TE OGH 2017/11/28 2Ob177/16t

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Veröffentlicht am 28.11.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** R*****, vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner und Mag. Franz Lochbichler, Rechtsanwälte OG in Schwarzach, gegen die beklagte Partei E***** S*****, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 50.000 EUR sA, über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Juli 2016, GZ 2 R 90/16t-14, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 11. April 2016, GZ 14 Cg 131/15z-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.234,70 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 372,45 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Mutter und der Stiefvater der Klägerin hatten einander in einem gemeinschaftlichen Testament vom 10. Februar 1986 wechselseitig als Erben eingesetzt. Weiters enthielt das Testament folgende für den Rechtsstreit relevante Bestimmungen:

Der von uns Letztversterbende verpflichtet sich, unsere Eigentumswohnung ***** B*****, unserer Tochter C***** [der Klägerin] entweder zu Lebzeiten zu angemessenen Bedingungen zu übergeben oder von Todes wegen zu hinterlassen. Diese Verpflichtung ist durch ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten unserer Tochter grundbücherlich sicherzustellen.

Das Testament hat als wechselbezügliches zu gelten, sodass die einseitige Abänderung oder Aufhebung des Testaments auch die Ungültigkeit der Verfügung des anderen Eheteiles zur Folge hat.

Zu diesem Zeitpunkt bewohnten die Ehegatten die Wohnung aufgrund eines „Kaufanwartschaftsvertrags“, dessen Inhalt nicht festgestellt werden konnte. Der Stiefvater starb zwei Jahre nach Errichtung des Testaments. Der überschuldete Nachlass wurde der Mutter eingeantwortet; die Klägerin war nicht am Verfahren beteiligt. Im Abhandlungsprotokoll ist festgehalten, dass der Erblasser mit seiner Frau „Kaufanwärter“ der Wohnung gewesen sei; ein Kaufvertrag liege aber noch nicht vor. Die Ehegatten hätten bisher „Eigenmittel“ von 219.517 S geleistet, wovon die Hälfte als Aktiva anzusetzen seien. Ein Belastungs- und Veräußerungsverbot könne bei der Wohnung mangels Eigentums der Erbin nicht eingetragen werden, sie verpflichte sich jedoch, dies „nach Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen“ zu veranlassen.

Unmittelbar nach Abschluss des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags veräußerte die Mutter die Wohnung am 20. Juni 1991 an einen Dritten. Der Kaufpreis betrug 1.070.616,75 S, wovon 670.616,75 S zur Darlehenstilgung verwendet wurden.

Der Beklagte ist Alleinerbe der im Jahr 2015 verstorbenen Mutter der Klägerin.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin Zahlung von 50.000 EUR. Ihre Mutter habe sich im gemeinschaftlichen Testament und im Verlassverfahren verpflichtet, ihr die Ehewohnung spätestens mit dem Tod zu überlassen. Sie habe diese Verpflichtung durch die Veräußerung vereitelt und sei dadurch schadenersatzpflichtig geworden. Der Schaden betrage unter Berücksichtigung des Kaufpreises aus dem Jahr 1991 und der Abnutzung der Wohnung 50.000 EUR. Der Beklagte hafte aufgrund der unbedingten Erbantrittserklärung als Erbe der Mutter.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage im Kern mit der Begründung ab, dass letztwillige Verfügungen widerruflich seien, weswegen das wechselseitige Testament keine Verpflichtung der Mutter gegenüber der Klägerin begründet habe. Im Verlassverfahren habe sich die Mutter lediglich zur Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots verpflichtet. Aus der Verletzung dieser Verpflichtung könne kein Schadenersatzanspruch abgeleitet werden. Zudem sei insofern keine Vereinbarung mit der Tochter zustande gekommen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zu den Wirkungen einer in einem wechselseitigen Testament übernommenen Verpflichtung zur Einräumung eines Besitznachfolgerechts fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Die Klägerin stützt sich auch in der Revision ausschließlich auf die von ihrer Mutter übernommene „Verpflichtung“, ihr die Wohnung zu hinterlassen. Die Verletzung dieser Verpflichtung begründe einen Schadenersatzanspruch. Damit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Erklärungen der Mutter im Testament und/oder im Verlassverfahren tatsächlich eine Verpflichtung gegenüber der Klägerin begründet haben.

2. Aus der Erklärung im Testament lässt sich diese Verpflichtung nicht ableiten. Die Revision nimmt nicht zum tragenden Argument des Berufungsgerichts Stellung, dass letztwillige Verfügungen frei widerruflich sind und die Veräußerung der vermachten Sache nach § 724 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 als Widerruf zu werten ist. Die freie Widerrufbarkeit gilt auch bei gemeinschaftlichen Testamenten von Ehegatten iSv § 1248 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 (6 Ob 571/77 SZ 50/71; 6 Ob 167/09s). Eine verbindliche Verpflichtung gegenüber der Tochter hätte zwar bei einer Schenkung auf den Todesfall bestehen können; eine solche lag hier aber nicht vor. Ob der Widerruf wegen der Wechselbezüglichkeit des Testaments oder wegen der Deutung der Verpflichtung als Auflage die Ungültigkeit der Erbeinsetzung der Mutter zur Folge haben konnte, ist hier nicht zu prüfen. Die Klägerin könnte daraus mangels gesetzlichen Erbrechts nach ihrem Stiefvater und vor allem wegen der Überschuldung des Nachlasses nichts gewinnen.

3. Im Verlassverfahren nach ihrem Ehemann hat die Mutter zwar erklärt, sich zur Begründung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots zugunsten der Klägerin zu verpflichten. Die Klägerin hat aber nicht behauptet, dass diese Erklärung nach dem Willen der Mutter ihr zukommen sollte und von ihr auch angenommen wurde. Nur dann könnte sich die Klägerin aber (allenfalls) auf eine insofern getroffene Vereinbarung stützen. Tatsächlich hatte die Mutter aber
– ungeachtet der gewählten Formulierung – wohl ohnehin nur eine auf einer falschen rechtlichen Beurteilung beruhende Wissenserklärung über das Bestehen einer solchen Verpflichtung abgegeben.

4. Andere erhebliche Rechtsfragen – etwa zum Vorliegen eines uneigentlichen Nachlegats, das sich aber nur auf den halben Wert des Anwartschaftsrechts der Ehegatten auf die Wohnung im Zeitpunkt des Todes des Stiefvaters beziehen könnte – zeigt die Revision nicht auf. Sie ist daher zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und hat daher Anspruch auf Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung.

Textnummer

E120061

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00177.16T.1128.000

Im RIS seit

14.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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