Entscheidungsdatum
30.11.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
G305 2165087-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Serbien, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX vom XXXX, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Nachdem der Antrag des Beschwerdeführers (BF) vom XXXX auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit dem Zweck "Schüler" mit Bescheid des Landes XXXX vom XXXX, Zl XXXX, aufgrund des fehlenden Schulerfolgs abgewiesen wurde, stellte er am XXXX einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" gemäß § 56 Abs. 1 AsylG. In einem legte er ein Begleitschreiben vor, aus dem klar ersichtlich war, dass er einen Antrag gemäß § 55 AsylG stellen wollte. Zu diesem Antrag wurde er von Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) am XXXX niederschriftlich einvernommen. Am XXXX brachte er ergänzend einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ein.
2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom XXXX gemäß § 55 AsylG abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wurde ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt III.).
3. Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF, die er mit den Anträgen verband, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK iVm § 55 AsylG vom XXXX stattgegeben werden möge, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig erklärt werde, da sich der maßgebliche Sachverhalt zweifelsfrei aus dem Akteninhalt ergebe und auf Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Seine Beschwerde stützte er insbesondre auf die Beschwerdegründe "inhaltliche Rechtswidrigkeit" und "Verletzung von Verfahrensvorschriften" und führte in der Begründung im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass sich das BFA in der Begründung seiner Entscheidung in erster Linie auf sein letztes negatives Abschlusszeugnis bezogen und dabei die vorhergehenden positiven Leistungen übersehen habe. Da er sich anderen Verpflichtungen und Aufgaben gewidmet habe, hätte er nicht genug Zeit für die Schule aufbringen können. Er habe eine Einstellungszusage der XXXX und sei daher selbsterhaltungsfähig. Auch habe er sich gut integriert. Seine Deutschkenntnisse wolle er künftig verbessern und beabsichtige er, entsprechende Zeugnisse nachzureichen. Mit der Nichtgewährung des Aufenthaltstitels und der aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei aufgrund seines beinahe fünfjährigen Aufenthalts und seiner nachweislichen Integration ein Eingriff in das Privatleben verbunden. Er fühle sich zu Österreich zugehörig und sei mit seinem Herkunftsstaat nur noch über die Staatsbürgerschaft und den gewöhnlichen Familienkontakt verbunden.
4. Die Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am XXXX einlangten, und der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.
5. Am XXXX wurde vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich der der BF als Partei einvernommen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF wurde am XXXX in XXXX (Serbien) geboren und ist serbischer Staatsangehöriger. Seine Muttersprache ist serbisch. Er ist ledig und kinderlos.
Von XXXX bis XXXX besuchte er in Serbien die achtjährige Grundschule.
1.2. Seit dem XXXX ist er mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet und lebt seit dem XXXX im Haushalt seiner Großmutter XXXX, geb. XXXX, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EU" verfügt. Für seine Lebenshaltungskosten kommt die Großmutter auf; er ist auch bei ihr mitversichert.
Am XXXX wurde ihm erstmals eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Schüler" für die Dauer eines Jahres erteilt. Die Aufenthaltstitel wurden jährlich, zuletzt bis XXXX, verlängert.
Von XXXX bis XXXX besuchte er die Polytechnische Schule XXXX, schloss diese erfolgreich ab und erlangte dort auch ein Zertifikat für den Fachbereich Jobcollege (Deutsch, Mathematik, Berufscoaching, Softskills, Berufspraxis). Im Anschluss begann er mit dem Abendgymnasium XXXX in der XXXX, wobei er das erste Schuljahr erfolgreich abschloss. Im zweiten Schuljahr wurde er im Semesterzeugnis in fünf von sechs Fächern mit "Nicht genügend" und in einem Fach nicht beurteilt. Im Jahreszeugnis wurde er in vier von fünf Fächern negativ beurteilt und ebenso in einem Fach gar nicht beurteilt. Das Gymnasium brach er nach dem dritten Semester ab. Er begann nicht mit einer Lehre bzw. absolvierte eine solche nicht.
Auf Grund des fehlenden Schulerfolges wurde der Antrag des BF vom XXXX auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Schüler" mit Bescheid des Landes XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, abgewiesen.
Seit dem XXXX hält er sich unrechtmäßig in Österreich auf, obwohl er über seine Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise am XXXX schriftlich verständigt wurde.
1.3. Im Herkunftsstaat leben die Eltern des BF und dessen Geschwister, wobei die Eltern getrennt leben. Die Mutter des BF wohnt mit dem Stiefvater und seinen Geschwistern in einem Haus, in dem auch er bis zu seiner Ausreise wohnhaft war. Mit seiner Familie im Herkunftsstaat hat er ein- bis zweimal monatlich telefonischen Kontakt. Zuletzt war er im August 2016 bei seiner im Herkunftsstaat lebenden Familie.
1.4. Er hat in Österreich den Führerschein in den Klassen "AM" und "B" absolviert und nahm - damit einhergehend - von XXXX bis XXXX an einem Erste-Hilfe-Kurs teil. Er spricht Deutsch auf dem Niveau B1.
Während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hat er Freundschaften geknüpft.
Im Bundesgebiet lebt er im Haushalt seiner Großmutter, XXXX, die ihn auch finanziell unterstützt. Sie hat schon die Familie des BF unterstützt, als dieser noch im Herkunftsstaat lebte. Von der Großmutter abgesehen, bestehen keine weiteren familiären Bindungen des BF in Österreich. Anhaltspunkte für eine maßgebliche berufliche oder gesellschaftliche Integration liegen nicht vor. So geht der mittlerweile 20 jährige BF keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach. Er verfügt jedoch über eine Einstellungszusage einer Fahrschule als Hilfsarbeiter.
1.5. Der BF ist jung und erwerbsfähig.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: AMS) vom XXXX wurde ihm eine Beschäftigungsbewilligung für eine berufliche Tätigkeit als Gebäudereiniger für den Zeitraum von XXXX bis XXXX erteilt. Er ging in Österreich von XXXX bis XXXX sowie von XXXX bis XXXX geringfügigen Beschäftigungen als Arbeiter nach.
1.6. Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum) und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, ergeben sich die entsprechenden Grundlagen aus dem unstrittigen Akteninhalt. Zum Beweis seiner Identität legte der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht einen von der LPD XXXX ausgestellten Führerschein der Republik Österreich vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. Die zu seinen familiären Verhältnissen getroffenen Feststellungen gründen auf seinen Angaben anlässlich seiner Einvernahme vor der belangten Behörde und dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellung zu seinen Kenntnissen der Muttersprache bzw. der Sprache seines Herkunftsstaates beruht auf seinen schlüssigen Angaben und den damit übereinstimmenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Dass er Deutsch auf dem Niveau B1 spricht, ergibt sich einerseits aus dem vorgelegten ÖSD Zertifikat vom XXXX, andererseits aus dem Umstand, dass er den überwiegenden Teil der ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gestellten Fragen verstand und in deutscher Sprache zu antworten vermochte.
Die Konstatierungen zum Schulbesuch des BF im Herkunftsstaat beruhen auf seinen glaubwürdigen Angaben und auf den damit in Einklang stehenden Angaben im Lebenslauf.
Der Aufenthaltsstatus des BF kann dem Akteninhalt (eingeholte Auskunft des Zentralen Melderegisters sowie des Fremdenregisters) und dem Bescheid des XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, entnommen werden. Dass ihm sein illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet bewusst war bzw. bewusst gewesen sein musste, beruht auf der schriftlichen Information über die Verpflichtung zur Ausreise vom XXXX, die ihm von der belangten Behörde übermittelt und laut vorliegendem Zustellnachweis am XXXX persönlich übergeben wurde.
Name und Aufenthaltstitel seiner Großmutter ergeben sich aus den vorgelegten Ausweiskopien. Die Feststellung, dass er und seine Großmutter im gemeinsamen Haushalt leben, beruht einerseits auf den Eintragungen im zentralen Melderegister, andererseits auf den damit übereinstimmenden Angaben des BF vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht.
Die Konstatierungen zu seinen Schulbesuchen in Österreich basieren auf den Zeugnissen der polytechnischen Schule XXXX für die Schuljahre XXXX, XXXX, und dem Zertifikat für den Fachbereich Jobcollege vom XXXX, sowie auf den Zeugnissen des Abendgymnasiums XXXX in der XXXX für den Schulbesuch vom Wintersemester XXXX bis zum Sommersemester XXXX.
Als Nachweis für seine sozialen Bindungen in Österreich legte er eine Unterstützungserklärung in Form einer Liste vor, in der sich 55 Personen eingetragen und sich mit ihrer für den Verbleib des BF in Österreich ausgesprochen haben. Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich, sodass deren Fehlen festzustellen war.
Dass er in Österreich den Führerschein gemacht und einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat, ergibt sich aus der vorliegenden Führerscheinkopie und aus der vorliegenden Bestätigung des Österreichischen Roten Kreuzes vom XXXX.
Die Konstatierung, dass er gesund und erwerbsfähig ist, gründet einerseits auf dem Fehlen von Anhaltspunkten für gesundheitliche Probleme und andererseits auf dem Inhalt des Versicherungsdatenauszuges des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Darauf gründet auch die Feststellung, dass er bei seiner Großmutter mitversichert ist. Dass ihm eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde, ergibt sich aus dem Bescheid des AMS vom XXXX, GZ: XXXX / GF: XXXX.
Auf dem aktuellen Strafregisterauszug basiert die Feststellung, dass der BF unbescholten ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A):
3.1.1. Gemäß § 55 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
Gemäß § 58 Abs. 8 AsylG 2005 hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 abzusprechen. Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 begründet ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht und steht der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Er kann daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Gemäß § 16 Abs. 5 BFA-VG begründet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 3 FPG ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, durch die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.
Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 9 Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist.
Eine amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG 2005 ist für den Fall der Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem § 55 AsylG 2005 nicht vorgesehen (VwGH Ra 2015/21/0101), sodass die belangte Behörde richtigerweise keine solche Prüfung vorgenommen hat.
Ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der BF geboten ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Eine Ausweisung darf dann nicht erlassen werden, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Dabei muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG normierten Kriterien ein Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art. 8 EMRK relevanten Umstände seit der Einreise des Fremden einzubeziehen.
3.1.2. Die Beschwerde erweist sich auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes als unbegründet:
Demnach hält sich der BF seit ungefähr fünf Jahren in Österreich auf, wobei er nur vom XXXX bis XXXX über einen Aufenthaltstitel verfügte. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist seit dem XXXX unrechtmäßig. Da der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründet, verstieß er mit der Fortsetzung seines Aufenthalts nach dem XXXX gegen geltende fremdenrechtliche Bestimmungen.
Durch den gemeinsamen Haushalt mit seiner Großmutter und seine geschlossenen Freundschaften, liegt ein schützenswertes Privat- und Familienleben vor. Eine gewisse Relativierung ergibt sich allerdings schon daraus, dass er sich seit über einem Jahr ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufhält und er die in diesem Zeitraum erfolgten Integrationsschritte setzte, als er sich seines unsicheren Aufenthalts bewusst geworden war.
