TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/30 G305 2165636-1

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Veröffentlicht am 30.11.2017
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Entscheidungsdatum

30.11.2017

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G305 2165636-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX vom XXXX, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) verständigte ihn daraufhin mit Schreiben vom XXXX vom Ergebnis der Beweisaufnahme und gab ihm Gelegenheit, sich zur Erlassung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung zu äußern. Am XXXX langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme des BF ein.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom XXXX gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I.).

3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der BF im Wesentlichen kurz zusammengefasst vor, dass sein Vater chronisch krank sei und daher seine Hilfe benötige. Als ältester Sohn sei er der Einzige, der arbeitsfähig und psychisch belastbar sei. Die Unterstützung durch den BF sei für seinen Vater von großer gesundheitlicher Bedeutung. Sein Naheverhältnis zu seinem Vater sei im angefochtenen Bescheid nicht anerkannt worden. Er wolle sich in Österreich integrieren, habe einen Sprachkurs auf dem Niveau A2 abgeschlossen und habe unter der Voraussetzung eines positiven Bescheides eine bindende Zusage für ein Arbeitsverhältnis.

4. Am XXXX legte die belangte Behörde die gegen den im Spruch näher bezeichneten Bescheid erhobene Beschwerde und die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: so oder kurz: BVwG) vor, wo sie der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt wurden.

5. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, anlässlich der der BF als Partei einvernommen wurde. Der als Zeuge geladene Vater des BF machte von dessen Zeugnisentschlagungsrecht Gebrauch und enthielt sich der Aussage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF wurde am XXXX in XXXX (Serbien) geboren und ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Seine Muttersprache ist Bosnisch.

Er besuchte acht Jahre die öffentliche Grundschule in XXXX (Bosnien und Herzegowina). Anschließend besuchte er keine weiterführende Schule mehr bzw. erlernte er auch keinen Beruf.

Wohl aber arbeitete er bei einem Nachbarn im Herkunftsstaat, der dort eine Landwirtschaft betreibt, als Tagelöhner und brachte sich so Kenntnisse des Maurerhandwerks und in der Landwirtschaft bei. Als Tagelöhner verdiente er im Herkunftsstaat zwischen 10 und 15 Euro täglich. Von diesen Einnahmen und auch von den Geldsendungen, die ihm sein Vater zukommen ließ, bestritt er im Herkunftsstaat den Lebensunterhalt.

1.2. Der BF ist seit dem Jahr XXXX regelmäßig nach Österreich gereist, um seinen Vater XXXX, geboren am XXXX, zu besuchen. Dieser leidet an Diabetes, Gastritis und Rückenproblemen. Zu seinem Vater hatte der BF durch dessen Besuche in Bosnien und Herzegowina stets Kontakt.

XXXX lebt seit XXXX in Österreich und verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt Familienangehöriger". Er wohnt mit seiner Ehefrau XXXX, geboren am XXXX, österreichische Staatsangehörige, und dem gemeinsamen Sohn XXXX, geboren am XXXX, österreichischer Staatsangehöriger, in XXXX. An dieser Adresse hatte auch der BF von XXXX bis XXXX für Zeiträume von etwa einem Monat bis maximal drei Monate seinen Hauptwohnsitz angemeldet. Seit XXXX ist er dort durchgehend gemeldet, aber nicht ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig.

Zuletzt reiste er am XXXX nach Österreich ein, um seine Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme abzugeben und eine Deutschprüfung abzulegen.

1.3. In seinem Herkunftsstaat leben seine Mutter, XXXX und sein Bruder, XXXX; sowie seine Großmutter, XXXX, die in einem Haus mit Garten lebt. Die Wohnanschrift des BF in seinem Herkunftsstaat lautet XXXX.

1.4. Der BF ist jung, gesund und erwerbsfähig. Im Herkunftsstaat geht er bei einem Nachbarn einer landwirtschaftlichen Tätigkeit nach. Davor arbeitete er zwei Jahre und sieben Monate bei einer Baufirma in XXXX. XXXX ging die Firma jedoch in Konkurs. Er ist in seinem Herkunftsstaat kranken- und unfallversichert.

In Österreich ging er zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Er engagiert sich ehrenamtlich im Kleintierverein XXXX wodurch er auch Freunde gefunden hat. Von einem Mitglied dieses Vereins,XXXX, hat er die schriftliche Zusage im Falle eines "positiven Bescheides" als landwirtschaftlicher Arbeiter in seinem Betrieb angestellt werden zu können. Parallel dazu liegt ihm eine zum XXXX datierte, schriftliche Einstellungszusage des Malereibetriebes Firma FXXXX GmbH vor.

1.5. Abgesehen von seinem Vater, seiner Stiefmutter und seinem Stiefbruder können keine nennenswerten weiteren familiären Bindungen des BF in Österreich festgestellt werden. Zwar ist er mit einer Frau, namens XXXX, bekannt, doch lebt er mit ihr nicht zusammen. Nach eigenen Angaben ist er weder an ihr persönlich, noch an einem Zusammenleben mit ihr interessiert. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

Auch liegen keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche berufliche oder gesellschaftliche Integration des BF vor.

1.6. Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum) und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, ergeben sich die entsprechenden Grundlagen aus dem unstrittigen Akteninhalt. Zum Beweis seiner Identität legte der BF legte einen auf seinen Namen ausgestellten Reisepass der Republik Bosnien und Herzegowina vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. Die zu seinen familiären Verhältnissen getroffenen Feststellungen gründen auf seinen Angaben in seiner schriftlichen Stellungnahme und im Rahmen seiner PV vor dem BVwG.

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Herkunftsstaates des BF beruhen auf seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und darauf, dass er die im Rahmen seiner PV gestellten in seiner Muttersprache beantwortete. Dass der BF Deutsch gelernt und Kenntnisse auf dem Niveau A2 hat, ergibt sich aus seinen glaubwürdigen Angaben in der schriftlichen Stellungnahme und dem vorgelegten Zeugnis der XXXX vom XXXX.

Die Konstatierungen zum Schulbesuch des BF in Bosnien und Herzegowina beruhen ebenso auf den glaubwürdigen Angaben in seiner schriftlichen Stellungnahme.

Die zu seinen Aufenthalten im Bundesgebiet und seinen Wohnsitzmeldungen getroffenen Feststellungen basieren auf den im Reisepass abgedruckten Stempeln und auf den Eintragungen im Zentralen Melderegister (ZMR). Aus dem ZMR lässt sich auch ersehen, dass der Vater des BF, dessen Ehegattin und der gemeinsame Sohn in XXXX gemeldet sind.

Als Nachweis für seine ehrenamtliche Tätigkeit im Kleintierzuchtverein XXXX legte er ein Empfehlungsschreiben des Obmanns, XXXX, vor. Aus dem von XXXX eigenhändig unterzeichneten Schreiben ergibt sich die Stellenzusage, unter der Voraussetzung eines "positiven Bescheides". Aus einem weiteren Schreiben der Firma FXXXX GmbH vom XXXX ergibt sich ebenfalls eine weitere Stellenzusage. Durch eine Abfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger konnte festgestellt werden, dass der BF in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachging. Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich, sodass deren Fehlen festzustellen war.

Die Feststellung, dass der BF gesund und erwerbsfähig ist, beruht auf dem Fehlen von Anhaltspunkten in Hinblick auf das Vorliegen von gesundheitlichen Problemen, dem persönlichen Eindruck, den er anlässlich seiner PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht vermittelte und auf seinem glaubwürdigen Vorbringen zu seiner Erwerbstätigkeit als Tagelöhner im Herkunftsstaat. Auf derselben Quelle gründen auch die Konstatierungen zu seiner Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat sowie zu seiner aufrechten Kranken- und Unfallversicherung in Bosnien und Herzegowina.

Auf dem aktuellen Strafregisterauszug beruht die Feststellung, dass der BF unbescholten ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A):

3.1.1. Gemäß § 55 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß § 58 Abs. 8 AsylG 2005 hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 abzusprechen. Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 begründet ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht und steht der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Er kann daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Gemäß § 16 Abs. 5 BFA-VG begründet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 3 FPG ist die Abweisung eines auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 gerichteter Antrag grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, durch die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 9 Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist.

Eine amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG 2005 ist für den Fall der Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem § 55 AsylG 2005 nicht vorgesehen (VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101), sodass die belangte Behörde richtigerweise keine solche Prüfung vorgenommen hat.

Ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF geboten ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Eine Ausweisung darf dann nicht erlassen werden, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von ihrer Erlassung. Dabei muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG normierten Kriterien ein Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art. 8 EMRK relevanten Umstände seit der Einreise des Fremden einzubeziehen.

