Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des Mag. E G in K, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. Mai 2016, Zl. W129 2132985- 1/4E, betreffend Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde (vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde: Landesschulrat für Niederösterreich), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht als Professor in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Mit seiner beim Landesschulrat für Niederösterreich eingebrachten Säumnisbeschwerde vom 10. August 2016 machte er geltend, dass seine Dienstbehörde über seinen am 5. Jänner 2016 eingeschrieben zur Post gegebenen Antrag vom 4. Jänner 2016 auf bescheidmäßige Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden habe.
3 Infolge des in dieser Säumnisbeschwerde enthaltenen unrichtigen Vorbringens, wonach der Revisionswerber in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich stehe, legte der Landesschulrat für Niederösterreich die Säumnisbeschwerde am 16. August 2016 dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Hinweis vor, dass der Revisionswerber in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehe. Im Übrigen sei der in der Säumnisbeschwerde erwähnte Antrag vom 4. Jänner 2016 bei der Dienstbehörde nicht eingelangt.
4 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich leitete die Säumnisbeschwerde gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 6 AVG dem Bundesverwaltungsgericht weiter.
5 Mit Vorhalt vom 24. April 2017 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Revisionswerber mit, dass ein Antrag vom 4. Jänner 2016 nach Auskunft der Dienstbehörde bei dieser nicht eingelangt sei und sich ein solcher Antrag auch nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten finde. Es stellte dem Revisionswerber frei, sich hiezu binnen zwei Wochen zu äußern.
6 In seiner Äußerung vom 28. April 2017 brachte der Revisionswerber vor, er habe den Antrag am 5. Jänner 2016 eingeschrieben zur Post gegeben. Dieses Vorbringen bescheinigte er durch Anschluss einer Kopie des Postaufgabescheines.
7 Ohne weiteres Verfahren wies das Bundesverwaltungsgericht daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Begründend vertrat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, der Nachweis der Postaufgabe des Antrages vom 4. Jänner 2016 beweise nicht dessen Einlangen bei der Dienstbehörde, welches nach der Aktenlage nicht erfolgt sei.
9 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der angefochtene Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, noch es an einer solchen Rechtsprechung fehle. Auch sei die bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision.
11 Der Revisionswerber macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Beschlusses sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
12 Der Landesschulrat für Niederösterreich erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher er die Zurückweisung der Revision als unzulässig beantragt.
13 Der Revisionswerber erstattete hiezu eine Replik. 14 Als Zulassungsgrund macht der Revisionswerber abgesondert
geltend, dass es das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung des aus § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG abgeleiteten Amtswegigkeitsgrundsatzes unterlassen habe, Nachforschungen darüber anzustellen, ob die von ihm eingeschrieben aufgegebene Sendung durch die Post an den Landesschulrat für Niederösterreich übergeben worden sei. Wären solche Nachforschungen angestellt worden, so hätte sich eine solche Übergabe am 7. Jänner 2016 als erwiesen herausgestellt.
15 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision ihre Zulässigkeit und ihre inhaltliche Berechtigung auf:
16 Das Bundesverwaltungsgericht hat es nämlich in grundsätzlicher Verkennung des Gebotes zur amtswegigen Wahrheitsforschung und damit in unvertretbarer Anwendung der vorliegendenfalls maßgeblichen Bestimmungen des § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG auf sein prozessuales Vorgehen unterlassen, Ermittlungen in die vom Revisionswerber aufgezeigte Richtung anzustellen. Die unvertretbare Missachtung des tragenden Verfahrensgrundsatzes der amtswegigen Wahrheitsforschung durch das Verwaltungsgericht begründet aber - anders als der Landesschulrat für Niederösterreich in seiner Revisionsbeantwortung meint - die Zulässigkeit der Revision (vgl. hiezu VwGH 19.10.2016, Ra 2015/12/0041).
17 Zu ihrer inhaltlichen Behandlung ist zunächst darauf zu verweisen, dass die zurückweisende Entscheidung (zu Recht) nicht auf das Vorliegen eines Inhaltsmangels der Säumnisbeschwerde durch fehlende Glaubhaftmachung im Verständnis des § 9 Abs. 5 letzter Satz VwGVG gestützt wurde. Die in der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung umschriebene Obliegenheit betrifft nämlich lediglich die a limine Prüfung der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde, wie sie ohne Bezugnahme auf (sonstige) Erhebungsergebnisse vorzunehmen ist. Für eine "Glaubhaftmachung" im Verständnis der vorzitierten Gesetzesbestimmung reicht - in Ermangelung anderer Erhebungsergebnisse - der Nachweis der eingeschriebenen postalischen Aufgabe des Antrages jedenfalls aus.
18 Vorliegendenfalls ist das Bundesverwaltungsgericht aber bereits in ein amtswegiges Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung der Auskunft des Landesschulrates für Niederösterreich und des sonstigen Akteninhaltes eingetreten, als dessen (vorläufiges) Ergebnis sich Zweifel am Einlangen der eingeschrieben aufgegebenen Postsendung beim Landesschulrat für Niederösterreich ergeben hatten. Diese Zweifel wären durch die Einholung einer Auskunft durch das Verwaltungsgericht bei der Post, ob eine Übernahmebestätigung der eingeschrieben aufgegebenen Briefsendung durch die Dienstbehörde vorliegt, abzuklären gewesen. Indem das Bundesverwaltungsgericht ohne weitere Ergänzung seines Ermittlungsverfahrens ein Einlangen der eingeschriebenen Postsendung bei der Dienstbehörde (im Hinblick auf die oben aufgezeigten Zweifel) verneinte, verstieß es gegen den Amtsermittlungsgrundsatz.
19 Mit dem Revisionsvorbringen, wonach die Post dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers (nach Zurückweisung der Säumnisbeschwerde) die Auskunft erteilt habe, das Schreiben sei am 7. Jänner 2016 von einem eingerichteten Postfach durch einen mit einer Postvollmacht ausgestatteten Mitarbeiter der Dienstbehörde abgeholt worden, worüber es auch einen dokumentarischen Nachweis gebe, wird die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels aufgezeigt. Eine urkundliche Bestätigung der Übernahme der in Rede stehenden Sendung durch einen postbevollmächtigten Beamten der Dienstbehörde wäre nämlich - anders als der bloße Nachweis der eingeschriebenen Aufgabe derselben - für sich genommen jedenfalls ausreichend, um den Nachweis des Einlangens des Antrages bei der Dienstbehörde zu erbringen (vgl. zu all dem VwGH 20.10.2014, Ro 2014/12/0014). Dies würde auch dann gelten, wenn - wie der Landesschulrat von Niederösterreich in seiner Revisionsbeantwortung ausführt - die Übernahme einer Vielzahl eingeschriebener Postsendungen auf einer die jeweiligen Registrierungsnummern anführenden Liste pauschal bestätigt worden wäre. In diesem Fall könnte die Richtigkeit einer solchen Übernahmebestätigung keinesfalls mit dem bloßen Hinweis entkräftet werden, dass der Antrag im Personalakt des Revisionswerbers nicht enthalten sei.
20 Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 21. November 2017
Schlagworte
Beweismittel UrkundenVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Beweiswürdigung Wertung der BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017120069.L00Im RIS seit
14.12.2017Zuletzt aktualisiert am
10.01.2018