TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/23 W207 2167731-1

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Veröffentlicht am 23.11.2017
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Entscheidungsdatum

23.11.2017

Norm

BBG §41 Abs2
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2167731-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.07.2017, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 2 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 20.12.2016 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, der mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 16.02.2017 abgewiesen wurde. Der Grad der Behinderung wurde in diesem Bescheid rechtskräftig mit 20 v.H. festgestellt. Dies erfolgte auf Grundlage eines von der belangten Behörde im damaligen Verfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.02.2017, in dem nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.02.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt wurde:

"Anamnese:

Hörsturz rechts, Verdacht auf Labyrinthinfarkt, Vertigo

Derzeitige Beschwerden:

Auskunft der Pat.:" Ich habe brennende Schmerzen im Kopf, ich sehe wie verschwommen und ich leide auch an einem Schwindel. Außer den Befunden ist nichts gefunden worden. Ich höre auch auf dem rechten Ohr nichts. Das linke Ohr ist auch ein bisschen eingeschränkt. Ich habe mich auch im XXXX abklären lassen, da ist allerdings nichts gefunden worden. Ich war jetzt auch beim Neurologen und beim Psychiater, da wurde mir da wurde mir dann das Venlafab und das Quetiapin verschrieben, das habe ich mir allerdings noch nicht besorgt."

ehandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Vasonit, Ferogradumet, Betahistin, Aprednislon

Sozialanamnese:

geschieden, keine Kinder, AMS

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Tonaudiogramm vom 22.11.2016: Rechts: Taubheit, links: 10%ige Hörverminderung

Mitgebrachter Befund XXXX vom 11.1.2017: Diagnostische Abklärung bei DD Neuroboreliose. Seit ca. 2016 werden Sehstörungen im Sinne von paroxymalen Doppelbildern und verschwommen sehen, intermittierender Kopfschmerz, Schwindelsymptomatik, sowie Sensibilitätsstörungen im Kopfbereich beschrieben. Therapeutisch wird mit Betahistin begonnen.

Empfohlene Maßnahmen: Ambulante Kontrolle in der Entzündungsambulanz bei DD einer Vaskulitis wurde noch eine Vaskulitisserologie abgenomen, der Befund war bei Entlassung noch ausständig. In einem durchgeführten MRT ergibt sich der Verdacht auf kleine DVA links cerebillär, sowie winzige punktförmige Hämosidarinauflagerungen, jedoch ohne Dynamik zur Voruntersuchung. Aufgrund des unklaren Krankheitsbildes wurde eine Ekzomsequenzierung durchgeführt. Therapeutisch wird bei DD einer somatisierenden Komponente eine Therapie mit Cymbalta begonnen.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

zufriedenstellend

Ernährungszusta nd:

zufriedenstellend

Größe: 164,00 cm Gewicht: 50,00 kg Blutdruck: 120/60

Klinischer Status - Fachstatus:

39 Jahre

Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet

Caput:, Visus: unauffällig Zähne: saniert, Rachen bland, Hörvermögen nicht eingeschränkt

keine Uppenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNAfrei

Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten:

nicht palpabel

Thorax. Symmetrisch, elastisch

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,

Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.

Pulse: Allseits tastbar

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben

Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.,

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 5 cm,

Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich

Gesamtmobilität - Gangbild: normales Gangbild

Status Psychicus:

bewußtseinsklar, orientiert, kein kognitives-mnestisches Defizit

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Taubheit rechts, Normalhörigkeit links. Tabelle Spalte 1 Zeile 6

12.02.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Der Verdacht auf Labyrinthinfarkt, da befundmäßig nicht belegt, erreicht keinen GdB. Paroxymale Doppelbilder, verschwommen sehen, intermittierender Kopfschmerz, Schwindelsymptomatik, als auch Sensibilitätsstörungen im Kopfbereich, da in derzeitiger Abklärung und ohne klinisches Stubstrat, kann nicht berücksichtigt werden

..

X Dauerzustand

."

Am 05.07.2017 - sohin innerhalb der Jahresfrist des § 41 Abs. 2 BBG - stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin legte diesem Antrag ein Konvolut an medizinischen Unterlagen aus den Jahren 2013 bis 2017 bei, sämtliche jedoch – mit einer Ausnahme, einem Laborbefund vom 08.06.2017 - datierend vor der im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren am 13.02.2017 erfolgten persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin bzw. datierend vor Erlassung des rechtskräftigen Bescheides vom 16.02.2017.

Die belangte Behörde ersuchte in der Folge unter Übermittlung der von der Beschwerdeführerin im Rahmen der neuerlichen Antragstellung vorgelegten medizinischen Unterlagen den Ärztlichen Dienst um Feststellung aus medizinischer Sicht, ob die beiliegenden Befunde geeignet seien, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft zu machen.

Am 12.07.2017 erging diesbezüglich eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes folgenden Inhaltes: "Der vorgelegte Befund (Laborbefund) ist nicht geeignet eine Änderung des GdB glaubhaft zu machen und eine weitere Begutachtung vor Ablauf der Jahresfrist sinnvoll erscheinen zu lassen. Ein aktueller neurologischer Facharztbefund scheint nicht auf (- im Vorgutachten mit Untersuchung vom 13.2.2017 wird festgehalten, dass sich angegebene neurologische Symptome ohne klinisches Substrat derzeit in Abklärung befänden.")

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.07.2017 wurde der am 05.07.2017 eingelangte Antrag auf auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 41 und 45 BBG zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Bescheid vom 16.02.2017 sei über den Grad der Behinderung rechtskräftig entschieden worden. Die Beschwerdeführerin habe am 05.07.2017 erneut die Ausstellung eines Behindertenpasses beantragt. Seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung sei noch kein Jahr verstrichen. Eine offenkundige Änderung der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung sei nicht glaubhaft geltend gemacht worden. Der Antrag sei daher zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 04.08.2017 fristgerecht eine Beschwerde folgenden Inhaltes:

" .

Ich beeinspruche den Bescheid vom 13.7.2017, konkret die Ablehnung meines Antrags auf Zuerkennung eines Behindertenpasses.

Nachstehend meine Begründung:

Es besteht nachgewiesenermaßen ein kompletter Hörverlust auf dem rechten Ohr (hierbei hilft auch kein Hörgerät), auf dem linken Ohr besteht eine stärker verminderte Hörleistung, wozu sich der Gutachter im ersten Befund jedoch widersprüchlich äußert, was nicht nachvollziehbar ist.

Des weiteren leide ich unter einem geschädigten Immunsystem, was u. a. Darmprobleme, genauer gesagt, chronische Darmentzündung verursacht und migräneähnlichen Ausfällen mit Seh-, Sprach- und Wahmehmungsstörungen sowie Schwindelanfällen, die seit einigen Monaten gehäuft auftreten.

Wirbelsäulen- und Kniegelenksprobleme sind ebenfalls vorhanden.

Es wurde aufgrund einiger dieser oben aufgezählten Symptome u.a .eine Borreliose diagnostiziert. Aufgrund dieser Beschwerden ist es mir nunmehr auch unmöglich, weiter im Reinigungsgewerbe zu arbeiten.

Ich ersuche deshalb um eine erneute Begutachtung

Mit freundlichen Grüßen,

Unterschrift der Beschwerdeführerin"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 16.02.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 20.12.2016 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Der Grad der Behinderung wurde in diesem Bescheid rechtskräftig mit 20 v.H. festgestellt. Die Rechtskraft ist - im Sinne des § 46 erster Satz BBG, wonach die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des VwGVG sechs Wochen beträgt iVm § 26 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustellG), wonach eine Zustellung (ohne Zustellnachweis) als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt wird -, mit ungenutztem Ablauf der Beschwerdefrist, sohin mit Ablauf des 05.04.2017 eingetreten.

Am 05.07.2017 - sohin innerhalb der Jahresfrist des § 41 Abs. 2 BBG – stellt die Beschwerdeführerin neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Festgestellt wird, dass im Fall der Beschwerdeführerin eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Rahmen der Antragstellung vom 05.07.2017 nicht glaubhaft geltend gemacht wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur der letzten rechtskräftigen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit Bescheid vom 16.02.2017 und zum Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses innerhalb der Jahresfrist des § 41 Abs. 2 BBG basieren auf dem Akteninhalt und sind unbestritten. Auch in der Beschwerde wird der Eintritt der Rechtskraft des mit 16.02.2017 datierten Bescheides nicht bestritten.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde vom 16.02.2017 über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht glaubhaft zu machen vermochte, gründet sich auf die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der neuerlichen Antragstellung vorgelegten medizinischen Unterlagen, mit denen – wie auch seitens des Ärztlichen Dienstes in dessen Stellungnahme vom 12.07.2017 bestätigt wird ("Der vorgelegte Befund (Laborbefund) ist nicht geeignet eine Änderung des GdB glaubhaft zu machen und eine weitere Begutachtung vor Ablauf der Jahresfrist sinnvoll erscheinen zu lassen.") – eine Offenkundigkeit der Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung – die Offenkundigkeit der Änderung ist der zu beurteilende Maßstab – nicht dargetan wird; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

..

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird."

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Die belangte Behörde hat den von der Beschwerdeführerin vor Ablauf eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellten neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurückgewiesen mit der Begründung, eine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigung(en) habe nicht glaubhaft geltend gemacht werden können.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher ausschließlich die Frage, ob die Behörde diesen Antrag zu Recht zurückgewiesen hat. Bei der Beurteilung, ob eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung (glaubhaft) geltend gemacht wird, handelt es sich um eine Rechtsfrage.

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem zum BBG (betreffend Zurückweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung) ergangenen Erkenntnis vom 16.09.2008, 2008/11/0083, ausgeführt hat, sind "offenkundig" solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind. Offenkundigkeit bringe es mit sich, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen, die vor Erlassung des letzten rechtskräftigen, mit 16.02.2017 datierten Bescheides datieren, schon per se nicht geeignet sein können, eine seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung – sohin nachträglich nach dieser Entscheidung – (offenkundig) eingetretene Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des § 41 Abs. 2 BBG darzutun.

Was nun den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Laborbefund vom 08.06.2017 – der einzige Befund, der aus dem Zeitraum nach rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens stammt - betrifft, so wird weder mit diesem Befund noch im Übrigen, dies sei lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt, mit den anderen, aus dem Zeitraum vor rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens stammenden Befunden eine offenkundige – also ohne Prüfung der individuellen Situation augenscheinliche und allgemein bekannte - Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes belegt, was im Übrigen auch vom Ärztlichen Dienst bestätigt wird.

Unter den oben angeführten Gesichtspunkten kommt auch die in der Beschwerde ersuchte neue Begutachtung jedenfalls vor Ablauf eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung schon deshalb nicht in Betracht, weil die Einholung eines neuen medizinischen Sachverständigengutachtens den durch die Beschränkung auf den Offenkundigkeitsmaßstab begrenzten Prozessgegenstand überschreiten würde.

Die belangte Behörde hat den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurückgewiesen. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass wurde im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Im gegenständlichen Verfahren war der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zurückzuweisen. Zudem beschränkte sich das gegenständliche Verfahren lediglich auf die Beurteilung von Rechtsfragen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Frist, Grad der Behinderung, Rechtskraft,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W207.2167731.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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