni 1998, Zl. Fr-20/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung erließ gegen den Beschwerdeführer eine auf § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes aus 1992 gestützte Ausweisung. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 19. Juni 1998 keine Folge; sie bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass die gegenständliche Ausweisung auf § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gestützt werde.

Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführer, ein liberianischer Staatsangehöriger, am 25. Oktober 1997 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und unmittelbar danach von Organen der Grenzüberwachung aufgegriffen worden sei. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei bereits negativ rechtskräftig abgeschlossen, sodass ihm resultierend aus dem Asylgesetz keine Aufenthaltsberechtigung mehr zukommen könne. "Aus diesem Grund" sei seine Ausweisung auf § 33 Abs. 1 FrG zu stützen, weil er sich, wie die Einsichtnahme in die "CO-Ausdrucke des Asylwerber- und Fremdeninformationssystems" ergeben habe, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auf Grund seines kurzen Aufenthaltes in Österreich und angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten im Bundesgebiet habe, stelle die gegenständliche fremdenrechtliche Maßnahme keinen Eingriff in sein Privat- oder Familienleben dar. Soweit sich der Beschwerdeführer auf ihm in seinem Heimatland drohende Verfolgungen berufe, sei ihm zu erwidern, dass insoweit gemäß § 75 FrG ein eigenes Verfahren zur Verfügung stehe. Zufolge der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könnten nur Eingriffe in das in Österreich geführte Privat- oder Familienleben die Ausweisung "im Grunde des § 57 FrG" unzulässig machen, nicht aber Umstände, die künftig in einem anderen Land, in das der Fremde allenfalls ausreisen müsste oder abgeschoben werden würde, das Privat- oder Familienleben des betreffenden Fremden beeinträchtigen könnten. Aber auch bei Annahme eines mit der Ausweisung verbundenen Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers wäre die Ausweisung zulässig, weil angesichts des kontinuierlich zunehmenden Zuwanderungsdruckes der Aufrechterhaltung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen ein höherer Stellenwert zukomme.

Die im Spruch vorgenommene Änderung ergebe sich aus der Änderung der Rechtslage mit 1. Jänner 1998.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer weist in der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde darauf hin, dass sein Asylantrag vom 3. November 1997 negativ beschieden worden sei und dass "diesbezüglich" zur Zl. 98/20/0167 beim Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde behänge. Dieser sei mit Beschluss vom 1. April 1998, Zl. AW 98/20/0139, gemäß § 30 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. (Aus dem hg. Akt Zl. 98/20/0167, AW 98/20/0139, ergibt sich, dass der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Beschluss über die Bewilligung der aufschiebenden Wirkung am 14. April 1998 an die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugestellt und dass die Beschwerde mit hg. Beschluss vom 20. Mai 1999 gemäß § 44 Abs. 3 Asylgesetz 1997 zurückgewiesen worden ist.)

Die belangte Behörde hat ihrerseits nur festgestellt, dass das Asylverfahren "bereits negativ rechtskräftig abgeschlossen" sei, sodass dem Beschwerdeführer resultierend "aus dem Asylgesetz" keine Aufenthaltsberechtigung mehr zukommen könne. Dabei stützte sie sich auf einen nach Vorlage des fremdenpolizeilichen Aktes seitens der erstinstanzlichen Behörde (Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung) von ihr am 15. Jänner 1998 eingeholten Ausdruck aus dem Asylwerberinformationssystem (AIS), demzufolge die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. November 1997 mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Dezember 1997, rechtswirksam erlassen am 10. Dezember 1997, abgewiesen worden sei. Feststellungen über die gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und über die dieser Beschwerde zuerkannte aufschiebende Wirkung wurden dagegen nicht getroffen, obwohl dies für die belangte Behörde - etwa durch Einholung eines aktuellen Ausdrucks aus dem Asylwerberinformationssystem ("AIS-Auskunft") vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - unschwer ermittelbar gewesen wäre. Damit hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet:

Mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die zur hg. Zl. 98/20/0167 erhobene Beschwerde gegen den den Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres durch den hg. Beschluss vom 1. April 1998, Zl. AW 98/20/0139, wurden die Wirkungen des genannten Ministerialbescheides vorläufig aufgeschoben. Der Beschwerdeführer erlangte dadurch wieder die Rechtsstellung eines Asylwerbers, weshalb ab jenem Zeitpunkt die für diesen Personenkreis geltenden Regelungen auf ihn anzuwenden waren. Das gilt im gegebenen Zusammenhang insbesondere für die Bestimmung des § 19 Asylgesetz 1997 über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung, die - ohne Einschränkung auf "Neufälle" - gleich den übrigen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 am 1. Jänner 1998 in Kraft getreten ist (vgl. § 42 leg. cit.). Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 99/21/0266, ausgesprochen hat, ist aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 und aus dem vom Gesetzgeber erkennbar mit dieser Bestimmung verfolgten Zweck der Schluss zu ziehen, dass auch unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereisten Asylwerbern eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung gewährt werden soll, außer es liegt eine Entscheidung darüber vor, dass der Asylantrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Im Einzelnen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen.

Im vorliegenden Fall wurde der Asylantrag des - unstrittig unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereisten

-

Beschwerdeführers weder als unzulässig zurückgewiesen (§§ 4 und 5 Asylgesetz 1997) noch als offensichtlich unbegründet abgewiesen (§ 6 leg. cit.). Hätte die belangte Behörde den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides als Asylwerber zu betrachten war, berücksichtigt, so hätte sie daher

-

vgl. abermals das genannte hg. Erkenntnis vom 24. März 2000 - bei Übung des ihr im Grund des § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine Ausweisung des Beschwerdeführers nach dieser Bestimmung nicht im Sinn des Gesetzes liegt.

Nach dem Gesagten war der vorliegende Bescheid - ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. Juli 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998210373.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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