Entscheidungsdatum
30.11.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
I403 2169097-1/12.E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. KAMERUN, vertreten durch: ARGE Rechtsberatung gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 07.08.2017, Zl. 1084318110-151162770, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben. XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin Kameruns, stellte am 23.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.08.2015 erklärte sie, Kamerun verlassen zu haben, weil sie wegen ihrer Homosexualität bereits verhaftet gewesen sei.
Am 10.04.2017 wurde ein Schreiben von Queer Base vorgelegt, wonach die Beschwerdeführerin mit der Beratungsstelle für lesbische, schwule und bisexuelle Flüchtlinge in Kontakt getreten sei.
Am 05.07.2017 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, einvernommen und legte folgende Dokumente vor:
* Geburtsurkunde,
* Neuerliches Schreiben von Queer Base vom 05.07.2017,
* Bestätigung über die Absolvierung eines Deutschkurses vom österreichischen Integrationsfonds bzw. vom Verein Ute Bock,
* Diplom über die Absolvierung eines Bachelorstudiums in Politikwissenschaften vom 02.02.2011 sowie Schulzeugnisse,
* Arbeitszeugnis über die Tätigkeit als Reinigungskraft bei der Magistratsabteilung 56 vom 11.04.2017.
Sie erklärte, dass in Kamerun ihre Eltern, drei Brüder und eine Schwester leben würden, und dass sie in Kontakt mit ihnen stehen würde. Ihre finanzielle Situation in Kamerun sei gut gewesen, sie habe ein Kleidergeschäft besessen. Sie sei in Kamerun für 5 bis 6 Wochen inhaftiert gewesen, weil sie homosexuell sei. Sie habe im Juni 2015 in einer Bar ihren Geburtstag gefeiert und sei dann mit einem Mädchen hinausgegangen. Man sei sich näher gekommen, dann sei das Mädchen plötzlich weggerannt. Als sie sich umgedreht habe, habe sie Polizisten gesehen, die sie festgenommen haben würden. Sie sei von den Polizisten misshandelt und jede Nacht vergewaltigt worden. Sie sei zum Haus des Polizeichefs gebracht worden, von wo aus ihr die Flucht gelungen sei. Sie sei dann zu ihren Eltern und in weiterer Folge von ihrer Mutter versteckt worden, ehe sie mit einem fremden Pass nach zwei Wochen habe flüchten können.
Am 19.07.2017 wurde eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu dem Länderinformationsblatt zu Kamerun, welches in der Einvernahme erörtert worden war, eingebracht. Aus diesem würde sich ergeben, dass die Lage für homosexuelle Personen in Kamerun höchst prekär sei. Homosexuelle Handlungen seien mit gerichtlicher Strafe bedroht und Homophobie tief in der Gesellschaft verwurzelt. Dies würde Diskriminierung, Einschüchterungsversuche, Schikanen und andere Übergriffe zur Folge haben. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die schlechten und lebensbedrohlichen Haftbedingungen hingewiesen. Die Beschwerdeführerin habe bereits massive individuelle asylrelevante Verfolgung erleben müssen, indem sie mehrere Wochen lang inhaftiert worden sei und im Zuge dessen auch mehrfach Opfer von Gewalt, auch sexueller Gewalt, geworden sei. Die Beschwerdeführerin habe dadurch, dass sie eine andere Frau geküsst habe, gegen das kamerunische Strafgesetz verstoßen. Es bestehe also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass gegen die Beschwerdeführerin ein Strafverfahren laufe. Zudem sei von einer Gruppenverfolgung homosexueller Personen auszugehen, da die rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen dergestalt seien, dass grundsätzlich jede homosexuelle Person, deren sexuelle Orientierung bekannt sei, mit massiven Verfolgungshandlungen zu rechnen habe. Soweit die sexuelle Orientierung angezweifelt würde, sei dem entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin durch den Verein Queer Base betreut werde.
Mit Bescheid des BFA vom 07.08.2017, zugestellt am 10.08.2017, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 23.08.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde der Beschwerdeführerin nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV). Der Entscheidung wurde zu Grunde gelegt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft sei.
