TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/23 W132 2161934-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.11.2017

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W132 2161934-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 19.12.2016 hat die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt und begründend vorgebracht, dass sie an einer Herz-Kreislauferkrankung, einer chronischen Gastritis und Depressionen leide.

Nachstehend angeführte medizinische Beweismittel wurden in Vorlage gebracht:

? Rechtsherzkatheterbefund, KA Rudolfstiftung vom 02.06.2015

? Histologischer Befund nach Gastroskopie, Dr. XXXX vom 20.09.2016

? Psychologischer Befund, Dr. XXXX vom 30.11.2016

? Chronologische Auflistung stattgehabter Untersuchungen und deren Ergebnisse (nicht datiert, nicht unterfertigt)

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.02.2017, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.

Dem Bescheid wurde das eingeholte Sachverständigengutachten das Sachverständigengutachten Dris. XXXX in Kopie beigelegt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage eines bereits mit dem Antrag vorgelegten Rechtsherzkatheterbefundes vom 02.06.2015 und einer ebenfalls bereits vorliegenden chronologischen Auflistung durchgeführter Untersuchungen und deren Ergebnisse, wurde im Wesentlichen vorgebracht, der festgestellte Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH entspreche keinesfalls dem tatsächlichen Gesundheitszustand. Im Gutachten seien grundlegende Diagnosen nicht berücksichtigt worden, welche aus den beiliegenden Unterlagen ersichtlich seien.

2.1. Mit dem Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2017 wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass gemäß § 46 BBG neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemein- und Ernährungszustand sind gut. Kopf: Zähne lückenhaft, teilsaniert. Lesebrille. Sensorium frei. Zustand nach

Tonsillektomie. Nervenaustrittspunkte unauffällig. Hals: Keine Einflussstauung. Schilddrüse schluckverschieblich. Lymphknoten o.B.

Thorax: Symmetrisch. Herz: Normal konfiguriert. Herztöne rein. Keine pathologischen Geräusche. Lunge: Vesikuläres Atemgeräusch. Basen gut verschieblich. Son. Klopfschall.

Abdomen: Weich. Über Throaxniveau. Hepar und Lien nicht palpabel. Keine Restistenz tastbar. Striae distensae. Nierenlager beidseits frei.

Wirbelsäule: Endlagige Einschränkung der Rotation der Halswirbelsäule. Kinn-Jugulum-Abstand 2 cm. Seichte linkskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule. Finger-Boden-Abstand 15 cm. Thorakaler Schober 30/33 cm. Ott 10/14 cm. Hartspann der Hals- und Lendenwirbelsäule.

Obere Extremitäten: Frei beweglich. Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten. Nacken- und Kreuzgriff möglich.

Untere Extremitäten: Frei beweglich bis auf schmerzbedingte endlagige Flexionsstörung des rechten Kniegelenkes. Beide Kniegelenke fester Bandapparat. Umfang des rechten Kniegelenkes 42 cm (links 43 cm). Keine signifikante Involutionsatrophie der Unterschenkelmuskulatur. Umfang des rechten Unterschenkels 41 cm (links 40 cm). Keine Ödeme, keine trophischen Hautveränderungen. Reflexe lebhaft auslösbar. Babinski negativ. Zehe- und Fersengang möglich. Gangbild: Leicht hinkendes Gangbild, keine Gehhilfe.

Status psychicus: Zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, normale Kommunikation möglich.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Angeborener Herzfehler (Ebstein-Anomalie) mit Atrium-Septum-Defekt, Zustand nach Occluder-Behandlung, intermittierendeTachyarrhythmie, Zustand nach Implantation eines Looprecorders. Unterer Rahmensatz, da erfolgreiche Intervention und unter milder Medikation keine Dekompensationszeichen dokumentiert.

05.02.01

30 vH

02

Somatoforme Störung, Fibromyalgie, Agoraphobie, Paniksyndrom und generalisiertes Angstsyndrom, depressive Symptomatik Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter Kombinationstherapie stabil.

