TE Vwgh Erkenntnis 2017/11/20 Ra 2017/17/0636

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2017
beobachten
merken

Index

E1E;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;

Norm

12010E056 AEUV Art56;
GSpG 1989 §3;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
VStG §45 Abs1 Z1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 16. Mai 2017, LVwG- 411844/10/Gf/Mu, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis; mitbeteiligte Partei: RW in T bei W, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/Top 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts

aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried in Innkreis vom 6. Februar 2017 wurde die Mitbeteiligte als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt; es wurden über sie sieben Geldstrafen von jeweils EUR 6.000,- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Das Landesverwaltungsgericht traf zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des Glücksspielgesetzes mit Art. 56 AEUV ausführliche Feststellungen und gelangte nach umfangreicher Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes in rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung finde und somit dem Unionsrecht widerspreche, weil es nicht auf einem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses - wie etwa dem Spielerschutz und der Suchtvorbeugung oder der Kriminalitätsbekämpfung - basiere, sondern de facto primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen diene. Darüber hinaus seien die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen. Die mitbeteiligte Partei erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die vorliegende Revision erweist sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Sie ist auch berechtigt.

6 Der Revisionsfall gleicht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof, nach der vom EuGH geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen.

7 Eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ist somit ausgehend von den Verfahrensergebnissen im Revisionsfall nicht zu erkennen.

8 Da das Verwaltungsgericht insoweit die Rechtslage verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen.

9 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

10 Ein Kostenersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof gegenüber der belangten Behörde findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt. Der mitbeteiligten Partei steht bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG auch kein Anspruch auf Kostenersatz zu.

Wien, am 20. November 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170636.L00

Im RIS seit

14.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten