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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Gabriela Trmal in Wien, vertreten durch Dr. Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien I, Renngasse 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 13. Dezember 1999, Zl. MD-VfR - B XVI - 21 und 24/99, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 2. Juli 1999 wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Kleingartens Grundstück Nr. 637/7 der Liegenschaft EZ. 3814, KG Ottakring, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien aufgetragen, die "im südlich, talseits gelegenen Teil an der Ostfront auf eine Länge von ca. 15 m im Ausmaß von ca. 1,2 m bis ca. 3,8 m Höhe, an der Westfront auf eine Länge von ca. 19 m im Ausmaß von ca. 1,8 m bis ca. 0,4 m Höhe, aus gebrauchten Holzbalken" errichteten drei Stützmauern, und "die in selber Höhe durchgeführte Aufschüttung, und die daraus resultierende Terrassierung" binnen einer näher festgesetzten Frist abtragen bzw. entfernen zu lassen.
Die gegenständliche Kleingartenfläche sei unbebaut, daher keine verbaute Fläche anrechenbar; demnach sei jegliche (Gelände-)Terrassierung gemäß § 16 Abs. 2 Wiener Kleingartengesetz unzulässig. Die künstlich geschaffene Geländeterrasse sei aber auch gemäß § 15 leg. cit. unzulässig, weil sie im Äußeren nach Bauform und Baustoff dem Charakter des kleingärtnerisch genutzten Gebietes widerspreche und diese Baulichkeit dem Gelände in keiner Weise angepasst sei. Im Falle eines Neubaues eines Kleingartenwohnhauses auf dieser künstlich geschaffenen Geländeterrasse würde das aufgehende Gebäude die bestehende Höhenlage des natürlich gewachsenen Geländes um bis zu 3,80 m überragen. Da die umliegenden Kleingärten eine kleingärtnerische Nutzung durchwegs in der vorgegebenen, natürlich gewachsenen Höhenlage vorgenommen hätten, sei gemäß § 16 Abs. 2 Wiener Kleingartengesetz auch keine Erforderlichkeit für die Vornahme von Geländeveränderungen und die Errichtung von Stützmauern erkennbar. Die Verwendung von mit Teeröl getränkten Holzbalken (alte gebrauchte Holzschwellen) sei aber auch gemäß § 97 Abs. 1 Bauordnung für Wien unzulässig.
Mit Berichtigungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 20. Juli 1999, wurde die Grundstücksnummer des vom Auftrag betroffenen Grundstückes der Beschwerdeführerin gemäß § 62 Abs. 4 AVG mit "636/7" richtig gestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die belangte Behörde hat die MA 42 zur Frage, ob die gegenständlichen Stützmauern das für die kleingärtnerische Nutzung erforderliche Ausmaß übersteigen, zur ergänzenden Stellungnahme aufgefordert und auf Grund deren Ausführungen festgestellt, dass die Stützmauern einschließlich der Anschüttung und Terrassierung das für die kleingärtnerische Nutzung erforderliche Ausmaß im Sinne des § 16 Abs. 2 Wiener Kleingartengesetz übersteigen. Es liege somit eine Abweichung von den Bauvorschriften im Sinne des § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien vor, weshalb der erstinstanzliche Beseitigungsauftrag zu Recht erlassen worden sei. Ob eine Gesundheitsschädigung vorliege bzw. zu befürchten sei, brauche wegen der festgestellten Abweichung von den Bauvorschriften nicht mehr geprüft zu werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen in der Beschwerde zufolge in dem Recht, nicht mit einem Bauauftrag belastet zu werden, verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, in der hier anzuwendenden Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 42/1996 (BO), ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.
Gemäß § 62a Abs. 3 BO müssen auch die im Abs. 1 dieser Gesetzesstelle aufgezählten Anlagen (bewilligungsfreie Bauvorhaben) den Bauvorschriften entsprechen und sind andernfalls zu beseitigen; gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 leg. cit. erteilen.
Bei Abweichungen von den Bauvorschriften können daher nach § 129 Abs. 10 BO in der hier anzuwendenden Fassung Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden.
Das im Beschwerdefall anzuwendende Gesetz über Kleingärten, LGBl. Nr. 57/1996 (Wiener Kleingartengesetz 1996), ist eine Bauvorschrift im Sinne des § 129 Abs. 10 BO, gilt doch gemäß § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes, soweit darin nicht anderes bestimmt ist, auch für Bauvorhaben, auf welche diese Gesetz anzuwenden ist, die Bauordnung für Wien.
Nun ordnet § 8 Wiener Kleingartengesetz 1996 für bestimmte Bauvorhaben unter den dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen eine Baubewilligungspflicht an. Alle anderen Bauführungen in Kleingärten und auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Flächen, einschließlich der Umwidmung eines Kleingartenhauses in ein Kleingartenwohnhaus, bedürfen weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige.
Diese Bewilligungsfreiheit nach dem Wiener
Kleingartengesetz 1996 erstreckt sich jedoch nur auf nicht bewilligungspflichtige Bauführungen, die diesem Gesetz entsprechend errichtet worden sind. Für nach diesem Gesetz nicht zulässig ausgeführte Bauführungen gilt infolge der Verweisungsbestimmung des § 1 Abs. 2 leg. cit. die Bauordnung für Wien.
Gemäß § 16 Abs. 2 Wiener Kleingartengesetz 1996 sind u. a. im Anwendungsbereich dieses Gesetzes (siehe § 1 Abs. 1) Stützmauern nur in dem für die kleingärtnerische Nutzung erforderlichen Ausmaß zulässig.
Auf Grund der von der belangten Behörde, gestützt auf die durch den vorgelegten Verwaltungsakt dokumentierten Ermittlungsergebnisse, im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen sind die vom hier zu beurteilenden Bauauftrag erfassten Stützmauern für die kleingärtnerische Nutzung nicht erforderlich und daher auch gemäß § 16 Abs. 2 Wiener Kleingartengesetz 1966 nicht zulässig. Sie widersprechen daher Bauvorschriften im Sinne des § 129 Abs. 10 BO, weshalb der von der belangten Behörde erlassene, auf diese Gesetzesstelle gestützte Abtragungs- bzw. Entfernungsauftrag - ohne Rücksicht darauf, ob es sich bei dieser Bauführung um ein bewilligungsfreies Bauvorhaben im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 23 BO oder um ein baubewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. b BO handelt - frei von Rechtsirrtum ist.
Die von der Beschwerdeführerin vertretene gegenteilige, nicht näher begründete Rechtsansicht vermag nicht zu überzeugen. Mit dem Hinweis auf die historische Entwicklung des § 129 Abs. 10 BO und auf das zur früheren einschlägigen Rechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/05/0250, können die Beschwerdeausführungen, nach der "alten" Rechtslage hätte keine Möglichkeit bestanden, einen Abtragungsauftrag wegen Verstoßes gegen § 16 Wiener Kleingartengesetz zu erlassen, nicht gestützt werden, weil am 1. Jänner 1997 das im Beschwerdefall anzuwendende Wiener Kleingartengesetz 1996 in Kraft getreten ist, welches somit die früher in Kraft getretene Neuregelung des § 129 Abs. 10 BO und den neu geschaffenen, bereits dem Rechtsbestand angehörenden § 62a BO mitberücksichtigt hat. Ob eine die Gestaltung eines Kleingartens betreffende Baulichkeit im Sinne des § 16 Abs. 2 Wiener Kleingartengesetz 1996 für die kleingärtnerische Nutzung erforderlich ist, stellt keine - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - verfassungsrechtlich bedenkliche Ermessensentscheidung der Behörde dar, vielmehr ist dieses Tatbestandsmerkmal sachverhaltsmäßig auf fachkundiger Basis zu ermitteln und aus der sodann von der Behörde getroffenen Feststellung die rechtliche Schlussfolgerung (Erforderlichkeit für die kleingärtnerische Nutzung) zu ziehen.
Tatbestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Baulichkeit nach § 16 Abs. 2 leg. cit. ist nicht, ob die Anlage (Stützmauern und Anschüttung) der kleingärtnerischen Nutzung entspricht, sondern ob sie hiefür erforderlich ist. Die Erforderlichkeit der hier zu beurteilenden baulichen Maßnahmen wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Daher kommt im Beschwerdefall nur ein Abtragungs- bzw. Entfernungsauftrag und kein Herstellungsauftrag in Betracht. Die Beschwerdeführerin geht in ihrer Verfahrensrüge nicht von dieser Rechtslage aus. Ob die festgestellte Aufschüttung den "Charakter des kleingärtnerisch genutzten Gebietes keinesfalls beeinträchtigt", ist vielmehr nach dem Gesagten nicht entscheidungsrelevant. Die behaupteten Verfahrensverstöße sind daher für die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung nicht von Bedeutung. Auch das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Privatgutachten vermag am Ergebnis nichts zu ändern, weil darin die von der belangten Behörde in einem mängelfreien Verfahren getroffenen, nicht als unschlüssig zu erkennenden Feststellungen, die hier zu beurteilenden baulichen Maßnahmen seien nicht erforderlich, nicht entkräftet werden.
Auch mit dem Vorwurf, die belangte Behörde hätte nicht über die gegen den Berichtigungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 20. Juli 1999 eingebrachte Berufung entschieden, vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Im angefochtenen Bescheid nimmt die belangte Behörde ausdrücklich auf diesen Berichtigungsbescheid Bezug. Dass die Falschbezeichnung eines von einem Bauauftrag betroffenen Grundstückes eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG ist, sofern offenkundig und auf Grund des vorangehenden Ermittlungsverfahrens unzweifelhaft ist, um welches Grundstück es geht, wird auch in der Beschwerde nicht ernsthaft angezweifelt. Einem Berichtigungsbescheid kommt nur feststellende, nicht jedoch rechtsgestaltende Wirkung zu. Seine Funktion erschöpft sich ausschließlich in der Feststellung des tatsächlichen Inhaltes des berichtigten Bescheides schon im Zeitpunkt seiner in berichtigungsbedürftiger Form erfolgten Erlassung. Einem solchen Verständnis vom Wesen des Berichtigungsbescheides entspricht die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes des Inhalts, dass ein Berichtigungsbescheid mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit bildet, sodass der berichtigte Bescheid im Sinne des Berichtigungsbescheides in dem Zeitpunkt als geändert angesehen werden muss, in dem er in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 255 zu § 62 AVG referierte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hatte daher schon über den erstinstanzlichen Bauauftrag vom 2. Juli 1999 in der durch den Bescheid vom 20. Juli 1999 berichtigten Fassung abgesprochen.
Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr.416/1994.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen, weil im Hinblick auf die Beschwerdeausführungen entscheidungswesentliche Sachverhaltsfragen nicht zu klären sind und Art. 6 Abs. 1 MRK die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdefall nicht für geboten erscheinen lässt.
Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 4. Juli 2000
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000050011.X00Im RIS seit
30.08.2001Zuletzt aktualisiert am
09.02.2012