TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/20 W209 2157646-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.2017
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Entscheidungsdatum

20.11.2017

Norm

ASVG §18a
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W209 2157646-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 07.04.2017, GZ: HVBA- XXXX , betreffend Abweisung eines Antrages auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 05.12.2016 bei der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten der Pflege ihres am 04.05.2000 geborenen behinderten Enkelkindes XXXX . In einem Beiblatt zum Antrag gab die Beschwerdeführerin u.a. an, dass ihre Enkelin, die an einer Borderlinestörung leide, keiner ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Betreuung bedürfe und die tägliche Pflege eine bis drei Stunden betrage. Beigelegt waren dem Antrag diverse medizinische Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass ihr Enkelkind an einer schweren, emotional instabilen (Borderline-) Persönlichkeitsstörung mit Drogenkonsum, fehlender Krankheitseinsicht und schlechter Compliance leide. Weiters beigelegt war eine Mitteilung des Finanzamtes Graz-Stadt über den Bezug von erhöhter Familienbeihilfe für das behinderte Kind ab November 2013.

2. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 07.04.2017 wies die Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, (im Folgenden die belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Ergebnis einer fachärztlichen Begutachtung des Kindes zufolge die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihrer Enkelin nicht gänzlich beansprucht worden sei, weil die Erkrankung keinen andauernden Betreuungsbedarf verursache, sondern nur in Krisensituationen kurzfristige Interventionen erfordere. Derartige Interventionen würden nach Aussage der Beschwerdeführerin vorrangig vom Bruder des behinderten Kindes geleistet werden, der gerade aus diesem Grund gemeinsam mit ihm in einer Wohnung lebe. Gravierende Krisensituationen seien im beantragten Zeitraum nicht aufgetreten. Außerdem habe das behinderte Kind von März 2016 bis Februar 2017 ein Ausbildungsverhältnis als Zahnarzthelferin absolviert. Dies stehe der Annahme eines ständigen Betreuungsbedarfes entgegen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die sie damit begründete, dass dem von der belangten Behörde eingeholten fachärztlichen Gutachten nicht gefolgt werden könne. Die Begutachtung habe lediglich drei Minuten gedauert. Es dränge sich daher der Verdacht auf, dass der Gutachter im Sinne der PVA zu entscheiden gehabt habe. Nicht richtig sei, dass ihre Enkelin, für die sie die Obsorge habe, von März 2016 bis Februar 2017 eine Ausbildung als Zahnarzthelferin absolviert habe. Hierbei habe es sich lediglich um ein dreimonatiges Probearbeitsverhältnis mit Unterbrechungen gehandelt. Ihre Enkelin habe sich bereits während der aufrechten Ehe der Eltern auffällig verhalten. Die Borderline-Erkrankung sei erst nach den gewalttätigen Übergriffen des Kindesvaters auf seine Gattin im Alter von ca. 12, 13 Jahren erkannt worden. Nach der Scheidung der Eltern sei die Erkrankung mit voller Wucht ausgebrochen, mit Folgen wie Selbstverletzung durch Ritzen der Unterarme mit Rasierklingen, Selbstmordbotschaften, Attacken (fallweise mit dem Messer oder Wurfgegenständen) auf die Mutter, den Freund und die Großmutter mütterlicherseits und Aufenthalten in der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz und in der psychiatrischen Abteilung des AKH Wien. Ein Gutachten von Dr. XXXX attestiere ihrer Enkelin eine schwere Borderline-Persönlichkeitsstörung mit Cannabis Abusus. Sie verweigere nahezu sämtliche Nahrungsangebote und verlange nur Geld. Sie könne laut Jugendwohlfahrt zu nichts gezwungen werden. Man sei ihren Launen täglich ausgesetzt, mit Kochen in der Nacht, das die Küche in eine Baustelle verwandle, und sexuellen Aktivitäten neben dem Zimmer des Bruders, der noch das Gymnasium besucht. Mehrfache Versuche, einer Arbeit nachzugehen, seien unter kräftiger Mitwirkung des derzeitigen Freundes kläglich gescheitert.

4. Am 17.05.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und wies in einer beigefügten Stellungnahme u.a. ergänzend darauf hin, dass das Ausbildungsverhältnis der Enkeltochter der Beschwerdeführerin laut Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes von 04.07.2016 bis 30.09.2016 sowie von 31.01.2017 bis 06.03.2017 gedauert habe und dieser Umstand eine betreuungspflichtige Erkrankung ausschließe.

5. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes übermittelte die belangte Behörde am 29.08.2017 einlangend den fehlenden chefäztlichen Teilakt mit dem beschwerdegegenständlichen Sachverständigengutachten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Die in der Steiermark wohnhafte Beschwerdeführerin stellte am 05.12.2016 bei der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten der Pflege ihrer am XXXX 2000 geborenen Enkelin XXXX .

Die Tochter der Beschwerdeführerin bezog für das in einer Wohnung im gleichen Wohnhaus der Beschwerdeführerin lebende Enkelkind seit November 2013 erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG).

Die Enkelin der Beschwerdeführerin war nicht von der allgemeinen Schulpflicht befreit und ist nicht bettlägrig.

Sie leidet an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung,

Boderline-Typ, ICD-10: F60.31, und an einer psychischen

Verhaltensstörung durch Cannabinoide, schädlicher Gebrauch, ICD-10:

F12.1. Sie neigt zu emotionalen Ausbrüchen, verbunden mit der Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren. Konflikte stehen an der Tagesordnung. Bis ca. März 2016 legte sie ein selbstverletzendes Verhalten (Schneiden mit der Rasierklinge am Handrücken) an den Tag. Kompensatorisch besteht ein schädlicher Gebrauch von Cannabinoiden zur emotionalen Regulation. Das Funktionsniveau ist im Längsschnitt stark instabil. Phasen ausreichender Belastbarkeit wechseln rasch mit emotionalen Ausnahmezuständen, die kurzfristiger Krisenintervention bedürfen. Ein über kurzfristige Kriseninterventionen hinausgehender anhaltender Betreuungsbedarf besteht aus psychiatrischer Sicht nicht. Es besteht (nur) ein intensiver ambulanter Therapiebedarf zur Einübung von Techniken zur Verbesserung der emotionalen Regulationsfähigkeit (Skill-Training).

2. Beweiswürdigung:

Der Zeitpunkt der Antragstellung, der Beginn der Leistung der erhöhten Familienbeihilfe sowie die Wohnsituation stehen aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.

Eine Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht wurde weder behauptet noch ergeben sich aus der Aktenlage Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Befreiung vorlag.

Gleiches gilt für die Feststellung der mangelnden Bettlägrigkeit.

Die Art der Behinderung sowie das Ausmaß der behinderungsbedingt erforderlichen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.03.2017, wobei die Art der Behinderung (Erkrankung) im gegenständliche Fall unbestritten feststeht.

Das Gutachten ist schlüssig, nachvollziehbar, weist keine Widersprüche auf und geht auf die Art der Leiden und die damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Pflege- und Hilfeleistungen ein. Damit erfüllt es die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Soweit die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, die Untersuchung habe lediglich drei Minuten gedauert, ist dem entgegenzuhalten, dass die Untersuchung laut den im Gutachten enthaltenen Zeitangaben 30 Minuten in Anspruch genommen hat und dieser Zeitraum jedenfalls ausreicht, um sich ein sachverständiges Bild von der Erkrankung und dem daraus resultierenden Betreuungsbedarf zu machen.

Das Begutachtungsergebnis wird auch durch den Umstand gestützt, dass die Enkelin der Beschwerdeführerin im beschwerdegegenständlichen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit nachging, was der Annahme eines ständigen Pflege- und Betreuungsbedarfes entgegensteht.

Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin im Beiblatt zu ihrem Antrag ursprünglich selbst angegeben, dass ihre Enkelin keiner ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Betreuung bedürfe, und einen derartigen Bedarf erst in der Beschwerde behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 18a Abs. 1 ASVG (in der hier jeweils zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 132/2005 und BGBl. I Nr. 2/2015) können sich Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt (seit 01.01.2015: in häuslicher Umgebung) lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich (seit 01.01.2015: überwiegend) beansprucht wird, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt (wohl auch: die häuslichen Umgebung) besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft (häuslichen Umgebung) aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

Gemäß § 18a Abs. 3 Z 2 leg.cit. liegt eine gänzliche (bzw. überwiegende) Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 vor, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres liegt gemäß § 18a Abs. 3 Z 3 leg.cit. eine gänzliche (bzw. überwiegende) Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 vor, wenn und so lange das behinderte Kind dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Gemäß § 669. Abs. 3 leg.cit. idF BGBl. I Nr. 2/2015 kann die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 bis zum Zeitpunkt der Antragstellung die geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

§ 18a Abs. 1 ASVG setzt für die Anerkennung des Anspruches auf Selbstversicherung voraus, dass für das im beantragten Zeitraum im gemeinsamen Haushalt bzw. in häuslicher Umgebung lebende behinderte Kind erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG bezogen wird.