03.06.01

20 vH

03

Schilddrüsenunterfunktion Unterer Rahmensatz, da mit Substitutionstherapie euthyreote Stoffwechsellage erzielt werden kann. Inkludiert Hormonsubstitution wegen Wechselbeschwerden.

09.01.01

10 vH

04

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Unterer Rahmensatz, da nur geringgradige Funktionsstörungen objektivierbar.

02.01.01

10 vH

05

Funktionsstörung des rechten Kniegelenkes Unterer Rahmensatz, da nur endlagige Flexionsstörung nachweisbar.

02.05.18

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

 

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH, da das führende Leiden unter Nr. 1 durch die Gesundheitsschädigungen unter Nr. 2 bis 5 nicht erhöht wird, da diese von geringem Ausmaß sind und kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Magenleiden

geringgradige histologisch beschriebene Darmveränderungen

Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, der befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt und fasst deren wesentliche Inhalte nachvollziehbar wie folgt zusammen:

? Rechtsherzkatheterbefund des Krankenhaus RST vom 02.06.2015, Vermessung des ASD: Darstellung des ASD: Rechte V. femoralis 9F Schleuse. Über den Cordis MPA1 Sondieren des ASD, Einbringen des Drahtes in das linke Atrium, Platzieren des Amplatzer Sizing Ballons II 18mm im ASD, Aufblasen des Ballons mit KM-Gemisch 5ml. Angiographische Darstellung in 2 Ebenen, die Vermessung ergibt eine ASD-Größe von 6,8mm.

? Histologischer Befund vom 09.09.2016, Diagnose: Regulär aufgebaute, mäßiggradig chronisch entzündlich infiltrierte Magenantrummucosa mit Lymphfollikeln. H.p. siehe II. Plattenepithel und mäßiggradig chronisch entzündlich infiltrierte Mucosa vom Cardiatyp. Kontrolle nach Eradikation empfohlen. lleummucosa. Dichter gelagerte entzündliche Infiltrate nicht zu sehen. Dickdarmmucosa. Dichter gelagerte entzündliche Infiltrate nicht nachweisbar. Keine Epithel- oder Kryptendestruktion. Ausgeprägte Melanosis coli.

? Klinisch-psychologische Befund vom 30.11.2016: Zusammenfassung: Im Leistungsbereich zeigt sich, vor dem Hintergrund einer schlechten formal-logischen Denkleistung, eine herabgesetzte psychovisuelle Merkfähigkeit. Die reaktive Belastbarkeit/ Reaktionssicherheit ist ebenso reduziert. In der Persönlichkeitsdiagnostik zeigt sich eine ängstliche (Agoraphobie, Paniksyndrom und generalisiertes Angstsyndrom) -depressive Symptomatik, die vermutlich in reaktivem Zusammenhang mit den Belastungen in der Vergangenheit, sowie der aktuellen Lebenssituation (Erkrankungen der Familie, Sorge um Familie, eigene Krankheit und Schmerzen) steht. In Anbetracht der Gesamtbefundlage wird die Fortsetzung der Psychotherapie empfohlen.

? Aufzeichnungen über stattgehabte Erkrankungen und vorgenommene Eingriffe im Zeitraum 10/2013-07/2015: Präkollaps, normale

Blutdruck-Regulation, nächtliches Dipping, Echokardiographie:

geringgradig TRINS, diastolische Linksventrikel-Relaxationsstörung, sonst oB, 02/2014 ILR-Implantation zur Dokumentation allfälliger

Tachykardien, Schläge und Herzfrequenz: 140/min, Blutdruck normoton, Versuch mit Concor 2,5 1/2 -0-0,04/2015: transoesophagiale Echokardiographie mit Nachweis des ASD, 05/2015: Verdacht auf eingeschränkte kardiale Leistungskapazität in der Spiroergometrie, 06/2015: Rechtsherzkatheter und ASD-Ausmessung siehe oben, 07/2015:

bezüglich fraglicher Spasmen Versuch mit Ranexa 375 mg 1-0-0, Lasix ret. 30 1-0-0, im Labor: proBNP vom 19.

? 19.07. 2015: 266,3 pg/ml (<125)

Es wurden keine Beweismittel vorgelegt, welche im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises stehen, weder wird ein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde noch liegen Anhaltspunkte vor, dass Aspekte des Gesamtleidenszustandes unberücksichtigt geblieben sind.

Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Eine höhere als die erfolgte Einschätzung des Herzfehlers unter Richtsatzposition 05.02.01 ist nicht möglich, da bei der Beschwerdeführerin weder eine deutliche Belastungsdyspnoe noch eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit vorliegt und auch keine erheblichen Herzrhythmusstörungen vorliegen. So wird diesbezüglich auch im Gutachten Dris. XXXX schlüssig dargestellt, dass unter milder Therapie keine Dekompensationszeichen dokumentiert sind.

Auch hinsichtlich der Beurteilung des psychischen Leidens ist eine höhere als die erfolgte Beurteilung mit einem Grad der Behinderung von 20 vH nicht möglich, da die Beschwerdeführerin unter Medikation stabil und auch sozial integriert ist. So wird auch im von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befund Dr. XXXX vom 30.11.2016 festgehalten, dass die Beschwerdeführerin zum dortigen Untersuchungszeitpunkt keine Psychopharmaka einnahm und eine gute Beziehung zu ihren zehn Geschwistern habe.

Da bei der Beschwerdeführerin unter Substitutionstherapie eine euthyreote Stoffwechsellage ohne vegetative Symptomatik vorliegt, ist die Einschätzung des Schilddrüsenleidens unter Richtsatzposition 09.01.01 mit 10 vH korrekt erfolgt.

Dr. XXXX führt überzeugend aus, dass das Magenleiden mit Protonenpumpenhemmern ausreichend therapiert werden kann und nach erfolgreicher Helicobactereradikation ohne nachgewiesene Ernährungsstörung keinen Grad der Behinderung erreicht, die geringgradigen histologisch beschriebenen Darmveränderungen ohne signifikante Klinik und ohne einschlägiges Therapieerfordernis keinen Grad der Behinderung bedingen und der Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose ebenfalls keinen Grad der Behinderung erreicht, da weder eine signifikante Klinik noch ein einschlägiges Therapieerfordernis besteht.

Entgegen den Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden alle einschätzungsrelevanten Gesundheitsschädigungen bei der Beurteilung durch den medizinischen Sachverständigen berücksichtigt.

Die im angefochtenen Verfahren vorgelegten Befunde wurden bei der Beurteilung berücksichtigt und der Beschwerde wurden keine neuen Beweismittel beigelegt. Es liegen sohin keine Belege vor, welche im Widerspruch zu dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 09.02.2017 erhobenen klinischen Befund stehen.

Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegen getreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Die Beschwerdeführerin ist dem – nicht als unschlüssig zu erkennenden – Sachverständigengutachten, insbesondere dem von Dr. XXXX erhobenen klinischen Befund, jedoch nicht substantiiert entgegengetreten.

Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliegt, zu entkräften. Die Beschwerdeführerin bringt nicht konkret zum Ausdruck, inwiefern eine Fehleinschätzung vorliegt bzw. welche gutachterlichen Ausführungen nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß entsprechen. Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

– Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

– Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerde keine neuen Beweismittel beigelegt und ist dem von Dr. XXXX erhobenen klinischen Befund nicht entgegengetreten. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 30 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche.

Da ein Grad der Behinderung von dreißig (30) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten geprüft. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Die Beschwerdeführerin hat vom Sachverständigengutachten vollinhaltlich Kenntnis erlangt. Die erhobenen Einwendungen waren allerdings – wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt – nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Feststellungen hervorzurufen. Es wurden der Beschwerde auch keine neuen Beweismittel beigelegt. Die im angefochtenen Verfahren vorgelegten Beweismittel, stehen im Einklang mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen und dokumentieren keine Leidenszustände, welche das Vorbringen fundiert erhärten bzw. die sachverständige Beurteilung überzeugend in Zweifel ziehen. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr stehen diese nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass das eingeholte Sachverständigengutachten schlüssig und frei von Widersprüchen ist, angeschlossen.

Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W132.2161934.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten