TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/17 W238 2167645-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.11.2017
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Entscheidungsdatum

17.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W238 2167645-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Zeige, Zentrum für europäische Integration und globalen Erfahrungsaustausch, Ottakringer Straße 54/4. Stock, Top 2, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2017, Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2017 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG

2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 30.07.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.08.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei, am XXXX in der Provinz Maidan Wardak geboren worden sei und dort die Grundschule bis zur 5. Klasse besucht habe. Zuletzt habe der Beschwerdeführer in Kabul als Kellner gearbeitet. Er habe bislang keine Ehe geschlossen und sei kinderlos. Sein Vater und sein jüngerer Bruder würden in Afghanistan leben. Seine Mutter sei bereits verstorben. Er habe die Flucht vor ca. acht bis zehn Monaten von Kabul aus begonnen und sich zwei Monate im Iran (Teheran) aufgehalten. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass Afghanistan nicht sicher sei und er dort auch nichts lernen habe können. Er habe Angst vor seiner Zukunft; man bekomme auch keine Arbeit.

2. Aufgrund von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) entsprechende Untersuchungen veranlasst. Aus einem Röntgenbefund vom 28.08.2015 geht hervor, dass sämtliche Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia beim Beschwerdeführer geschlossen seien, am Radius zeige sich eine zarte Epiphysennarbe, das Ergebnis laute GP 31, Schmeling 4.

Daraufhin wurde eine Altersfeststellungsuntersuchung beim Beschwerdeführer durchgeführt. Aus dem darauf basierenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 23.10.2015 geht ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 17,9 Jahren hervor. Das fiktive Geburtsdatum laute XXXX Von diesem Geburtsdatum ging das BFA in weiterer Folge aus.

3. Anlässlich der am 24.05.2017 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführten Einvernahme vor dem BFA, Regionaldirektion Steiermark, wiederholte der Beschwerdeführer seine Angaben zu Staatsangehörigkeit, Geburtsort (Provinz Maidan Wardak), letztem Aufenthaltsort (Stadt Kabul) und (sechsjährigem) Schulbesuch. Er sei Angehöriger der Volksgruppe Hazara und bekenne sich zum schiitischen Islam. Er gab weiters an, dass er seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen und später in Kabul als Kellner gearbeitet habe. In Kabul habe er ca. ein Jahr gelebt. Afghanistan habe er Ende 2014 verlassen.

Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer zusammenfassend an, dass er über Ersuchen afghanischer Sicherheitskräfte während der Arbeit auf den Feldern Auskunft über in der Nähe des Dorfes lebende Taliban gegeben habe. Sein Vater sei darüber sehr wütend gewesen und habe den Beschwerdeführer geschlagen. Sein Vater habe gesagt, dass die Taliban schon Bescheid wüssten, wer sie verraten habe. Die Taliban würden kommen. Daher habe sein Vater ihn nach Kabul geschickt. Sein Vater und sein Bruder seien dann nach Kabul nachgekommen. Die Nachbarn im Dorf, mit denen sein Vater weiterhin Kontakt gehabt habe, hätten erzählt, dass die Taliban gekommen seien und sie für Spione der Regierung halten würden, weil der Beschwerdeführer sie verraten habe. Wenn sie den Beschwerdeführer erwischen würden, werde er getötet. Daher sei der Beschwerdeführer von seinem Vater alleine in den Iran geschickt worden, wo er sich ca. sechs Monate aufgehalten und in einer Textilfirma gearbeitet habe. Als der Beschwerdeführer vor ca. sechs Monaten zuletzt Kontakt mit seiner Familie gehabt habe, sei diese im Iran gewesen. Es bestehe die Absicht, dass sein Vater und sein Bruder auch nach Europa kommen.

Anlässlich der Einvernahme legte der Beschwerdeführer Teilnahmebestätigungen betreffend Deutschkurse, die Verrichtung gemeinnütziger Arbeit in Form von Straßenreinigung in XXXX sowie einen Workshop für Asylwerber vor.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 31.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates, zur Situation im Falle seiner Rückkehr sowie zur Lage in Afghanistan.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Identität des Beschwerdeführers mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokuments nicht feststehe. Das Alter des Beschwerdeführers sei auf Basis des von der Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt worden. Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Herkunft sowie Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit würden sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und seinen Sprachkenntnissen ergeben.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen erachtete das BFA für nicht glaubhaft, zumal dieser im Zuge der Erstbefragung nichts von einer Verfolgung durch Taliban erwähnt habe, sondern lediglich die schlechte Sicherheitslage und die Schwierigkeiten, in Afghanistan etwas zu lernen, ins Treffen geführt habe. Im Zuge der Einvernahme habe der Beschwerdeführer nur vage geschildert, dass er Informationen über den Aufenthaltsort und die Vorgehensweise der Taliban an Sicherheitskräfte weitergegeben habe. Eine konkrete Verfolgungshandlung gegen ihn persönlich habe der Beschwerdeführer nie vorgebracht. Eine staatliche Verfolgung sei vom Beschwerdeführer ausdrücklich verneint worden.

Der Beschwerdeführer sei gesund, jung und arbeitsfähig. Es liege eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul vor. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihm in Afghanistan ein Entzug der Lebensgrundlage drohe.

Die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinem Privatleben in Österreich wurden vom BFA für glaubhaft befunden. Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Seine Familie lebe im Iran. Der Beschwerdeführer besuche zwar Deutschkurse, spreche auch gut Deutsch, habe jedoch keinerlei Zeugnisse über seine Sprachqualifikation vorgelegt. Er habe sich auch nicht aus- oder fortgebildet. Eine ausgeprägte Integration in Österreich liege nicht vor.

Im Anschluss unterzog die belangte Behörde den von ihr festgestellten Sachverhalt unter Bezugnahme auf die einzelnen Spruchpunkte des Bescheides einer rechtlichen Beurteilung.

5. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, mit welcher der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde. Der Beschwerdeführer habe die Umstände der Verfolgung im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA geschildert. Es liege eine aktuelle Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Des Weiteren enthält die Beschwerde Ausführungen zur Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers und in der Stadt Kabul. Dem Beschwerdeführer stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, zumal seine Kernfamilie im Iran lebe. In Afghanistan halte sich nur ein Onkel mütterlicherseits auf, zu dem kein Kontakt bestehe. Es gebe somit kein familiäres oder soziales Netzwerk im Herkunftsstaat. Zudem verfüge der Beschwerdeführer über keine Fachausbildung, die es ihm erleichtern würde, ein sicheres Einkommen zu erwirtschaften.

Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, den angefochtenen Bescheid aufheben und ihm den Status eines Asylberechtigten zuerkennen. In eventu wurde beantragt, dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder die Rückkehrentscheidung bzw. die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung aufzuheben oder dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung gemäß §§ 57, 55 AsylG 2005 zu erteilen oder den Bescheid aufzuheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 16.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am 02.10.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreterin teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Dari beigezogen wurde. Die belangte Behörde verzichtete anlässlich der Vorlage der Beschwerde auf die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wurde dem BFA im Anschluss an die Verhandlung übermittelt.

Der Beschwerdeführer brachte im Zuge der Verhandlung eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses A2/B1 in Vorlage.

Der Beschwerdeführer wurde vom erkennenden Gericht eingehend zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt.

Im Zuge der Verhandlung wurden vom erkennenden Gericht auch die Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in das Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurden gemeinsam mit der Ladung Länderberichte zur Situation in Afghanistan übermittelt. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers erstattete dazu im Rahmen der Verhandlung eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers, der Niederschrift über seine weitere Einvernahme durch die belangte Behörde, des Beschwerdevorbringens, der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie der Länderberichte zur Lage in Afghanistan, der dazu erstatteten Stellungnahme des Beschwerdeführers und der von ihm vorgelegten Unterlagen werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zu Person, Fluchtgründen, Rückkehrmöglichkeit und (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, führt den Namen XXXX, ist Angehöriger der Volksgruppe Hazara und schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari.

Er wurde am XXXX in der Provinz Maidan Wardak, Distrikt XXXX, Dorf XXXX geboren, wo er mit seiner Familie ca. bis zu seinem 16. Lebensjahr lebte. In seinem Heimatdorf unterstützte der Beschwerdeführer seinen Vater in der Landwirtschaft. Dort besaß seine Familie eine Unterkunft und Tiere.

Der Beschwerdeführer hat einen Bruder im Alter von 12 bis 13 Jahren. Die Mutter des Beschwerdeführers ist vor ca. zehn Jahren verstorben.

Anfang des Jahres 2014 ging der Beschwerdeführer mit seinem Vater und seinem Bruder nach Kabul. Dort arbeitete der Beschwerdeführer als Kellner in einem Hotel. Sein Vater hatte in Kabul ebenfalls eine Beschäftigung. Der Beschwerdeführer lebte mit seiner Familie ca. ein Jahr in Kabul und ging dann in den Iran, wo er sich ca. sechs Monate illegal aufhielt. Im Iran arbeitete der Beschwerdeführer in einer Schneiderei. Mitte des Jahres 2015 setzte der Beschwerdeführer seine Reise nach Europa fort.

Der Beschwerdeführer stellte am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf internationalen Schutz bei der Einvernahme vor dem BFA damit, dass er über Ersuchen afghanischer Sicherheitskräfte Auskunft über in der Nähe des Dorfes lebende Taliban gegeben habe. Als sein Vater dies erfahren habe, habe er ihn nach Kabul geschickt. Sein Vater und sein Bruder seien nach Kabul nachgekommen. Die Nachbarn im Dorf, mit denen sein Vater weiterhin Kontakt gehabt habe, hätten erzählt, dass die Taliban gekommen seien und sie für Spione der Regierung halten würden. Daher sei der Beschwerdeführer von seinem Vater alleine in den Iran geschickt worden, wo er sich ca. sechs Monate aufgehalten und in einer Textilfirma gearbeitet habe. Sodann sei er nach Europa geflüchtet.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wiederholte und ergänzte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen auszugsweise wie folgt:

"Wir haben ein ganz normales Leben geführt und haben in der Landwirtschaft gearbeitet, bis sich die Sicherheitslage in unserer Heimatregion verschlechtert hat. Dann ist die Polizei gekommen, um die Sicherheitslage dort festzustellen. Sie haben die Menschen danach gefragt, wie die Taliban mit ihnen Kontakt aufnehmen, woher sie kommen und was die Gründe sind, warum sie dort immer wieder Schwierigkeiten machen. Sie haben die Arbeiter in der Landwirtschaft gefragt; manche haben die Fragen beantwortet und manche haben sich geweigert. Auch ich wurde, als ich in der Arbeit war, gefragt, ob ich die Taliban kenne, woher sie kommen und was sie wollen. Dann ist die Polizei wieder weggegangen. Es war gegen Abend. Ich bin nach Hause gegangen. Es waren nur mehr wenige Leute mit den Grundstücken beschäftigt. Dann ist mein Vater gekommen und hat erfahren, dass die Polizei da war und dass ich befragt wurde. Als er zuhause war, hat er mich zur Rede gestellt und war sauer, dass ich mich mit der Polizei unterhalten habe. (...) Er meinte, wenn die Taliban davon erfahren, würden sie uns als Spione ansehen. Am nächsten Tag durfte ich nicht in die Arbeit gehen. Ich weiß nicht, was in der Arbeit passiert ist. Mein Vater war sehr geschockt, als er nach Hause gekommen ist. (...) Er war sauer auf mich und hat mir eine Ohrfeige gegeben und hat dabei gesagt, die Taliban können jederzeit kommen, bei Nacht oder bei Tag. Dann hat er entschieden, mich wegzuschicken, weil er mich nicht beschützen konnte. Die Taliban waren unberechenbar. Man hat nicht voraussehen können, wann sie auftauchen und was sie anstellen würden. So bin ich dann nach Kabul gegangen mit Hilfe eines Bekannten von meinem Vater, der einen Transportwagen hatte. (...) Meinem Vater war es nicht möglich, gleichzeitig mit mir das Dorf zu verlassen und ich musste vorgehen. Er hat mich dem Fahrer des Transportwagens übergeben und hat gebeten, dass dieser mich bis zu dem Busbahnhof fährt und dafür sorgt, dass ich dort warte, bis mein Vater nachkommt. Wie schon gesagt, sind mein Bruder und mein Vater nach zwei Tagen nachgekommen. Wir haben eine Woche im Hotel gewohnt. Dann haben wir eine Unterkunft gemietet. Wir waren froh, dass wir in Sicherheit sind und normal leben können. Ein Jahr lang haben wir ein ganz normales Leben geführt. Mein Vater und ich haben gearbeitet. Mein Vater hatte mit den Dorfbewohnern Kontakt und hat sich immer über die Umstände im Dorf informiert. Die Situation in unserem Dorf hatte sich verschlechtert. Die Taliban haben uns verantwortlich gemacht für die Unsicherheit im Dorf und haben uns als Spione bezeichnet. Die Dorfbewohner haben meinem Vater erzählt, dass die Taliban uns vorwerfen, dass wir als Spione für die Regierung arbeiten. Die Taliban hatten von den Problemen erzählt, dass viele Mujaheddin wegen der Regierung ums Leben gekommen seien. Die Dorfbewohner erzählten, dass die Taliban immer wieder zu uns nach Hause kommen und nachfragen würden, wohin wir geflohen sind. Sie hätten Leute angeheuert, die gerade nach uns suchen würden und sie würden uns bestimmt finden. Die Bekannten von meinem Vater haben uns immer wieder geraten, uns in Sicherheit zu bringen, weil die Taliban nach uns suchen würden und wir gefährdet seien. Wir haben in der Hoffnung, dass wir in Kabul sicher sind, das Dorf verlassen, aber auch dort hat es nicht funktioniert und wir mussten das Land verlassen."

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes für nicht glaubhaft befunden:

Es konnte insbesondere nicht festgestellt werden, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr, aufgrund eines Gesprächs mit afghanischen Sicherheitskräften von Taliban verfolgt und getötet zu werden, besteht. Weder war der Beschwerdeführer vor seiner Flucht einer konkreten individuellen Verfolgung durch Taliban ausgesetzt noch wäre er einer solchen im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt. Das diesbezügliche Fluchtvorbringen wurde vom Beschwerdeführer in der von ihm geschilderten Form tatsächlich nicht erlebt.

Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ohne Hinzutreten weiterer wesentlicher individueller Merkmale mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet:) durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit (Hazara), seiner Religion (schiitischer Islam), Nationalität (Afghanistan), Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu erwarten hätte. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan weder vorbestraft noch wurde er dort jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer (asylrelevanten) Verfolgung ausgesetzt wäre.

1.1.3. Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig, gesund und steht nicht in ärztlicher Behandlung. Er besuchte in Afghanistan ca. fünf Jahre die Schule. Er kann lesen und schreiben. Seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer arbeitete in seiner Herkunftsprovinz in der Landwirtschaft. In Kabul war er ca. ein Jahr als Kellner in einem Hotel tätig. Im Iran arbeitete er ca. sechs Monate in einer Schneiderei. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zum Lebensunterhalt seiner Familie in seiner Herkunftsprovinz sowie in Kabul beigetragen hat.

Der aktuelle Aufenthaltsort des Vaters und des jüngeren Bruders des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden. Zuletzt hielten sie sich im Iran auf. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer noch Kontakt zu seinem Vater und seinem jüngeren Bruder hat.

Ein Onkel des Beschwerdeführers mütterlicherseits lebt in der Provinz Balkh. Der Beschwerdeführer hat seinen Onkel nicht mehr gesehen, seit seine Mutter verstorben ist. Ob der Beschwerdeführer weitere Verwandte in Afghanistan hat, konnte nicht festgestellt werden.

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Maidan Wardak scheidet aus, weil ihm dort aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde, zumal die Erreichbarkeit der Provinz (etwa von Kabul aus) auf sicherem Weg nicht gewährleistet werden kann.

Dem Beschwerdeführer ist es aber möglich und zumutbar, sich stattdessen in der Hauptstadt Kabul niederzulassen. Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und einer in Afghanistan gesprochenen Sprache (Dari) vertraut. Der Beschwerdeführer hat ca. ein Jahr mit seinem Vater und seinem Bruder in Kabul gelebt und gearbeitet. Er verfügt dort zwar aktuell über keine familiären Anknüpfungspunkte. Allerdings könnte er den Kontakt zu seinem ehemaligen Arbeitgeber in Kabul (Hotelbesitzer) und zu ehemaligen Arbeitskollegen wieder herstellen. Er könnte sich in Kabul eine Existenz aufzubauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei er seine Berufserfahrung in der Landwirtschaft (in Maidan Wardak), als Kellner (in Kabul) und in einer Schneiderei (im Iran) nutzen könnte. Der Beschwerdeführer wäre in der Lage, in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden. Er hat auch die Möglichkeit, zunächst finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Im Übrigen gab der Beschwerdeführer - abgesehen von seinen Bedenken hinsichtlich der Sicherheitslage in Afghanistan - in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob er in Kabul Arbeit und Unterkunft finden könnte, in Kenntnis der dortigen Gegebenheiten selbst an, dass "man sich automatisch zurechtfindet", wenn man im Heimatland ist. Begründend führte er aus, dass er bei seiner Ankunft in Österreich weder die Sprache noch das "System" gekannt habe und sich dennoch zurechtfinden habe können. In Afghanistan, wo er mit Kultur, Sprache und System vertraut sei, könne er dies wohl auch. Im Ergebnis ist aufgrund der Schulbildung, der Schreib- und Lesekompetenz, der bisherigen - auch in Kabul erworbenen - Berufserfahrung und seiner eigenen (soeben wiedergegebenen) Einschätzung von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

1.1.4. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Wo sich sein Vater und sein jüngerer Bruder derzeit aufhalten, konnte nicht festgestellt werden. Er hat keine Familienangehörigen oder Verwandte im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich mit zwei Asylwerbern in einer privaten Unterkunft zusammen. Er verfügt über keine intensiven freundschaftlichen Kontakte zu österreichischen Privatpersonen, besucht aber einmal pro Woche eine Gruppe, die aus Österreichern und Asylwerbern besteht. Seine Bindung zu Afghanistan ist - insbesondere unter dem Aspekt seines langjährigen Aufenthalts im Herkunftsstaat - deutlich intensiver als jene zu Österreich. Der Beschwerdeführer möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Asylantragstellung am 30.07.2015 im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Er war in Österreich bisher nicht legal beschäftigt. Er verrichtet in der Stadt XXXX gemeinnützige Tätigkeiten (Straßenreinigung). Der Beschwerdeführer besucht einen Deutschkurs, hat aber noch keine Deutschprüfung erfolgreich absolviert. Zum Zeitpunkt der Verhandlung wies er angesichts seiner Aufenthaltsdauer durchschnittlich gute Deutschkenntnisse auf. Er konnte einfache Fragen mit kurzen Sätzen beantworten. Ob der Beschwerdeführer eine Schule besucht, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Lage in Afghanistan

Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht werden insbesondere folgende Quellen zugrunde gelegt:

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan - Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017 inkl. Kurzinformationen (Stand 25.09.2017);

* ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung vom 02.09.2016 (a-9737-V2) zu Afghanistan: "Lage der Hazara, Zugang zu staatlichem Schutz und Hintergründe des Konfliktes zwischen Kuchis und Hazara";

http://www.ecoi.net/local_link/329705/470745_de.html (Zugriff am 10.09.2016);

* Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender (deutsche Fassung), 19.04.2016;

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 25.09.2017):

""... 2. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5%

erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D. nicht darstellbar)

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

(Grafik nicht darstellbar)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.- 5. August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

‚Green Zone' in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle ‚Green Zone'; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte ‚Blue Zone' soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen: Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh.

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL- KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP- Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

KI vom 27.6.2017: Afghanische Flüchtlinge im Iran (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehrer)

Aus gegebenem Anlass darf auf folgendes hingewiesen werden:

Informationen zur Situationen afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem Länderinformationsblatt Iran entnommen werden (LIB Iran - Abschnitt 21/Flüchtlinge).

Länderkundliche Informationen, die Afghanistan als Herkunftsstaat betreffen, sind auch weiterhin dem Länderinformationsblatt Afghanistan zu entnehmen.

KI vom 22.6.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

Grafiken nicht darstellbar.

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

Grafik nicht darstellbar.

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher ‚Insider-Angriffe' [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS-Zweig in Afghanistan - teilweise bekannt als IS Khorasan - ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

KI vom 11.5.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q1.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017).

(Grafik nicht darstellbar)

INSO berichtet für den Zeitraum Jänner - März 2017 von insgesamt

6.799 sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Afghanistan (INSO o. D.):

Grafik nicht darstellbar

Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Gefechte zwischen Taliban und Regierungskräften (meist Angriffe der Taliban) um 22% erhöht und machen damit 63% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die Anzahl der IED-Vorfälle war 2016 um 25% niedriger als im Jahr davor und ist damit weiterhin rückläufig (UN GASC 3.3.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt - speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).

Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).

Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017

Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).

Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).

High-profile Angriffe

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten. (SIGAR 30.4.2017).

Grafik nicht darstellbar

Taliban

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive Ende April 2017 eröffnet; seitdem kommt es zu verstärkten Gefechtshandlungen in Nordafghanistan (BBC 7.5.2017). Bisher haben die Taliban ihre alljährliche Kampfsaison durch die Frühjahrsoffensive eingeläutet; allerdings haben dieses Jahr die Taliban-Aufständischen auch in den Wintermonaten weitergekämpft (BBC 28.4.2017).

Helmand

Die Taliban haben den Druck auf die Provinz Helmand erhöht; heftige Gefechte fanden Ende Jänner und Anfang Februar im Distrikt Sangin statt (UN GASC 3.3.2017): 10 der 14 Distrikte in Helmand werden entweder von den Taliban kontrolliert oder sind umstritten. In die Provinz Helmand wurde bereits eine Anzahl US-amerikanischer Soldaten entsendet (al-Jazeera 29.4.2017; vgl. auch: Khaama Press 11.4.2017). Auch das afghanische Verteidigungsministerium hat Befreiungsoperationen gestartet, die sogenannten Khalid-Operationen in Helmand aus den beiden Distrikten, Garamser und Nad-e Ali heraus (Khaama Press 11.4.2017). Militärischen Quellen zufolge, wurde im Mai eine riesige Kommandozentrale der Taliban im Distrikt Nad-e Ali zerstört (Sputnik News 10.5.2017).

Kunduz

Seit zwei Jahren ist Kunduz Zentrum intensiver Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LWJ 9.5.2017); die Stadt Kunduz fiel zweimal bevor die ANDSF und die Koalitionskräfte sie wieder unter ihre Kontrolle bringen konnten (SIGAR 30.4.2017; vgl. auch: LWJ 9.5.2017).

IS/ISIS/ISK

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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