Entscheidungsdatum
16.11.2017Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2155758-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2017, Zl. 1133215104-161462673, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Nigeria, stellte am 25.10.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Einer Eurodac-Treffermeldung zufolge wurde der Beschwerdeführer am 29.08.2016 in Italien erkennungsdienstlich behandelt (IT2 ).
Es besteht eine Einreiseverweigerung Deutschlands vom 23.10.2016. Am 24.10.2016 erfolgte eine Einvernahme im fremdenpolizeilichen Verfahren. Hiebei gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können; er habe keine Beschwerden oder Krankheiten. Er sei von Italien kommend mit dem Zug in Österreich eingereist und habe nach Deutschland weiterreisen wollen. Der Beschwerdeführer erklärte, in Österreich nicht um Asyl ansuchen zu wollen; er werde freiwillig nach Italien zurückkehren. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen. In Italien habe der Beschwerdeführer um Asyl angesucht. Einen italienischen Aufenthaltstitel besitze er nicht.
Im Stand der Schubhaft suchte der Beschwerdeführer dann am 25.10.2016 um internationalen Schutz in Österreich an. Im Zuge seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Reiseroute an, seine Heimat im Juni 2016 mit einem Bus verlassen zu haben und über Niger, Libyen und Italien letztlich nach Österreich gelangt zu sein. Sein Zielland sei Österreich gewesen. Dies, um Deutsch zu lernen und zur Schule zu gehen. In Libyen und in Italien habe sich der Beschwerdeführer jeweils ca 2 Monate lang aufgehalten. In Italien sei es dem Beschwerdeführer "nicht gut" gegangen und es habe es ihm dort auch nicht gefallen. Er habe dort weder die Sprache lernen noch zur Schule gehen können. Der Beschwerdeführer habe bei "einer Frau in ihrer privaten Wohnung" gewohnt. Diese Frau habe den Beschwerdeführer schließlich aufgefordert, die Wohnung zu verlassen, worauf hin er auf der Straße gelandet sei. Er habe kein Geld, keine Wohnung und keine medizinische Versorgung gehabt. Um Asyl angesucht habe der Beschwerdeführer in Italien nicht. Seine Heimat habe er aufgrund seiner Homosexualität verlassen (müssen). Die Frage nach Familienangehörigen in Österreich oder einem anderen Land der EU verneinte der Beschwerdeführer ebenso wie das Vorliegen von gesundheitlichen Beschwerden; er müsse keine Medikamente einnehmen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) richtete am 16.12.2016 ein Aufnahmegesuch gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an Italien. Dies unter Anführung des vorliegenden Eurodac-Treffers der Kategorie "2" mit Italien.
Mit Schreiben des Bundesamtes vom 20.02.2017 wurde Italien auf die Verfristung und somit die Verpflichtung hingewiesen, den Beschwerdeführer zu übernehmen; die Zuständigkeit Italiens habe mit 17.02.2017 begonnen.
Der Beschwerdeführer wurde am 20.03.2017 – in Anwesenheit eines Rechtsberaters und nach durchgeführter Rechtsberatung - einer Einvernahme vor dem Bundesamt unterzogen. Der Beschwerdeführer brachte hierbei zusammengefasst vor, dass er der Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Gesundheitlich gehe es ihm nicht gut; er habe Schmerzen im Bauchbereich, Knieschmerzen, eine Infektion sowie Probleme mit der Niere. Der Beschwerdeführer nehme Medikamente und habe diese Woche noch einen Arzttermin. Seine bisherigen Angaben im Verfahren würden der Wahrheit entsprechen. Der Beschwerdeführer habe in Österreich oder einem anderen Land der EU keine Verwandten. In Italien habe sich der Beschwerdeführer über einen Monat lang aufgehalten. Er habe in Italien nicht um Asyl angesucht, sei nicht im Besitz eines italienischen Visums (gewesen) und habe auch keine italienischen Aufenthaltstitel. Über Vorhalt der Zuständigkeit Italiens für das Asylverfahren des Beschwerdeführers erklärt dieser, in Italien von einer Italienerin vom Camp abgeholt worden zu sein und in der Folge einen Monat bei dieser Frau gewohnt zu haben. Nachdem sie den Beschwerdeführer dann hinausgeworfen habe, habe dieser auf der Straße leben müssen. Aufgrund seiner Erkrankungen habe er Italien verlassen und sei nach Österreich gekommen. In Italien habe er keinen Arzt aufgesucht. Seit der Beschwerdeführer in Österreich sei gehe es ihm viel besser.
