TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/29 L512 2119691-1

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L512 2119691-1/59E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Georg BÜRSTMAYR, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 28.12.2015, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.12.2016, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), stellte nach illegaler Einreise am 10.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 11.06.2015 Folgendes vor: Er sei ledig, Moslem, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und habe 13 Jahre die Grundschule in Pakistan besucht. Er sei zuletzt Student gewesen: Der BF habe vor ca. 3 Monaten Pakistan illegal verlassen. Seinen Reisepass habe er in Pakistan.

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, die wirtschaftliche Lage in Pakistan sei sehr schlecht. Es würde keine Arbeit geben. Der BF und seine Familie seien sehr arm. Er möchte seine Familie unterstützen. Im Falle seiner Rückkehr sei die Lage in Pakistan sehr schlecht. Er wolle nicht zurück. Sonst habe er keine Fluchtgründe. Es würde keine Hinweise geben, dass er bei einer Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen rechnen müsse [Aktenseite (AS) 15 ff.].

Vor einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz "BFA") brachte der BF am 16.09.2015 im Wesentlichen Folgendes vor:

Im Zuge der Erstbefragung sei es zu einigen Fehlern gekommen, er sei wegen dem Krieg und der Unruhe geflüchtet und nicht, weil er wirtschaftliche Probleme hatte. Seine Familie sei reich. Er habe damals den Dolmetscher nur sehr wenig verstanden, außerdem sei es zu keiner Rückübersetzung gekommen.

Er habe seine Heimat verlassen, da die Situation in seiner Region sehr gefährlich sei. Der BF sei Mitglied der schiitischen Organisation XXXX , die gegen die Taliban und gegen die Angriffe der pakistanischen Regierung kämpfen würde. Deshalb seien viele Mitglieder dieser Organisation von den Taliban entweder entführt oder getötet worden. Der BF habe bei einer NGO gearbeitet. Der Leiter dieser NGO sei von den Taliban entführt worden. Direkte Übergriffe gegen die Person des BF habe es nie gegeben. Im Falle seiner Rückkehr werde der BF getötet. Er könne nicht in einem anderen Teil seines Heimatlandes leben, da Schiiten aus XXXX in ganz Pakistan nicht sicher wären (AS 55 ff.).

I.2. Der gegenständliche Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV).

I.2.1. Die belangte Behörde stellte fest, dass der BF eine Frucht vor Verfolgung nicht plausibel machen konnte. In der Erstbefragung habe der BF angeführt Pakistan aufgrund der wirtschaftlichen Lage verlassen zu haben. Es sei keinesfalls nachvollziehbar, dass es zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen sei. Die Divergenz mit den nachträglichen Angaben könne daher durch Verständigungsschwierigkeiten nicht erklärt werden. Zudem sei der BF nicht in der Lage gewesen den fluchtauslösenden Sachverhalt detailliert zu schildern. Auch nach entsprechender Nachfrage habe der BF bspw. über die geschilderten Demonstrationen nur allgemein berichtet. Er sei auch nicht fähig gewesen, Details über die NGO darzulegen, bei der der BF angeblich gearbeitet habe. Der BF habe den Namen seines Chefs erst nach mehrmaliger Rückfrage angegeben und konnte auch einen Arbeitstag nicht konkret schildern. Der BF habe erörterte, er von 2014-2015 Mitglied einer schiitischen Organisation gewesen und hätte auch für die NGO gearbeitet. In diesem Zeitraum sei er zu keinen Übergriffen oder Drohungen gekommen. So habe der BF problemlos auf dem Feld gearbeitet und seinen Lebensunterhalt bestritten. Bei einer tatsächlichen Bedrohung wäre es nach allgemeiner Denklogik schlichtweg unvorstellbar, dass dies dem BF möglich gewesen wäre. Weiters habe der BF angeführt, dass an den Demonstrationen 300-500 Personen teilgenommen hätten. Anhand der Angaben des BF sei kein Grund ersichtlich, warum der BF verfolgt werden sollte, wenn es zumal nie zu Drohungen oder Übergriffen gegen seine Person gekommen sei. Zur Organisation seiner Ausreise habe der BF weiters unterschiedliche Angaben getätigt. Anfänglich habe der BF angeführt, dass er den Entschluss seine Heimat zu verlassen 2-3 Tage vor dem Verlassen Pakistans gefasst hätte, im Laufe der Einvernahme erörtere der BF, er habe sich bei Freuden über mögliche Zielländer informiert. Der BF hätte erfahren, dass Österreich ein gutes Land sei. Dieses Gespräch hätte ca. 10 -15 Tage vor der Ausreise stattgefunden. Diese Schilderung deute auch darauf hin, dass die Ausreise des BF vorbereitet war (AS 136 ff.)

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des nach § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.2.4. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 31.12.2015 (AS 72).

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unrichtiger Feststellungen aufgrund von mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, Beschwerde erhoben und der Bescheid zur Gänze angefochten (AS 193ff.).

I.3.1. Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass die Länderfeststellungen unvollständig und unrichtig seien. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft. So sei die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. So sei die vom BF erwähnte NGO im Internet zu finden und könne der BF einige Mitglieder auf Bilder dieser Homepage erkennen.

Es wurde der Beweisantrag gestellt, die Homepage der NGO zu sichten und die Befragung des BF zu den Fotos durchzuführen, zum Beweis, dass der BF Mitarbeiter dieser NGO war und an deren Projekten mitarbeitete. Freunde des BF, die Mitglieder der schiitischen Organisation waren, seien entführt und getötet worden. Es wurden Ermittlungen durch einen Vertrauensanwalt zum Beweis dafür, dass Freunde entführt und getötet wurden und Mitglieder dieser Organisation Gefahr laufen von den Taliban entführt und getötet zu werden, beantragt.

I.3.2. Der BF stellte die Anträge,

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eine mündliche Verhandlung durchzuführen;

-

die angefochtene Entscheidung hinsichtlich Spruchpunkt I zu beheben und dem BF Asyl zuzuerkennen;

-

in eventu den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II zu beheben und dem BF subsidiären Schutz zu gewähren;

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festzustellen, dass die Abschiebung nach Pakistan auf Dauer unzulässig sei sowie die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben;

-

in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuweisen.

I.4 Im Laufe des Beschwerdeverfahrens langten weitere Beweismittel, Anträge sowie Integrationsunterlagen des BF ein.

I.5. Nach entsprechender Zustimmungserteilung des BF wurden seitens des BVwG Ermittlungen durch die österreichische Botschaft in Pakistan in Auftrag gegeben. Diesbezügliche Ermittlungsergebnisse langten am 30.08.2016 ein.

I.6. Für den 14.11.2016 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.

I.4.1. Mit Schreiben vom 19.10.2016 wurde dem BF eine Aufforderung zur Mitwirkung im Beschwerdeverfahren und zur Vorlage von Dokumenten und Beweismitteln übermittelt. Den Verfahrensparteien wurden zudem mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls vom 15.03.2017 aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan sowie Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

I.5. Mit Schreiben vom 10.11.2016 gab der BF zu den Erhebungen der österreichischen Botschaft eine Stellungnahme ab.

I.6. Aufgrund einer Erkrankung des BF wurde die mündliche Verhandlung vor dem BVwG auf den 14.12.2016 verschoben.

I.7. Mit Schreiben vom 15.12.2016 teilte die belangte Behörde mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei.

I.8. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

I.9. Seitens des BVwG wurden ergänzende Erhebungen durch die österreichische Botschaft in Pakistan in Auftrag gegeben.

I.10. Der BF wurde nach Einlangen der ergänzenden Ermittlungsergebnisse der österreichischen Botschaft in Pakistan über diese in Kenntnis gesetzt und ihm würde die Möglichkeit eingeräumt sich diesbezüglich zu äußern.

I.11. Stellungnahmen des BF zur Anfragebeantwortung der österreichischen Botschaft in Pakistan sowie zur Situation des BF wurden eingebracht.

I.12. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Beim BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher aus dem Gebiet um XXXX , FATA stammt, die Sprachen Paschtu und Urdu spricht und 14 Jahre die Grundschule in Pakistan besucht hat. Er ist volljährig, ledig, gehört der Volksgruppe der Paschtunen/Turi und dem schiitischen Glauben an.

Der BF ist Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein junger, arbeitsfähiger Mensch. Er verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Familienangehörige des BF – seine Eltern, zwei Brüder und sechs Schwestern - leben nach wie vor im Herkunftsstaat des BF. Vor seiner Ausreise besuchte der BF die Schule. Die Familie des BF hat im Gebiet von XXXX ein eigenes Haus samt Grundstücke. Der Vater des BF hat zum Zeitpunkt der Ausreise des BF als Lehrer gearbeitet. Der BF hat neben seinem Schulbesucht auf den Feldern der Familie gearbeitet.

