TE Bvwg Beschluss 2017/11/20 W240 2176554-1

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Veröffentlicht am 20.11.2017
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Entscheidungsdatum

20.11.2017

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W240 2176554-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 1166715110-171023642, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 05.09.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage zur Person des Beschwerdeführers ergab eine Treffermeldung der Kategorie 1 (Asylantragstellung) am 29.07.2015 in Italien.

2. Im Rahmen der durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten Erstbefragung vom 05.09.2017 gab der Beschwerdeführer an, am XXXX1999 geboren zu sein. Er sei über Libyen nach Italien gelangt, wo er zwei Jahre lang aufhältig gewesen sei. Er habe in Italien keinen Bescheid erhalten.

3. In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 08.09.2017 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes - den Beschwerdeführer betreffendes - Wiederaufnahmegesuch an Italien.

Mit Schreiben vom 25.09.2017 teilte die österreichische Dublin-Behörde Italien mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Artikel 25 Absatz 2 der Dublin III-Verordnung eine Verfristung eingetreten und Italien beginnend mit 23.09.2017 nunmehr zuständig für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren sei.

4. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 11.10.2017 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen. Es sei ihm ein Zahn gezogen worden und er habe eine Nachuntersuchung beim Zahnarzt gehabt. Seine Angaben in der Erstbefragung seien korrekt, jedoch sei sein Geburtsdatum unrichtig. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass er im Jahr 2000 geboren sei. Er besitze in Italien einen "AA, ein Permesso di Soggiorno" (übersetzt: Aufenthaltsberechtigung). Er wolle nicht nach Italien zurück. Er sei bereits in Nigeria von Anhängern einer Geheimgesellschaft verfolgt worden und mit dem Tod bedroht worden. Später habe er zwei von diesen in Italien gesehen. Es sei zu einem Streit gekommen. Es sei zu Bedrohungen auf der Straße gekommen. Er habe die Vorfälle bei der Polizei anzeigen wollen, diese hätten ihn jedoch nicht verstanden und weggeschickt. Er sei aus dem Camp in Italien hinausgeworfen worden und habe auf der Straße leben müssen. Er habe unter starken Zahnschmerzen gelitten und sei auf der Straße gewesen. Im Spital habe ihn niemand behandeln wollen.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Italien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Im Bescheid wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer volljährig sei, die Zuständigkeit Italiens gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO ergebe sich aufgrund des Verfristungsschreibens vom 25.09.2017. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der behaupteten Staatsangehörigkeit und Volljährigkeit deshalb Glauben geschenkt werde, weil diese nachvollziehbar und widerspruchsfrei seien. Es wurde weiters beweiswürdigend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer an Magenschmerzen leide und dagegen Tabletten erhalten habe. Weiters wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer in Italien einen negativen Asylbescheid erhalten habe.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die im Wege des nunmehrigen ausgewiesenen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Es wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 11.10.2017 gesagt habe, dass er in Italien eine Permesso die Soggiorno habe. Die Erstbehörde habe es in der Folge verabsäumt, zu ermitteln, ob er in Italien über eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter oder Asylberechtigter verfüge oder verfügt habe. Weiters gehe das BFA scheinbar davon aus, dass das Asylverfahren in Italien "negativ beurteilt" worden sei. Es sei jedoch fraglich, weshalb eine Anfrage gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO an Italien gestellt worden sei, da diese Anfrage für Fälle eines laufenden Verfahrens vorgesehen sei. Weiters habe der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA angegeben, dass er laut Aussage seiner Mutter im Jahr 2000 geboren sei, demnach wäre er maximal 17 Jahre alt und somit minderjährig. Das BFA führe jedoch in der Beweiswürdigung im nunmehr angefochtenen Bescheid an, dass hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und Volljährigkeit den Angaben deshalb Glauben geschenkt werde, weil diese nachvollziehbar und widerspruchsfrei seien. Verwiesen wurde weiters auf seine Bedrohungen in Italien und die mangelhafte Unterbringungssituation.

Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichts vom 25.10.2017 wurde der Beschwerdeführer (diverse Suchtmitteldelikte) zu einer bedingten Freiheitsstrafe, Probezeit drei Jahre, verurteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 5. (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) [...]

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.-5. [...]

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2)-(3) [...]"

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. [...]

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) [...]

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen."

Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist auf Basis eines insgesamt qualifiziert mangelhaften Verfahrens ergangen, weshalb eine Behebung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG zu erfolgen hatte:

Der Beschwerdeführer hatte im Rahmen der Erstbefragung behauptet, er sei volljährig (AS 15). Im Rahmen seiner Einvernahme am 11.10.2017 behauptete der Beschwerdeführer demgegenüber, er sei laut Auskunft seiner Mutter tatsächlich 2000 geboren und somit minderjährig (AS 107). Diesbezüglich hatte der Organwalter des BFA dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten, dass er bei der Erstbefragung demgegenüber die Volljährigkeit behauptet hatte. Es wurden dem Beschwerdeführer zudem keinerlei weitere Fragen gestellt, keine Frist zur Vorlage etwaiger Dokumente eingeräumt und im angefochtenen Bescheid dennoch festgestellt, dass der Beschwerdeführer volljährig sei (Seite 5 im Bescheid). Die Feststellung der Volljährigkeit wurde im Bescheid aktenwidrig damit begründet, dass der Beschwerdeführer nachvollziehbar und widerspruchsfrei angegeben hatte volljährig zu sein (Seite 26 im Bescheid), diesbezüglich sind jedoch weitere beweiswürdigende Ausführungen und gegebenenfalls Ermittlungen erforderlich. Weiters hatte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme am 11.10.2017 vor dem BFA ausgeführt, er "habe in Italien einen AA, ein Permesso di Soggiorno" (übersetzt: Aufenthaltsberechtigung, AS 109). Auch zur behaupteten Aufenthaltserlaubnis wurden dem Beschwerdeführer keine keinerlei weitere Fragen gestellt, keine Frist zur Vorlage etwaiger Dokumente eingeräumt und im angefochtenen Bescheid wurden hinsichtlich der behaupteten Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers keinerlei Ausführungen getätigt. Aktenwidrig wurde im angefochtenen Bescheid auf Seite 27 festgestellt, dass "der Asylbescheid betreffend den Beschwerdeführer in Italien negativ beurteilt" worden sei. Diese Feststellung kann vom BVwG auch vor dem Hintergrund der Ausführung des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, wonach er in Italien keinen Bescheid erhalten habe (AS 18), nicht nachvollzogen werden. In der Beschwerde gegen nunmehr angefochtenen Bescheid wird diesbezüglich moniert, dass das BFA keine weiteren Ermittlungen angestellt hatte (Seite 3 in der Beschwerde). Schließlich stellt das BFA im nunmehr angefochtenen Bescheid fest, der Beschwerdeführer leide an Magenschmerzen und habe Tabletten dagegen bekommen (Seite 26 im Bescheid), tatsächlich hatte der Beschwerdeführer in seinen Einvernahmen einzig über Zahnschmerzen und eine Operation aufgrund dieser Zahnschmerzen berichtet (AS 107).

Es handelt sich bei vorzitierten aktenwidrigen Feststellungen im nunmehr angefochtenen Bescheid offensichtlich Textblöcke aus einem anderen Bescheid im nunmehr angefochtenen Bescheid verwendet. Aufgrund der Vielzahl der aktenwidrigen Feststellungen kann das BVwG den vom BFA tatsächlich festgestellten Sachverhalt jedoch nicht nachvollziehen.

Es wäre im gegenständlichen Fall angezeigt gewesen, den Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs ausführlicher und konkret zu seinem Vorbringen zu befragen und die bei Vergleich der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA bestehenden Widersprüche in seinen Angaben (beispielsweise hinsichtlich seines Alters) vorzuhalten.

Um entsprechende Informationen zu einem allenfalls (derzeit oder in der Vergangenheit) bestehenden Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers einzuholen und den maßgeblichen Sachverhalt feststellen zu können, wird die belangte Behörde den Beschwerdeführer neuerlich einzuvernehmen haben. Allenfalls wird das BFA eine Abfrage im Visa-Informationssystem tätigen bzw. eine individuelle Anfrage an Italien im Wege eines Informationsersuchens nach Art. 34 Dublin III-VO stellen und den Beschwerdeführer mit dem Ermittlungsergebnis zu konfrontieren haben.

Da dem angefochtenen Bescheid maßgebliche Feststellungmängel anhaften, aktenwidrige Feststellungen im angefochtenen Bescheid enthalten sind sowie Teile des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt wurden, kann zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt seitens des erkennenden Gerichts nicht überprüft werden, ob die vom Unionsgesetzgeber festgelegten Zuständigkeitskriterien fehlerfrei angewandt wurden.

Im Hinblick darauf, dass somit der Sachverhalt so mangelhaft ermittelt wurde, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, war gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben.

Gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht im Ergebnis weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Aktenwidrigkeit, Einvernahme, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Volljährigkeit, Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W240.2176554.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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