Am 23.08.2017 wurde gegen den im Spruch genannten Bescheid Beschwerde erhoben. Begründet wurde die Beschwerde mit inhaltlich falscher Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung. Der belangten Behörde wurde vorgeworfen, keine haltbaren Begründungen zu haben, warum das Vorbringen der Beschwerdeführerin, homosexuell zu sein, nicht der Wahrheit entsprechen würde. Vor dem Hintergrund der verfügbaren Berichtslage sei ersichtlich, dass das Ausleben von Homosexualität in Kamerun aktiv bestraft und gesellschaftlich geächtet werde. Die Haftbedingungen in Kamerun seien nicht nur unerträglich, sondern konkret lebensgefährlich. Da die Beschwerdeführerin bereits verfolgt worden sei, sei es sehr wahrscheinlich, dass sie im Falle der Rückkehr wieder verfolgt werden würde. Die belangte Behörde habe zum Kern des persönlichen Vorbringens keine Feststellungen getroffen. Es sei aus dem gesamten Bescheid heraus nicht ersichtlich, ob die Behörde von einer Homosexualität der Beschwerdeführerin ausgehe oder nicht. Soweit sich die belangte Behörde auf eine Steigerung des Vorbringens von Erstbefragung zu Einvernahme beziehe, sei dies nicht zulässig, da sich die Erstbefragung explizit nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe. Zudem sei die Bescheidverfasserin nicht mit der befragenden Referentin identisch. Die Bescheidverfasserin habe die Beschwerdeführerin nie zu Gesicht bekommen. Die Integration der Beschwerdeführerin sei außerdem als außergewöhnlich hoch einzustufen, sie sei eine ordentliche Studentin der Universität Wien. Zudem arbeite sie als Reinigungskraft bei der MA XXXX. Sie habe eine ortsübliche Unterkunft und diesbezüglich einen Untermietvertrag. Es wurde beantragt, nach mündlicher Verhandlung die bekämpfte Entscheidung zu beheben, festzustellen, dass die Abweisung des Antrages hinsichtlich Asyl und subsidiären Schutz, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Kamerun nicht rechtmäßig seien, die Sache zur nochmaligen Bearbeitung an das BFA zurückzuverweisen und vor einer inhaltlichen Entscheidung eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und schließlich festzustellen, dass Asyl, in eventu subsidiärer Schutz zu gewähren sei, jedenfalls ein Aufenthaltstitel zu gewähren sei und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer unzulässig sei. In Ergänzung der bereits vorgelegten Dokumente wurde auch der in der Beschwerde genannte Untermietvertrag vorgelegt.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 30.08.2017 vorgelegt und von Seiten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erklärt, auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.
Am 19.09.2017 langte eine Beschwerdeergänzung beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher auf die schwierigen Umstände bei der Erstbefragung verwiesen wurde; dadurch sei es zu zahlreichen Missverständnissen gekommen. Auch die Einvernahme durch das BFA sei sehr einschüchternd gewesen. Es wurden ergänzende Berichte zur Lage von LGBT Personen in Kamerun (Amnesty Report 2017; ILGA, State Sponsored Homophobia 2017; USDOS, Country Report on Human Rights Practices) übermittelt. Abschließend wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der homosexuellen Personen Asyl zu gewähren sei.
Am 13.11.2017 wurde am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu der die Beschwerdeführerin mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung erschien. Eine Mitarbeiterin von Queer Base wurde als Zeugin einvernommen; das BFA entsandte keinen Vertreter.
Am 24.11.2017 langte eine schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Kameruns und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005. Ihre Identität steht fest. Sie gehört der Volksgruppe der Bakossi an und lebte vor ihrer Ausreise im August 2015 in Buea. Sie verließ ihr Herkunftsland unter Verwendung eines falschen Reisepasses und stellte am 23. August 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerin ist homosexuell und wurde wegen ihrer sexuellen Orientierung in Kamerun inhaftiert. Sie war in weiterer Folge Opfer sexueller Gewalt, welche auch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgeübt wurde. Es ist davon auszugehen, dass die Personalien der Beschwerdeführerin bei den Sicherheitsbehörden bekannt sind.
Im Falle einer Rückkehr nach Kamerun besteht die maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass die Beschwerdeführerin von Mitgliedern des Sicherheitsapparats Kameruns Verfolgung zu befürchten hätte. Es besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.
Es liegen keine Asylausschlussgründe im Sinne des § 6 AsylG 2005 vor; die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zur Situation Homosexueller in Kamerun
Zur Lage Homosexueller wurden im angefochtenen Bescheid auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Kamerun vom März 2017 folgende Feststellungen getroffen, die auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden:
"Diskriminierung aufgrund von Rasse, Sprache, Geschlecht oder sozialem Status ist durch die Verfassung verboten. Die freie sexuelle Orientierung ist jedoch nicht in der Verfassung verankert. Homosexuelle Handlungen stehen auch in dem neuen, am 12.7.2016 verkündeten Strafgesetzbuch unter Strafandrohung (AA 9.12.2016).
Homosexuelle Handlungen sind gemäß Artikel 347a des Strafgesetzbuches strafbar. Dieser sieht für homosexuelle Handlungen Gefängnisstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren sowie Geldstrafen zwischen 30 und 300 Euro vor (AA 9.12.2016; vgl. AA 17.3.2017; USDOS 3.3.2017). Im Rahmen einer Überarbeitung des Strafgesetzbuches gehen Überlegungen dahin, homosexuelle Handlungen nur noch bei Erregung öffentlichen Ärgernisses unter Strafe zu stellen. Außerdem soll Homosexualität nicht mehr ein Offizialdelikt sein, sondern nur noch auf Antrag verfolgt werden (AA 9.12.2016). Die Zahl an Verhaftungen von LGBT-Personen ging drastisch zurück. Trotzdem stellt Homophobie weiterhin ein Problem dar (USDOS 3.3.2017). Zumeist führen Denunziationen oder üble Nachrede zu Festnahmen (AA 9.12.2016). Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle waren weiterhin Diskriminierung, Einschüchterungsversuchen, Schikanen, soziale Stigmatisierung und anderen Übergriffen ausgesetzt (AI 22.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Für das Jahr 2015 wurden von der kamerunischen Menschenrechtsorganisation "Humanity First" 7 Verhaftungen wegen Verstoßes gegen Art. 347-1 des Strafgesetzbuches registriert. Nach derselben Quelle kam es im April 2015 zu einer Verurteilung von drei Personen. Häufig werden aber auch fingierte Gründe, wie z.B. Beleidigung oder Körperverletzung, für eine Strafverfolgung herangezogen (AA 9.12.2016).
Es gibt auch weiterhin Diskriminierung gegen LGBT-Personen (FH 2016). LGBT-Personen sehen sich gesellschaftlicher Stigmatisierung, Belästigung und Diskriminierung ausgesetzt. Es gibt vermehrt Berichte darüber, dass Polizisten und Zivilisten von Personen Geld erpressen, indem sie ihnen mit einem "Outing" drohen. Trotz der schwierigen Umgebung sind NGOs aktiv, welche LGBT-Personen in rechtlichen und medizinischen Angelegenheiten unterstützen (USDOS 3.3.2017).
Sowohl Amnesty International als auch Human Rights Watch weisen in zahlreichen Berichten auf die oftmals prekäre Lage für sexuelle Minderheiten hin. Vor allem Homosexuelle erfahren demnach Festnahmen, strafrechtliche Verfolgungen und Verurteilungen aufgrund ihrer sexuellen Identität. Verurteilungen stehen oft in Verbindung mit anderen Straftaten wie etwa Bestechung oder - aus dem Bereich der "offenses sexuelles" - die Verletzung des Schamgefühls Dritter im privaten Bereich, was den Tatbestand der Nötigung mit einschließt ("Outrage privé à la pudeur", Art. 295). Aufgrund der Rechtslage sind Homosexuelle gezwungen, ihre Beziehungen zu verbergen. In der öffentlichen Wahrnehmung wird Homosexualität in Zusammenhang mit Gewaltverbrechen und Drogenmissbrauch gebracht, geächtet und verurteilt. Fast alle gesellschaftlichen Gruppen - auch zahlreiche Kirchen - setzen sich für ein strikteres staatliches Vorgehen gegen Homosexuelle ein. Die Freiheit der sexuellen Orientierung ist nicht als Menschenrecht anerkannt (AA 9.12.2016)."
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017
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AA - Auswärtiges Amt (17.3.2017): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_082F2F11842A3029F06860B493B825E2/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 17.3.2017
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Cameroon, https://www.ecoi.net/local_link/336459/479100_de.html, Zugriff 17.3.2017
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FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Cameroon, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/cameroon, Zugriff 15.3.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cameroon, http://www.ecoi.net/local_link/337135/479899_de.html, Zugriff 9.3.2017
Ergänzend wurden im Beschwerdeverfahren mit Beschwerdeergänzung Berichte von Amnesty International, ILGA und USDOS vorgelegt:
Im Jahresbericht 2017 von Amnesty International (abrufbar unter https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/kamerun#section-24384;
Zugriff am 30.11.2017) findet sich zur Lage von Homosexuellen in Kamerun folgender Kurzbericht:
"Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle waren weiterhin Diskriminierung, Einschüchterungen, Schikanen und Gewalt ausgesetzt. Gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen waren weiterhin strafbar, daran änderte auch eine im Juni 2016 verabschiedete Reform des Strafgesetzbuchs nichts.
Am 2. August wurden in Yaoundé drei junge Männer festgenommen und auf eine Wache der Gendarmerie gebracht. Dort wurden sie geschlagen und beleidigt. Außerdem wurden ihre Haare zum Teil abrasiert. Die Gendarmen schütteten kaltes Wasser über die Männer, zwangen sie, das Gebäude zu putzen, und drängten sie, ihre sexuelle Orientierung zu "gestehen”. Die Männer kamen nach 24 Stunden frei, nachdem ein Bestechungsgeld gezahlt worden war."
Im Bericht von ILGA, einer Organisation, die sich der Rechte Homosexueller annimmt, "State Sponsored Homophobia: A world survey of sexual orientation laws: Criminalisation, protection and recognition" vom Mai 2017 (abrufbar unter http://ilga.org/downloads/2017/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2017_WEB.pdf;
Zugriff am 30.11.2017) wird zu Kamerun im Wesentlichen festgehalten, dass homosexuelle Handlungen verboten sind und mit Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren sowie Geldstrafen belegt sind. Die drei Anwälte, welche sich für die Rechte von LGBT-Personen in Kamerun einsetzen, beschreiben eine leichte Verbesserung der öffentlichen Haltung aufgrund des internationalen Drucks. Kamerun bleibt aber extrem feindlich und gefährlich für LGBT. Es gab Schikanen gegenüber Personen, die sich für die Rechte Homosexueller einsetzen.
Ebenfalls in der Beschwerdeergänzung wurde auf den Bericht des US Department of State zu den Menschenrechtspraktiken im Jahr 2016 (USDOS, Country Report on Human Rights Practices 2016, abrufbar unter
https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/#wrapper ;
Zugriff am 30.11.2017) verwiesen, in dem zwar erklärt wurde, dass die Zahl der Verhaftungen dramatisch gesunken sei, dass Homosexualität aber weiterhin strafbar sei und Schikane, Erpressung und Diskriminierung häufig vorkämen.
Mit Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 24.11.2017 wurde ein aktueller Bericht zu "The Violation of the Rights of Lesbian, Gay, Bisexual, and Transgender (LGBT) Individuals in Cameroon", der im Oktober 2017 im UN Human Rights Committee behandelt wurde (abrufbar unter:
https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1507721874_int-ccpr-css-cmr-29079-e.pdf;
Zugriff am 30.11.2017), ins Verfahren eingebracht. Im Gegensatz zum Bericht von USDOS, in welchem ein Rückgang der Verhaftungen behauptet wird und der Eingang in das Länderinformationsblatt gefunden hat, wird in dieser aktuelleren Quelle davon berichtet, dass es in den letzten Jahren zu zahlreichen willkürlichen Verhaftungen Homosexueller und in weiterer Folge zu Folter und Misshandlung durch Sicherheitskräfte gekommen ist. Für das Jahr 2014 sind 21 Fälle dokumentiert, 2015 sieben Fälle, und im Jahr 2016 war es zu 33 willkürlichen Festnahmen gekommen. "Wochenendfestnahmen" kombiniert mit Lösegeldforderungen sind in Kamerun üblich. Auch Gewalt gegen Homosexuelle nimmt laut diesem Bericht zu. In diesem Bericht wird auch auf die (dokumentierte) Praxis des "corrective rape" hingewiesen. Lesbische Frauen bzw. Frauen, von welchen angenommen wird, dass sie homosexuell sind, würden vergewaltigt, um ihre sexuelle Orientierung "richtigzustellen". Auch Nichtregierungsorganisationen könnten keinen Schutz bieten.
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Die Beschwerdeführerin legte dem BFA eine Geburtsurkunde vor; das BFA ging von einer festgestellten Identität aus.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Volksgruppe, zum Wohnort und zur Ausreise der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den von der Beschwerdeführerin getätigten Aussagen, welche auch vom BFA unbestritten blieben.
Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich am 30.11.2017.
Die Beschwerdeführerin hatte in jeder Phase des Verfahrens (bei der Erstbefragung am 25.08.2015, bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 05.07.2017 und in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2017) erklärt, Kamerun verlassen zu haben, weil sie inhaftiert worden sei und während ihrer Inhaftierung Opfer von Vergewaltigungen wurde.
Das BFA hatte dieses Fluchtvorbringen für nicht glaubhaft befunden und dies insbesondere mit Widersprüchen zwischen Erstbefragung und niederschriftlicher Einvernahme begründet. Diese Widersprüche betrafen aber nicht den Kern des Fluchtvorbringens, welcher stets konsistent geschildert wurde, und ist zudem auf die Bestimmung des § 19 AsylG 2005 zu verweisen, wonach die Erstbefragung nicht der näheren Erörterung der Fluchtgründe dient.
So war in der Erstbefragung etwa protokolliert worden: "Ein Wärter von dieser Anstalt nahm mich mehrmals zu sich in sein Haus mit. Dort wurde ich von dem Wärter mehrmals vergewaltigt." Dagegen hatte die Beschwerdeführerin vor dem BFA und auch in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie während ihrer Haft mehrmals vergewaltigt und dann am Ende ihrer Haft in das Haus eines offensichtlich Vorgesetzten gebracht worden sei, der sie ebenfalls vergewaltigt habe. Dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, doch handelt es sich bei dem im Rahmen der Erstbefragung protokollierten Sachverhalt um eine Verkürzung der Geschichte, die der besonderen Situation einer Erstbefragung nach dem AsylG geschuldet sein mag. Dies reicht aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls nicht aus, um automatisch von einer Unglaubwürdigkeit des Vorbringens auszugehen. Ins Leere geht aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Argumentation im angefochtenen Bescheid, dass die Beschwerdeführerin in der Lage sein hätte müssen, ihre "homosexuelle Einstellung [ ] ohne zu zögern" zu schildern. Angesichts der Tabuisierung von Homosexualität in Kamerun kann aus einer gewissen Scham und zögerlichen Berichtshaltung nicht automatisch geschlossen werden, dass keine homosexuelle Orientierung gegeben ist. Darüber hinaus lässt der Bescheid vollkommen offen, ob die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von einer Homosexualität der Beschwerdeführerin ausgegangen ist oder nicht. Soweit das BFA weiter ausführt, dass die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens auch dadurch bestätigt werde, dass die Beschwerdeführerin nicht versucht habe, an einem anderen Ort Kameruns Fuß zu fassen, muss dem entgegengehalten werden, dass es, gerade wenn man davon ausgeht, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin wahr ist, dass sie also inhaftiert und von Sicherheitsorganen sexuell missbraucht wurde, wenig wahrscheinlich wäre, dass man sich weiterhin in seinem Herkunftsland sicher fühlt. Das BFA hielt der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid auch vor, dass das Vorbringen vage und detailarm gewesen sei. Dieser Eindruck wurde in der mündlichen Verhandlung von der erkennenden Richterin nicht gewonnen.
Insgesamt waren aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Beweiswürdigung und damit auch die darauf aufbauenden Feststellungen des BFA unzureichend, um eine Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin zu rechtfertigen.
Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks geht die erkennende Richterin vielmehr davon aus, dass die Beschwerdeführerin bei der Schilderung ihres Fluchtvorbringens reale Gegebenheiten wiedergibt. Die Beschwerdeführerin brachte, auf das Wesentliche zusammengefasst, vor, dass sie in Buea gelebt habe, sich aber im August 2015 mit Freunden in einen Nachtklub in Douala begeben habe, um dort ihren Geburtstag zu feiern. Sie sei homosexuell und habe an diesem Abend ein Mädchen kennengelernt, welches sie vor dem Klub, an einem abgeschiedenen Platz, geküsst habe. Es seien dann aber Polizisten gekommen, das Mädchen sei weggelaufen, sie selbst aber festgenommen worden. Sie sei dann fünf Wochen inhaftiert gewesen und in dieser Zeit wiederholt vom Sicherheitspersonal vergewaltigt worden, wobei man sie als Homosexuelle und Anglophone beschimpft habe. Man habe sie dann zu einem Vorgesetzten in dessen Haus gebracht; sie habe sich ihm hingegeben und mit ihm Alkohol getrunken. Sie habe die Gelegenheit zur Flucht ergriffen, nachdem er eingeschlafen sei. Sie sei zu ihren Eltern geflüchtet, denen sie erstmals von ihrer sexuellen Orientierung erzählt habe. Diese würden dann für sie die Flucht organisiert haben.
Zunächst ist festzustellen, dass aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine Zweifel an der sexuellen Orientierung der Beschwerdeführerin bestehen. Sie war in der mündlichen Verhandlung in der Lage, den Prozess ihrer sexuellen Entwicklung, ihre diesbezüglichen Probleme im Familienkreis und ihre Beziehungen umfassend und eindringlich zu schildern. Auch wenn aus Sicht der erkennenden Richterin "Bescheinigungsschreiben" von Homosexuellenorganisationen, welche nach einem ersten Beratungsgespräch ausgestellt werden, kein besonderer Wert zukommt, muss in diesem Fall auch berücksichtigt werden, dass die Beschwerdeführerin in verschiedenen Gruppen, welche sich für die Rechte Homosexueller einsetzen (zB Queer Base, Afro Rainbow), aktiv ist. Zudem wurde als Zeugin auch eine Mitarbeiterin von Queer Base einvernommen, welche bestätigte, dass sie zahlreiche, teilweise auch mehrstündige Beratungsgespräche mit der Beschwerdeführerin geführt hat. Insgesamt kommt das Bundesverwaltungsgericht daher zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin homosexuell ist.
In weiterer Folge stellt sich aber die Frage, ob auch die geschilderten Vorfälle glaubhaft sind. Diesbezüglich ergibt ein Vergleich ihrer Aussagen vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass keinerlei Widersprüche vorliegen, dass die Eckpunkte, aber auch die Details ihrer Geschichte kongruent dargelegt wurden: So stimmen beispielsweise die Namen der Freunde überein, welche sie zu dem Nachtklub begleitet haben, ebenso der Name des Nachtklubs, der Umstand, dass es sich um den Samstag nach ihrem Geburtstag gehandelt habe, etc. Widersprüche im Vorbringen zwischen der Einvernahme durch das BFA und der mündlichen Verhandlung haben sich nicht ergeben. Es steht etwa auch fest, dass es den genannten Nachtklub tatsächlich gibt (vgl. dazu https://de.foursquare.com/v/air-force-one-night-club/56653745498e1b47e0830483). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin findet darüber hinaus Deckung in den Länderfeststellungen, insbesondere im aktuellen Bericht an das UN Human Rights Committee vom Oktober 2017, in welchem von willkürlichen Verhaftungen homosexueller Personen ebenso berichtet wird wie davon, dass homosexuelle Frauen durch Vergewaltigungen zu einer anderen sexuellen Orientierung "gezwungen" werden sollen.
In einer Gesamtschau geht das Bundesverwaltungsgericht daher davon aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin glaubhaft ist und sie somit in Kamerun aufgrund ihrer sexuellen Orientierung inhaftiert und Opfer sexueller Gewalt geworden war.
In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr erneut Verfolgung drohen würde. Unbestritten ist, dass eine Inhaftierung wegen der sexuellen Orientierung bzw. die Anwendung sexueller Gewalt jedenfalls als Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 der Statusrichtlinie darstellen. Artikel 9 der Statusrichtlinie definiert Verfolgungshandlungen im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention. Entscheidend für das Vorliegen einer Verfolgung ist die Schwere der Handlung, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein muss, dass sie eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellt. Alternativ kann die geforderte Schwere durch eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen erreicht werden. Verfolgungshandlungen sind etwa die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung.
Es kann im Lichte der Länderberichte nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Homosexualität in der Zukunft mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätte, zumal von ihr auch pro futuro nicht eine dauerhafte Unterdrückung ihrer sexuellen Bedürfnisse und Interessen erwartet werden kann bzw. eine solche Geheimhaltung gemäß der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 07.11.2013, C-199/12 bis C-201/12 nicht erzwungen werden darf:
"Daher muss dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 13 der Richtlinie [Anmerkung Statusrichtlinie] zuerkannt werden, wenn nachgewiesen ist, dass nach seiner Rückkehr in sein Herkunftsland seine Homosexualität ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung im Sinn des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie aussetzt. Dass er die Gefahr dadurch vermeiden könnte, dass er beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung größere Zurückhaltung übt als eine heterosexuelle Person, ist soweit unbeachtlich." Gemäß EuGH wird eine Kriminalisierung von Homosexualität jedenfalls dann zu einer Verfolgungshandlung gemäß Art. 9 der Statusrichtlinie, wenn es sich um tatsächlich verhängte Freiheitsstrafen handelt.
Dies ist in Kamerun gegeben; wie oben dargelegt werden homosexuellen Aktivitäten mit Freiheitsstrafe bedroht und wurden derartige Strafen (wenn auch vereinzelt) verhängt.
Letztlich konnte die Beschwerdeführerin auch glaubhaft darlegen, dass sie selbst wegen homosexueller Aktivitäten bereits inhaftiert worden war, weshalb im gegenständlichen Fall jedenfalls eine Verfolgungshandlung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH gegeben ist.
Im Falle der Beschwerdeführerin, deren Namen bei der Inhaftierung erfasst wurde, ist davon auszugehen, dass sie im Fall einer Rückkehr eine Verfolgung von jenen Personen zu befürchten hätte, welche für ihre Inhaftierung verantwortlich waren bzw. von jenem Mann, dem sie sich durch ihre Flucht entzogen hatte. Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass diese Personen ein besonderes Interesse an der Beschwerdeführerin haben bzw. sich für ihre Flucht rächen möchten. Diese Personen sind Angehörige der Sicherheitsbehörden Kameruns. Nachdem Homosexualität in Kamerun verboten ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese Personen ihre Position im Staatsapparat benützen würden, um die Verfolgung der Beschwerdeführerin "offiziell", d.h. in Form staatlicher Sanktion (etwa durch einen Haftbefehl), zu gestalten. Somit handelt es sich um eine von staatlicher Seite ausgehende Verfolgung.
Wurde ein Antragsteller bereits verfolgt oder hatte er bereits einen ernsthaften Schaden erlitten bzw. war er von Verfolgung oder ernsthaftem Schaden bedroht, begründet dies gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Statusrichtlinie eine Vermutung dafür, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Dies ist gegenständlich nicht der Fall; wie bereits dargelegt ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin neuerlich Verfolgung droht.
Zusammengefasst gelangt das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der speziellen Konstellation des gegenständlichen Falles (homosexuelle Frau, deren sexuelle Ausrichtung in Kamerun offenkundig wurde) zum Ergebnis, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Asylrelevanz zukommt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist ebenfalls auszuschließen, ist doch Homosexualität in Kamerun generell verboten und ist nicht auszuschließen, dass landesweit ein Haftbefehl für die Beschwerdeführerin vorliegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Die Beschwerdeführerin hat glaubhaft vorgebracht, dass sie aufgrund ihrer homosexuellen Orientierung in Kamerun festgenommen wurde und während ihrer fünfwöchigen Inhaftierung mehrfach Opfer sexueller Gewalt wurde.
Verfolgung aufgrund der sexuellen Ausrichtung kann unter den Tatbestand der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe subsumiert werden.
Art. 10 Abs. 1 lit d der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) definiert, dass eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe gilt, wenn
? die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
? die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.
Je nach den Gegebenheiten im Herkunftsland kann als eine bestimmte soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet. Als sexuelle Orientierung dürfen keine Handlungen verstanden werden, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten als strafbar gelten. Geschlechtsbezogene Aspekte, einschließlich der geschlechtlichen Identität, werden zum Zweck der Bestimmung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der Ermittlung eines Merkmals einer solchen Gruppe angemessen berücksichtigt.
Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 7. November 2013, Rs C-199/12 bis C-201/12 klargestellt, dass Homosexuelle eine bestimmte soziale Gruppe gemäß Artikel 10 Absatz 1 lit d der Statusrichtlinie darstellen, soweit strafrechtliche Bestimmungen bestehen. Er wies darauf hin, dass die sexuelle Ausrichtung einer Person ein Merkmal darstelle, das so bedeutsam für die Identität sei, dass niemand gezwungen sein sollte, darauf zu verzichten. Das zweite Kriterium, die wahrgenommene Andersartigkeit und abgegrenzte Identität, sei zu bejahen, wenn Homosexualität im Herkunftsland durch strafrechtliche Bestimmungen kriminalisiert sei. Der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt seien, erfülle jedoch für sich genommen noch nicht automatisch die von Artikel 9 Absatz 1 der Statusrichtlinie geforderte Schwere einer Verfolgungshandlung. Eine solche sei vielmehr erst dann zu bejahen, wenn eine angedrohte Freiheitsstrafe in der Praxis auch tatsächlich verhängt werde und sie dadurch zu einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung gemäß Artikel 9 Absatz 2 lit c der Statusrichtlinie werde. Es sei unerheblich, ob ein Antragsteller die Gefahr der Verfolgung dadurch vermeiden könnte, dass er seine Homosexualität geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung übt.
Es steht fest, dass Homosexualität in Kamerun kriminalisiert ist und dass es zu Inhaftierungen gekommen ist. Ebenso ist glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin selbst inhaftiert wurde, wenn ihr auch kein ordentliches Verfahren ermöglicht wurde. Die Schwelle der Verfolgungshandlung im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Statusrichtlinie wurde in ihrem konkreten Fall damit jedenfalls erreicht.
Soweit in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 19.07.2017 eine Gruppenverfolgung homosexueller Personen in Kamerun behauptet wird, legt die erkennende Richterin darauf Wert, dass diese Behauptung mit vorliegendem Erkenntnis nicht unterstützt oder festgestellt wird. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Flüchtlingsstatus wurde vielmehr nur in Hinblick auf den konkreten Einzelfall geprüft, in welchem glaubhaft von einer bereits erfolgten Verfolgung berichtet wurde, was – unter Berücksichtigung des Art 4 Abs 4 der Statusrichtlinie – die Vermutung nahelegt, dass die Beschwerdeführerin auch im Falle einer Rückkehr Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu befürchten hätte.
Unter Verweis auf den individuellen Charakter des vorliegenden Falles und im Speziellen die beweiswürdigenden Erwägungen dieser Entscheidung ergibt sich bei Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdeführerin in ihrem entscheidungsrelevanten Kern das Vorliegen einer aktuellen asylrelevanten Verfolgungsgefahr in Kamerun aufgrund Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, hier Homosexuelle, die aufgrund des Bekanntwerdens ihrer Orientierung einer fluchtauslösenden Gefährdungslage ausgesetzt waren; wobei im Falle der Rückkehr der Beschwerdeführerin jedenfalls massive Diskriminierungen und Verfolgungshandlungen zu erwarten sind, gegen welche von staatlichen Organen, wenn diese nicht ohnehin selbst als Verfolger auftreten (in Form einer strafrechtlichen Verurteilung und Inhaftierung bzw. rechtsgrundlosen Maßnahmen wie Misshandlungen, Folter oder erheblichen Diskriminierungen durch Behördenvertreter) kein hinreichender Schutz erwartet werden kann und auch sonst von keiner Seite. Die asylrelevante Intensität ergibt sich aus der Quellenlage. Auch eine innerstaatliche Relokationsalternative besteht vorliegend nicht.
Im gegenständlichen Verfahren ist das Bundesverwaltungsgericht daher der Ansicht, dass die Furcht der Beschwerdeführerin vor Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen aufgrund der äußeren Umstände objektiv betrachtet nachvollziehbar und somit wohlbegründet im Sinne der GFK ist. Somit befindet sich die Beschwerdeführerin aus wohlbegründeter Furcht, verfolgt zu werden, außerhalb Kameruns und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in dieses Land zurückzukehren.
Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG 2005) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist nicht hervorgekommen.
Der Beschwerdeführerin war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Die Beschwerdeführerin stellte ihren Antrag auf internationalen Schutz am 23.08.2015 und damit vor dem 15.11.2015, wodurch § 3 Abs. 4 iVm § 75 Abs. 24 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") keine Anwendung findet.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Haft, Homosexualität,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I403.2169097.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.12.2017