Der BF hat telefonischen Kontakt zu seiner Familie.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF hat am 03.05.2016 eine Lehre als Gastronomiefachmann begonnen und ist seit 07.04.2016 im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung. Der BF verdient dadurch €

625,00 brutto. Der BF bekommt zusätzlich staatliche Unterstützung, in dem ihm eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Der BF arbeitete gemeinnützig. Der BF besuchte Deutschkurse und hat eine Prüfung für die Kompetenzstufe A2 Deutsch bestanden. Der BF hat Freunde in Österreich, unternimmt mit diesen zahlreiche Aktivitäten und ist Mitglied im Badmintonverein. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Identität des BF steht nicht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Der Bundesstaat Pakistan besteht aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in den FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 8.2015a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2015 auf über 199 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 15.9.2015).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 8.2015a).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 8.2015a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen am 11. Mai 2013 war überraschend hoch. Unter den vor den Wahllokalen Wartenden befanden sich ungewöhnlich viele junge Wähler und Frauen (NZZ 11.5.2013). Die mit der Al-Kaida verbündete TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Selbstmordanschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Polizisten, Paramilitärs und Soldaten waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Wahlen verübten die Taliban und andere Gruppen mehr als 150 Terroranschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

Im Anschluss an die Wahlen wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament. Am 5. Juni 2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 – 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief (AA 8.2015a). Erst im Herbst 2008 war Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen (AA 8.4.2014).

Ebenfalls am 11. Mai 2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 8.2015a).

Am 30. Juli 2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente mit großer Mehrheit den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9. September 2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts hat die Demokratie in Pakistan erheblich gestärkt (AA 8.2015a; vgl. auch: BFA 10.2014).

Ministerpräsident Nawaz Sharif hat wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit erklärt. Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst - mandatiert durch eine Allparteienkonferenz - um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen (AA 8.2015a). Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket ("National Action Plan") zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 8.2015a; vgl. auch: BFA 9.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.4.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

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AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 11.9.2015

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BBC - Afghanistan-Pakistan quake: Rescue efforts expanded, http://www.bbc.com/news/world-asia-34644125, Zugriff 29.10.2015

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1443527547_bfa-paki-ffm-report-2015-09.pdf, Zugriff 30.9.2015

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CIA – Central Intelligence Agency (15.9.2015): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.9.2015

-

Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, http://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 29.10.2015

-

IRIN (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan’s disaster authority?,

http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 28.10.2014

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NZZ – Neue Zürcher Zeitung (11.5.2013): Hohe Wahlbeteiligung in Pakistan Anschläge fordern mindestens 24 Todesopfer, http://www.nzz.ch/aktuell/international/anschlaege-islamistischer-extremisten-auf-wahllokale-fordern-mindestens-16-todesopfer-1.18079638, Zugriff 25.11.2014

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TRF - Thomas Reuters Foundation (9.9.2013): Floods have halved Pakistan's economic growth – expert, http://www.trust.org/item/20130909134725-rm708/, Zugriff 25.11.2014

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USA Today (27.10.2015): Taliban backs relief efforts after deadly Pakistan quake,

http://www.usatoday.com/story/news/world/2015/10/27/taliban-backs-relief-efforts-after-killer-quake/74675272/, Zugriff 29.10.2015

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DZ – Die Zeit (11.5.2013): Anschläge überschatten Wahlauftakt in Pakistan,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/pakistan-parlamentswahl-anschlag, Zugriff 25.11.2014

Sicherheitslage

Pakistan sieht sich mit Herausforderungen, wie aufständischen terroristischen Gruppen, aber auch gewalttätigen kriminellen Banden und bewaffneten politischen Parteien konfrontiert. Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage im ganzen Land verbessert (BFA 9.2015; vgl. auch: PIPS 4.1.2015). Die pakistanischen Taliban, die Lashkar-e-Jhangvi, die Belutschistan Liberation Army und andere bewaffnete Gruppen nehmen Sicherheitskräfte, Zivilisten, teilweise Mitglieder religiöser Minderheiten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Aktivisten und Journalisten ins Visier (AI 5.2013; vgl. auch: USDOS 25.6.2015). Die westlichen Grenzgebiete zu Afghanistan - Belutschistan, die FATA (Federal Administered Tribal Areas) und Khyber Pakhtunkhwa - leiden seit Jahren an Gewalt zwischen Militanten und Regierungskräften (Reuters 11.4.2013; vgl. auch: BFA 10.2014).

Im Kampf gegen die Gewalt kündigten sowohl die Bundes- als auch die provinzielle Regierung einige Maßnahmen an. Nach dem Anschlag auf eine Schule am 17. Dezember 2014 führte die Regierung die Todesstrafe wieder ein. Die Regierung genehmigte auch den 20-Punkte umfassenden National Action Plan gegen Terrorismus und veröffentlichte eine Liste von 5.400 Terrorismusverdächtigen. Nach der Implementierung dieses Plans wurden über 600 sogenannte "hardcore" Aufständische verhaftet, einschließlich 320 Anhänger der pakistanischen Taliban (SATP 2015).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über die Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen. Willkürherrschaft und Gewaltausübung der Taliban richteten sich nicht nur gegen den pakistanischen Staat und politische Gegner, sondern auch gegen dem Sufismus verbundene und andere moderate Sunniten, Schiiten und andere Minderheiten. Seit Juni 2014 ist eine groß angelegte Operation der Sicherheitskräfte in Nord-Wasiristan und den benachbarten Regionen der sogenannten Stammesgebiete (Federally Administered Tribal Areas – FATA) im Gange, die das Ziel hat, Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete, wieder herzustellen (AA 23.7.2015).

Der Schwerpunkt der Armee liegt mehr und mehr auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen (BFA 10.2014). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die örtlichen Milizen und Sicherheitskräfte überrennen und die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden. Am 15. Juni 2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen deren Rückzugsräume und Infrastruktur in der Region weitgehend zerstört werden konnten. Ein erheblicher Teil der Militanten und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 8.2015a). Weiterhin verüben die Taliban und andere militante Gruppen auch in den übrigen Teilen des Landes, insbesondere in Belutschistan, in Khyber-Pakhtunkhwa und in der Wirtschaftsmetropole Karachi, regelmäßig Anschläge. 2014 kamen laut Auswärtigem Amt bei Terroranschlägen landesweit ca. 1.750 Menschen ums Leben (AA 23.7.2015). Laut Pak Institute for Peace Studies (PIPS) dagegen führten militante nationalistisch und konfessionell motivierte Gruppen in Pakistan im Jahr 2014 1.206 Terrorattacken durch, bei welchen 1.723 Menschen ums Leben kamen. Die Anzahl der Terrorattacken im Vergleich zu 2013 sank im Jahr 2014 um 30 Prozent. In 144 sektiererischen – gegen andere muslimische Konfessionen gerichteten – Terrorakten verschiedener Gruppen wurden 255 Menschen getötet. Die Anzahl der sektiererisch motivierten Gewaltattacken sank im Jahr 2014 um 35 Prozent (PIPS 4.1.2015).

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen. Oft jedoch wurden die Regionen nicht vorher informiert, was zu massiven Vertreibungen der Menschen und zur Zerstörung der Häuser führte (BAA 6.2013; vgl. auch: BFA 10.2014).

Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen auch außerhalb von Süd-Wasiristan schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 8.2015a).

Bei insgesamt 2.099 Vorfällen im Zusammenhang mit Gewalt (Terroranschläge, Operationen durch die Sicherheitskräfte und deren Zusammenstöße mit Militanten, ethnopolitische Gewalt, Drohnenangriffe, Gewalt zwischen den Stämmen und zwischen den Militanten, interreligiöse Zusammenstöße, religiös-kommunale Gewalt, grenzübergreifende Zusammenstöße und Zusammenstöße zwischen kriminellen Banden bzw. zwischen diesen und der Polizei) wurden 2014

5.308 Menschen getötet. Die Anzahl der Vorfälle von Gewalt sank im Jahr 2014 um 18 Prozent, jedoch stieg die Zahl der Todesopfer um 12 Prozent. Dieser Anstieg ist darauf zurück zu führen, dass viele Aufständische durch militärische Operationen getötet wurden (PIPS 4.1.2015).

Die Vorfälle der Gewalt stiegen in der Wahlzeit 2013 an (BAA 6.2013) aber im Jahr 2014 verbesserte sich die Sicherheitslage wieder. Weiters kann gesagt werden, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in ganz Pakistan und auch in der FATA verbessert hat (BFA 9.2015). Staatliche Maßnahmen, so wie Militäroperationen in den FATA, führten in einigen kritischen Regionen zur Verbesserung der Lage. Im Swat-Tal, in Süd-Wasiristan und Nord-Wasiristan ist ein Erfolg der Militäroperationen sichtbar (BFA 9.2015). Den Drohnenangriffen der USA im Grenzgebiet zu Afghanistan fielen einige hohe Führer der Taliban zum Opfer, dies schadete besonders den strategischen Kapazitäten der Extremisten. Die Bevölkerung hat die Militanten satt. (BAA 6.2013; vgl. auch: BFA 9.2015; BFA 10.2014).

Am 15. Juni 2014 wurden Militäroperationen in Nord-Wasiristan gestartet. Über 800.000 Menschen sind aus Nord-Wasiristan geflohen (BFA 10.2014).Das Militär behauptet auch, dass sie bereits 90 Prozent der Gegend unter Kontrolle haben und dass es noch wenig Gebiete gibt, wo die Kämpfe noch andauern (BFA 9.2015). Laut dem Mediensprecher der pakistanischen Armee wurden bis zum 28. Dezember 2014 2.100 Aufständische getötet. Es wird angenommen, dass viele Führer der Aufständischen sich in andere Gebiete zurückgezogen haben (PIPS 4.1.2015).

Das pakistanische Militär führte in der FATA Anti-Terrorismus Maßnahmen und Operationen durch (USDOS 25.6.2015). 130 operative Militärschläge wurden im Jahr 2014 in den Regionen FATA, Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Karachi durchgeführt. 1.930 Menschen wurden in diesen Operationen getötet, einschließlich 1.917 Aufständische und 9 Zivilisten (PIPS 4.1.2015). Es wurden auch Maßnahmen ergriffen um die Verbindungen zwischen den Terroristen zu schwächen und Rekrutierungen durch militante Organisationen zu verhindern. Große Waffenarsenale wurden in städtischen Gebieten, wie Islamabad, Lahore und Karatschi, ausgehoben, Gang-Mitglieder und TTP-Kommandanten, die logistische Unterstützung für Militante in Stammesgebieten boten, wurden in Karatschi verhaftet, Selbstmordattentäter wurden vor der Tat verhaftet und Anschlagspläne vereitelt (USDOS 25.6.2015). Ein weiterer Weg der Bekämpfung ist die Kontrolle und Beschneidung des internationalen Geldflusses zu diesen Organisationen (BAA 6.2013).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (23.7.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

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AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 11.9.2015

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AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/248024/374206_de.html, Zugriff 10.11.2015

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BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1443527547_bfa-paki-ffm-report-2015-09.pdf, Zugriff 30.9.2015

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014

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Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 25.11.2014

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SATP-South Asia Terrorism Portal (23.2.2015): Pakistan, http://www.satp.org/satporgtp/sair/Archives/sair13/13_34.htm, Zugriff 12.11.2015

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014– Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/306342/443617_de.html, Zugriff 23.9.2015

Regionale Verteilung der Gewalt

Gewalt wurde aus ganz Pakistan im Jahr 2014 gemeldet. FATA war am meisten von Gewalt geprägt mit 2.863 Todesfällen, gefolgt von Sindh mit 1.180, Belutschistan mit 653, Khyber Pakhtunkhwa mit 617, Punjab mit 180 und Gilgit Baltistan mit 3 Todesfällen (SATP 2015).

Die Gefährdung durch terroristische Anschläge seitens der pakistanischen Taliban und mit den Taliban verbundener Gruppen, insbesondere Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate, bleibt in Pakistan hoch. Daneben besteht weiterhin die Gefahr religiös motivierter Terroranschläge durch radikale Gruppierungen. Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan. Die Anschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste und Polizei sowie religiöse Stätten (AA 5.11.2015).

Laut einem lokalen Experten in Pakistan, ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans, gefolgt von Sindh (obwohl Teile von Karachi ziemlich gefährlich sind). An dritter Stelle liegt Khyber Pakhtunkhwa. Die unsichersten Gegenden sind Belutschistan und FATA (BFA 9.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (5.11.2015): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PakistanSicherh eit.html, Zugriff 29.9.2015

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1443527547_bfa-paki-ffm-report-2015-09.pdf, Zugriff 30.9.2015

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SATP – South Asia Terrorism Portal (2015): Pakistan Assessment 2015, http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/index.htm, Zugriff 5.11.2015

Wichtige Terrorgruppen

Taliban und andere militante Organisationen in Pakistan sind in inneren Konflikten, in regionalen Kämpfen (Afghanistan, Kaschmir) und im globalen Jihad aktiv. Sie sind lose koordiniert, teilen sich aber oftmals Ressourcen und Rekruten. Verschiedene militante Gruppen haben sich zur Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), den pakistanischen Taliban, im Jahr 2007 zusammengeschlossen (Reuters 11.4.2013; vgl. auch: BFA 10.2014). Die TTP ist primär für die Instabilität im Land verantwortlich. Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operation in Nord-Waziristan und Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015).

Die TTP verfügt über eine Stärke von mindestens 30.000 – 35.000 Mitgliedern (Reuters 11.4.2013; vgl. auch: SATP o.D.). Der Vertreter des PIPS erläutert, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen. Die von der TTP ausgehende Gewalt konzentriert sich regional auf die Stammesgebiete, thematisch auf Parteien, Pro-Regierungsstämme, regierende Politiker, auf Pro-Regierungs-Älteste, Sicherheitskräfte, Moscheen, die von Sicherheitskräften aufgesucht werden oder in denen Imame oder Mullahs die Regierung unterstützen, Friedensaktivist/innen (wie Malala Yousafzai), Einrichtungen des Militärs und der Polizei, Minderheiten sowie Muslime, die nicht ihrer Scharia-Auslegung folgen. Ursprünglich waren Schiiten in den Stammesgebieten nicht Ziel der Taliban, dies hat sich geändert (BAA 6.2013). Die Anzahl der TTP-Angriffe ist im Jahr 2015 (Anm. Stand September 2015) um 70 Prozent gesunken. Dies basiert auf mehreren Gründen, sowie den Militäroperationen, die gegen die Taliban an der afghanischen Grenze durchgeführt werden und weiteren Initiativen der Regierung, Gewalt zu bekämpfen (AJ 18.9.2015). Obwohl die Zahl der Angriffe sinkt, gelingt es den Aufständischen nach wie vor, hochrangige Ziele zu treffen (Reuters 18.9.2015).

Außerhalb der TTP agieren lokale Taliban-Gruppen, die entweder mit der TTP in loser Verbindung stehen oder mit ähnlichen Zielen formiert wurden. Die meisten dieser Gruppen agieren in Khyber Pakhtunkhwa, hauptsächlich in Charsadda, Swabi, Nowshera und der Peripherie von Peschawar. Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Es gibt auch im Punjab sunnitische Terrorgruppen. Eine von diesen, die Lashkar-e-Jhangvi, mit dem Ziel Pakistan in ein Sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderem unterscheiden (SATP o.D.). Sie ist eine lokal orientierte Gruppe, ihre Zielsetzung auf Schiiten richtet sich z.B. in Belutschistan vor allem gegen Hazara (BAA 6.2013; BFA 10.2014). Die Punjabi Taliban sind eine eigene, von der TTP gesonderte Gruppe, doch unterhalten sie zu dieser Verbindungen. Ihre Ziele sind hauptsächlich Sicherheitskräfte und Schiiten. Sie agieren im Punjab wie terroristische Zellen, derzeit sind sie allerdings wenig aktiv (BAA 6.2013).

Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army. Sie ist in Belutschistan aktiv, vereinzelt auch in Karatschi und in den Stammesgebieten des angrenzenden Südpunjabs. Weitere Beispiele belutschischer Terrororganisationen sind Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army (BAA 6.2013).

Quellen:

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AJ – Aljazeera (18.9.2015): Pakistani Taliban storms airbase near Peshawar,

http://www.aljazeera.com/news/2015/09/pakistani-taliban-targets-airbase-peshawar-150918052734007.html, Zugriff 12.11.2015

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BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan – Challenges & Perspectives

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014

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Reuters (18.9.2015): Taliban gunmen kill 17 in attack on Pakistan air force base,

http://www.reuters.com/article/2015/09/18/us-pakistan-attack-idUSKCN0RI07Q20150918, Zugriff 12.11.2015

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Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 25.11.2014

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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