TE Bvwg Beschluss 2017/11/28 W233 2177425-1

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Veröffentlicht am 28.11.2017
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Entscheidungsdatum

28.11.2017

Norm

AsylG 2005 §29 Abs3 Z4
AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
BFA-VG §49 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W233 2177425-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. XXXX FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2017, Zl.: 1158048702 – 170754775 beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Absatz 3 2. Satz BFA-VG

stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Nigeria, brachte nach seiner gemeinsamen Einreise mit seinem Vater und seiner Schwester in das österreichische Bundesgebiet am 28.06.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein.

2. Über den BF liegen EURODAC-Treffermeldung nach erkennungsdienstlicher Behandlung am 02.09.2016 und nach Asylantragstellung am 21.02.2017 in Italien auf.

3. Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien am 28.06.2017 gab der BF im Wesentlichen an, dass er an keinen Beschwerden oder Krankheiten leide, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Befragt nach Angaben über nach Österreich mitgereiste Familienangehörige, führte er seinen Vater und seine Schwester an. Darüber hinaus gab der BF zu Protokoll, dass er in Österreich über weitere Familienmitglieder, nämlich seine Stiefmutter und zwei Stiefschwestern, verfüge. Er habe im Juni 206 seinen Herkunftsstaat verlassen und sei über Niger, Libyen und Italien nach Österreich gereist. In Italien habe er einen Asylantrag gestellt, wisse jedoch über den Status seines Verfahrens nicht Bescheid. Nach Italien möchte er nicht zurückkehren, da man ihn dort schlecht behandelt hätte und ihn dort nigerianische Jugendliche zwingen hätten wollen einem nigerianischen Kult beizutreten.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 28.06.2017 wurde der BF gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 darüber in Kenntnis gesetzt, dass Konsultationen mit Italien geführt werden und daher die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 normierte 20-Tagesfrist für sein Verfahren nicht mehr gelte.

Dem im Akt einliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem ist zu entnehmen, dass dem BF am 03.07.2017 eine Verfahrenskarte gemäß § 50 AsylG ausgestellt worden ist.

Mit einer weiteren Verfahrensanordnung vom 11.09.2017 wurde der BF im Sinne von § 29 Abs. 3 Zif. 4 AsylG 2005 davon unterrichtet, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit Italiens angenommen werde und vor seiner Einvernahme zur Wahrung seines Parteiengehörs durch das Bundesamt gemäß § 29 Abs. 4 AsylG 2005 eine Rechtsberatung stattfinden werde.

Schließlich hat das Bundesamt den Beschwerdeführer mit einer Verfahrensanordnung vom 11.09.2017 davon in Kenntnis gesetzt, dass er gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG innerhalb einer Woche ab Übernahme dieser Verfahrensanordnung verpflichtet sei, ein Rückkehrgespräch in Anspruch zu nehmen.

Der BF hat die beiden zuletzt genannten Verfahrensanordnungen am 11.09.2017 persönlich übernommen.

5. Bereits am 25.07.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt zur Wahrung seines Parteiengehörs einvernommen, ohne dass dieser Einvernahme ein Rechtsberater zugezogen noch er vor dieser Einvernahme von einem Rechtsberater beraten worden ist.

6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete sodann unter Hinweis auf den über den BF von Italien gespeicherten EURODAC-Treffer am 01.08.2017 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien.

Mit Schreiben vom 11.09.2017 teilte die österreichische Dublin-Behörde Italien mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort der Dublin III-Verordnung eine Verfristung eingetreten und Italien nunmehr zuständig für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens sei.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht am 14.11.2017 eingebrachte Beschwerde des Beschwerdeführers im Zulassungsverfahren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Dem Beschwerdeführer wurde im gegenständlichen Verfahren eine Verfahrenskarte gemäß § 50 AsylG ausgestellt. Ihm wurde keine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG ausgefolgt und eine Zulassung des Verfahrens wurde im vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt auch nicht mit Verfahrensanordnung dokumentiert.

1.2. Das Bundesamt teilte dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung vom 28.06.2017 gemäß § 28 Abs. 2 AsylG mit, dass im Sinne der Dublin III-VO Konsultationen mit Italien geführt werden und daher die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 definierte 20-Tagesfrist für die Verfahrenszulassung für sein Verfahren nicht gelte. Mit zwei weiteren Verfahrensanordnungen jeweils vom 11.09.2017 teilte das Bundesamt dem BF zum einen gemäß § 29 Abs. 3 Zif. 4 AsylG 2005 mit, dass beabsichtig sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit Italiens angenommen werde und dass vor seiner Einvernahme zur Wahrung seines Parteiengehörs noch eine Rechtsberatung stattfinden werde und zum andren er gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG verpflichtet sei, sich innerhalb einer Woche ab Übernahme dieser Verfahrensanordnung einem Rückkehrgespräch zu unterziehen.

1.3. Bereits am 25.07.2017 wurde der BF im Zulassungsverfahren von einem Organ des Bundesamtes einvernommen, ohne dass ihm die belangte Behörde einen Rechtsberater kostenlos amtswegig zur Seite gestellt hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des Bundesamts, an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen. Die Ausfolgung der Verfahrenskarte gemäß § 50 AsylG ergibt sich aus dem behördlichen "Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister". Weder diesem noch dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass das Verfahren des Beschwerdeführers durch Ausfolgung einer Karte gemäß § 51 AsylG noch durch eine Verfahrensanordnung zugelassen worden wäre, weshalb die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren.

3. Rechtliche Beurteilung: Zu A) Stattgebung der Beschwerde

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:

§ 21 Abs. 3 BFA-VG: "Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 3 BFA-VG (vgl. jüngst Ra2016/19/0208-8 vom 5. Oktober 2016 mwN) hat eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen.

3.2. Zum gegenständlichen Verfahren

3.2.1. Der mit "Sonderbestimmungen für das Zulassungsverfahren" überschriebene 2. Abschnitt des AsylG 2005, enthaltende § 28 AsylG 2005 – Zulassungsverfahren - bestimmt:

"(1) Ist der Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich nicht zurückzuweisen, ist das Verfahren zuzulassen, soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entschieden wird. Die Zulassung erfolgt durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51), sofern dem Asylwerber ein Aufenthaltsrecht zusteht; eines Bescheides bedarf es dann nicht. Andernfalls ist die Zulassung mit Verfahrensanordnung zu dokumentieren. Die Zulassung steht einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen.

(2) Entscheidet das Bundesamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz, dass der Antrag zurückzuweisen ist, ist der Antrag zuzulassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 oder 6 erfolgt ist, dem Asylwerber ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt (§ 12a Abs. 1 oder 3), der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

(3) Eine Stattgebung oder Abweisung des Antrags im Zulassungsverfahren ersetzt die Zulassungsentscheidung (Abs. 1). Wird der Antrag im Zulassungsverfahren abgewiesen, gilt dieser Antrag als zugelassen, wenn oder sobald der Beschwerde gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

(4) Dem Asylwerber in der Erstaufnahmestelle oder in einer Betreuungseinrichtung des Bundes ist eine ärztliche Untersuchung zu ermöglichen."

Des Weiteren sieht § 29 AsylG 2005 - Sonderbestimmungen im Zulassungsverfahren - folgendes vor:

"(1) Zulassungsverfahren sind mit Einbringen von Anträgen auf internationalen Schutz zu beginnen.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(3) Nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen hat das Bundesamt je nach Stand des Ermittlungsverfahrens

1. dem Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51) auszufolgen;

2. seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten stattzugeben (§ 3);

3. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) stattzugeben und bezüglich des Status des Asylberechtigten abzuweisen;

4. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4 bis 5 und § 68 Abs. 1 AVG);

5. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen oder

6. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben (§ 12a Abs. 2).

