Index
E1E;Norm
12010E056 AEUV Art56;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/17/0587Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revisionen 1. des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, und 2. der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems in 4560 Kirchdorf an der Krems, Garnisonstraße 1, jeweils gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 27. April 2017, LVwG-411722/6/Gf/Mu, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems; mitbeteiligte Partei: RW in T bei W, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17 /Top 11), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 6. Dezember 2016 wurde die Mitbeteiligte als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten s. r.o. der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt; es wurden über sie drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 5.000,-- (sowie drei Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde statt, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
3 Das Landesverwaltungsgericht traf zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des Glücksspielgesetzes mit Art. 56 AEUV ausführliche Feststellungen und gelangte nach umfangreicher Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes in rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung finde und somit dem Unionsrecht widerspreche, weil es nicht auf einem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses - wie etwa dem Spielerschutz und der Suchtvorbeugung oder der Kriminalitätsbekämpfung - basiere, sondern de facto primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen diene. Darüber hinaus seien die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig.
4 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die außerordentlichen Amtsrevisionen. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine gemeinsame Revisionsbeantwortung.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Revisionen wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zu verbinden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die vorliegenden Revisionen erweisen sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Sie ist auch berechtigt.
7 Die Revisionsfälle gleichen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof, nach der vom EuGH geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen.
8 Eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ist somit ausgehend von den Verfahrensergebnissen in den Revisionsfällen nicht zu erkennen.
9 Da das Verwaltungsgericht insoweit die Rechtslage verkannte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
10 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
11 Ein Kostenersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt.
Wien, am 20. November 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170586.L00Im RIS seit
14.12.2017Zuletzt aktualisiert am
27.02.2018