§ 669 Abs. 3 ASVG ermöglicht eine rückwirkende Anerkennung des Anspruchs für Zeiten der Pflege, die irgendwann in den Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 1988 bis zum Zeitpunkt der Antragstellung fallen.

Im vorliegenden Fall wurde ab November 2013 erhöhte Familienbeihilfe gewährt. Mangels Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze des Kindes (Vollendung des 40. Lebensjahres) kommt daher eine allfällige Anerkennung des Anspruches auf freiwillige Selbstversicherung von November 2013 bis laufend in Betracht.

Eine Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG kommt für Eltern, Großeltern, Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern in Betracht (§ 2 Abs. 3 FLAG). Die Beschwerdeführerin gehört als Großmutter des behinderten Kindes dem begünstigten Personenkreis an. Da auch unstrittig ein gemeinsamer Haushalt vorliegt, kommt die Selbstversicherung somit grundsätzlich in Betracht.

§ 18a Abs. 1 ASVG zufolge muss die Arbeitskraft gänzlich (seit 01.01.2015: überwiegend) beansprucht werden.

Dies ist gemäß § 18a Abs. 3 ASVG jedenfalls dann der Fall, solange das behinderte Kind ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf, wenn es – wie im vorliegenden Fall – (während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht) nicht wegen Schulunfähigkeit von der allgemeinen Schulpflicht befreit war (Z 2) oder (nach Vollendung der Schulpflicht am 03.07.2015) bettlägrig ist (Z 3).

Die Voraussetzung ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege ist auch der Maßstab für die Beurteilung anderer als der in § 18a Abs. 3 Z 2 und 3 leg.cit. ausdrücklich genannten (und seit 01.01.2015 mangels taxativer Aufzählung ebenfalls einen Anspruch auf Selbstversicherung begründenden) Situationen (vgl. Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm. § 18a Rz 8).

Somit ist im vorliegenden Fall für die Beurteilung des Anspruches auf Selbstversicherung jedenfalls auch für den nach dem 31.12.2014 liegenden Zeitraum maßgeblich, ob das Enkelkind der Beschwerdeführerin ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedurfte.

Dies ist dem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten nach jedoch zu verneinen. Das von der belangten Behörde eingeholte fachärztliche Gutachten kommt – ausgehend vom unbestrittenen Vorliegen einer schwerwiegenden (Borderline-) Persönlichkeitsstörung und einer psychischen Verhaltensstörung durch schädlichen Gebrauch von Cannabinoiden – schlüssig und nachvollziehbar zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige persönlich Hilfe und besondere Pflege nicht erforderlich war.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.06.2017, Ra 2016/09/0091) hat das Verwaltungsgericht dem Gutachten eines Amtssachverständigen, sofern es nicht unschlüssig ist oder mit den ersichtlichen Tatsachen nicht übereinstimmt, solange zu folgen, als dessen Richtigkeit nicht durch fachlich fundierte Gegenausführungen und Gegenbeweise von vergleichbarem Aussagewert widerlegt wurde.

Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden Sachverständigenbeweis, der den oben angeführten Anforderungen entspricht, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und hat auch sonst kein Vorbringen erstattet, das darauf schließen ließe, dass das Begutachtungsergebnis nicht mit den im vorliegenden Fall gegebenen Tatsachen übereinstimmt.

Somit ist das Erfordernis ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege zu verneinen und davon auszugehen, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihres behinderten Enkelkindes nicht gänzlich bzw. überwiegend beansprucht wurde.

Die Abweisung des Antrages erfolgte daher im Ergebnis zu Recht, weswegen die Beschwerde dagegen als unbegründet abzuweisen ist.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Die Beschwerdeführerin hat einen solchen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gestellt. Zwar wird das Unterlassen der Antragstellung im Fall unvertretener oder rechtsunkundiger Parteien nicht als (schlüssiger) Verzicht gewertet (vgl. VwGH vom 14.06.2012, 2011/10/0177). Das Bundesverwaltungsgericht erachtete jedoch die amtswegige Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, weil der maßgebliche Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.

Die Beschwerdeführerin ist dem von Amts wegen eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, weswegen sich eine Erörterung des Gutachtens im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erübrigt.

Da somit auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder

Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (s. dazu die in den rechtlichen Erwägungen zitierte VwGH-Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitskraft, Pensionsversicherung, Pflege, Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W209.2157646.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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