TE Vwgh Erkenntnis 2017/11/15 Ra 2017/08/0113

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Veröffentlicht am 15.11.2017
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §16 Abs4;
ASVG §11 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des Arbeitsmarktservice Mödling gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. August 2017, Zl. W209 2145177-1/3E, betreffend Ruhen des Arbeitslosengeldes (mitbeteiligte Partei: A K, P), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 5. Oktober 2016 sprach das revisionswerbende Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) aus, dass der Anspruch des Mitbeteiligten auf Arbeitslosengeld wegen seines Anspruchs auf eine Urlaubsersatzleistung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) für die Zeit vom 27. September bis 5. November 2016 ruhe.

2 Die vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. Dezember 2016 mit der Begründung ab, der Mitbeteiligte habe vom 28. August bis 5. November 2016 Urlaubsersatzleistung (Urlaubsabfindung) nach dem BUAG erhalten. Gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld während dieses Zeitraumes nach Maßgabe des § 16 Abs. 4 AlVG. Ein solcher Zeitraum stelle eine Anwartschaftszeit iSd § 14 AlVG dar, weil die Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 2 ASVG weiter bestehe.

3 Der Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag, in dem er vorbrachte, sein letzter Arbeitstag sei der 11. Februar 2016 gewesen. Er habe sogleich einen "Antrag auf BUAG-Auszahlung" gestellt, die Auszahlung sei jedoch erst am 17. August 2016 erfolgt.

4 Mit dem in Revision gezogenem Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde "mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Arbeitslosengeldanspruch des (Mitbeteiligten) im Zeitraum von 27.09.2016 bis 01.11.2016 ruht".

5 Der Mitbeteiligte habe am 27. September 2016 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Er sei zuletzt bis 26. September 2016 als Arbeiter bei der K. GmbH beschäftigt gewesen und habe auf Grund dieser Beschäftigung vom 27. September bis 4. Oktober 2016 eine Urlaubsersatzleistung nach dem Urlaubsgesetz bezogen. Auf Grund seines am 16. August 2016 gestellten Antrags sei ihm von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) mit Schreiben vom selben Tag eine Urlaubsabfertigung von (weiteren) 50 Urlaubstagen (bei einer Fünftagewoche) nach dem BUAG (für den Zeitraum vom 1. Jänner 2014 bis 12. Februar 2016) zuerkannt und unter einem angekündigt worden, dass ihm der entsprechende Betrag in den nächsten Tagen auf sein Konto überwiesen werde.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, am 16. August 2016 sei durch das Schreiben der BUAK vom selben Tag eine "Zahlbarstellung" der Urlaubsabfertigung iSd § 16 Abs. 4 (letzter Satz) AlVG erfolgt, die nach der genannten Gesetzesstelle am achten Tag danach - somit ab 24. August 2016 - einen Ruhenszeitraum beginnen lasse. Dem Mitbeteiligten sei eine Abfertigung für 50 Urlaubstage bei einer Fünftagewoche gewährt worden. Der Ruhenszeitraum von daher 70 Tagen ende am 1. November 2016. Gemäß § 16 Abs. 1 lit. l iVm Abs. 4 AlVG ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld (in Anbetracht des am 26. September 2016 gestellten Antrags auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld) vom 27. September bis 1. November 2016.

7 Das AMS erhob Revision.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Das AMS bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es liege zum Begriff der "Zahlbarstellung" iSd § 16 Abs. 4 AlVG keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Das Verwaltungsgericht habe das Datum der Mitteilung der BUAK an den Mitbeteiligten vom 16. August 2016 als Datum der "Zahlbarstellung" betrachtet, um am achten Tag danach das Ruhen beginnen zu lassen. Tatsächlich sei die "Zahlbarstellung" aber erst später erfolgt. Bei der BUAK werde zwischen dem Verrechnungszeitpunkt und dem Zeitpunkt der Zahlbarstellung unterschieden. Unter dem Verrechnungszeitpunkt werde das Datum verstanden, zu dem der Abrechnungsprozess durchgeführt und der Überweisungssatz vorbereitet werde. Als Zeitpunkt der Zahlbarstellung werde der Tag gesehen, an welchem der Arbeitnehmer über den Überweisungsbetrag verfügen könne. Unter Berücksichtigung des Verarbeitungsprozesses und des Bankweges würden von der BUAK dafür standardmäßig drei Tage eingerechnet. Daraus ergebe sich, dass - ausgehend vom Datum der Verrechnung (der BUAK an den Versicherten) - der "Sozialversicherungszeitraum" (aufgrund einer Urlaubsersatzleistung nach dem BUAG iSd § 11 Abs. 2 drittletzter Satz ASVG) beginnend mit dem 12. Tag nach der Verrechnung gemeldet werde, somit vorliegend ab dem 27. August 2016 (Verrechnungsdatum 16. August 2016 zuzüglich drei Tage zuzüglich acht Tage).

10 Der Zeitraum der Pflichtversicherung im Sinn des § 11 Abs. 2 ASVG und der Ruhenszeitraum im Sinn des § 16 Abs. 4 AlVG seien ident. Infolge des (in der bekämpften Entscheidung) von der Vorgehensweise der BUAK abweichenden Zeitpunkts des Beginns des Ruhens liege nun eine Überlappung von Zeiten vor, in der gleichzeitig Ansprüche nach dem BUAG und nach dem AlVG ausbezahlt würden, wobei die Zeiten nach dem BUAG gemäß § 14 AlVG auch anwartschaftsbegründend seien. Dieser Widerspruch begründe eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

11 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt:

12 § 11 ASVG lautet auszugsweise:

"Ende der Pflichtversicherung

§ 11. (1) Die Pflichtversicherung der im § 10 Abs. 1 bezeichneten Personen erlischt, soweit in den Abs. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches.

(2) Wird ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleich über den dem Dienstnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses gebührenden Arbeitslohn oder Gehalt abgeschlossen, so verlängert sich die Pflichtversicherung um den Zeitraum, der durch den Vergleichsbetrag (Pauschbetrag) nach Ausscheidung allfälliger, gemäß § 49 nicht zum Entgelt im Sinne dieses Bundesgesetzes gehörender Bezüge, gemessen an den vor dem Austritt aus der Beschäftigung gebührenden Bezügen, gedeckt ist. Die Pflichtversicherung besteht weiter für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) sowie für die Zeit des Bezuges einer Kündigungsentschädigung. Die zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig werdende pauschalierte Kündigungsentschädigung ist auf den entsprechenden Zeitraum der Kündigungsfrist umzulegen. Gebühren sowohl eine Kündigungsentschädigung als auch eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung), so ist zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitraumes zunächst die Kündigungsentschädigung heranzuziehen und im Anschluss daran die Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung). Wird Urlaubsabfindung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz gewährt, so ist für die Versicherung die Wiener Gebietskrankenkasse zuständig. Die Versicherung beginnt mit dem achten Tag, der auf die Zahlbarstellung durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse folgt. Wird Urlaubsersatzleistung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz ausgezahlt, so ist für die Versicherung jene Gebietskrankenkasse örtlich zuständig, die für das letzte dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz unterliegende Beschäftigungsverhältnis zuständig war. Der Dienstgeberanteil (§ 51) ist von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zu entrichten.

     (3) ... ."

     13 § 16 AlVG lautet auszugsweise:

     "Ruhen des Arbeitslosengeldes

     § 16. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während

a)        (...)

l)        des Zeitraumes, für den Anspruch auf eine Ersatzleistung

(Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt nach dem

Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1976, in der jeweils geltenden

Fassung, oder eine Urlaubsersatzleistung nach dem Bauarbeiter-

Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl. Nr. 414/1972, in der

jeweils geltenden Fassung, besteht oder eine Urlaubsabfindung nach

dem BUAG gewährt wird, nach Maßgabe des Abs. 4,

(...).

     (2) ... .

     (3) ... .

(4) Besteht Anspruch auf eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt (Urlaubsersatzleistung) im Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses, beginnt der Ruhenszeitraum mit dem Ende des anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnisses, besteht jedoch auch Anspruch auf Kündigungsentschädigung mit dem Ende des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt. Ist der Anspruch auf eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt (Urlaubsersatzleistung) strittig oder wird eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt (Urlaubsersatzleistung) aus sonstigen Gründen (zB Konkurs des Arbeitgebers) nicht bezahlt, so ist Abs. 2 sinngemäß anzuwenden. Wird hingegen eine Urlaubsabfindung nach dem BUAG gewährt, beginnt der Ruhenszeitraum mit dem achten Tag, der auf die Zahlbarstellung durch die Urlaubs- und Abfertigungskasse folgt. Ansprüche auf Tagesteile bleiben immer außer Betracht.

(5) ... ."

14 Zum Begriff der "Zahlbarstellung" iSd § 2 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Bundesrechenamtsgesetz, BGBl. Nr. 123/1978, führten die Materialien RV 204 BlgNR 14. GP, 7, 9 aus, diese Bestimmung enthalte eine Aufzählung der Hauptaufgaben des Bundesrechenamtes, dem überwiegend die Funktion einer Servicestelle zukomme. Zu den (damaligen) Hauptaufgaben zählte unter anderem die Arbeitslosengeldliquidierung im weiteren Sinn (§ 2 Abs. 1 Z 6 Bundesrechenamtsgesetz). Für den Bereich des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung würden die wiederkehrenden Geldleistungen im automatisierten Verfahren berechnet und zahlbar gestellt. Bei allen EDV-Projekten, welche die Zahlbarstellung von Geldleistungen zum Gegenstand hätten, würden die zur Durchführung des automatisierten Zahlungsverkehrs erforderlichen Datenträger der Österreichischen Postsparkasse übergeben, welche ihrerseits die Auszahlungen bzw. Gutschriften veranlassen würde.

15 An dieser Vorgangsweise und dem ihr zu Grunde liegenden Begriffsverständnis haben das Bundeshaushaltsgesetz bzw. das Bundeshaushaltsgesetz 2013 grundsätzlich nichts geändert.

16 Mit Zahlbarstellung iSd § 11 Abs. 2 ASVG bzw. § 16 Abs. 4 AlVG ist demnach der Zeitpunkt der (automationsunterstützten) Beauftragung eines Kreditinstituts gemeint und nicht etwa zB der Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer über den Überweisungsbetrag verfügen kann.

17 Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass der Zeitpunkt der Beauftragung des Kreditinstituts mit dem des Verrechnungschreibens der BUAK vom 16. August 2016 zusammenfällt. Das Verwaltungsgericht hat sohin iSd § 16 Abs. 4 AlVG den Beginn des Ruhenszeitraumes zutreffend mit 27. August 2017 ermittelt.

18 Da somit bereits der Revisionsinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. November 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017080113.L00

Im RIS seit

14.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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