Auch wenn die Großmutter für seine Lebenshaltungskosten aufkommt, er bei ihr mitversichert ist und beide im gemeinsamen Haushalt leben, ergibt sich daraus kein derartiges Abhängigkeitsverhältnis, wodurch eine gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre, zumal der gemeinsame Haushalt verhältnismäßig kurz besteht und beide in der Lage sind, den Alltag auch ohne den jeweils anderen zu meistern. Der Kontakt zur Großmutter kann auch ohne die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels aufrecht bleiben, indem er seine Großmutter z.B. während rechtmäßiger Aufenthalte in Österreich besucht, oder sie ihn in Serbien aufsucht. Dazwischen kann der Kontakt über telefonische oder elektronische Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden.
Unter einem Privatleben iSd Art. 8 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR das Netzwerk persönlicher, sozialer und ökonomischer Beziehungen zu verstehen, die das Privatleben eines jeden Menschen ausmachen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der BF in Österreich einen gewissen Freundeskreis hat. Die Kontakte zu seinen Freunden könnten ebenfalls ohne Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels im Rahmen wechselseitiger Besuche gepflegt werden.
Zu Gunsten des BF ist seine partielle Integration auszulegen, die sich insbesondere in seinen Deutschkenntnissen und seiner teilweise in Österreich absolvierten Ausbildung zeigt. Ein Engagement in Vereinen oder eine ehrenamtliche Tätigkeit liegt nicht vor. Eine nachhaltige Integration des BF am österreichischen Arbeitsmarkt ist ebenso nicht erfolgt, auch wenn er kurzfristig erwerbstätig war.
Wenn die belangte Behörde annimmt, dass er den Bezug zu seinem Herkunftsstaat nicht verloren hat, so begegnet dies keinen Bedenken. Er wuchs im Herkunftsstaat auf und verbrachte dort den Großteil seines Lebens. Während seines Aufenthalts in Österreich kehrte er regelmäßig nach Serbien zurück, um seine Eltern und Geschwister zu besuchen. Er ist der serbischen Sprache mächtig und mit den Gepflogenheiten im Herkunftsstaat vertraut. Er wird auch künftig in der Lage sein, sich in Serbien ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass er von seiner im Herkunftsstaat lebenden Familie in Serbien sozial und finanziell unterstützt wird und wieder im Haus seiner Mutter wohnen kann.
Den Behörden zuzurechnende überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden normierenden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung kommt ein hoher Stellenwert zu. Die belangte Behörde ist bei der hier vorzunehmenden Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen im Ergebnis zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen schwerer wiegt, als die privaten Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich. Die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels ist trotz der aufgezeigten Integrationsmomente nicht zur Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens geboten, zumal er sich nur über einen Zeitraum von vier Jahren rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. In Anbetracht seiner grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit und seiner Kenntnisse der serbischen Sprache ist davon auszugehen, dass er BF in der Lage sein wird, im Herkunftsstaat für seinen Unterhalt aufzukommen, zumal er dort auch Zugang zu den vorhandenen (wenn auch bescheidenen) öffentliche Leistungen und zur Gesundheitsversorgung hat.
Die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 liegen somit nicht vor, sodass der diesbezügliche Antrag abzuweisen und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen war. Die Gründe, warum die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist, decken sich mit den Überlegungen zur Abweisung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005. Der Teil der gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids gerichteten Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
3.1.3. Gemäß § 50 Abs 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch die Bestimmungen des Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würden oder für den Fremden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit der fremden Person aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre. Gemäß § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in eine Staat unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist seine Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der Situation in Serbien und seiner Lebensumstände keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert behauptet. Vielmehr räumte er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht ein, dass er den Herkunftsstaat lediglich deshalb verlassen hätte, um bei seiner im Bundesgebiet lebenden Großmutter zu leben. Weitere Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates wurden nicht vorgebracht. Es war daher auch der gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.1.4. Der mit "Frist für die freiwillige Ausreise" betitelte § 55 FPG lautet wie folgt:
"§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht."
Die im angefochtenen Bescheid festgelegte Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, kam im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht hervor.
3.1.5. Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Antragsbegehren, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:G305.2165087.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.12.2017