Es wurde folgende medizinische Unterlagen in Vorlage gebracht:
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Blutbild vom 24.01.2017
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Stationäre Aufnahme in einem Klinikum wegen Operation eines Nabelbruchs 06.04.2017
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Vorläufiger Arztbrief einer Chirurgischen Abteilung nach Entlassung aus der Klinik; stationärer Aufenthalt vom 06.04.2017 bis 11.04.2017. OP wegen Nabelbruch (Hernia umbilicalis). Postoperativer Verlauf ohne Komplikationen. Medikamente: XEFO, Pantoloc, Novalgin. Nahtentfernung nach 10 Tagen beim Hausarzt.
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Laborbefund
Mit Bescheid vom 14.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art 22 Abs 7 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich die Lage für Asylwerber in Italien dar. Demnach sind grundsätzlich der Zugang zum Asylverfahren und die Grund- und Gesundheitsversorgung für Asylwerber gewährleistet. Auch Kritikpunkte am italienischen Asylwesen werden näher dargestellt. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
KI vom 16.3.2017, Asylstatistik und Unterbringung
Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es in Italien 2017 mit Stand 10. März 29.750 Asylanträge gab.
(VB 15.3.2017a)
Mit Stand 14.3.2017 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 173.973 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 344 in Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 13.027 in Erstaufnahmezentren, 136.920 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.682 (Stand: 27.2.2017) in staatlicher Betreuung
(SPRAR).
(VB 15.3.2017b)
Quellen:
-
VB des BM.I Italien (15.3.2017a): Statistik des ital. Innenministeriums, per E-Mail
-
VB des BM.I Italien (15.3.2017b): Statistik des ital. Innenministeriums, per E-Mail
2. Allgemeines zum Asylverfahren
Antragsteller 2015
Italien
84.090
Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.
(Eurostat 3.3.2016a)
Erstinstanzliche Entscheidungen
Gesamt
Flüchtlings-status
Subsidiärer Schutz
Humanitäre Gründe
NEGATIV
1. Qu. 2015
10.625
705
2.175
2.595
5.145
2. Qu. 2015
13.760
770
2.280
3.410
7.300
3. Qu. 2015
19.645
1.005
2.520
4.325
11.795
4. Qu. 2015
27.310
1.090
3.290
5.440
17.490
GESAMT
71.340
3.570
10.265
15.770
41.730
Die Daten werden auf
die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.
(Eurostat 18.9.2015a; Eurostat 18.9.2015b; Eurostat 10.12.2015; Eurostat 3.3.2016b)
Die Zahl der Migranten, die nach Italien kommen, ist weit größer als die Zahl derer, die dort bleiben (UNHRC 1.5.2015).
Für das erstinstanzliche Asylverfahren in Italien zuständig sind die sogenannten Territorialkommissionen für internationalen Schutz (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale). Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren und Beschwerdemöglichkeiten:
Bild kann nicht dargestellt werden
(AIDA 12.2015; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_update.iv_.pdf, Zugriff 8.4.2016
-
Eurostat (3.3.2016a): Statistics explained, File: Asylum applicants (including first time asylum applicants), Q4 2014 – Q4 2015.png,
http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Asylum_applicants_(including_first_time_asylum_applicants),_Q4_2014_%E2%80%93_Q4_2015.png, Zugriff 31.3.2016
-
Eurostat (18.9.2015a): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 1st quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_1st_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016
-
Eurostat (18.9.2015b): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 2nd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_2nd_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016
-
Eurostat (10.12.2015): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 3rd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_3rd_quarter_2015.png, Zugriff 22.2.2016
-
Eurostat (3.3.2016b): Statistics explained, File: First instance decisions by outcome and recognition rates, 4th quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_4th_quarter_2015.png, Zugriff 31.3.2016
-
UNHRC - UN Human Rights Council (1.5.2015): Report by the Special Rapporteur on the human rights of migrants, François Crépeau. Addendum. Follow-up mission to Italy (2–6 December 2014), http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1432736395_a-hrc-29-36-add-2-en.doc, Zugriff 27.4.2016
3. Dublin-Rückkehrer
Die meisten Dublin-Rückkehrer landen am Flughafen Rom-Fiumicino, einige auch am Flughafen Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Questura für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.
1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in IT gestellt hat, kann er dies tun, wie jeder andere auch.
2. Ist das Verfahren des AW noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere AW.
3. Hat er beim ersten Aufenthalt in Italien eine negative Entscheidung erhalten und dagegen keine Beschwerde eingelegt, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE gebracht werden.
4. Wurde das Verfahren des Rückkehrers negativ entschieden, dieser aber nicht informiert (weil er etwa schon weg war), kann er Beschwerde einlegen.
5. Hat der AW Italien vor seinem persönlichen Interview verlassen und erging folglich eine negative Entscheidung, kann der Rückkehrer ein neues Interview beantragen (AIDA 12.2015).
Im Falle einer 8-köpfigen afghanischen Familie, welche über Italien nach Österreich und weiter in die Schweiz gereist ist und welche im Rahmen der Dublin-Verordnung von der Schweiz nach Italien rückzuüberstellen war, hat der EGMR am 4.11.2014 festgestellt, dass eine Überstellung nach Italien das Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) verletzen würde, falls die Schweiz nicht vorab von Italien Einzelfallzusicherungen für eine altersgerechte Betreuung der Kinder und für die Wahrung der Einheit der Familie einholt (sogen. Tarakhel-Urteil) (EGMR 4.11.2014; vgl AIDA 12.2015).
Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte IT im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind (AIDA 12.2015). Im Februar 2016 wurde in einem neuen Rundbrief diese Liste aktualisiert. Sie umfasst 23 SPRAR-Projekte mit zusammen 85 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 15.2.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_update.iv_.pdf, Zugriff 12.4.2016
-
MdI – Ministero dell Interno (15.2.2016): Circular Letter, per –E-Mail
-
EGMR – Europäischer Gerichtshof für Menschenechte (4.11.2014):
Grand Chamber. Case of Tarakhel vs. Switzerland. Application no. 29217/12. Judgement,
http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-148070#{"itemid":["001-148070"]}, Zugriff 27.4.2016
4. Non-Refoulement
Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 25.6.2015).
Italien bringt gegebenenfalls Antragsteller im Rahmen der Dublin-VO außer Landes oder schiebt in sichere Herkunftsstaaten ab. Zwischen Jänner und August 2015 schob Italien 8.497 Migranten in ihre Heimatländer ab, hauptsächlich Tunesien, Ägypten und Nigeria (USDOS 4.2016).
Von Problemen wird von den ital. Adriahäfen (sogen. "offizielle Grenzpunkte") berichtet, wo im Rahmen bilateraler Abkommen direkte und informelle Rückschiebungen von Italien nach Griechenland stattfinden, welche die Betroffenen einem Refoulement-Risiko aussetzen können. Für diese Praxis wurde Italien am 21.10.2014 vom EGMR verurteilt (Sharifi and Others v. Italy and Greece). Zuletzt nahm die Zahl der blinden Passagiere auf den Fähren aber ab, was an geänderten Migrationsrouten liegen dürfte. (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_update.iv_.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.2015): Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees For the Office of the High Commissioner for Human Rights' Compilation Report – Universal Periodic Review: Italy, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1430987595_5541e115d.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Italy, http://www.ecoi.net/local_link/306380/443655_de.html, Zugriff 14.4.2016
-
USDOS - US Department of State (4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Italy,
http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/#wrapper, Zugriff 15.4.2016
5. Versorgung
5.1. Unterbringung
Mit LD 142/2015 wurde ein 2-Phasen-Unterbringungssystem eingeführt, das im Wesentlichen dem davor Üblichen entspricht. Die erste Phase bilden die Ersthelfer- und Unterbringungszentren CPSA, Erstaufnahmezentren CPA und Notfallzentren CAS, sowie Unterbringungszentren CARA. In diesen Einrichtungen sollen AW nur temporär untergebracht werden, bis Verlegung in SPRAR möglich ist. Das SPRAR bildet die 2. Phase der Unterbringung. Fremde sind zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen und wenn eine Bedürftigkeit besteht, welche auf Basis von Eigendeklaration festgestellt wird. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung (bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist). Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts (AIDA 12.2015).
Die Praxis, dass der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der Verbalizzazione (formelle Registrierung des Antrags) gegeben ist, anstatt sofort nach Fotosegnalamento (erkennungsdienstliche Behandlung), bestand laut AIDA aber zumindest bis Ende September 2015 fort. Zwischen diesen beiden Schritten waren, abhängig von Region und Antragszahlen, vor allem in den großen Städten Wartezeiten von Wochen oder gar Monaten möglich. Betroffene AW waren daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es drohte ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Auch ist nicht bekannt, wie sich die Situation momentan darstellt. Betroffen waren außerdem nur Personen, die ihren Antrag im Land stellten, keine auf See geretteten AW (AIDA 12.2015).
CPSA, CDA, CARA und CAS
CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza), CDA (Centri di Accoglienza) und CARA (Centri d’Accoglienza Richiedenti Asilo) umfassen 13 Zentren. Diese Zentren der Erstaufnahme bieten im Vergleich zum SPRAR eher grundlegende Versorgung mit Essen, Kleidung, Basisinformation, Rechtsberatung und medizinischer Notversorgung. Es handelt sich um große Zentren mit vielen Unterbringungsplätzen. Die CAS (Centri di accoglienza straordinaria) dienen hauptsächlich zur Unterbringung von Bootsflüchtlingen, ihre Zahl wird je nach Bedarf angepasst und ist daher nur schwer festzumachen. Die Zahl der Unterbringungsplätze lag im Oktober 2015 bei 7.290 (CPSA, CDA und CARA) und 70.918 (CAS). Es ist geplant, dass bis Ende 2016 die Erstaufnahmestrukturen zu Regionalzentren (Regional Hubs) umgewandelt werden, in denen die ASt. zur Formalisierung ihrer Anträge 7-30 Tage bleiben und dann weiterverlegt werden. Es sollen so bis Mitte 2016 14.750 Plätze zur Verfügung stehen, bzw. 15.500 bis Ende 2016. Am Ende soll es ein derartiges Zentrum in jeder Region des Landes geben. Die Zentren sind offen und dürfen tagsüber verlassen werden. Auf individuelle Bedürfnisse der ASt. (Geschlecht, Alter, Vulnerabilität) ist Rücksicht zu nehmen. In CARA erhalten Untergebrachte EUR 75/Monat Taschengeld, die Höhe des Taschengeldes in CAS ist nicht bekannt (AIDA 12.2015). In der Praxis unterscheiden sich die Unterbringungsbedingungen zwischen den Zentrumstypen und je nach Region zum Teil erheblich. Überbelegung ist oft ein Problem. Da ASt. überall in Italien untergebracht werden können, wo gerade Platz ist, viele es jedoch bevorzugen in Rom zu leben, verlassen viele von ihnen das CARA-System (AIDA 12.2015).
SPRAR
Die SPRAR-Projekte der Gemeinden (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) sind hauptsächlich Wohnungen oder kleine Zentren. Im Mai 2015 bestand das SPRAR aus 430 Einzelprojekten. Die Zahl der Unterbringungsplätze Ende 2015 bei 19.715, aber die Schaffung von 10.000 weiteren Plätzen wurde angekündigt. SPRAR-Projekte bieten Übersetzungsleistungen, linguistisch-kulturelle Mediation, rechtliche Beratung, medizinische Versorgung, sozio-psychologische Unterstützung, Unterstützung Vulnerabler, Integrationsberatung, und Freizeitaktivitäten. Die Unterbringungsbedingungen sind besser als in CARA-Zentren. Es gibt eigene Projekte im Rahmen des SPRAR für UM bzw. geistig oder körperlich Behinderte, welche spezialisierte Leistungen bieten. Im SPRAR Untergebrachte erhalten EUR 60-75 Taschengeld. Das SPRAR verfügt über standardisierte Integrationsprogramme für AW und Schutzberechtigte, die auch Jobtrainings und Praktika umfassen. Auch wenn es Unterschiede zwischen den einzelnen Projekten gibt, werden die Integrationsmaßnahmen in den italienischen Zentren dennoch als unzulänglich kritisiert. Die max. Aufenthaltsdauer im SPRAR liegt bei 6 bis 12 Monaten (AIDA 12.2015; vgl. AIDA 12.3.2016).
Für Mitte Februar 2016 wird von insgesamt 105.248 Unterbringungsplätzen (alle Formen) in Italien berichtet. Die meisten davon (wie oben) sind CAS-Plätze (AIDA 12.3.2016).
Darüber hinaus existiert außerhalb der staatlichen Strukturen noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben etwa von Kirchen und Freiwilligenorganisationen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie im Notfall oder für die Unterbringung von Familien (AIDA 12.2015).
Gemäß LD 142/2015 dürfen AW bereits 2 Monate nach Antragstellung arbeiten, wobei es in der Praxis bürokratische Schwierigkeiten bei der Ausübung dieses Rechtes gibt. Die Sprachbarriere ist ebenfalls ein erschwerender Faktor. Sind AW im SPRAR untergebracht, haben sie auch Zugang zu den dortigen Jobtrainings (AIDA 12.2015).
Ist in keiner der beiden Strukturen Platz für einen AW vorhanden, wäre für den Zeitraum in dem der AW nicht untergebracht wird, eigentlich ein Taggeld vorgesehen. In der Praxis wird dieses aber nicht ausbezahlt, sondern der AW trotzdem untergebracht und eine gewisse Überbelegung in Kauf genommen (AIDA 12.2015).
CIE
Zusätzlich sind noch die Schubhaftkapazitäten zu nennen. Italien verfügt über 7 CIE (Centro di identificazione ed espulsione) mit einer Kapazität von 955 Plätzen (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_update.iv_.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.3.2016): Wrong counts and closing doors. The reception of refugees and asylum seekers in Europe, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/shadow-reports/aida_wrong_counts_and_closing_doors.pdf, Zugriff 14.4.2016
5.2. Hotspots
In Italien sind bisher 3 Hotspots eröffnet worden (Lampedusa, Pozzallo, Trapani). Geplant sind 6 Hotspots mit insgesamt 2.500 Plätzen. Deren Zweck ist es, dort zusammen mit Personal der europäischen Asylunterstützungsagentur EASO die mixed migration flows zu kanalisieren und Migranten von Asylwerbern zu trennen. Letztere werden in die Regionalzentren überstellt (AIDA 12.2015; UNHCR 18.2.2016). Bestimmte Nationalitäten kommen für Relocation in andere EU-Länder in Frage (AI 24.2.2016).
Die Hotspots ernteten Kritik von NGOs, da es sich um geschlossene Zentren handelt. Auch sollen die Bedingungen zum Teil schlecht sein, sodass sich die NGO Médécins Sans Frontières (MSF) aus dem Hotspot Pozzallo zurückzog (AIDA 12.3.2016)
Quellen:
-
AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Italy, https://www.ecoi.net/local_link/319839/459035_de.html, Zugriff 14.4.2016
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_update.iv_.pdf, Zugriff 14.4.2016
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.3.2016): Wrong counts and closing doors. The reception of refugees and asylum seekers in Europe, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/shadow-reports/aida_wrong_counts_and_closing_doors.pdf, Zugriff 14.4.2016
-
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (18.2.2016): Europe's Refugee Emergency Response Update #23; 12-18 February 2016, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1456926739_56cd6e0f4.pdf, Zugriff 14.4.2016
5.3. Dublin-Rückkehrer
Als größtes Problem für Rückkehrer wird die Unterbringungssituation betrachtet. Dublin-Rückkehrer (AW oder Schutzberechtigte), die zuvor in Italien nicht untergebracht waren, haben bei Rückkehr Zugang zu Unterbringung. Eine Aussage darüber, wie lange es dauert bis auch tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. Berichten zufolge ist es in der Vergangenheit zu Fällen gekommen, in denen Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden konnten und sich selbst unterbringen mussten, mitunter in Behelfssiedlungen. (AIDA 12.2015).
Gleichzeitig besagen ältere Berichte, dass ein AW, der dem Unterbringungszentrum ohne Genehmigung über eine bestimmte Frist fernbleibt, seinen Unterbringungsplatz verliert und danach nicht wieder in derselben Struktur untergebracht werden kann (AIDA 1.2015). Angeblich gilt dieses Verbot der erneuten Unterbringung für 6 Monate nach dem Verlassen der Unterbringung (SFH 5.2011).
