TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/4 2000/05/0105

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Veröffentlicht am 04.07.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Gertraud Poli in Villach, vertreten durch Mag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, Bahnhofstraße 16, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 12. April 2000, Zl. 8 B-BRM-340/7/2000, betreffend Wiederaufnahme eines Bauverfahrens gemäß § 69 AVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiedergut Ges.m.b.H. & Co KG in Villach, Kernstockerstraße 13/3;

2. Stadt Villach, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde, der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, weiters des Grenzverhandlungsprotokolls vom 17. Juni 1999 mit Lageplänen und der im Verfahren erhobenen Vorstellung ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Ansuchen vom 29. November 1996 beantragte die Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit 14 Wohneinheiten samt Tiefgarage und oberirdischen Stellplätzen und den Abbruch des Altbestandes auf den näher angeführten Grundstücken. Mit Bescheid vom 3. Dezember 1998 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadt der Erstbeschwerdeführerin die Baubewilligung für das angeführte Projekt.

Die dagegen erhobenen Berufungen etlicher Anrainer wurden mit Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadt vom 21. April 1999 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. November 1999 wurden die dagegen erhobenen Vorstellungen etlicher Anrainer als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom 22. November 1999 stellte die Beschwerdeführerin als Anrainerin den Antrag auf Wiederaufnahme des angeführten Bauverfahrens und begründete diesen im Wesentlichen damit, im erst- und zweitinstanzlichen Bauverfahren sei davon ausgegangen worden, dass das Baugrundstück eine Fläche von 1680 m2 aufweise. Die im Juni 1999 vorgenommene Grundstücksvermessung habe jedoch eindeutig ergeben, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück tatsächlich nur 1675 m2 groß sei. Die Grenzverhandlung sei schriftlich festgehalten und von allen Anrainern einvernehmlich unterfertigt worden. Lege man diese Grundstücksgröße zu Grunde, dann ergebe sich eine Geschoßflächenzahl von 0,801 (und nicht von 0,799 wie von den Behörden angenommen). Damit werde die höchstzulässige Geschoßflächenzahl von 0,8 überschritten.

Mit Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadt vom 12. Jänner 2000 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Tatsachen oder Beweismittel nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen könnten, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen seien, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden sei, nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen oder Beweismittel handle. Neue Befundergebnisse könnten einen Wiederaufnahmegrund darstellen, nicht jedoch neue Schlussfolgerungen oder ein Irrtum des Sachverständigen. Bei den Ermittlungsergebnissen der Flächenausmaße handle es sich aber um tatsächliche Schlussfolgerungen sachverständiger Personen, die als solche nur wahr oder falsch sein könnten. Verbindlichkeit werde solchen Schlussfolgerungen nicht verliehen. Wie jede gutachtliche Feststellung sei sie regelmäßig bloß durch ein Gegengutachten, also durch auf demselben fachkundigen Niveau gezogene Schlussfolgerungen, entkräftbar. Im Übrigen wurde ausgeführt, dass die vorliegende neue Tatsache zu keinem anders lautenden Bescheid geführt hätte.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

"2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten."

Gemäß der hg. Judikatur kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten. Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (vgl. die in Walter - Thienel,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2, I, 1998, 1491 f unter E 124. angeführten hg. Erkenntnisse).

In der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 22. November 1999 wurde die Wiederaufnahme des Bauverfahrens darauf gestützt, die Grenzvermessung des Grundstückes im Juni 1999 habe eindeutig ergeben, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück tatsächlich nur 1675 m2 groß sei. Diese Grenzverhandlung sei schriftlich festgehalten und von allen Anrainern einvernehmlich unterfertigt worden und sei somit rechtlich verbindlich. Bei einer Grundstücksgröße von 1675 m2 werde aber die zulässige Geschoßflächenzahl von 0,8 überschritten.

Die Beschwerdeführerin legte das Grenzverhandlungsprotokoll mit Lageplänen vor. Daraus ergibt sich, dass das Grundstück der Beschwerdeführerin nicht unmittelbar an das Baugrundstück angrenzt. Die Beschwerdeführerin war daher auch nicht an der angeführten Grenzverhandlung beteiligt. Gemäß dem Grenzverhandlungsprotokoll wurden Grenzen (u.a. betreffend das Baugrundstück) auf Grund der Neuvermessung und des näher angeführten Teilungsplanes VHW 6/80 ermittelt und gemäß der Skizze gekennzeichnet.

Gemäß § 24 Vermessungsgesetz, BGBl. Nr. 306/1968, sind zum Zwecke der Festlegung der Grenzen der Grundstücke an Ort und Stelle Grenzverhandlungen durchzuführen, zu denen sämtliche beteiligte Eigentümer zu laden sind. Gemäß § 25 Abs. 1 Vermessungsgesetz ist in der Grenzverhandlung von den erschienenen beteiligten Eigentümern nach Vorhalt der vorhandenen Behelfe (Grundsteuerkataster, Pläne und andere) der Verlauf der Grenzen festzulegen und in der Weise zu kennzeichnen, wie sie § 845 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vorsieht. Kommen die Eigentümer der Kennzeichnungspflicht nicht nach, so ist die Kennzeichnung von Amts wegen gegen Kostenersatz vorzunehmen. Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist noch kein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist gemäß § 25 Abs. 2 Vermessungsgesetz der Eigentümer, der behauptet, dass die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen.

Wenn Eigentümer benachbarter Grundstücke in einer Grenzverhandlung gemäß § 25 Abs. 1 und 2 Vermessungsgesetz zu einer Einigung über den Verlauf der Grenzen kommen, ist der Grenzverlauf damit neu in konstitutiver Weise festgelegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 98/06/0125). Eine derartige Grenzfestlegung stellt somit eine Änderung des Sachverhaltes (betreffend den Grenzverlauf) dar, die im vorliegenden Fall mit der Grenzverhandlung und dem von den betroffenen Grundeigentümern unterfertigten Grenzverhandlungsprotokoll vom 17. Juni 1999 über die von den betroffenen Grundeigentümern erzielte Einigung über den Verlauf der Grenzen eingetreten ist. Im verfahrensgegenständlichen Bauverfahren ist für die Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides vom 21. April 1999 maßgeblich. Dieser Berufungsbescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß der vorgelegten Vorstellung am 22. April 1999 zugestellt. Die Änderung des Sachverhaltes, auf den sich die Beschwerdeführerin stützt, ist somit erst nach Erlassung dieses Berufungsbescheides eingetreten. Bei der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Änderung des Sachverhaltes handelt es sich somit nicht um eine Tatsache, die in dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides bereits vorhanden gewesen ist, aber erst nach diesem Zeitpunkt ohne Verschulden der Beschwerdeführerin hervorgekommen ist. Es erweist sich somit die verfahrensgegenständliche Abweisung des Wiederaufnahmeantrages der Beschwerdeführerin schon aus diesem Grund als rechtmäßig. Es bedurfte daher keines weiteren Eingehens auf die Auffassung der belangten Behörde, dass die vorgeschriebene Geschoßflächenzahl von 0,8 auch dann eingehalten ist, wenn die Geschoßflächenzahl den Wert von 0,801 erreicht.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 4. Juli 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000050105.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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