3.1.2. Die gegen den oben näher bezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde erweist sich auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes als unbegründet:

Der BF hielt sich immer nur für kurze Zeiträume von etwa einem Monat bis maximal drei Monate in Österreich auf und kehrte immer wieder in seinen Herkunftsstaat zurück. Er verfügte nie über einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet.

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt - auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) - nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erk. des VfGH vom 09.06.2006, Zl. B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; VwGH vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423 u.v.a.). Selbst wenn der BF seinen Vater im Haushalt und in gesundheitlichen Belangen unterstützen würde, wie er im Beschwerdevorbringen behauptete, in der PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht weiter aufrecht hielt, lässt sich daraus kein relevantes, besonderes Abhängigkeitsverhältnis, zumal sein Vater auch von dessen Ehegattin und vom gemeinsamen Sohn Unterstützung erfahren kann und es diesbezüglich des BF, der über eine Ausbildung als Krankenpfleger nicht verfügt, nicht bedarf. Der Umstand, dass XXXX auch ohne die permanente Hilfe seines Sohnes zurechtkommt, wird auch dadurch untermauert, dass sich der BF nie durchgehend in Österreich aufhielt. Auch vermag die Erwähnung, dass er in Österreich eine Freundin habe, mit der er nicht zusammenlebt und an der er eigentlich kein Interesse hat, keinen Hinweis auf ein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben des BF mit dieser Frau zu liefern.

Nach der Judikatur des EGMR sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15.06.2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22.06.2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12.01.2010, A. W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff). Der Kontakt zum Vater, zur Stiefmutter und zum Stiefbruder kann auch ohne die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels aufrecht bleiben, indem der BF seine Familienmitglieder z.B. während rechtmäßiger Aufenthalte in Österreich besucht oder diese ihn in Bosnien und Herzegowina besuchen. Dazwischen kann der Kontakt über telefonische oder elektronische Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Gleiches gilt für die Aufrechterhaltung der Freundschaften zu den Mitgliedern des Kleintiervereins XXXX.

Was seine privaten Lebensumstände in Österreich betrifft, ist festzuhalten, dass schon im Hinblick auf die kurze Dauer seiner bisherigen Aufenthalte in Österreich keine Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration des BF in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht hervorgekommen sind. Auch brachte er in der Beschwerdeschrift keine Umstände vor, aus denen sich das Vorliegen einer solchen Integration in Österreich annehmen ließe. Er ist in Österreich ohne Beschäftigung. Zu seinen sind die erworbenen Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Jedoch reichen die erworbenen Deutschkenntnisse allein nicht aus, um die fortgeschrittene oder gar vollständige Integration eines Fremden in Österreich annehmen zu können, wenngleich der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich darstellen. Auch reicht seine ehrenamtliche Tätigkeit im Kleintierzuchtverein XXXX nicht aus, um von einer maßgeblichen Integration ausgehen zu können.

Wenn die belangte Behörde annimmt, dass der BF den Bezug zu seinem Herkunftsstaat nicht verloren hat, ist dies nicht zu beanstanden. Er wuchs in Bosnien und Herzegowina auf, hat dort die Schule besucht und den Großteil seines Lebens dort verbracht. Er verließ seinen Heimatstaat nur für verhältnismäßig kurze Zeiträume, um seinen Vater, seine Stiefmutter und seinen Stiefbruder zu besuchen. Er spricht die bosnische Sprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut. Er geht dort einer landwirtschaftlichen Tätigkeit nach und ist kranken- und unfallversichert. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass er an seiner Wohnanschrift Unterkunft nehmen kann.

Den Behörden zuzurechnende überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.

Im Lichte der gemäß § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgenommenen Interessenabwägung ergab sich nicht, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts durch Nichterteilen eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 überwiegen würden. Es begegnet daher auch keinen Bedenken, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nach Maßgabe der von ihr vorgenommenen Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die Nichterteilung des beantragten Aufenthaltstitels eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Da eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen wurde, kommt hier auch eine Prüfung der Frage, ob eine solche Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre, nicht in Frage.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 nicht vorliegen, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Antragsbegehren, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,
familiäre Situation, Intensität, mangelnder Anknüpfungspunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:G305.2165636.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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