Entscheidungsdatum
22.11.2017Norm
AsylG 2005 §57Spruch
L525 1434808-4/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017, Zl. 821588006-170870231, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid
behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsbürger, stellte am 26.1.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG.
Mit Schreiben vom 9.5.2017 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme. Der Beschwerdeführer brachte darin insbesondere vor, er rege die amtwegige Prüfung weiterer Aufenthaltstitel an. Er sei seit November 2015 in einer Liebesbeziehung mit einer ungarischen Staatsbürgerin, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe. Sie hätten nach islamischen Recht in Österreich geheiratet. Der Beschwerdeführer legte die Anmeldebescheinigung in Kopie vor. Am 7.9.2016 sei die gemeinsame Tochter geboren worden. Derzeit sei die Frau karenziert, er spreche sehr gut Deutsch und hätte er die Deutschprüfung A2 bereits positiv bestanden. Sein weiterer Aufenthalt diene der Aufrechterhaltung des Familienlebens und sei im Interesse des Kindeswohls.
Mit Schreiben vom 25.7.2017 wurde der Beschwerdeführer zur Stellungnahme hinsichtlich der Erteilung seines beantragten Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG binnen zwei Wochen aufgefordert.
Der Beschwerdeführer legte daraufhin ein Schreiben vor, in dem er die an ihn gerichteten Fragen zu seinem bisherigen Aufenthalt in Österreich beantwortete und legte zusätzlich ein Konvolut an Schreiben vor, die seine Integration bescheinigen sollen.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 2.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, der Beschwerdeführer habe am 31.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, welcher in zweiter Instanz (gemeint wohl: durch den Asylgerichtshof) am 20.11.2013 rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Am 25.11.2013 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme gestellt, der gemäß § 69 Abs. 1 AVG rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 26.1.2017 habe der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag eingebracht. Am 20.2.2017 sei durch die pakistanische Botschaft ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden, der Rückführung habe sich der Beschwerdeführer aber durch Untertauchen entzogen. Auch einem weiteren Abschiebeversuch am 25.4.2017 habe sich der Beschwerdeführer entzogen. Die Behörde stellte fest, die Identität des Beschwerdeführers stehe fest, er sei gesund. Gegen den Beschwerdeführer bestehe eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Aufgrund eines fehlenden Heimreisezertifikates sei dem Beschwerdeführer eine Duldungskarte gültig bis zum 7.2.2017 ausgestellt worden. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, die Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG sei dann auszustellen, wenn der Aufenthalt seit mindestens einem Jahr geduldet sei und die Voraussetzungen weiterhin vorliegen würden. Durch die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei die Abschiebung des Beschwerdeführers aktuell möglich geworden und würden die oben angeführten Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Nachdem der Beschwerdeführer zweimal seine Abschiebung vereitelt habe, könne nicht mehr nicht von Fremden zu vertretenen Gründen gesprochen werden. Eine neuerliche Rückkehrentscheidung sei nicht notwendig, da gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliege und kein neuer Sachverhalt vorliege, weshalb von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung abgesehen werden würde.
Mit Schriftsatz vom 17.10.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde brachte zusammengefasst vor, der Beschwerdeführer lebe seit fünf Jahren in Österreich, lebe hier mit seiner Frau, einer ungarischen Staatsbürgerin, zusammen und habe mit ihr eine Tochter. Deshalb könne er nicht in sein Heimatland zurückkehren und würde er mit seiner Familie in Österreich bleiben wollen. Er besuche Deutschkurse und habe sich integriert. Er spreche sehr gut Deutsch und versorge die Tochter. Er bemühe sich Deutsch zu lernen um eines Tages arbeiten zu können. Während des Verfahrens habe der Beschwerdeführer seine bisherige Integration durch diverse Dokumente bestätigt. Aus diesen Gründen hätte die Behörde "einen
Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen" (gemeint wohl: einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen) erteilen müssen. Es entspreche insbesondere nicht den Tatsachen, dass keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich bestünden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Rechtliche Beurteilung:
Der Beschwerdeführer stellte zunächst einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG. Mit Schreiben vom 9.5.2017 brachte der Beschwerdeführer erstmals vor, er würde mit einer ungarischen Staatsbürgerin zusammenleben und hätte er mit dieser ein gemeinsames Kind, welches 2016 geboren wurde. Der Beschwerdeführer brachte darüber hinaus vor, sein weiterer Aufenthalt würde der Aufrechterhaltung des Familienlebens dienen und würde der Beschwerdeführer die amtswegige Prüfung weiterer Aufenthaltstitel anregen. Der Beschwerdeführer brachte sodann in seinem Parteiengehör ein umfangreiches Unterlagenkonvolut vor, das seine Integration in Österreich bezeugen solle, darunter eine Einstellungszusage, ein Sprachzertifikat, diverse Unterstützungserklärungen.
Das Asylgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet auszugsweise:
"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.
Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
"
Dass der Beschwerdeführer mit seiner Antragstellung eigentlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG bezweckte, ergibt sich für das erkennende Gericht insbesondere aus dem Schreiben vom 9.5.2017, wonach der Beschwerdeführer eigentlich einen Aufenthalt in Österreich zur Aufrechterhaltung seines Familienlebens anstrebe und dabei einerseits seine angebliche Beziehung zu einer ungarischen Lebensgefährtin bzw. dem angeblichen gemeinsamen Kind thematisierte. Dass der Beschwerdeführer mit seinem gestellten Antrag ab diesem Zeitpunkt eigentlich einen anderen Aufenthaltstitel nach dem AsylG anstrebte ist für das erkennende Gericht zweifelsfrei und ergibt sich das bereits aus der eindeutigen Formulierung des Schreibens vom 9.5.2017, sohin aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren. Dabei hätte die belangte Behörde den rechtsunkundigen und nicht vertretenen Beschwerdeführer aber gemäß § 58 Abs. 6 AsylG zu belehren gehabt bzw. hätte der Beschwerdeführer im Zweifelsfall zumindest darauf hingewiesen werden müssen, dass er die Erlangung eines anderen Aufenthaltstitels anstrebe (vgl. das Erk. des VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101). Die belangte Behörde unternahm in weiterer Folge überhaupt keine Ermittlungen hinsichtlich des Familienlebens des Beschwerdeführers mehr, so wurden weder der Beschwerdeführer noch seine vermeintliche Lebensgefährtin näher befragt. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher den Beschwerdeführer zu seiner Antragstellung zu befragen haben und wird sie ihn bei fortgesetzter Geltendmachung eines Eingriffes in sein Privat- und Familienleben auf die Möglichkeit der Einbringung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG hinzuweisen haben. Das erkennende Gericht übersieht nicht, dass der Beschwerdeführer sich mehrmals seiner Abschiebung entzog, jedoch wird – falls ein entsprechender Antrag gestellt wird – dies im Rahmen einer Interessensabwägung abzuwägen sein.
Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der bekämpfte Bescheid zu beheben war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung Abstand genommen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltstitel, Befragung, bestehendes Familienleben,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:L525.1434808.4.00Zuletzt aktualisiert am
13.12.2017