Eine Mitteilung gemäß Z 3 bis 6 hat nicht zu erfolgen, wenn der Asylwerber nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig ist.

(4) Bei Mitteilungen nach Abs. 3 Z 3 bis 6 hat das Bundesamt den Asylwerber zu einem Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) zu verweisen. Dem Asylwerber ist eine Aktenabschrift auszuhändigen und eine 24 Stunden nicht zu unterschreitende Frist zur Vorbereitung einzuräumen. Der Asylwerber und der Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) sind unter einem zu einer Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs nach Verstreichen dieser Frist zu laden. In dieser Frist hat eine Rechtsberatung (§§ 49, 50 BFA-VG) zu erfolgen; dem Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) ist unverzüglich eine Aktenabschrift, soweit diese nicht von der Akteneinsicht ausgenommen ist (§ 17 Abs. 3 AVG), zugänglich zu machen (§ 29 Abs. 1 Z 15 BFA-VG). Die Rechtsberatung hat, wenn der Asylwerber in der Erstaufnahmestelle versorgt wird, in dieser stattzufinden. Wird der Asylwerber angehalten, kann die Rechtsberatung auch in den Hafträumen erfolgen.

(5) Bei der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs hat der Rechtsberater (§ 49 BFA-VG) anwesend zu sein. Zu Beginn dieser Einvernahme ist dem Asylwerber das bisherige Beweisergebnis vorzuhalten. Der Asylwerber hat die Möglichkeit, weitere Tatsachen und Beweismittel anzuführen oder vorzulegen.

(6) [ ]

3.2.2. Gemäß § 49 Abs. 1 BFA-VG ist im Zulassungsverfahren einem Asylwerber kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit haben Rechtsberater Asylwerber vor jeder einer Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 3 bis 6 AsylG 2005 folgenden Einvernahme im Zulassungsverfahren über ihr Asylverfahren und ihre Aussichten auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zu beraten; ihnen sind zu diesem Zweck bei Bedarf vom Bundesamt Dolmetscher beizugeben und das bisherige Ermittlungsergebnis im gesamten Umfang zur Verfügung zu stellen. Rechtsberater sind verpflichtet, an allen Einvernahmen zur Wahrung des Parteiengehörs im Zulassungsverfahren teilzunehmen.

3.2.3. Fallbezogen erfolgte keine Zulassung des Verfahrens gemäß § 28 Abs. 1 AsylG und der angefochtene antragszurückweisende Bescheid erging im Zulassungsverfahren.

3.2.4. Der Beschwerdeführer wurde weder vor der Einvernahme am 25.07.2017 von einem Rechtsberater beraten noch nahm ein Rechtsberater an dieser Einvernahme teil. Der Beschwerdeführer wurde entgegen § 49 Abs. 2 BFA-VG auch nicht im weiteren Verlauf seines Zulassungsverfahrens von einem Rechtsberater beraten noch hat ein solcher, mangels einer weiteren persönlichen Einvernahme des BF vor dem Bundesamt, an seiner Einvernahme teilgenommen. Bereits diese Verletzung der Anwesenheitspflicht bewirkt einen wesentlichen Verfahrensmangel (so auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K4 zu § 49 BFA-VG).

3.2.5. Des Weiteren hat es die belangte Behörde im Sinne von § 29 Abs. 4 AsylG 2005 unterlassen, den Beschwerdeführer und den Rechtsberater innerhalb einer nicht 24 Stunden zu unterschreitenden Frist zu einer Einvernahme zur Wahrung seines Parteiengehörs zu laden, sodass auch dadurch keine Sanierung der Verletzung der Anwesenheitspflicht des Rechtsberaters im Zulassungsverfahren eintreten konnte.

Gemäß den Erläuternden Bemerkungen in der Regierungsvorlage zum Asylgesetz 2005 (952 BlgNR XXII. GP, 74) ist die Bestellung von Rechtsberatern erforderlich, um die Trennung in Zulassungsverfahren und materiellem Verfahren nicht nur effektiv und effizient zu gestalten, sondern vor allem auch unter rechtsstaatlichen Paramenten führen zu können. Hierbei ist mitzubedenken, dass der – nicht aufenthaltsberechtigte – Asylwerber im Zulassungsverfahren einer Reihe zeitlicher (20-Tages-Frist, Einvernahmen in kurzen Abständen) und örtlicher (Gebietsbeschränkung des § 12 Abs. 2 AsylG 2005) Einschränkungen unterliegt, die eine Hilfestellung erfordern.

Weiters heißt es in diesen Erläuternden Bemerkungen, dass, will die Behörde das Verfahren weder zulassen oder dem Antrag vollinhaltlich – nämlich durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten – stattgeben, so ist der Asylwerber zu einem Rechtsberater zu verweisen und unter einem – das heißt gleichzeitig – zu einer Einvernahme zu laden. In dieser kann er sein Parteiengehör nach erfolgter Rechtsberatung und im Beisein des Rechtsberaters abgeben. Um dem Asylwerber die Vorbereitung des Parteiengehörs zu ermöglichen, ist im Entwurf eine "Maximalfrist" von 24 Stunden angeführt. Diese ist von der Behörde durchaus mit Blick auf die Komplexität des Verfahrens und im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers einzelfallbezogen festzulegen.

3.2.6. Der Umstand, dass die Einvernahme des BF zur Wahrung seines Parteiengehörs am 25.07.2017 ohne Anwesenheit seines Rechtsberaters durchgeführt worden ist, jedenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, kann auch nicht dadurch relativiert werden, dass ihm die belangte Behörde erst mit Verfahrensanordnung vom 11.09.2017 im Sinne von § 29 Abs. 2 Zif. 4 AsylG 2005 mitgeteilt hat, dass beabsichtig sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen angenommener Zuständigkeit Italiens, zurückzuweisen. Denn nur außerhalb des Zulassungsverfahrens erachtete der Gesetzgeber, die Beistellung einer Rechtsberatung für nicht erforderlich. Dabei wird wohl in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen, dass es in einem zugelassenen Asylverfahren, welches einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt als das – in der Regel auf 20 Tage beschränkte – Zulassungsverfahren, einem aufenthaltsberechtigten Asylwerber – leichter möglich ist, selbst für eine geeignete Beratung zu sorgen (VwGH 25.11.2008, 206/20/0624).

3.2.7. Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer bloß einmal am 25.07.2017 ohne Anwesenheit eines Rechtsberaters zur Wahrung seines Parteiengehörs vor dem Bundesamt einvernommen. Eine allfällig weitere Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs des Beschwerdeführers nach der ihm am 11.09.2017 zur Kenntnis gebrachten Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Zif. 4 AsylG 2005 fand hingegen nicht statt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer entgegen der verpflichtenden Anwesenheitspflicht eines Rechtsberaters bei jeder nach der ersten Befragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 stattfindenden (weiteren) Einvernahme im Zulassungsverfahren ohne Beziehung eines Rechtsberaters einvernommen worden ist. Dass die belangte Behörde diese Verpflichtung durch die erst nach der ersten Einvernahme am 25.07.2017 verspätet erfolgte Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Zif. 4 AsylG 2005 auslösen könne, kann der Absicht des Gesetzgebers in Bezug auf die Erläuternden Bemerkungen, dass die Beistellung von Rechtsberatern erforderlich sei, um das Zulassungsverfahren vor allem unter rechtsstaatlichen Parametern führen zu können, nicht erkannt werden.

3.3. Da nicht auszuschließen ist, dass bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften ein anderes Verfahrensergebnis möglich gewesen wäre, erweist sich der vorliegende Sachverhalt als so mangelhaft, dass eine Sanierung der dargestellten Verfahrensmängel nur durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Ladung des Rechtsvertreters möglich wäre. Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG aufzuheben.

3.4. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Einvernahme, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Rechtsberater,
wesentlicher Verfahrensmangel, Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W233.2177425.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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