Entscheidungsdatum
30.08.2017Index
27/01 RechtsanwälteNorm
RAO §9 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Findeis über die Beschwerde der Frau L. B. vom 12.2.2017 gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung III, vom 31.1.2017, Zahl Vz 1645/2016, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
B E G R Ü N D U N G
Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung III, vom 31.1.2017, Zahl Vz 1645/2016, wurde der Vorstellung der Beschwerdeführerin vom 17.12.2016 gegen die Bestellung von Frau Mag. M. W., Rechtsanwältin in Wien, zur Verfahrenshelferin im Verfahren des Bezirksgerichtes ..., Zl. 31 C 132/16z, nicht stattgegeben und erklärt, dass deren Bestellung zu Vz 1645/2016 für die verfahrensbeholfene Partei L. B. als Verfahrenshelferin vom 2.12.2016 aufrecht bleibe (§ 45 Abs. 4 RAO).
Gegen den Bescheid richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde vom 12.2.2017. Die Beschwerdeführerin führt aus, in der Vorstellung seien nicht nur die subjektiven Eindrücke ihres Vaters von der Vorgangsweise der Substitutin, sondern auch die Aufforderung der Verfahrenshelferin, sich bei Unzufriedenheit mit der Substitutin einen Wahlverteidiger zu suchen, vorgebracht worden und sei die Rechtsanwaltskammer Wien nicht darauf eingegangen. Der Verfahrenshelferin wirft die Beschwerdeführerin vor, keine Kenntnisse von den Grundzügen des Zivilverfahrens und der Gewährung von Verfahrenshilfe zu haben, zumal es im Zivilverfahren keine Wahlverteidiger gebe und der Beschwerdeführerin keine Verfahrenshilfe genehmigt worden wäre, wenn sie ausreichend Mittel zur Verfügung hätte, um einen Anwalt frei zu wählen. Weiters sei die Beschwerdeführerin nicht von einer vorbereitenden Tagsatzung informiert worden und habe erst im Nachhinein davon erfahren.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einvernahme der Verfahrenshelferin, deren Substitutin, des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Wien sowie ihres Vaters.
Unter Zugrundelegung des Beschlusses des Bezirksgerichtes ... vom 24.11.2016, Zahl 31 C 132/16z, der Bescheide des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung III, Zahl Vz 1645/2016, vom 2.12.2016, und vom 31.1.2017, der Vorstellung der Beschwerdeführerin vom 17.12.2016 sowie deren Beschwerde vom 12.2.2017, ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:
Auf Grund der Bewilligung der Verfahrenshilfe durch das Bezirksgericht ... mit Beschluss vom 24.11.2016, in der Streitsache Zahl 31 C 132/16z, wurde mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2.12.2016, Frau Mag. M. W., Rechtsanwältin in Wien, zur Verfahrenshelferin der Beschwerdeführerin bestellt. Mag. W. habe mit dieser ihr zugewiesenen Verfahrenshilfesache Frau Dr. Z., Rechtsanwältin in Wien, als Substitutin betraut.
Gegen die Bestellung von Rechtsanwältin Mag. W. zur Verfahrenshelferin erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, die eine eidesstattliche Erklärung ihres Vaters Dr. J. B., beinhaltet. Dieser führt an, dass ihm als emeritierten Rechtsanwalt die Vorgangsweise der Substitutin bekannt sei und diese nicht als optimal oder unterstützend für die von ihr vertretenen Klienten bezeichnet werden könne. Ihm seien Fälle erinnerlich, in denen Dr. Z. schlecht vorbereitet in Verhandlungen agiert und sogar Akten verwechselt hätte. Auf seine Bitte, eine andere Substitutin zu betrauen, habe ihm die Verfahrenshelferin mitgeteilt, wenn der Beschwerdeführerin diese Vorgangsweise nicht passe, möge sie sich einen „Wahlverteidiger nehmen“. Die Verfahrenshelferin wisse nicht einmal, dass es Verteidiger nur in Strafverfahren gebe, die Verfahrenshilfesache betreffe jedoch ein Zivilverfahren. Anscheinend sei Mag. W. der Sinn der Verfahrenshilfe vollkommen fremd. Wenn der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation Verfahrenshilfe bewilligt werde, sei der Verweis sich einen „Wahlverteidiger zu nehmen“ als Verhöhnung des Instruments der Verfahrenshilfe zu werten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31.1.2017 wurde die Vorstellung mit der Begründung abgewiesen, dass die Bestellung zur Vertretung im Zuge der Verfahrenshilfe gemäß § 46 Abs. 1 RAO nach festen Regeln zu erfolgen hat und eine Umbestellung des einmal bestellten Verfahrenshelfers gemäß § 45 Abs. 4 RAO nur bei Vorliegen eines der im Gesetz taxativ angeführten Gründe (Interessenskollision und Befangenheit) vorzunehmen ist und diese nicht vorliegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende (bereits oben wiedergegebene) Beschwerde.
Nicht festgestellt werden kann das Vorliegen einer Befangenheit oder unwirksamen Vertretung der Beschwerdeführerin (Näheres dazu unten).
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei gemäß § 45 Abs. 1 RAO Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer.
Die Bestellung für ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof oder Bundesverwaltungsgericht obliegt gemäß § 45 Abs. 2 RAO dem Ausschuss der nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Partei, sonst dem Ausschuss der nach dem Sitz des Gerichtes zuständigen Rechtsanwaltskammer.
Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er nach § 45 Abs. 4 RAO auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen.
Nach § 10 Abs. 1 RAO ist der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe der Gründe ablehnen; allein er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder als Staatsanwalt tätig war. Ebenso darf er nicht beiden Teilen in dem nämlichen Rechtsstreit dienen oder Rat erteilen.
Entsprechend § 16 Abs. 2 RAO hat der nach § 45 RAO bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung der Partei mit der gleichen Sorgfalt wie ein frei gewählter Rechtsanwalt zu besorgen.
Gemäß § 9 Abs. 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus den §§ 10 Abs. 1 und 45 Abs. 1 und 4 RAO kein Anspruch der Partei auf Bestellung auf Beigebung eines bestimmten Rechtsanwaltes, noch darauf, dass ein bestimmter Rechtsanwalt nicht zum Verfahrenshelfer bestellt wird (VwGH 24.10.2013, Zl. 2011/01/0240). Zudem hat ein als Verfahrenshelfer bestellter Rechtsanwalt die ihm als Verfahrenshelfer obliegenden Leistungen nicht zwingend persönlich zu erbringen, sondern kann auch einen anderen Rechtsanwalt substituieren (VwGH 20.12.2016, Zl. Ro 2015/03/0037). Der Verfahrensbeholfene kann eine Enthebung und Umbestellung lediglich aus den im § 45 Abs. 4 RAO aufgezählten Gründen (Interessenkollision bzw. Befangenheit) beantragen.
Dem Befangenheitsbegriff des § 45 Abs. 4 RAO liegt das Element der Hemmung des pflichtgemäßen (sachlichen) Handelns durch sachfremde Motive zu Grunde. Soweit erheblich, soll diese gesetzliche Regelung gewährleisten, dass der bestellte Rechtsanwalt an der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber dem Vertretenen – insbesondere der Pflicht, die Rechte der Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten – nicht durch sachfremde Motive gehemmt ist (VwGH 18.12.2008, Zl. 2005/06/0342). Um die Möglichkeit aufzuzeigen, die Verfahrenshelferin sei aus sachfremden Motiven an der pflichtgemäßen (sachlichen) Ausübung gegenüber der Verfahrensbeholfenen gehemmt, hätte die Beschwerdeführerin konkrete Sachverhaltsbehauptungen aufstellen müssen, die diese Befürchtung nachvollziehbar erscheinen lassen (VwGH 24.10.2013, Zl. 2011/01/0240).
In diesem Sinn reicht der bloße Hinweis der Beschwerdeführerin, dass die Verfahrenshelferin ihr die Beiziehung eines Wahlverteidigers vorgeschlagen hat, nicht aus, um eine Befangenheit der Verfahrenshelferin nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Nicht einmal ein Beantragen der Entziehung der Verfahrenshilfe durch die Verfahrenshelferin selbst oder, dass die Beschwerdeführerin sich von der Verfahrenshelferin bzw. deren Substitutin nicht ausreichend vertreten fühlte und dies der Verfahrenshelferin gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, führt notwendigerweise dazu, dass diese (allein deshalb) befangen im Sinne des § 45 Abs. 4 RAO ist (VwGH 18.12.2008, Zl. 2005/06/0342).
Ein gemäß § 45 RAO als Verfahrenshelfer bestellter Rechtsanwalt hat gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 2 RAO die Vertretung mit der gleichen Sorgfalt wie ein frei gewählter Rechtsanwalt zu besorgen; dieser Grundsatz dient der Verwirklichung des Rechtes auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 EMRK. Davon ausgehend hat der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer die ihm durch § 45 Abs. 4 RAO eingeräumte Kompetenz zur Enthebung eines bestellten Verfahrenshelfers auch dann wahrzunehmen, wenn hervorkommt, dass in der Person des beigegebenen Verfahrenshelfers eine wirksame Vertretung nicht gegeben ist (VwGH 13.9.2016, Zl. Ro 2016/03/0009).
Die behördliche Verpflichtung, einen wirksamen Beistand im Zusammenhang mit Art. 6 EMRK zu gewährleisten, bedeutet jedoch nicht, dass die Rechtsanwaltskammer jedes Handeln oder Unterlassen eines Verfahrenshelfers auf seine rechtliche Fundiertheit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen und bei einem Verhalten, das gegebenenfalls dem Ziel der „bestmöglichen“ Vertretung nicht entspricht, mit der Enthebung des Verfahrenshelfers vorzugehen hätte. Handelt ein Verfahrenshelfer (in mancher Hinsicht) gegen das, was die von ihm vertretene Partei als ihren besten Interessen dienlich erachtet, lässt das allein nicht erkennen, dass der Vorsorge für einen wirksamen Rechtsbeistand jedenfalls zuwider gehandelt worden wäre (VwGH 13.9.2016, Zl. Ro 2016/03/0009). Eine Enthebung durch die Rechtsanwaltskammer ist nur dann geboten, wenn der wirksame Beistand (in Zukunft) nicht anders als durch eine Umbestellung gewährleistet werden kann (ultima ratio). Dieses Gebot besteht nur dann, wenn Verhaltensweisen offenkundig sind bzw. zur Kenntnis gelangen, die einen Schluss auf eine habituelle Untüchtigkeit oder eine solche Inaktivität des Verfahrenshelfer zulassen, dass von wirksamer Vertretung nicht mehr gesprochen werden kann. Davon geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, wenn der Anwalt sterben, ernstlich erkranken, für einen längeren Zeitraum daran gehindert sein könnte, seine Verpflichtungen auszuüben oder sich diesen entziehen könnte. Sonst steht den Behörden beispielsweise auch der Weg offen, den Verfahrenshelfer zur Erfüllung seiner Pflichten zu verhalten (VwGH 27.3.2000, Zl. 2000/10/0019).
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, ihrem Vater seien Fälle bekannt, in denen die Substitutin schlecht vorbereitet gewesen sei und sei sie nicht über eine vorbereitende Tagsatzung informiert worden. Zwar ergeben sich aus § 9 RAO für den Rechtsanwalt eine Reihe von Pflichten, wie ua. Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten (OGH 27.5.1999, Zl. 2 Ob 224/97y), jedoch kann aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht ersehen werden, dass bei der gegebenen Sachlage aus der Sicht der Vertretung der rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Interesse einer wirksamen Vertretung oder aus der Sicht einer geordneten Rechtspflege es (als ultima ratio) erforderlich erscheint, für die Beschwerdeführerin einen anderen Verfahrenshelfer zu bestellen.
Von der Beschwerdeführerin wird eine Befangenheit ebenso wenig aufgezeigt wie der Mangel einer wirksamen Vertretung, der zu einer Enthebung der Verfahrenshelferin führen muss. Das Vorliegen einer Interessenkollision wurde nicht behauptet und war bei gegebener Sachlage auch nicht anzunehmen. Es war sohin die Beschwerde abzuweisen und der Spruch des angefochtenen Bescheides zu bestätigen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte, da auf dem Boden des § 45 Abs. 4 RAO der entscheidungswesentliche Sachverhalt nach der Aktenlage, insbesondere auch nach dem Parteienvorbringen, feststand und kein Anhaltspunkt dafür gegeben war, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließe, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden.
Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Überdies liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bestellung zum Verfahrenshelfer; Rechtsanwalt; Substitution; behauptete Befangenheit; Enthebung als ultima ratio; Interessenkollision; habituelle Untüchtigkeit; wirksame VertretungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.101.014.3950.2017Zuletzt aktualisiert am
07.12.2017