TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/30 I407 2155818-1

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Veröffentlicht am 30.11.2017
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Entscheidungsdatum

30.11.2017

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I407 2155818-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie der fachkundigen Laienrichterin Mag. Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, (VN: XXXX), gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg, vom 20.03.2017 (OB: XXXX) betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit formularmäßigem Vordruck des Sozialministeriumservice Landesstelle Tirol (in der Folge: belangte Behörde), beantragte Frau

XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) am 02.02.2017, bei der belangten Behörde am 03.02.2017 eingelangt, die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Am 29.09.2014 erstattet der von der belangten Behörde bestellter medizinischer Sachverständige P.W. nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin folgendes Gutachten zu den Funktionseinschränkungen (im wesentlichen wiedergegeben):

"Anamnese :

Letzgutachten Dr. XXXX / FA für Innere Medizin vom 18.07.2013, 50 %. Nachuntersuchung in 1 Jahr auf Grund möglicher medizinischer Besserung denkbar, gefordert.

Zwischenanamnese seit dem BSA-Letztgutachten Dr. XXXX/ FA für Innere Medizin vom 18.07.2013:

Keine neuerlichen Operation bzw. stationäre Aufenthalte von Seiten des orthopädischen und unfallchirurgischen Fachbereiches. Eine fachärztliche Vorstellung erfolgte seither keine mehr, nur ein MRT der LWS bei Dr. XXXX/Dr. XXXX vom 15.10.2013 und ein orthopädisches Gerichtsgutachten von Dr. XXXX/ FA für Orthopädie, laut Antragstellerin 02/2014.

Derzeitige Beschwerden:

Idem zum Vorgutachten.

Nach ca. 3 Stunden stehen bzw. sitzen treten diffuse Kreuzschmerzen im Bereich der unteren LWS auf, ohne Ausstrahlung in die untere Extremität und ohne Muskellähmung.

Eine fachärztliche Abklärung erfolgte seit dem Letztgutachten keine mehr, nur ein MRT der LWS vom 15.10.2013.

Gegangen wird jeden Tag, ca. 10 km Nordic-Walking täglich. 4 Stufen zu Hause können mehrmals täglich bewältigt werden.

Weitere Beschwerden werden trotz genauem Nachfragen keine mehr angegeben.

[...]

Berufsanamnese: erlernte Restaurantfachfrau mit Abschussprüfung, seit 2003 in Österreich lebend, seit 2009 Notstand bzw. AMS-Bezüge, seitdem nicht mehr gearbeitet, derzeit AMS Bezüge.

Wohnverhältnise: Eigentumswohnung mit 95 m2 im Dachgeschoss, 2,5 Stöcke, kein Lift, 52 Stufen.

[...]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

1- Eine wesentliche Bewegungseinschränkung von Seiten der Lendenwirbelsäule besteht nicht, sondern nur bei mehr als 3 Stunden andauerndem Sitzen oder Stehen diffuse Kreuzschmerzhaftigkeit. Schmerzmittel werden keine benötigt. Physiotherapie wird keine durchgeführt. Nordic-Walking wird fast jeden Tag 10 km pro Tag durchgeführt. Wahl der Positionsnummer auf Grund der gering- bis mäßiggradigen Abnützung und des leichtgradigen Wirbelgleitens, dies derzeit nicht wesentlich beschwerdeimmanent. Eine Muskellähmung oder Gefühlsstörung im Bereich der unteren Extremität besteht nicht, daher unterer Rahmensatz. Insgesamt deutliche Besserung der Schmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkung seit Letztgutachten.

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Es wurde meinerseits auf Grund einer deutlichen Besserung sowohl der Beweglichkeit, als auch des Beschwerdezustandes der Lendenwirbelsäule eine Änderung (siehe oben, inkl. Begründung) vorgenommen.

Eine höhere Einstufung ist sowohl vom funktionellen Status, als auch von der präsentierten Beweglichkeit der Wirbelsäule nicht einzustufen.

[xj Dauerzustand"

3. In einem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 18.03.2017 führte der Sachverständige Dr. R. K. W., basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, zu den Funktionseinschränkungen im Wesentlichen wie folgt aus:

"Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funkti- onseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos. Nr.

GdB %

1

Dauerhafte Schmerzen der Lendenwirbelsäule bei aktivierter Knorpelaufbrauchserkrankung des Bandscheibenraumes L4 - S1 und Wirbelgleiten L4/L5 Grad 1, sowie dauerhafte Schmerzen der Halswirbelsäule bei beginnenden Abnützungserscheinungen; Auf Grund der aktivierten Abnutzung im Bandscheibenraum L4 - S1 trotz fehlender Therapie, auf Grund der fortgeschrittenen radiologischen Veränderung;

02.01.02

30

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

entfällt

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Hüftschmerzen beidseits belastungsabhängig ohne wesentliche Bewegungseinschränkung. Schilddrüsenunterfunktion substituiert.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Im Status ist die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule etwas schlechter geworden.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Keine Änderung

x Dauerzustand

0 Nachuntersuchung , Begründung:

Frau XXXX kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

x ja 0 nein

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor :

ja nein nicht

geprüft Die / Der Untersuchte

0 x 0 ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen

0 x 0 ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

0 x 0 ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

0 x 0 ist gehörlos

0 x 0 ist schwer hörbehindert

0 x 0 ist taubblind

0 x 0 ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates

0 x 0 ist Epileptikerin oder Epileptiker

0 x 0 bedarf einer Begleitperson

0 x 0 ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial

0 x 0 ist Orthesenträgerin oder Orthesenträger

0 x 0 ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger

1) Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine

2) Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Trifft nicht zu.