Um die Unterbringungssituation von Dublin-Rückkehrern zu verbessern, wurden ab 2011 im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds (FER) Projekte nahe der Flughäfen finanziert, an denen diese am häufigsten ankommen (ARCO, ARCA, ASTRA am Flughafen Rom-Fiumicino; STELLA, ALI, TERRA am Flughafen Mailand-Malpensa; und weitere in Venedig, Bari und Bologna) (AIDA 1.2015). Informationen aus dem ital. Innenministerium zufolge, sind diese Projekte mittlerweile alle ausgelaufen und wurden von der EU nicht nachfinanziert. Die Betroffenen sind derzeit durchweg in den national unterhaltenen Zentren untergebracht (CPSA, CDA, CARA, CIE, SPRAR). Die genaue Aufteilung auf die diversen Arten von Einrichtungen ist nicht bekannt, jedoch die Aufteilung nach Region (siehe Grafik). Am 29.2.2016 waren insgesamt 107.387 Personen in den diversen Einrichtungen untergebracht.
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(VB 10.3.2016)
Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind (AIDA 12.2015). Im Februar 2016 wurde in einem neuen Rundbrief diese Liste aktualisiert. Sie umfasst 23 SPRAR-Projekte mit zusammen 85 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 15.2.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (1.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_update.iv_.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
MdI – Ministero dell Interno (15.2.2016): Circular Letter, per –E-Mail
-
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (5.2011): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, https://www.ecoi.net/file_upload/6_1309862586_110524-bericht-italien-sfhjussbuss-deutsche-uebersetzung.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
VB des BM.I Italien (10.3.2016): Auskunft des ital. Innenministeriums, per E-Mail
5.4. Medizinische Versorgung
Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. AW haben dieses Recht ab Registrierung ihres Asylantrags. Das gilt sowohl für untergebrachte, wie für nicht untergebrachte AW. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.);
Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung;
kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. In einem Zentrum Untergebrachte erhalten bei diesem Schritt Hilfe von ihren Betreuern. Nach Ablauf der ersten 6 Monate müssen sich AW offiziell arbeitslos melden, um die Ticketbefreiung behalten zu können. Zum effektiven Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber und Schutzberechtigte erklärt AIDA, dass bei den Mitarbeitern im Gesundheitsbereich Desinformation und Mangel an Erfahrung in der Behandlung von Migranten häufig sind. Die Sprachbarriere ist aber das größte Zugangshindernis (AIDA 12.2015).
AW und Schutzberechtigte mit psychischen Problemen (z.B. Folteropfer) haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. In der Praxis können sie von spezialisierten Dienstleistungen profitieren, die im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes und von spezialisierten NGOs und Privaten angeboten werden. Verschiedene medizinische Zentren und Ärzte, die früher im sogenannten NIRAST (Italian Network for Asylum Seekers who Survived Torture) organisiert waren, arbeiten unter verschiedenen Finanzierungen weiter in der Unterstützung von Folteropfern (AIDA 12.2015).
Irreguläre Migranten haben das Recht auf medizinische Notversorgung und präventive Versorgung zum Schutz der individuellen und kollektiven Gesundheit. Damit haben sie dieselben Rechte wie italienische Staatsbürger (AIDA 12.2015).
Illegal aufhältige Personen können von medizinischen Notdiensten usw. Gebrauch machen. Die Gesetze verbieten es dem medizinischen und Verwaltungspersonal die Polizei bezüglich illegaler Migranten zu informieren (UNHRC 21.7.2014).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_update.iv_.pdf, Zugriff 27.4.2016
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UNHRC - United Nations Human Rights Council (21.7.2014): National report submitted by the Government of Italy, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1414580593_g1408921.pdf, Zugriff 27.4.2016
Die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Dieser leide nicht an schweren, lebensbedrohenden Erkrankungen. Der Beschwerdeführer sei nach illegaler Einreise am 29.08.2016 in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden. Die Zuständigkeit Italiens habe sich aufgrund Verfristung ergeben. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Angehörigen oder sonstige Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestünde. Es könne die grundsätzliche Schutzwilligkeit und –fähigkeit Italiens festgestellt werden. Aus einem Blutbefund sei hervorgegangen, dass zum Untersuchungszeitpunkt die Kreatinwerte der Nieren erhöht gewesen seien. Am 07.04.2017 sei der Beschwerdeführer wegen eines Nabelbruchs operiert worden. Die Operation sei komplikationslos verlaufen. Auch die Kreatinwerte seien mittlerweile wieder im Normbereich. Der Beschwerdeführer werde medikamentös versorgt. Der Beschwerdeführer sei nach dem Gesagten jedenfalls nicht lebensbedrohlich erkrankt. Ein längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsb