Entscheidungsdatum
24.11.2017Norm
AlVG §24Spruch
W228 2102970-1/10E
W228 2100758-1/22E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , SV XXXX , vom 14.08.2017 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen:
A)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Hollabrunn (im Folgenden: AMS) vom 24.10.2014 wurde festgestellt, dass der Bezug der Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG für den Zeitraum vom 15.05.2013 bis 31.07.2014 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt wird und XXXX (im Folgenden: Antragstellerin) gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 9.604,24 verpflichtet ist.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Hollabrunn (im Folgenden: AMS) vom 26.11.2014 wurde gemäß § 58 iVm § 44 AlVG die Notstandshilfe mangels Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle infolge Fehlens eines Wohnsitzes bzw. eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes ab dem 01.08.2014 eingestellt.
Gegen den Bescheid vom 24.10.2014 erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 04.11.2014 fristgerecht Beschwerde.
Gegen den Bescheid vom 26.11.2014 erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.12.2014 fristgerecht Beschwerde.
Im Verfahren über die Beschwerde vom 04.11.2014 erließ das AMS als belangte Behörde am 15.01.2015 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde.
Im Verfahren über die Beschwerde vom 11.12.2014 erließ das AMS als belangte Behörde am 23.02.2015 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde.
Die Antragstellerin stellte jeweils fristgerecht einen Antrag auf Vorlage.
Der Vorlageantrag und die Beschwerden wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 13.02.2015 sowie am 12.03.2015 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss jeweils vom 04.02.2016 die Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft respektive des strafgerichtlichen Folgeverfahrens ausgesetzt.
Am 06.07.2017 übermittelte das Landesgericht Korneuburg das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 26.11.2015, GZ XXXX sowie die beiden Verhandlungsprotokolle vom 29.10.2015 und vom 26.11.2015.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben jeweils vom 12.07.2017 der Antragstellerin die strafrechtliche Entscheidung des LG Korneuburg vom 26.11.2015, GZ XXXX sowie die beiden Verhandlungsprotokolle übermittelt und mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht an die rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung und ihre Beweisergebnisse gebunden ist.
Am 08.08.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein als "Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof" bezeichnetes Schreiben der Antragstellerin ein, welches als Stellungnahme zum Parteiengehör vom 12.07.2017 gewertet wird.
Am 14.08.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht jeweils ein Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 40 VwGVG ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin einen Dolmetscher für die tschechische Sprache brauche. Sie beantrage die einstweilige Befreiung von den Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren, den Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer sowie den Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Antragstellerin hat am 14.08.2017 einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt.
Die Antragstellerin wurde mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 26.11.2015, GZ. XXXX , bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 17.03.2016, GZ 23 Bs 50/16m, des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach § 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt, da sie Mitarbeiter des AMS über den Wohnsitz täuschte und eine Vermögensschädigung eintrat.
2. Beweiswürdigung:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS Hollabrunn.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Da es sich jedoch um keine Beschwerde gegen den Bescheid einer Geschäftsstelle handelt, sondern um einen Verfahrenshilfeantrag, unterliegt die Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenshilfe somit der Einzelrichterzuständigkeit.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Abweisung des Antrags auf Verfahrenshilfe:
Verfahrenshilfe
§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) – (10) Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Im gegenständlichen Fall würden die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Antragstellerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe zwar rechtfertigen, die sonstigen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. So ist es der Antragstellerin nicht, aufgrund einer Behinderung oder weil sie der Gerichtssprache nicht ausreichend kundig ist, unmöglich den Behördenverkehr selbst durchzuführen; gab sie doch selbst an, seit vielen Jahren in Österreich aufhältig zu sein. Zudem erscheint die beabsichtige Rechtsverfolgung aufgrund der Bindung des Bundesverwaltungsgerichts an die vorliegende rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung des LG Korneuburg vom 26.11.2015 und ihre Beweisergebnisse als aussichtslos. Abschließend ist die Verfahrenshilfe gem. § 8a VwGVG erster Halbsatz zu bewilligen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist. Zur damit zum Ausdruck gebrachten Subsidiarität der Verfahrenshilfe gem. § 8a VwGVG (vgl. 1255 BlgNR 25. GP, 2 ff.) ist im vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin gem. § 14 iVm. § 10 Abs. 1 Z. 1 Arbeiterkammergesetz 1992 – AKG, nach Maßgabe des § 7 AKG und der auf Grund des § 7 AKG ergangenen Regelungen Anspruch auf Rechtsberatung und Rechtsschutz durch die Arbeiterkammer hat. Dieser im Rahmen-Regulativ betreffend Rechtsschutz gemäß § 7 Abs. 1 AKG 1992 konkretisierte Rechtsschutz enthält der Verfahrenshilfe entsprechende Regelungen, welche ebenfalls eine unentgeltliche Unterstützung der Partei im Verfahren ermöglichen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 8a, K2). Die Antragstellerin hat nicht nachgewiesen, dass die Arbeiterkammer ein Rechtsschutzansuchen von ihr bescheidmäßig abgelehnt hat.
Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist im konkreten Fall folglich davon auszugehen, dass die Gewährung der Verfahrenshilfe nicht geboten erscheint.
Folglich ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W228.2100758.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.12.2017