TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/27 W217 2151064-1

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Veröffentlicht am 27.11.2017
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Entscheidungsdatum

27.11.2017

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2151064-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 19.01.2017, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 03.11.2016 langte der Antrag von XXXX (in der Folge: BF), vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld., auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) ein. Dem Ansuchen waren ärztliche Befunde beigelegt.

2. Am 09.01.2017 erfolgte eine persönliche Untersuchung des BF durch den medizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin. In dem hier in den wesentlichen Teilen wiedergegebenen Gutachten vom 18.01.2017 wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Anamnese:

Letzte hierortige Einstufung im 2-2013 mit 40% (koronare Herzkrankheit 40, Diabetes mellitus Typ II 20, Depressio 20)

1974 Teilamputation des rechten Zeigefingerendgliedes als Tischler

2010-2 Herzinfarkt (STEMI) mit Stent

Arterielle Hypertonie bekannt-derzeit mit medikamentöser Therapie ausreichend eingestellt.

Diabetes mellitus seit ca. 2010 bekannt, letzter NBZ 152 mg% heute, letzter HbA1c nicht erinnerlich. Medikamentös und diätisch eingestellt.

Derzeitige Beschwerden:

Der Antragswerber klagt "daß es ihm schlecht gehe - seit nunmehr bereits 2 x ein Raubüberfall (2014 + 2012) in seinem Geschäft stattgefunden habe, könne er nicht mehr alleine bleiben und habe auch sonst Ängste. Keine Psychotherapie. Er war diesbezüglich noch nicht im Krankenhaus.

Kreuzschmerzen schon seit er LKW Fahrer war. Schmerzen auch in den Armen und Beinen bei Muskelschwäche. Er sei sehr vergeßlich und erinnere sich nicht mehr an alles.

Er halte Streß nicht mehr aus und habe keine Geduld mehr."

Keine Allergie bekannt

Anderwärtige schwere Krankheiten, Operationen oder Spitalsaufenthalte werden negiert. Lt. eigenen Angaben Benutzung der öffentlichen VM nicht möglich, weil er so Angst habe.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Saroten, Metformin, Renicomb, Thrombo-Ass, Sortis, Pantoloc

Sozialanamnese:

Anamnese und Sozialanamnese:

seit ca. 2 Jahren arbeitslos als Schmuckverkäufer in der Firma des Sohnes, kein relevanter Krankenstand verheiratet seit ca. 77, Gattin arbeitslos, 6 erw. Kinder, 10 Enkel,

Die Anamneseerhebung bedingt durch mangelndes Sprachverständnis etwas erschwert (türkischer Staatsbürger), seit ca. 74 in Österreich.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2016-04 Neurologie, Dr. XXXX : Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, Pseudodemenz im Rahmen einer Depression

2016-12 Prim. Dr. XXXX , Psychiater: posttraumatische Belastungsstörung, mittelgradige depressive Entwicklung, anamnestisch Tranquilizerverbrauch, der entwöhnt wurde. Koronare Herzkrankheit, arterieller Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ II,

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

guter AZ kommt in Begleitung der Gattin zur Untersuchung Rechtshänder,

Ernährungszustand:

guter Ernährungszustand, BMI: 30,14

Größe: 168,00 cm Gewicht: 85,00 kg Blutdruck: 140/90

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut: und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, kein Ikterus, keine periphere oder zentrale Zyanose

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, sichtbare Schleimhäute:

unauffällig Zunge feucht, wird gerade hervorgestreckt, normal,

Brillenträger PR unauffällig, Rachen: bland,

Gebiß: prothetisch, Hörvermögen unauffällig.

Collum: Halsorgane unauffällig, keine Einflußstauung, keine Stenosegeräusche

Thorax: symmetrisch,

Cor: HT rhythmisch, mittellaut, normfrequent Puls: 72 / min

Pulmo: sonorer KS, Vesikuläratmen, Basen atemverschieblich, keine Dyspnoe in Ruhe und beim Gang im Zimmer

Abdomen: Bauchdecken im Thoraxniveau, Hepar nicht vergrößert, Lien nicht palpabel,

keine pathologischen Resistenzen tastbar, indolent, , NL bds. frei

Extremitäten:

OE: Verlust der Zeigefingerkuppe rechts mit Nageldeformierung Nacken- und Schürzengriff gut möglich, in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich,

Faustschluß beidseits unauffällig, eine Sensibilitätsstörung wird nicht angegeben

Feinmotorik und Fingerfertigkeit ungestört.