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

Ja nein nicht geprüft

0 0 x Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder

eine vergleichbare schwere

Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03, GdB: ab

0 0 x Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit GdB: ab

0 0 x Erkrankungen des Verdauungssystems GdB: 30"

4. Ohne der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer Stellungnahme zu diesem Sachverständigengutachten zu geben, wurde mit dem bekämpften Bescheid vom 20.03.2017 der Antrag der Beschwerdeführerin vom 02.02.2017 abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren einen GdB von 30 % ergeben habe. Die wesentlichen Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung seien dem Sachverständigengutachten zu entnehmen, das als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Das mit dem Bescheid übermittelte Gutachten bilde einen integrierenden Bestandteil der Begründung des Bescheides.

5. In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden sei. Nach einem vorherigen Sachverständigengutachten sei ihr eine Behinderung von 50 % gewährleistet worden (dieser Pass sei 1 Jahr befristet gewesen). Mit dem Vergleich dieser Befunde sei die generelle Verschlechterung ihrer Wirbelsäule mit hinzukommenden anderen Merkmalen herauszulesen. Außerdem sei keine Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung angegeben.

6. Mit Schreiben vom 05.05.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. Mit Schreiben vom 2.11.2017 legte die Beschwerdeführerin einen Befund des Bezirkskrankenhauses St. Johann vor, dem zu entnehmen ist, dass sie dort von einer Verschlechterung berichtet hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Beschwerdeführerin stellte am 02.02.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Funktionsbeeinträchtigungen: Dauerhafte Schmerzen der Lendenwirbelsäule bei aktivierter Knorpelaufbrauchserkrankung des Bandscheibenraumes L4 - S1 und Wirbelgleiten L4/L5 Grad 1, sowie dauerhafte Schmerzen der Halswirbelsäule bei beginnenden Abnützungserscheinungen; Auf Grund der aktivierten Abnutzung im Bandscheibenraum L4 - S1 trotz fehlender Therapie, auf Grund der fortgeschrittenen radiologischen Veränderung;

Bei der Beschwerdeführerin liegt somit ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 Prozent vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung bezüglich des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz im Inland hat, wurde einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister entnommen.

Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. R. K. W. vom 18.03.2017, das den Grad der Behinderung unverändert zum Vorgutachten von Dr. P. W. vom 29.09.2014 einschätzt. Dieses Gutachten wiederum schätzt den GdB der Beschwerdeführerin im Vergleich zum Erstgutachten, das der Ausstellung eines befristeten Behindertenpasses zu Grunde gelegt wurde, auf Grund einer deutlichen Besserung sowohl der Beweglichkeit, als auch des Beschwerdezustandes der Lendenwirbelsäule nur mehr - ebenso wie das zuletzt erstellte Gutachten des Dr. R.K.W. mit 30% ein.

Ein Gutachten ist auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.

Im vorliegenden Verfahren wurde das Sachverständigengutachten vom 18.03.2017 als vollständig und schlüssig beurteilt.

Die getroffenen Einschätzungen der Dr. R. K. W. basieren auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Richtsatzverordnung.

Der Gutachter ist auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausreichend eingegangen. Insbesondere wurde ausgeführt, dass die Hüftschmerzen beidseits belastungsabhängig ohne wesentliche Bewegungseinschränkungen bestehen, sowie die Schilddrüsenunterfunktion substituiert ist und daher keinen Grad der Behinderung erreichen.

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur gekennzeichnet. Zudem wurde von der Beschwerdeführerin weder in der Beschwerde noch im Rahmen des Parteiengehörs ein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erscheinen ließ, vielmehr blieb das vom Gericht erstattete Gutachten unwidersprochen.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Nach Art. 130 Abs. 4 B-VG hat das Verwaltungsgericht in Rechtssachen nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (außer Verwaltungsstrafsachen) dann in der Sache zu entscheiden, wenn (1.) der maßgebliche Sachverhalt feststeht, oder wenn (2.) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Im vorliegenden Fall steht der für das Beschwerdeverfahren relevante Sachverhalt fest.

3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

§ 40 Abs. 2 BBG lautet: "Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. Gemäß Absatz 2 ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 45 Abs. 1 BBG gemäß unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Laut Absatz 2 des § 45 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Das von belangten Behörde beauftragte Sachverständigengutachten und die darin enthaltende Stellungnahme vom 18.03.2017 eines Facharztes für Orthopädie steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch und erfüllt die Voraussetzungen der Vollständigkeit und Schlüssigkeit.

Nachdem die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (ein Grad der Behinderung von 30% wurde nicht erreicht), war spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" die Innehabung eines Behindertenpasses voraussetzt. Da im gegenständlichen Beschwerdefall die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben waren, war es auch nicht notwendig, sich damit auseinander zu setzen ob die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist oder nicht.

Zu B):

Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Da sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf eindeutige Rechtsvorschriften gestützt hat, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (vgl. OGH 11.08.2008, 1 Ob 137/08s; 30.03.1998, 8 ObA 296/97f und 22.03.1992, 5 Ob 105/90).

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I407.2155818.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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