Entscheidungsdatum
14.09.2017Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z2Text
BESCHLUSS
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Rechtspflegerin Ing. Stürzinger über den Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers des Herrn M. F., Wien, O.-Straße, vertreten durch seinen Sachwalter Herrn Mag. B., Rechtsanwalt, im Beschwerdeverfahren gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Beamte der Landespolizeidirektion Wien, wie folgt entschieden:
Dem Antrag wird gemäß § 8a Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 63 ZPO stattgegeben
und dem Beschwerdeführer die Verfahrenshilfe bewilligt.
BEGRÜNDUNG
Am 18.1.2017 wurde mit Kundmachung des BGBl. I Nr. 24/2017 angeordnet, dass mit Wirksamkeit vom 1.1.2017 im 2. Hauptstück 1. Abschnitt VwGVG § 8a in Kraft tritt, der die Verfahrenshilfe in Administrativverfahren vor den Verwaltungsgerichten neu regelt:
„§ 8a (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.“
Nach § 63 Abs. 1 ZPO ist einer Partei Verfahrenshilfe soweit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Als notwendiger Unterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Als mutwillig ist die Rechtsverfolgung besonders anzusehen, wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei vollständiger Würdigung aller Umstände des Falles, besonders auch der für die Eintreibung ihres Anspruchs bestehenden Aussichten, von der Führung des Verfahrens absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde.
Im Beschwerdeverfahren gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Beamte der Landespolizeidirektion Wien, das vom Sachwalter des Bf mit 28.7.2017 eingeleitet wurde, stellt dieser nunmehr mit 24.8.2017 Antrag auf Verfahrenshilfe. Die dabei beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheint nicht von vornherein als offenbar mutwillig oder aussichtslos.
Laut dem vorgelegten Vermögensbekenntnis vom 24.8.2017 bezieht der Antragsteller vom Arbeitsmarktservice Notstandshilfe in der Höhe von täglich 26,36 Euro und 324,44 Euro Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Für die Benützung der 26,75 m² Wohnung, fällt monatlich eine Miete in der Höhe von 301,03 Euro an. Relevantes Vermögen sowie weitere Einkünfte sind laut eigenen Angaben nicht vorhanden, hingegen hat der Antragsteller bei der BVA, der Volkshilfe und bei seinem ehemaligen Sachwalter Schulden in der Höhe von insgesamt ca. 1700-- Euro.
Bei diesem Sachverhalt war nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller imstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.
Dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe war daher spruchgemäß stattzugeben.
Schlagworte
Verfahrenshilfe; Maßnahmenbeschwerde; Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts; Prüfung im Einzelfall; Rechtsbeistand; Komplexität der Rechtssache; Rechtsverfolgung nicht offenbar aussichtslos; StattgabeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.102.V.076.11742.2017Zuletzt aktualisiert am
11.12.2017