UE: in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Bandstabilität, keine Sensibilitätsausfälle, selbständige Hebung beider Beine von der Unterlage möglich, Grobe Kraft an beiden Beinen seitengleich normal.

Fußpulse tastbar, verstärkte Venenzeichnung keine Ödeme

PSR: seitengleich unauffällig , Nervenstämme: frei, Lasegue: neg.

Wirbelsäule: In der Aufsicht gerade, weitgehend im Lot, in der Seitenansicht gering verstärkte Brustkyphose FBA: 5 cm, Aufrichten frei, kein Klopfschmerz, Schober: , Ott: unauffällig, altersentsprechend freie Beweglichkeit der WS, Kinn-Brustabstand: 1 cm, Hartspann der paravertebralen Muskulatur,

Gesamtmobilität - Gangbild:

kommt ohne Gehilfe mit unauffälligem Gangbild, Zehenballen- und Fersengang sowie Einbeinstand beidseits möglich. Die tiefe Hocke wird ohne Anhalten nahezu vollständig durchgeführt.

Status Psychicus:

Bewußtsein klar. Allseits orientiert, gut kontaktfähig, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik, Antrieb und Affekt weitgehend unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2-3 erhöht nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

keine maßgebliche Änderung

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

keine Änderung

X Dauerzustand"

3. Mit Bescheid vom 19.01.2017 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen, da der Gesamtgrad der Behinderung 40 % betrage. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf das eingeholte ärztliche Gutachten, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 % ergeben habe und einen Bestandteil der Begründung bilde. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden daher nicht vorliegen.

4. Mit Schreiben vom 06.02.2017 erhob der BF, vertreten durch den Kriegsopfer- und behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld., Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.01.2017. Begründend wurde vorgebracht, dass der BF an einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung leide, da er bereits zweimal Opfer von bewaffneten Raubüberfällen als Angestellter eines Juweliergeschäftes geworden sei. Nach wie vor leide er an regelmäßigen Flashbacks, Schreckhaftigkeit, Nachhallerinnerungen, Panikattacken und schweren phobischen Vermeidungssymptomen. Körperlich leide er durch die posttraumatische Belastungsstörung an Tinnitus sowie Schlafstörungen, Beinkrämpfen und Appetitlosigkeit. Des Weiteren leide er nunmehr auch an beginnenden kognitiven Defiziten, Konzentrations- und Merkstörungen. Hinzu käme eine durch die Belastungsstörung ausgelöste chronifizierte Depression. Das Leiden des BF wäre richtigerweise unter der Richtsatzposition 03.05.05 einzustufen gewesen. Außerdem bestehe zwischen der koronaren Herzkrankheit und der posttraumatischen Belastungsstörung eine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung, so dass im Zusammenwirken der beim BF vorhandenen Gesundheitsschädigungen ein Grad der Behinderung von mindestens 50 % gerechtfertigt sei. Neue Befunde wurden keine vorgelegt.

4. Am 24.03.2017 langte der Beschwerdeakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Aufgrund des Vorbringens des BF ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das Sozialministeriumservice, Ärztlicher Dienst, um Erstellung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens.

Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, führt in seinem nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 26.09.2017 wie folgt aus:

"Anamnese: Begleitung Bruder XXXX , der zeitweise übersetzt. Seit 2a habe er psychische Probleme, er sei 2x in seinem Geschäft überfallen worden und leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung, bisher keine stat. Behandlung.

Nervenärztliche Betreuung: Dr. XXXX , derzeit keine Psychotherapie

Subjektive derzeitige Beschwerden: Es werden Angstzustände, Störungen am ganzen Körper angegeben.

Sozialanamnese: Lebt mit Familie, arbeitslos, kein Pflegegeld

Medikamente (neurologisch/psychiatrisch): Saroten ret 50mg (Lt. Befund Dr. XXXX 2/17 und Rezept)

Neurostatus:

Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen.

Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen keine Pa'resen, die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar.

Die Koordination ist intakt.

Das Gangbild ist ohne Hilfsmittel unauffällig

Psychiatrischer Status:

Örtlich, zeitlich, zur Person und situativ ausreichend orientiert,

Antriebsstörung, Auffassung reduziert,

Affekt flach, Stimmungslage depressiv, dysphorisch, somatisierend,

Ein und Durchschlafstörung,

keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.

1) Stellungnahme

Abl. 36-37: keine Änderung der Einschätzung, da die posttraumatische Belastungsstörung mit relativ geringer Medikation (lt. Befund Dr. XXXX 2/17: 50mg Saroten ret.) behandelt wird, eine Gesprächstherapie findet nicht statt, bisher fand kein stationärer Aufenthalt an einer Fachabteilung statt, somit bestehen Therapieoptionen.

2.) -

3) Aus nervenärztlicher Sicht kann nicht eine ungünstige Leidensbeeinflussung, die einen GdB von 50% ergibt, mit der koronaren Herzerkrankung hergestellt werden, da diese Erkrankung behandelt ist, der Betroffene spontan diesbezüglich keine Beschwerden geäußert hat und auch im Vorgutachten diesbezüglich nicht vermerkt ist.

4. Dauerzustand

5. ab Antragstellung"

5. Das Gutachten Dris. XXXX wurde den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 03.10.2017 als Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme zur Kenntnis und zur Stellungnahme übermittelt. Diese Möglichkeit blieb ungenützt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der BF mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

Der BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der BF ist türkischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet.

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 03.11.2016 bei der belangten Behörde eingelangt.

Es erfolgte eine persönliche Untersuchung des BF am 09.01.2017 durch den von der belangten Behörde beigezogenen medizinische Sachverständigen, Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin. Dieser berücksichtigte im Ergebnis der durchgeführten Untersuchung des BF die Leiden des BF (1. koronare Herzkrankheit, Pos.Nr. 05.05.02, 40% GdB, 2. Diabetes mellitus Typ II, Pos.Nr. 09.02.01, 20% GdB, 3. Posttraumatische Belastungsstörung mit Depressio, Pos.Nr. 03.05.01, 20% GdB,). Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde ein Gesamtgrad der Behinderung des BF von 40 v.H. festgestellt.

Mit Bescheid vom 19.01.2017 wurde der Antrag des BF auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung (40%) abgewiesen.

Auf Grund des Vorbringens des BF in der Beschwerde vom 06.02.2017 wurde vom Bundesverwaltungsgericht das oben wiedergegebene ergänzende medizinische Sachverständigengutachten vom 26.09.2017 eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie auf Basis einer persönlichen Untersuchung des BF unter Einbeziehung eines vom BF neu vorgelegten Befundes Dris. XXXX vom Februar 2017 samt Rezept eingeholt. Darin bestätigte der Sachverständige den Gesamtgrad der Behinderung von 40% sowie die von Dr. XXXX festgestellten Funktionseinschränkungen.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40% gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 18.01.2017 sowie auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte ergänzende Gutachten vom 26.09.2017.

Im Sachverständigengutachten vom 18.01.2017 und in dem dieses ergänzende Gutachten vom 26.09.2017 wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die Sachverständigen setzen sich mit den vorgelegten Befunden, die in den Gutachten angeführt sind, sowie auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden objektivierten Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befassten Sachverständigen haben sich eingehend damit auseinandergesetzt.

So stellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in seinem Gutachten vom 26.09.2017 fest, dass die beim BF bestehende posttraumatische Belastungsstörung bereits im Vorgutachten Dris. Wächter richtig eingestuft wurde, da diese laut Befund Dris. XXXX vom Februar 2017 mit relativ geringer Medikation behandelt wird (und zwar mit 50mg Saroten ret.). Es habe bisher weder eine Gesprächstherapie stattgefunden noch ein stationärer Aufenthalt in einer Fachabteilung, sodass Therapieoptionen bestünden.

Ebenso konnte der Sachverständige – entgegen dem Beschwerdevorbringen - keine ungünstige Leidensbeeinflussung, die einen GdB von 50% ergibt, mit der koronaren Herzerkrankung herstellen, da diese Erkrankung behandelt ist und der BF weder spontan diesbezüglich Beschwerden geäußert hat noch im Vorgutachten diesbezüglich etwas vermerkt wurde.

Die vom vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der eingeholten Sachverständigenbeweise, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Der BF ist den eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die schlüssigen Sachverständigengutachten vom 18.01.2017 und 26.09.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des BF 40 v.H. beträgt. Die Einwendungen im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Der BF hat jedoch die Möglichkeit, im Falle einer Verschlechterung seiner Leiden dies im Wege eines neuen Antrages bei der belangten Behörde geltend zu machen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall bilden die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt sind, Gutachten von ärztlichen Sachverständigen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie oben bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W217.2151064.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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